André Trepoll

Appearances

20/15 20/24 20/28 20/38 20/43 20/45 20/48 20/49 20/50 20/51 20/52 20/53 20/54 20/55 20/59 20/60 20/62 20/63 20/66 20/67 20/72 20/74 20/76 20/77 20/79 20/99 20/103 20/106

Last Statements

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kaum ein Thema hat die Hamburger Öffentlichkeit im letzten Jahr so bewegt und aufgewühlt wie Yagmurs Schicksal. Der Tod eines Kindes ist eine entsetzliche Katastrophe. Im Fall von Yagmur umso mehr, da sie von den eigenen Eltern getötet wurde und nicht ausreichend von den Stellen geschützt war, die für uns, die Gesellschaft, den Schutz von Kindern gewährleisten und verbessern sollen. Alles zu erwähnen, was wir, die Abgeordneten des PUA "Yagmur – Kinderschutz in Hamburg", in den neun Monaten erfahren und erarbeitet haben, ist heute und an dieser Stelle natürlich nicht möglich. Deshalb will ich auf einige ausgewählte Dinge zu sprechen kommen.
Der PUA "Yagmur" hatte zum Ziel, umfassend aufzuklären, wie es trotz klarer gesetzlicher Vorgaben und der hohen Sensibilität durch wiederholte Todesfälle von Kindern in Hamburg erneut zum Versagen des staatlichen Schutz- und Wächteramtes kommen konnte.
Erstens: Es war richtig, diesen PUA einzusetzen. Wir haben Missstände im Hamburger Kinderschutzsystem aufgedeckt und benannt. Wir konnten einvernehmlich mehr als 30 Verbesserungsvorschläge im Bereich Kinderschutz in Hamburg erarbeiten. Diese Vorschläge erstrecken sich von Änderungen bundesgesetzlicher Regelungen bis zu Aufklärungskampagnen für Ärzte. Auffällig dabei ist aus meiner Sicht, dass die Empfehlungen sich an fast alle im Fall Yagmur beteiligten Stellen wenden. Ich will einige auszugsweise nennen.
Künftig keine Rückführung mehr bei länger bestehender Gewaltproblematik mit latenter Gefährdung von Kindern; klare, zeitliche Vorgaben für die Rückführungsentscheidungen; die Ausgabe des Priorität-10-Gutscheins wird zukünftig an Informationen an Erzieher über bestehende oder zurückliegende Kindeswohlgefährdung und konkrete Gefährdungslage des Kindes geknüpft. Bei familiengerichtlichen Verfahren ist dem Familiengericht die gesamte Fallakte durch den ASD, analog zu sozialgerichtlichen Verfahren, zu übermitteln. Verbindliche Einbeziehung des Rechtsamtes bei familiengerichtlichen Verfahren in Fällen von Kindeswohlgefährdung; verbindliche Vorstellungen beim Kinderkompetenzzentrum bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung; verbindliche Vorladung und Vernehmung durch Polizei und Staatsanwaltschaft bei
Verdacht auf Kindeswohlgefährdung sowie stärkere Professionalisierung der eben genannten Stellen. Empfohlen wird auch die Verbesserung der Arbeitssituation beim ASD, Fallbemessung und Fertigstellung sowie Einführung des Personalbemessungssystems; verbindliche Gutachtenerstellung über die Erziehungsfähigkeit der Eltern vor Rückführung. Das sind einige kurz genannte Empfehlungen, die wir Ihnen heute vorlegen, und wir bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen.
Zweitens: Der Zusammenhang zwischen individuellen Fehlern und den durch die BASFI zu verantwortenden politischen und finanziellen Rahmenbedingungen hat am Ende des PUAs für unterschiedliche Bewertungen gesorgt. Fakt ist, dass wir die entscheidenden Mitarbeiter des ASD nicht als Zeugen vernehmen konnten; sie konnten die Aussage verweigern. Andere ASD-Mitarbeiter wollten aus Angst vor Konsequenzen nicht vor unserem Untersuchungsausschuss aussagen. Die Indizien aber für diesen Zusammenhang, dass also die Fehler und die Rahmenbedingungen verantwortlich sind, sind aus meiner Sicht erdrückend. Die Reduzierung der Dokumentationspflichten im Bezirksamt Hamburg-Mitte und die Untätigkeit und Nachlässigkeit in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit der Hamburger Jugendämter durch Senator Scheele sind dafür klare Beweise. Herr de Vries wird das gleich noch weiter ausführen.
Ich bleibe bei meiner Aussage, Herr Scheele, Bedauern allein ersetzt keine politische Verantwortung, und die hätten Sie übernehmen müssen.
Weil dieser Punkt auch in der Diskussion aufgekommen ist: Rücktritte entscheiden sich nicht an persönlicher, sondern an politischer Verantwortung. Und die politische Verantwortung ist eine stellvertretende Verantwortung für eine Institution oder Einrichtung. Ich glaube, das wäre zusätzlich zu unserer Arbeit ein wichtiger Schritt gewesen, damit die Menschen in unserer Stadt das Vertrauen in unser Kinderschutzsystem wiedergewinnen können.
Drittens: Ich möchte mich bei den Abgeordneten für die stets gute und konstruktive Zusammenarbeit während der Ausschussarbeit bedanken. Die Abstimmung mit den Obleuten der Fraktionen, denen ich einen besonderen Dank aussprechen möchte, funktionierte zeitnah und ergebnisorientiert. Weiterhin empfand ich die Beratungen und die Beweisaufnahme im Ausschuss als sehr sachlich und von dem Gedanken getragen, neben der Sachaufklärung immer ein Auge auf den Kinderschutz zu haben und gemeinsam nach möglichen Verbesserungen zu suchen.
Meine Damen und Herren! Mein Dank gilt ebenfalls dem Arbeitsstab unter der Leitung von Dr. Jäger. In Anbetracht der kurzen, anspruchsvollen Zeit für
den Untersuchungszeitraum haben sich die Mitarbeiter schnell und präzise eingearbeitet, für die Zeugenvernehmungen hilfreiche Fragenkataloge erarbeitet und zum Abschluss einen Berichtsentwurf vorgelegt, der von fast allen Fraktionen als Grundlage in großen Teilen befürwortet wurde.
Die Ermittlungen des Ausschusses haben die Abgeordneten auch vor sehr schwierige Aufgaben gestellt. So war die Lektüre der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte nach dem Tode Yagmurs mehr als bedrückend, genauso wie die von Herrn Professor Püschel benannten schwerwiegenden Verletzungen und Misshandlungen von Yagmur, denen sie sich in den letzten Monaten ihres kurzen Lebens ausgesetzt sah.
Festzuhalten bleibt die Feststellung des Ausschusses, dass der Tod Yagmurs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können, insbesondere, wenn die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten staatlichen Stellen besser funktioniert hätte. Auch die mangelhafte Kommunikation der beteiligten staatlichen Stellen hatte einen Einfluss auf das Leben von Yagmur und ihren letztendlichen Tod.
Meine Damen und Herren! Eine hundertprozentige Sicherheit kann es leider nicht geben. Aber der Staat ist in der Verantwortung, dass Kinder, die bereits unter staatlicher Obhut sind, nicht zu Tode kommen. Dafür liefert der Abschlussbericht viele konkrete Vorschläge, die nun von uns und von den zuständigen Stellen schnellstens umgesetzt werden müssen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Den Feueralarm habe ich wohl verpasst, aber noch sind ja einige da.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Gestatten Sie mir, zu Anfang eine kurze persönliche Anmerkung zu machen. Liebe Frau Schiedek, Sie sind in diesem Jahr zum ersten Mal Mutter geworden. Zeitgleich mussten Sie sich den nicht unerheblichen Herausforderungen Ihres Amtes stellen. Das, und wie Sie persönlich damit auch in der Öffentlichkeit umgegangen sind, hat mir gut gefallen und mich auch beeindruckt.
Meine Damen und Herren! Nun kommen wir zum Justizhaushalt. Leider hat Frau Senatorin Schiedek nach fast vier Jahren im Amt sinnbildlich immer noch keine Muttergefühle für den Justizbereich entwickelt.
Sicherlich hat bei Ihnen in der öffentlichen Wahrnehmung der Justizpolitik Ruhe die oberste Priorität, denn statt politischem Handeln herrscht in Sachen SPD-Justizpolitik seit vier Jahren eine nahezu lethargische, gefährliche Gleichgültigkeit. Sie, liebe Frau Schiedek, haben das System Scholz – verwalten statt gestalten – gnadenlos auf die Hamburger Justizpolitik übertragen.
Damit genießen Sie sicherlich Unterstützung bei den Genossen,
stoßen aber in der Hamburger Justizlandschaft auf breite Ablehnung.
Der vom Senat vorgelegte Einzelplan 2 unterstreicht geradezu Ihre politische Lethargie. Trotz aller öffentlichen Proteste und Warnungen vonseiten der Gerichte und der Staatsanwaltschaften versuchen Sie mit aller Kraft, noch mehr Saft aus der Zitrone zu quetschen, und das in einem Bereich, der schon jetzt teilweise am Rande seiner Funktionsfähigkeit agiert. Dieses ist kein Verdienst, sondern politisches Versagen auf Kosten des verlässlichen Rechtsstaates. Lediglich einmal haben Sie, Frau Schiedek, in den vergangenen vier Jahren eine weitreichende Entscheidung im Justizbereich gefällt, und zwar in der Frage der Gefängnisstruktur. Sie haben gegen den Rat aller Experten und aller anderen Fraktionen in diesem Haus entschieden, die gut funktionierende Frauenvollzugsanstalt aus der JVA Hahnöfersand in die Männeranstalt Billwerder zu verlagern. Sie haben auch damals mein Angebot für einen gemeinsamen Gefängnisstrukturfrieden, also eine durch breiten Konsens getragene Entscheidung, ausgeschlagen. Dieses wird sich rächen, denn nach der Neuwahl werden wir diese Frage sicherlich wieder auf dem Tisch haben. Wenn man sich die Wahlprogramme aller anderen Parteien anschaut, dann ist das zwangsläufig. Da haben Sie einmal etwas entschieden und dann noch nicht einmal richtig. Das ist schon bitter, aber diese Erfahrung war für Sie anscheinend Anlass, zukünftig keine weitreichenden Entscheidungen im Justizbereich mehr zu treffen, sondern nur noch die Einsparpolitik des SPD-Senats zu exekutieren.
Meine Damen und Herren! Bereits in den letzten Haushaltsberatungen habe ich auf die Arbeitsbelastung bei der Staatsanwaltschaft und den Gerichten hingewiesen. Unsere Kritik stieß bei der SPD leider auf taube Ohren. Unsere damaligen Haushaltsanträge für eine bessere Personalausstattung haben Sie vollständig abgelehnt. Eine durchschnittliche Wochenarbeitszeitbelastung von fast 48 Stunden haben unsere Hamburger Staatsanwälte – deshalb auch der öffentliche Alarmruf der Staatsanwaltschaften in Form eines Briefes des Generalstaatsanwalts und des Leitenden Oberstaatsanwalts, die sich gegen weitere Einsparverpflichtungen gewandt haben und sogar befürchten, ihren rechtsstaatlichen Aufgaben in Zukunft nicht mehr gerecht werden zu können. Sie, Frau Schiedek, haben erst aufgrund dieses öffentlichen Drucks vor 14 Monaten eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine – ich zitiere –
"Verbesserung von Abläufen und Strukturen sowie der Arbeitszufriedenheit innerhalb der Staatsanwaltschaften"
erreichen soll. Konkrete Ergebnisse und Handlungsfolgen liegen jedoch nach über einem Jahr immer noch nicht vor. Der Senat spricht lediglich davon, dass der bislang vorliegende Berichtsentwurf – ich zitiere –
"eine Reihe von Maßnahmen, durch die nach Ansicht der Projektgruppe die Effizienz der Staatsanwaltschaft gesteigert werden könnte",
beinhaltet.
Für die weiterhin hochbelasteten Staatsanwälte muss dieses geradezu wie blanker Hohn klingen. Sie können noch so viele Effizienz-, Arbeitszufriedenheits-, Steigerungs- oder Lenkungsdiskussionsgruppen einrichten, an einem kommen Sie letztendlich nicht vorbei: Hamburg braucht mehr Staatsanwälte.
Meine Damen und Herren! Bereits 2012 äußerten die Gerichtspräsidenten während der Haushaltsberatungen im Justizausschuss und auch in der Öffentlichkeit, dass die Gerichte die Grenze der Belastbarkeit erreicht haben. Sie, Frau Schiedek, sahen jedoch keinen Handlungsbedarf. Das Ergebnis dieser fatalen Lethargie ist, dass sich die Situation an den Gerichten bis heute nicht verbessert, sondern vielmehr noch weiter verschärft hat. Während der jüngsten Haushaltsberatungen im Justizausschuss über den Haushaltsplan-Entwurf, den wir debattieren, haben die Gerichtspräsidenten die dramatische Situation der Hamburger Gerichte wiederum sehr ausführlich geschildert. Dem unbeachteten Hilferuf von vor über zwei Jahren folgt mittlerweile eine gewisse Resignation darüber, dass die Gerichte trotz angespannter Situation, weiter ansteigender Verfahrensdauern, ständig ansteigender Komplexität der Verfahren und einer daraus resultierenden Überlastung aller Mitarbeiter und Richter trotzdem weiterhin Einsparverpflichtungen vonseiten des SPD-Senats unterliegen. Was muss noch passieren, damit Sie endlich reagieren und erkennen, dass die Grenze der Belastbarkeit bereits lange überschritten ist?
Wir stellen daher einen Antrag, um die Personalausstattung für Hamburgs Gerichte und Staatsanwaltschaften bedarfsgerecht zu erhöhen, sodass diese ihrer Arbeit in ausreichendem Maße nachkommen können. Damit nicht gleich wieder der Vorwurf der hohen Mehrausgaben erhoben wird, sagen wir auch dezidiert, wie wir die Mehrausgaben gegenfinanzieren. Wir machen damit gern Ihre Arbeit, liebe Hamburger Sozialdemokraten, Sie brauchen nur noch zuzustimmen.
Meine Damen und Herren! Auch im Strafvollzug geht es drunter und drüber. Florierender Drogenhandel, Schmuggel, Ausbruch, Entweichungen, Fluchtversuche, ansteigende Gewalt unter den Insassen und gegen Strafvollzugsbedienstete und zuletzt Bestechung von leitenden Mitarbeitern. Die Liste der Vorkommnisse in den Hamburger Justiz
vollzugsanstalten ist zu lang und meine Redezeit zu kurz, um sie hier umfangreich zu schildern. Dabei ist doch offensichtlich, dass die katastrophalen Zustände der totalen Überlastung des allgemeinen Vollzugsdienstes geschuldet sind. Aber auch hier ist keinerlei Abhilfe erkennbar; stattdessen reagiert bei Ihnen die Methode "Augen zu und durch".
Auch beim wichtigen Thema Opferschutz steht es schlecht um Ihr Engagement – deshalb unser Antrag. Es kann nicht sein, dass Opfer in Hamburg überwiegend von studentischen Hilfskräften betreut werden und keine angemessene Unterstützung bekommen.
Meine Damen und Herren! Gäbe es nicht in unseren Gerichten, bei der Staatsanwaltschaft, im Strafvollzug sowie in der Justizbehörde viele engagierte Menschen, die mit großem Fleiß und Einsatz ihre Arbeit tun, ginge der Rechtsstaat schnell in die Knie. Diesen Frauen und Männern herzlich zu danken, dafür bietet die Haushaltsdebatte eine gute Gelegenheit, und diesen Dank möchte ich damit für die CDU-Fraktion ausdrücklich aussprechen.
Meine Damen und Herren! Justizpolitik braucht aber eben auch Leidenschaft und Einsatz. Das sind wir nicht nur den Justizangehörigen schuldig, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt. Ihre Politik und Ihr Haushalt, Frau Schiedek, werden diesen Anforderungen allerdings nicht gerecht. Wir können deshalb dem hier vorgelegten Justizhaushalt nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.
Und täglich grüßt das Murmeltier. Das war der gleiche Vorwurf von Frau Schiedek wie bei der letzten Haushaltsdebatte. Frau Schiedek, natürlich machen die Mitarbeiter in der Justiz gute Arbeit, aber nicht wegen Ihrer politischen Führung, sondern trotz der Rahmenbedingungen, die Sie dafür zur Verfügung stellen.
Und Sie loben sich dafür, dass Sie mehr Gerichtsgebühren einnehmen, aber von den 20 Millionen Euro kommt bei den Gerichten nichts an. Da gibt es keine zusätzlichen Stellen, das muss man sich einmal vorstellen. Das ist wirklich grenzwertig und auch die Ausführungen von Herrn Tabbert, im Klein-Klein zu bleiben. Ihre Reden waren fast deckungsgleich mit der der Justizsenatorin, ich weiß nicht, wer da von wem abgeschrieben hat, aber das ist schon bedenklich. Bei den anderen Haushaltsdebatten ist man als Fachpolitiker meistens nicht ganz so im Thema, und da habe ich bei den Kollegen der SPD noch gedacht, dass das zum Großteil auf Verdrängung zurückzuführen sei. Bei Herrn Tabbert und bei Ihnen weiß ich, dass Sie die Informationen haben. Juristisch gesprochen ist das Vorsatz, was Sie da tun. Sie wissen doch ganz genau, wie es um die Justiz steht.
Ich nenne noch einen Punkt, ein Zitat des Präsidenten des Amtsgerichts Hamburg in den Haushaltsberatungen. Die Mitarbeiter hätten ihm, sagte er, die Situation in einigen Bereichen als für sie sehr drastisch beschrieben und gesagt, entweder man gibt auf oder man wird krank. Das sei bei ihnen jetzt ein ganz düsteres Bild. Es seien bei ihnen nur Einzelfälle, aber ihre Sorge sei, dass sie von diesen Einzelfällen mehr bekämen, wenn sie tatsächlich weitere Einsparungen leisten müssten.
Dass das von Ihnen so negiert und überhaupt nicht anerkannt wird, dass in Ihrer Rede dazu kein Wort gesagt wird, Herr Tabbert, ist nicht nur Verdrängen, sondern das ist vorsätzlich, wie Sie mit der Hamburger Justiz umgehen.
Ich komme zum Schluss zu den Anträgen. Wenn man gefragt wird, ob man als Oppositionspolitiker überhaupt etwas bewirken könne, dann sagt man, man freue sich, wenn man etwas bewirken könne. Sie haben auf unseren Antrag reagiert, die Verwaltungsgerichte aufgrund der gestiegenen Asylverfahren besser auszustatten. Das ist auch ganz klar herleitbar, Sie haben im Prinzip die gleiche Finanzierung gewählt wie wir. Ich kann mir vorstellen, dass Herr Dressel da ein bisschen unterstützt hat. Das Interessante dabei ist allerdings, dass Sie die Stellen, die beim Verwaltungsgericht geschaffen werden, befristen. Das heißt, die Stellen werden für zwei Jahre befristet.
Im Umkehrschluss bedeutet das, Sie können uns jetzt schon sagen, wann die Krisen auf der Welt zu Ende sind, nämlich in zwei Jahren. Dann kommen keine Flüchtlinge mehr zu uns, dann haben wir keine Asylverfahren mehr und die Stellen sind wieder weg. Ich finde, das ist eine beachtliche Leistung. Wenn wir das auf den gesamten Bereich übertragen können, dann haben wir wieder Freiräume, die wir nutzen können. Das ist wirklich für eine Regierungsfraktion – jetzt muss ich mich zusammenreißen, ich sage es trotzdem – erbärmlich, Herr Dressel. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mir war klar, wenn Herr Dressel vor mir spricht, dann brauche ich allzu viele inhaltliche Ausführungen nicht zu machen, wenn wir einen Gesetzentwurf gemeinsam beraten und besprochen haben. Deshalb werde ich versuchen, ein bisschen Zeit wieder hereinzuholen.
Das Wort Karenz hat seinen Ursprung im Lateinischen und bedeutet Entbehrung und Verzicht.
Vielen Dank, Frau Schneider, ich musste das allerdings nachschauen, obwohl ich das Große Latinum habe, aber das ist schon länger her.
Entbehrung und Verzicht, Frau Schneider, das ist der Begriff für die Dinge, die uns in der Politik nicht ganz unbekannt sind. Deshalb sind es aber auch besondere Tugenden, und dass wir sie zur Anwendung bringen, halte ich für grundsätzlich richtig. Wir sind auch froh, dass die umfangreicheren Vorstellungen der LINKEN nicht erfüllt wurden, wie es einmal geplant war. Wir hätten das auch nicht mitgemacht, das hatten wir schon bei der Einbringung Ihres Antrags deutlich gemacht. Jetzt haben wir die Regelung, dass zukünftig während der Dauer von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Amt eine Festanstellung in der Privatwirtschaft dem Senat gegenüber angezeigt werden muss. Im Falle einer konkreten Gefahr der Interessenkollision im Hinblick auf die vorherige Amtstätigkeit soll der Senat eine bis zu zweijährige Untersagung ausspre
chen können. Ich betone konkrete Gefahr, es muss also schon besonders begründet sein, da reicht kein bloßer Verdacht.
Da die Gefahr einer Interessenkollision dort nicht in gleichem Maße besteht, ist der öffentliche Sektor bei der Aufnahme einer Berufstätigkeit von der Anzeigepflicht ebenso ausgenommen – das war auch der Hinweis Richtung FDP von Herrn Dressel – wie freiberufliche Tätigkeiten. Zu freiberuflichen Tätigkeiten verweist unser Gesetzentwurf auf die entsprechenden Regelungen zur Vermeidung von Interessenkollisionen in den Berufsordnungen der jeweiligen Berufe. Das Mandantenverhältnis hat Herr Dr. Dressel angesprochen. Ich verhehle nicht, dass uns als CDU das ein ganz besonders wichtiger Punkt war.
Ebenso wichtig ist es, dass keine grundsätzlichen Interessenkollisionen zwischen Politik und Wirtschaft unterstellt werden, dass es kein Berufsverbot für ausscheidende Regierungsmitglieder gibt – was auch gar nicht durchsetzbar wäre, Stichwort Berufsfreiheit – und dass eine Durchlässigkeit zwischen Wirtschaft und Politik in beiderlei Richtungen weiterhin möglich sein muss. Ich glaube, davon profitieren beide Seiten.
Aber eines sage ich zum Schluss noch ganz deutlich: Wir dürfen gemeinsam Äußerungen nicht so stehenlassen, die besagen, dass allein schon ein Wechsel von der Politik in die Wirtschaft das Vertrauen der Menschen in die Demokratie erschüttert. Das ist falsch. Nicht ein solcher Wechsel beschädigt langfristig unsere Demokratie, sondern Amtsträger pauschal zu verdächtigen, einer Versuchung im Zweifel nicht widerstehen zu können und damit quasi Käuflichkeit im Vorwege zu unterstellen, beschädigen unsere Demokratie.
Das ist nicht so, und das wird in unserem Gesetzentwurf noch einmal deutlich klargestellt. Deshalb kann die CDU-Fraktion ihn auch mit gutem Gewissen mittragen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! DIE LINKE fordert im vorgelegten Antrag, dass Senatsmitglieder nach ihrem Amt zwei Jahre lang keiner Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes nachgehen dürfen, insbesondere, wenn ein Zusammenhang mit der ausgeübten dienstlichen Tätigkeit besteht. Bei ehemaligen Staatsräten gehen Sie gleich grundsätzlich von einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessen aus, wenn die beabsichtigte Tätigkeit in einem Zusammenhang mit dem früheren Senatsressort steht.
Auf Bundesebene werden mittlerweile Regelungen für Karenzzeiten ausgeschiedener Regierungsmitglieder diskutiert. Anstatt sich an der gebotenen Debatte sachlich zu beteiligen, kommt DIE LINKE in Hamburg mit einem Antrag daher, der viele Vorbehalte und Vorurteile gegenüber der Politik bedient und eine grundsätzliche Interessenkollision zwischen Politik und Wirtschaft unterstellt. Der Antrag der LINKEN ist so pauschal, dass dieser faktisch einem zweijährigen Berufsverbot für ausgeschiedene Regierungsmitglieder gleicht.
Der LINKEN mag das nicht sonderlich wichtig sein, aber wir glauben, dass eine Durchlässigkeit zwi
schen Wirtschaft und Politik in beiderlei Richtungen weiterhin möglich sein muss.
Der Vorschlag der SPD, der vorsieht, dass ehemalige Senatsmitglieder ihre zukünftige Erwerbstätigkeit gegenüber dem Senat nur anzeigen und dieser die Beschäftigung bei erkannter Interessenkollision untersagen kann, dient schon eher dem angemessenen, sachlichen Umgang mit dem Thema, auch wenn die Umsetzung sicher genauso schwierig wäre.
Bei allen vorgebrachten Regelungsvorschlägen bleiben viele offene Fragen. Wie und von wem soll der Begriff des Zusammenhangs zwischen angestrebter Erwerbstätigkeit und dienstlicher Tätigkeit definiert werden,
und was bedeutet das konkret? Könnte ein Kultursenator nicht Intendant eines privaten Theaters werden, das staatliche Zuschüsse bekommt? Das sind Fragen, die wir uns stellen müssen. Was ist mit dem Ersten Bürgermeister, dessen dienstliche Tätigkeit sich nicht nur auf einen Bereich beschränken lässt, wie soll mit ihm umgegangen werden? Was machen wir mit Herrn Scholz in einem Jahr, wenn er nicht mehr Regierungsverantwortung trägt?
Darüber machen wir uns ernsthaft Sorgen. Wir möchten nicht, dass er dann einfach zwei Jahre lang die Füße hochlegt.
Wann soll man von einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ausgehen, und warum wird eine Frist von 24 Monaten für angemessen gehalten? Wie wäre ein von den LINKEN gefordertes faktisches Berufsverbot mit dem Verfassungsgrundsatz der Berufsfreiheit vereinbar?
Wo soll das Geld für die dann notwendige Alimentation während der Karenzzeit mit Übergangsgeld herkommen? Auch das sind Fragen, die wir uns stellen müssen. Wir müssten dann die komplette Senatsbank zwei Jahre mit Steuergeldern bezuschussen. Welche Entwicklung kann das für unsere politische Führung haben, und wäre Hamburg wirklich besser dran, wenn sich für Senatoren posten bald nur noch, bei aller Wertschätzung, Lehrer und Beamte interessieren würden?
Und der umgekehrte Fall, Frau Heyenn: Warum wird bei einem Wechsel von der Wirtschaft in die Regierung offenbar kein Geschmäckle von Ihnen gesehen, und wieso fordern Sie dort keine Abkling
phase? Warum wollen Sie zudem einem ehemaligen Arbeitsminister oder Senator nicht den Wechsel an die Spitze einer Gewerkschaft verbieten? Nur weil Ihnen dieser Wechsel politisch besser in den Kram passt? Wie soll diese von Ihnen geforderte abstrakte Regelung jedem Einzelfall gerecht werden? Wer ist als Nächstes dran, und was ist mit uns Abgeordneten? Wann entscheiden wir darüber, welche dienstliche Tätigkeit wir im Anschluss an unser Abgeordnetenmandat ausüben können?
Ich frage mich daher, ob die angestrebte Regelung der LINKEN nicht bloße Symbolik ist.
Diese und weitere Fragen werden wir in den kommenden Ausschussberatungen zu diskutieren haben. Es ist daher richtig, den Antrag zur weiteren Beratung an den Verfassungsausschuss zu verweisen. Ebenso sollten wir die Debatte, die auf Bundesebene zu dem gleichen Thema läuft, mitverfolgen. Eine möglichst einheitliche, klare und transparente Regelung für alle Parlamente wäre als Ergebnis wünschenswert.
Eines sage ich zum Ende deutlich, Frau Heyenn: Wenn Sie sagen, dass ein Wechsel von der Politik in die Wirtschaft das Vertrauen der Menschen in die Demokratie erschüttert, dann ist das falsch. Nicht ein solcher Wechsel beschädigt langfristig unsere Demokratie, sondern ein Gesetz, wie Sie es vorschlagen, würde das tun, indem es jeden Amtsträger pauschal verdächtigt, einer Versuchung im Zweifel nicht widerstehen zu können. Es unterstellt Käuflichkeit quasi im Vorwege.
Das ist mit uns nicht zu machen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Schon Konfuzius hat gesagt, dass der Mensch dreierlei Wege hat, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat am 27. November vergangenen Jahres entschieden, dass die bereits seit fast zwei Jahren andauernde Dauerobservation eines entlassenen ehemaligen gefährlichen Sicherungsverwahrten auf Basis der geltenden Rechtsgrundlage rechtswidrig ist. Das Verwaltungsgericht gab damit der Klage des entlassenen Sicherungsverwahrten nach.
Bürgermeister Olaf Scholz und die Hamburger SPD betonen seit der letzten Wahl immer wieder, dass Hamburg nun endlich gut regiert werde, jedoch muss man daran von Tag zu Tag mehr Zweifel haben. Bezogen auf das Zitat von Konfuzius zu Anfang muss man feststellen, dass sich der SPDSenat auch in diesem Fall wiederum für die dritte und bitterste Variante des Handelns entschieden hat. Offensichtlich werden Sie nur aus Erfahrung einigermaßen klug. Hätte die SPD nachgedacht, dann wäre es erst gar nicht zu dieser völlig falschen Entscheidung für den Standort Moorburg für die entlassenen Sicherungsverwahrten gekommen. Mit dieser teuren Fehlentscheidung verbunden war auch die Zusage des Innensenators Neumann, die polizeiliche Dauerobservation aller entlassenen und im Moorburger Wohngebiet untergebrachten ehemaligen gefährlichen Sicherungsverwahrten dauerhaft sicherzustellen. Diese Zusage, Herr Neumann, wurde vermutlich bereits in dem Bewusstsein gegeben, dass eine Dauerobservation auf der derzeitigen Rechtsgrundlage keinen Bestand haben wird. Aber um beim guten Regieren zu bleiben: Der SPD-Senat hätte spätestens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 erkennen müssen, dass die Zusage einer Dauerobservation ohne entsprechen
de Rechtsgrundlage nicht zulässig ist. Geschehen ist jedoch nichts. Man blieb bei der Haltung, dass die geltenden Regelungen ausreichend seien. Bereits Anfang des vergangenen Jahres hat die CDUFraktion einen entsprechenden Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, um auf diese offensichtliche Gesetzeslücke hinzuweisen, und der SPD-Senat sollte eine entsprechende detaillierte Ermächtigungsgrundlage ausarbeiten, um diese dann in Ruhe parlamentarisch bewerten und beschließen zu können. Der Bürgerschaft sollte darüber innerhalb einer angemessenen Frist berichtet werden.
Meine Damen und Herren! Die SPD in diesem Hause hätte also im Sinne des Zitats klug, zumindest aber nachahmend handeln können, wenn sie unseren Antrag zum Anlass genommen hätte, parlamentarisch umfangreich und mit ausreichender Zeit zu einem Ergebnis zu kommen, das die polizeiliche Dauerobservation weiterhin rechtlich ermöglicht hätte. In meiner Rede hier an dieser Stelle am 13. Februar vergangenen Jahres habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Handeln in der Sache dringend geboten ist. Passiert ist vonseiten der SPD-Mehrheit in diesem Hause jedoch nichts. Das hat sogar dazu geführt – Herr Tabbert, Sie haben die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch gelesen –, dass das Verwaltungsgericht in seiner Begründung auf unsere Bürgerschaftsdebatte Bezug genommen hat. Ich will einmal aus der Urteilsbegründung zitieren:
"Dies"
also der Umstand, den ich gerade beschrieben habe –
das war ich –
"auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hinwies und die Fraktionen die Angelegenheit anschließend in den Innenausschuss verwiesen haben."
Dort haben Sie, Herr Neumann, mithilfe Ihrer SPDKameraden die Entscheidung unnötig verzögert und damit den Beschluss des Gerichts geradezu provoziert. Ich sage das, weil Herr Neumann diese Sprache, glaube ich, am besten versteht. Womit wir dann wieder bei der bittersten Variante des Handelns angekommen wären, der Erfahrung. Der SPD-Senat muss nun vom Verwaltungsgericht Hamburg erfahren, dass sein Handeln, also die Dauerobservation des entlassenen Sicherungsverwahrten, rechtswidrig ist – festgestellt durch eine
Klage des Betroffenen. Peinlicher geht es wirklich kaum.
Nun auf einmal, getrieben von diesem Urteil, muss alles sehr schnell gehen, Herr Tabbert. Die SPDFraktion legt uns also einen Antrag vor, mit dem sie die polizeiliche Dauerobservation weiterhin rechtlich sicherstellen will. Um es vorwegzunehmen: Wir werden diesem Antrag zustimmen, jedoch missfällt uns ausdrücklich, dass wir diesen Antrag nicht vorher umfassend bewertet und parlamentarisch, vielleicht auch im Rahmen einer Sachverständigenanhörung, beraten konnten. Das Nachdenken hätte uns gut getan, denn es ist keine ganz einfache Rechtsmaterie, die uns nun vorliegt. Wir sind das erste Bundesland in Deutschland, das vor dieser Notwendigkeit steht. Wir hätten mehr als ein Jahr Zeit gehabt, das ausführlich zu tun.
Nun bleibt uns nur zu hoffen, dass der Gesetzesantrag und die darin enthaltenen Regelungen tragen und einer erneuten gerichtlichen Überprüfung standhalten werden. Die CDU-Fraktion wird Ihrem Gesetzentwurf aufgrund der fehlenden parlamentarischen Beratung nur mit Bauchschmerzen und wegen unserer Verantwortung für die Sicherheit der Menschen in Moorburg und in der gesamten Stadt zustimmen. Damit kann dann hoffentlich die Minimalzusage des SPD-Senats gegenüber den Moorburgern auf eine polizeiliche Dauerobservation des entlassenen Sicherungsverwahrten weiterhin sichergestellt werden. An der Fehlentscheidung für den Standort Moorburg ändert jedoch auch diese Regelung überhaupt nichts. – Herzlichen Dank.
– Ich glaube, das mit dem Kameraden beenden wir jetzt.
Herr Senator Neumann, ich weiß nicht, was daran so schwer zu verstehen war. Ich finde, Sie ziehen sich da ein bisschen sehr leicht aus der Affäre. Natürlich – und das hat das Verfassungsgericht eingeräumt – kann man das aufgrund der Generalklausel für eine Übergangszeit machen. Nichts anderes habe ich doch vor einem Jahr bereits gesagt und Sie darauf hingewiesen, dass es nicht trägt – insofern hat Frau Schneider recht in Bezug auf den schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte – und man das nicht beliebig lange fortsetzen kann. Das war mein Einwand vor einem Jahr, und der hat sich offensichtlich als richtig herausgestellt. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Senat kein Initiativrecht für Gesetzentwürfe hat, die er einbringen kann; das kann er selbstverständlich machen. Ich glaube, Sie ziehen sich da ein bisschen sehr einfach aus der Affäre.
Wir haben im Innenausschuss im Dezember, nachdem das Urteil ergangen war, zügig darüber gesprochen. Ich kann mich erinnern, Herr Voet van Vormizeele ebenso, dass wir einen langen Streit darüber hatten, wie wir mit dem Tagesordnungspunkt umgehen, Herr Tabbert. Ihr Wunsch war es doch, diesen Tagesordnungspunkt noch nicht abzuschließen, sondern ihn zu vertagen, damit man sehr schnell und zeitnah die Beratungen dazu im Innenausschuss wieder aufnehmen könne. Ich habe Sie gefragt, ob wir da Zeitdruck hätten. Da wurde mir von Ihnen und vor allen Dingen vom Senat gesagt, nein, wir könnten Berufung einlegen, dann würde das dauern, wir hätten keinen Grund zur Eile. Jetzt gibt es diese plötzliche Umkehr, und das ist natürlich nicht ganz glaubwürdig, Herr Tabbert, das wissen Sie auch. Wir hätten uns dieses komplette Verfahren sparen können und es anständig und richtig machen können, wenn wir eher gestartet wären und der Senat hier eher gehandelt hätte.
Frau Schneider, ich finde es ein bisschen schwierig, dass Sie nur die eine Seite beleuchten,
denn ich glaube, dass die Menschen in unserer Stadt schon einen Anspruch darauf haben, dass wir für ihre Sicherheit Sorge tragen. Wenn Sie sich mit diesen Menschen befassen, wenn Sie sich mit den Vorfällen befassen und sich die Gutachten
einmal anschauen, dann können Sie nicht ernsthaft sagen, dass ein Restrisiko immer bleiben werde.
So einfach darf man es sich nicht machen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Duden, mein Name ist André Trepoll, ich bin verfassungspolitischer Sprecher meiner Fraktion und werde hier bald zur Schulpolitik reden müssen.
Das wird ein Spaß.
Artikel 51 unserer Verfassung sagt Folgendes aus:
"Zu einem die Verfassung ändernden Gesetz der Bürgerschaft sind zwei übereinstimmende Beschlüsse erforderlich, zwischen denen ein Zeitraum von mindestens dreizehn Tagen liegen muss."
Diese Regelung unterstreicht gegenüber dem Verfahren der einfachen Gesetzgebung die Bedeutung, die einer Verfassungsänderung beigemessen wird. Dem verfassungsändernden Gesetzgeber wird ein besonderer Zeitraum zur Überlegung eingeräumt. Ich denke, wir haben den Zeitraum gut genutzt, wir haben eine umfangreiche Sachverständigenanhörung gemacht mit, ich glaube, sieben Experten.
Herr Professor Dr. Heun, der auch Experte bei der Anhörung im Bundestag zur 3-Prozent-Hürde der Europawahl war, hat gesagt – ich zitiere –:
"Wie gesagt, was die Wirkungen dieser Regelungen des Bundesverfassungsrechtes wohl bewirken, ist, dass es jedenfalls nicht ganz ohne Rechtfertigung machbar ist. Aber ich denke, dass jedenfalls die Rechtfertigungsgründe, die hier auch in dem Papier [er meint unseren Antrag] vorgebracht werden und die auch im Übrigen ja das Hamburgische Landesverfassungsgericht im Einzelnen debattiert hat, hier ausreichen und insofern auch dieses Votum und das Verdikt des Hamburgischen Landesverfassungsgerichts durch eine entsprechende Absicherung in der Verfassung abgesichert wird."
Professor Bull und Professor Winterhoff haben sich angeschlossen. Alle Rechtsexperten waren dieser Meinung, und wir fühlen uns ebenso bestärkt durch diese Anhörung.
Wir hatten zwei skurrile Auftritte im Ausschuss. Den einen hat Frau Kollegin Duden eben angesprochen, da hat uns Herr Dr. Brandt von "Mehr Demokratie" semantisch seinen Unterschied zwischen Kompromiss und Konsens erklärt. Er sagte, bei dem, was er damals mit uns abgeschlossen habe, habe er schon im Hinterkopf gehabt, dass
das verfassungswidrig sei, und deshalb konnte er dem guten Gewissens zustimmen. Die Begründung erschließt sich mir auf den ersten Blick nicht. Aber das werde ich zumindest für meine Fraktion im Hinterkopf behalten, wenn wir uns wieder zusammensetzen müssen.
Es ging sogar so weit, dass er in seinen Ausführungen davon gesprochen hat, dass Koalitionen in der BV völlig überflüssig seien, und das sei alles Teufelswerk, der Fraktionszwang sowieso.
Ich glaube, es ist so ein wenig sein Auftrag, die Parteiendemokratie zu beseitigen. Aber so weit gehen wir natürlich nicht.
Der zweite Auftritt war vom Kollegen Dr. Duwe, der uns mitgeteilt hat, dass diese atemberaubende Geschwindigkeit von vier Wochen, in denen wir das machen, sie nicht in die Lage versetze, das Ganze zu verstehen oder nachzuvollziehen. Das hat er wörtlich gesagt. Ich muss das zurückweisen. Ich glaube, alle Abgeordneten sind sich der Tragweite und auch der Bedeutung dieser Entscheidung sehr wohl bewusst, unabhängig von der zeitlichen Komponente. Wir haben ein völlig entkräftetes Argument, das letztes Mal diskutiert wurde. Es gab eindeutige Äußerungen zum Zeitpunkt der Änderung. Dies hat sogar dazu geführt, dass am Ende auch Frau Schneider gesagt hat, das Ganze sei kein rechtliches Problem, sondern ein politisches.
Frau Schneider, da haben Sie recht, da sollte man handeln, und wir sagen, man muss handeln. Wir wollen nicht, dass es zu einer Fragmentierung der Bezirksversammlungen und zu einer Schwächung der bezirklichen Demokratie kommt. Deshalb ist die Sperrklausel der Preis, den wir für die Ergebnisse der Verhältniswahl zahlen müssen.
Es bleibt dabei, dass es sich bei der Sperrklausel um eine Abwägung zwischen der Gleichgewichtung einer jeden abgegebenen Wählerstimme und der Arbeitsfähigkeit der Parlamente handelt, denn je größer die Zersplitterung, also die Anzahl an Einzelbewerbern und Kleingruppierungen in einem Parlament ist, desto schwieriger wird die Mehrheitsbildung und damit die Entscheidungsfindung. Deshalb brauchen wir Sperrklauseln von 5 Prozent für das Landesparlament, unsere Hamburgische Bürgerschaft, und 3 Prozent für die Bezirksversammlungen.
Wir haben es uns auch ganz praktisch angeschaut. Fraktionsvorsitzende aus den Bezirksversammlungen waren da. Und wir haben aus Harburg einen Bericht bekommen, die jetzt schon ständig die Sachen nicht debattieren können, weil die Zeit abgelaufen ist und viele Dinge, die wichtig
sind, dann nur noch ohne Debatte durchgestimmt werden können. Das sind eindeutig die ersten Anzeichen, und deshalb wollen wir handeln.
Aus meiner ehrlichen Überzeugung heraus sind die Sperrklauseln ein Erfolgsmodell unserer deutschen Demokratie nach dem Krieg, sie haben sich bewährt. Wir haben durch die Verhältniswahl, durch die Verfassung und auch durch die Parlamente einen starken Minderheitenschutz in unserem Land auch für politische Meinungen, die nicht die Mehrheit erzielen. Aber bei der Abwägung, ob man wirklich jede kleine Minderheit in einem Parlament abbilden will mit der Gefahr, dass dann keine Mehrheitsbildungen mehr möglich sind, sagen wir als CDU-Fraktion, das wollen wir nicht. Wir brauchen stabile, verlässliche Mehrheiten, die auch erreichbar sind für unser verträgliches Zusammenleben und für unser Gemeinwohl. Deshalb werden wir dem Antrag auch in der zweiten Lesung zustimmen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor wir gleich auf Herrn Kerstan anlegen …
– Gut, das ist auch nicht Ziel des Antrags.
Zwei Punkte. Herr Bläsing, Sie tun mir ein bisschen leid, weil Ihnen die Argumente völlig ausgegangen sind. Und dann machen Sie natürlich das, was Sie bei den JuLis im Rhetorikseminar gelernt haben: Wenn ihr inhaltlich nicht mehr weiter
kommt, dann müsst ihr die Form kritisieren, um davon abzulenken.
Das Gelernte muss man auch anwenden, insofern ist das völlig in Ordnung.
Diese Geschichte setzt sich nicht durch, denn es geht im Prinzip doch darum – Herr Dressel hat es gesagt –, dass wir nicht erst eine totale Arbeitsunfähigkeit der Bezirksversammlungen brauchen. Frau Schneider, das ist nicht erforderlich, sondern die abstrakte Gefahr reicht schon aus. Wenn der verfassungsändernde Gesetzgeber eine Sperrklausel einführt, dann unterliegt er nicht den strengen Rechtfertigungsanforderungen wie der einfache Gesetzgeber. Deshalb trägt es nicht, was Sie inhaltlich vortragen, was die Form und die Geschwindigkeit angeht, vier Wochen reichten nicht, um Kontakt mit Ihren Bezirksfraktionskollegen aufzunehmen. Es tut mir leid, dann müssen Sie lernen, schneller zu kommunizieren, das gelingt bei anderen Dingen auch. Aber das sind Argumente, die einfach nicht tragen. Inhaltlich sind wir auf einem wirklich sicheren Weg, und das wird die Rechtsprechung uns dann auch bestätigen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich beginne meine Rede mit einem Zitat von Gerhard Schröder.
Er sagte:
"Ein Wahlgesetz hat nicht nur die Aufgabe, die wichtigen Vorgänge einer Wahl zu regeln. Es hat vielmehr die Aufgabe, einer dem Bestand und der Entwicklung der parlamentarisch-demokratischen Ordnung gefährlichen Zersplitterung zu begegnen."
Das sagte nicht der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, sondern der CDU-Wahlrechtsexperte Gerhard Schröder 1953 im Deutschen Bundestag.
Er war von 1949 bis 1980 Bundestagsabgeordneter, Verteidigungs-, Innen- und Außenminister und gilt als Vater der Fünf-Prozent-Hürde. Ich finde, seine Aussage vor 60 Jahren hat nichts von ihrer Bedeutung verloren. Es ist daher völlig richtig, dass sich SPD, CDU und GRÜNE in den vergangenen Monaten intensiv Gedanken darüber gemacht haben, wie wir eine mögliche kleinteilige Zersplitterung der Parlamente, einhergehend mit einer Funktionsstörung der Bürgerschaft und der Bezirksparlamente, abmildern können.
Worum geht es eigentlich genau? Es handelt sich bei der Sperrklausel um eine Abwägung zwischen der Gleichgewichtung einer jeden abgegebenen Wahlstimme und eben der Arbeitsfähigkeit der Parlamente. Denn je größer die Zersplitterung, also die Anzahl von Kleinstgruppierungen und Einzelbewerbern in einem Parlament ist, desto schwieriger wird die Mehrheitsbildung und damit die Entscheidungsfindung. Einzelbewerber und Kleinstgruppen haben zum Beispiel kein Stimmrecht in den Ausschüssen, sodass die Entscheidungen der Ausschüsse allesamt wiederholt im Plenum diskutiert und abgestimmt werden müssten – ein Weg, der die Arbeitsfähigkeit eines Parlaments nachhaltig negativ beeinflusst.
Meine Damen und Herren! Wahlen sind kein Selbstzweck und ergeben noch keine funktionierende Demokratie. Nach einer Wahl sollten Mehrheitsbildungen für eine Regierung möglich sein. Dass dies schon heute nicht immer ganz leicht ist, kann man derzeit auf Bundesebene beobachten, wo es einige Wochen gedauert hat, bis man zusammen arbeiten konnte.
Jedoch sollte man diese Mehrheitsbildungen nicht noch weiter erschweren. Wir haben diese Abwägung in den vergangenen Monaten vorgenommen und schlagen daher vor, die Sperrklausel für die Bezirksversammlungen auf behutsame 3 Prozent und die der Bürgerschaft wie bisher auf 5 Prozent
in der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg zu verankern.
Meine Damen und Herren! Auch für die Bezirksversammlungen galt bisher eine Sperrklausel von 3 Prozent. Im Rahmen des Wahlkompromisses zwischen den Fraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft und "Mehr Demokratie" wurde sich unter anderem gemeinsam auf eine Drei-Prozent-Sperrklausel für die Bezirksversammlungswahlen geeinigt. Diese Sperrklausel wurde daraufhin in das Gesetz über die Wahl zu den Bezirksversammlungen aufgenommen. Das Hamburgische Verfassungsgericht hat diese Klausel aber verworfen und dem Parlament die Möglichkeit eingeräumt, eine erkennbare Funktionsstörung der Bezirksversammlungen im Nachhinein mit einer Sperrklausel zu korrigieren. Die Begründung des Hamburgischen Verfassungsgerichts, dass eine Funktionsbeeinträchtigung der Bezirksversammlungen keine großen Auswirkungen hätte, da der Senat per Globalanweisung und ähnlichen Evokationen dem entgegenwirken kann, teilen wir ausdrücklich nicht. Wir werden nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Dabei ist für uns hilfreich, dass das Berliner Verfassungsgericht die in der Berliner Verfassung verankerte Drei-Prozent-Sperrklausel für die Berliner Bezirksverordnetenversammlung hingegen gerade erst bestätigt hat.
Meine Damen und Herren! Frau Duden hat es gesagt. Unsere Bezirke sind keine Spiel- und Experimentierwiesen. In den Bezirken wird Politik nah am Menschen gestaltet. Die Bezirke sind in den vergangenen Jahren, insbesondere unter dem alleinregierenden CDU-Senat nach der letzten Bezirksverwaltungsreform im Jahre 2006, entschieden in ihrer Kompetenz gestärkt worden. Auch wenn es unter dem jetzigen Senat an der einen oder anderen Stelle bei den Entscheidungskompetenzen für die Bezirkspolitik etwas hapert, so bleibt es dabei, dass sie wichtige Aufgaben hat. Ausdruck davon ist zum Beispiel auch die Wahl des Bezirksamtsleiters, auch wenn er dann noch vom Senat ernannt werden muss. In den Kommunen der Flächenländer wählen die Parlamente in der Regel nicht den sogenannten Regierungschef, den Bürgermeister oder den Landrat. Deshalb haben die Bezirksversammlungen bei uns schon eine starke Stellung. Einer Zersplitterung der Bezirksversammlung mit einem Schwerpunkt von Partikularinteressen und einer damit erwartbaren Funktionsstörung möchten wir daher nicht tatenlos zusehen. Diesmal kommt noch hinzu, dass die Wahlen zu den Bezirksversammlungen erstmalig zusammen mit der Europawahl durchgeführt werden und für einen Zeitraum von fünf Jahren gelten. Bisher ist nicht absehbar, wie sich dieser Schritt auf die Wahlbeteiligung auswirken wird. Es bleibt aber zu befürchten, dass diese weiter abnehmen wird. Dieses kann dann gemeinsam mit dem Fehlen einer Sperrklausel für ganze fünf lange Jahre unangenehme Folgen für
die Bezirkspolitik haben. Wir haben uns daher entschieden, nicht zu warten, bis eine Zersplitterung möglicherweise eintritt, sondern stellen jetzt diesen Antrag auf Verfassungsänderung, um vorausschauend, aber maßvoll zu handeln.
Meine Damen und Herren! Die Kritik von "Mehr Demokratie" in diesem Zusammenhang finde ich mehr als ärgerlich. In der Demokratie steht man zu den gemeinsam gefundenen Kompromissen. "Mehr Demokratie" fordert das ständig von anderen ein, fühlt sich aber selbst anscheinend nicht daran gebunden. Die Drei-Prozent-Sperrklausel war ein, wie bereits gesagt, gemeinsam mit "Mehr Demokratie" gefundener Beschluss.
Daher sollte die Kritik an dieser Stelle besser unterbleiben. Alles andere wäre aus meiner Sicht unglaubhaft. Die Aussagen der FDP sind natürlich sehr gewagt. Das ist keine neue Diskussion, sondern eine, die wir schon lange geführt haben; es ist auch keine unbekannte Diskussion. Wir sollten nicht so tun, als ob wir die Demokratie damit abschaffen würden. Ich will nur darauf hinweisen, dass sogar ein Mehrheitswahlrecht völlig in Ordnung wäre in unserem Land, und davon sind wir doch weit entfernt. Ich glaube, das ist der Preis, den wir für die Verhältniswahl zahlen müssen, damit wir eben keine Zersplitterung und Zerfaserung in unseren Parlamenten erleben.
Hamburg ist nicht Weimar, aber die Hamburger Bezirke brauchen diese kleine Hürde, um im Sinne des Gemeinwohls vernünftig arbeiten zu können. Das ist unsere tiefe Überzeugung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Dr. Duwe, ist Ihnen bekannt, dass wir das Bundestagswahlrecht erst im Sommer, also acht Wochen vor der Bundestagswahl, geändert haben?
Ist Ihnen das bekannt, und wie interpretieren Sie das in Bezug auf Ihre Argumentation von eben, dass angeblich das Aufstellungsverfahren dadurch gestört werde, wenn wir die Verfassung ändern?
Keine Angst, ich werde nicht den großen Bogen schlagen, aber ich will zu den beiden Argumenten der LINKEN und der FDP noch etwas sagen. Ich weiß nicht, ob es wirklich eine Sorge von Ihnen ist oder etwas vorgeschoben, Herr Golke. Es ist doch klar geregelt, dass wir zwischen der ersten und der zweiten Lesung 14 Tage Pause haben müssen, das sieht die Verfassung so vor. Wir halten uns daran, und nur weil wir uns daran gewöhnt haben, in unserer Arbeit manchmal Dinge monatelang vor uns herzuschieben, spricht doch nichts dagegen, dass man auch zügig berät und sich an die Regularien hält. Dagegen ist doch nichts einzuwenden.
Dem Argument von Herrn Bläsing muss ich wirklich deutlich widersprechen, das müssen Sie sich noch einmal genau anschauen. Wo steht denn ge
schrieben, dass wir fünf Monate vor einer Bezirksversammlungswahl die Verfassung nicht mehr ändern dürfen? Das müssen Sie mir einmal erklären. Und was Sie gesagt haben im Rahmen der Bundestagswahl: Mitte Juni hat der Bundestag noch ein neues Bundestagswahlrecht entschieden, und das war substanziell. Wenn wir das alte gehabt hätten, hätte die Union eine glasklare absolute Mehrheit gehabt.
Da hätte sich Herr Scholz einige Termine in Berlin sparen können oder wäre jetzt Bundesvorsitzender der SPD – wer weiß, was alles gewesen wäre. Das spielt keine Rolle, aber Fakt ist, dass die Einführung einer 3-Prozent-Hürde deutlich vor Einreichung der Wahlvorschläge absolut unproblematisch ist, denn dies hat keine Auswirkungen auf die Kandidaturen, die jetzt aufgestellt werden. Das hat eine Auswirkung später auf die Zuteilung der Mandate und nicht auf die Kandidaturen im Vorfeld. – Herzlichen Dank.
Verehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Herr Tabbert, ich spreche Sie gleich direkt an, weil ich mich an unsere letzte Debatte zu diesem Thema erinnere. Ich kann mich noch erinnern, wie Sie stolz vorn am Rednerpult standen und einen Artikel aus einer großen Hamburger Tageszeitung mit vielen Bildern hochhielten und sich darauf beriefen. Ich will Ihnen das einmal gleichtun und aus einer anderen Ausgabe der gleichen Zeitung von vor einer Woche zitieren:
"Angeklagte, Kläger oder Beklagte, kurz: Hunderte Beteiligte und Betroffene erleben täglich die wahren, unerträglichen Justizverhältnisse, die Justizsenatorin Schiedek aber weiter unverdrossen leugnet."
Offensichtlich, Herr Tabbert, ist Ihnen jetzt auch noch der letzte Verbündete in der Stadt bei diesem Punkt abhandengekommen.
Aber für den Eindruck, dass die Situation der Hamburger Justiz insgesamt und in diesem speziellen Fall die Situation und Ausstattung der Hamburger
Staatsanwaltschaft unerträglich ist, braucht man keine Zeitungsartikel, die es in den letzten Wochen und Monaten sicherlich zur Genüge gegeben hat. Dafür reicht durchaus schon die bemerkenswerte und verkürzte Antwort des Senats auf eine meiner parlamentarischen Schriftlichen Kleinen Anfragen aus.
In meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage mit der Drucksachennummer 20/8990 fragte ich den Senat unter Punkt 13, wie hoch die tatsächliche durchschnittliche Anzahl an Wochenarbeitsstunden der Staatsanwälte in Hamburg sei und bat ihn, das nach Abteilungen aufzuschlüsseln. Der Senat antwortete jedoch nur zusammenfassend wie folgt:
"Die Arbeitszeit der Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaft wird nicht durch ein Zeiterfassungssystem aufgezeichnet, sodass eine genaue, nachprüfbare und zuverlässige Beantwortung der Frage nicht erfolgen kann.
Eine Abfrage in den Hauptabteilungen hat ergeben, dass sie zwischen 40 und 50 Stunden pro Woche beträgt."
Mittlerweile liegen mir jedoch Informationen vor, die diesen Sachverhalt anders erscheinen lassen, als es der Senat in seiner zusammenfassenden Beantwortung anscheinend vermitteln will. Demnach verteilen sich die Arbeitszeiten, aufgeteilt nach Hauptabteilung und Mitarbeiterzahl, bei der Staatsanwaltschaft wie folgt: Drei Dezernenten in einer einzigen Abteilung arbeiten durchschnittlich 40 Stunden, mindestens über 150 Dezernenten in sechs Abteilungen arbeiten 46 bis 50 Stunden, durchschnittlich also 47,7 Stunden für alle Abteilungen. Und wenn man mit den Betroffenen spricht, dann wird einem auch gesagt, dass es eigentlich kaum jemanden gäbe, der dort keine Sechs-Tage-Woche hätte.
Dass Ihnen das nicht passte, war klar, denn man kann mit einer solchen Antwort nicht behaupten, die Arbeitsbelastung sei gesunken. Ich habe deshalb die Präsidentin der Bürgerschaft gebeten, meine Rechte als Abgeordneter aus Artikel 25 der Hamburger Verfassung zu wahren und den Senat aufzufordern, auf diese Frage vollständig zu antworten. Mir ist auch zugetragen worden, dass nicht nur ich verärgert bin über die Antwort des Senats. Offensichtlich gibt es sogar ein Schreiben des Personalrats, der sich über die Antwort des Senats auf meine Anfrage in diesem Punkt beschwert. Dazu würde ich gern auch etwas erfahren.
Meine Damen und Herren! Neben den Vorfällen im Hamburger Strafvollzug und der Belastung der Gerichte ist die Überlastung der Staatsanwaltschaft das dritte Feld, dem Senatorin Schiedek nicht die nötige politische Aufmerksamkeit schenkt. Sie, Frau Schiedek, verhalten sich geradezu so, als hätte es den Alarmruf der Staatsanwaltschaft in
Form eines Briefs des Generalstaatsanwalts von Selle und des leitenden Oberstaatsanwalts Dr. Brandt an den Senat gar nicht gegeben. Anlass des Alarmrufs waren die unverhältnismäßigen Einsparverpflichtungen der Staatsanwaltschaft, auf die wir bereits bei den letzten Haushaltsberatungen mehrfach hingewiesen haben. Mit ihrem Brief hat die Staatsanwaltschaft bezweifelt, dass sie angesichts des geplanten Personalabbaus ihren rechtsstaatlichen Aufgaben in Zukunft in Hamburg noch gerecht werden kann.
Allein dieser besorgniserregende Hilferuf hätte doch schon genügen müssen, dass der Senat endlich einmal reagiert, denn eine leistungsfähige Staatsanwaltschaft ist einer der Grundpfeiler in unserem Rechtssystem. Aber dies zeigt auch, dass das Vertrauen der Staatsanwaltschaft in die Behördenleitung offenbar schon nachhaltig gestört ist.
Im Justizausschuss versuchte sich der Senat beispielsweise mit der rückläufigen Geschäftsbelastung herauszureden, außer Acht lassend, dass die Rückläufigkeit der Zahlen keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Arbeitsbelastung zulässt. Der Senat weigert sich schlicht, diese Problematik zur Kenntnis zu nehmen. Stattdessen verordnet er der Justiz eine Sparquote, die auch für die Staatsanwaltschaft einen weiteren Personalabbau bedeutet.
Der SPD-Senat sieht Einsparungen von drei bis vier Vollzeitäquivalenten pro Jahr vor, obwohl der Staatsanwaltschaft nach Angaben des Generalstaatsanwalts und des leitenden Oberstaatsanwalts zuvor bereits zugesichert worden war, dass für die Haushaltskonsolidierung nicht die Erreichung der Planvollzeitäquivalente, sondern die Einhaltung des zugewiesenen Budgets maßgeblich ist. Der Senat hingegen verneinte, wie seine Antwort auf meine SKA ergeben hat, eine solche Zusicherung. Dies zeigt, wie es um das Verhältnis von Staatsanwaltschaft und Behördenleitung und insbesondere um die Kommunikation mit der Behördenleitung bestellt ist.
Auch die Tatsache, dass Sie nicht die Soll-Personalstärke von 2011, sondern die Ist-Personalstärke von 2011 als Maßstabsgröße für die Einsparverpflichtungen genommen haben, ist ein Schlag ins Gesicht für unsere Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörde.
Meine Damen und Herren! Als Abgeordneter interessiert mich, welche Bewertung der Situation dieser überaus wichtigen Behörde nun tatsächlich zutrifft. Die beiden Selbstbefassungen im Justizausschuss hat der Senat dazu leider nicht genutzt. Ich habe mir sehr gewünscht, dass der Senat Vertreter der Staatsanwaltschaft, insbesondere die Verfasser des Briefs, im Justizausschuss zu Wort kommen lassen würde und habe den Senat mehrfach, wie auch meine Kollegen im Ausschuss, ausdrücklich darum gebeten. Dies ist leider nicht gesche
hen. Dieses Verpassen eines Maulkorbs ist aus meiner Sicht zutiefst unsouverän und entspricht nicht den Gepflogenheiten unseres parlamentarischen Betriebs.
Ihr Vorschlag, nun Arbeitskreise und eine Überprüfungskommission einzusetzen, wird die Probleme nicht lösen, im Gegenteil. Die Staatsanwälte stöhnen bereits jetzt darüber, dass ihnen dadurch nur noch mehr Zeit für das Kerngeschäft fehlen werde. Die Warnung der Staatsanwälte darf jedenfalls aus unserer Sicht nicht folgenlos verpuffen. Aber für Frau Senatorin Schiedek scheint das Thema trotzdem bereits wieder abgehakt zu sein. Und wenn Sie, Herr Tabbert, in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaftssitzung am 15. August dieses Jahres – ich habe darüber eben schon geredet – davon sprechen, dass niemand, und schon gar kein Sozialdemokrat, das Thema Justiz und Strafvollzug auf die leichte Schulter nehme, dann kann ich nur feststellen, dass ich mittlerweile niemanden in der Hamburger Justiz und darüber hinaus mehr kenne, der diesen Eindruck des Kollegen Tabbert teilt.
In diesem Sinne herrscht leider in der SPD-Justizpolitik kein gutes Regieren, denn es geht Ihnen um die Verschleierung der Realität, gepaart mit dem unverdrossenen Leugnen der Probleme. Ich finde, das darf so nicht weitergehen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass in puncto Belastungssituation der Staatsanwaltschaft etwas im Argen liegt, dann hätte die Rede der Kollegin Schneider einen starken Hinweis darauf geliefert, in der sie sich, vielleicht bis auf den Finanzierungsvorbehalt, intensiv für unsere Strafverfolgungsbehörden eingesetzt hat – und das von Frau Schneider. Da sollte man
also schon einmal hinhören; dann kann nicht alles falsch sein, was wir vorgetragen haben.
Herr Tabbert, Sie haben viele Zahlen genannt, und ich glaube, genau das ist das Problem. Sie schauen sich das alles auf dem Papier an, lesen die Zahlen und versuchen, sie zu interpretieren. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch verständlich, aber es ist auch wichtig, dass man das Gespräch mit den Betroffenen sucht
und sich anhört, wie die Staatsanwaltschaft diese Zahlen interpretiert. Und da sagen uns Staatsanwälte, dass sie viel umfangreichere Verfahren haben als früher und andere bundesrechtliche Anforderungen, denen sie gerecht werden müssen, und dass beispielsweise auch wir als Hamburgische Bürgerschaft ihnen mehr Arbeit machen – Gott sei Dank nicht auf die Art und Weise, wie man sich vielleicht vorstellen könnte, sondern indem wir zum Beispiel ein Antikorruptionsregister beschließen, das inhaltlich natürlich bei der Staatsanwaltschaft geführt und geprüft werden muss. Das alles sind Dinge, über die wir uns Gedanken machen müssen.
Woher hat die Finanzbehörde denn die Informationen? Das wird nicht alles in der Finanzbehörde ermittelt.
Man sollte auch einmal mit den Kolleginnen und Kollegen in der Staatsanwaltschaft reden und sich anhören, wie sie das alles interpretieren. Ein anderer Punkt erscheint mir nicht ganz schlüssig. Sie sagen, es sei alles in Ordnung, die Zahlen gingen zurück, es gäbe keine Probleme, aber dann setzen Sie dieses Projekt ein. Es passt für mich nicht zusammen, einerseits zu sagen, es sei alles in Ordnung,
andere Großstädte seien viel schlechter dran, andererseits aber dieses Projekt einzusetzen. Das entspricht dem kleinen Einmaleins der Politik, Sie kennen den Spruch: Wenn ich nicht mehr weiter weiß … und so weiter. Dann wird man zwar vielleicht dem Problem nicht Herr, aber man gewinnt Zeit, und das werfe ich Ihnen vor.
Sie haben angesprochen, dass wir bemängeln, dass die Staatsanwälte uns nicht direkt Rede und Antwort stehen konnten. 2010 haben wir eine solche Befragung schon einmal gemacht – Herr Dressel und Frau Schiedek werden sich daran erinnern –, und damals standen uns Herr von Selle und ich glaube auch Herr Dr. Brandt für konkrete Nachfragen zur Verfügung. Dazu waren Sie diesmal nicht bereit. Das ist Ihre politische Entschei
dung, aber dann haben wir auch das Recht, diese zu würdigen.
Der letzte Punkt, die Arbeitszeit. Ich habe Ihnen schon gesagt, wie unzufrieden ich über die Beantwortung der Anfrage bin, und ich habe auch im Ausschuss konkret nachgefragt. Sie werden sich erinnern, was ich zu hören bekommen habe: Die Zahlen, die die Abfrage ergeben hat, wollten wir Ihnen nicht vorlegen, weil wir in der Behördenleitung nicht einschätzen konnten, wie sie zustande gekommen sind
und ob da nicht noch Kaffeepausen mit drin sind. Wenn Sie solche Antworten hören als Abgeordneter und merken, wie miteinander umgegangen und wie sich dort offensichtlich gegenseitig misstraut wird, dann gibt uns das schon Anlass und das Recht, einmal nachzuhaken. Ich hoffe, dass die Präsidentin das auch macht und der Senat dann ausführlicher und korrekter auf unsere Anfragen antwortet, was die Wochenarbeitszeit der Staatsanwälte angeht. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Wesen einer Parlamentsdebatte ist dadurch gekennzeichnet, dass wir nach von uns selbst gegebenen Regeln eine inhaltliche Diskussion führen und zu einer Abstimmung kommen. Zu diesem Tagesordnungspunkt liegt Ihnen die Drucksache 20/8827 vor, in der die Präsidentin mitteilt, dass der Innensenator ihr mitgeteilt habe, dass das Ersuchen der Bürgerschaft aufgenommen worden sei und der Bundesrat beschlossen habe, den entsprechenden Gesetzentwurf an den Bundestag weiterzuleiten.
Der Bundestag tagt nicht mehr, das Ganze fällt der Diskontinuität anheim. Die einzige Möglichkeit – das haben Sie richtig erkannt, Herr Abaci – besteht nicht darin, eine Debatte über einen Antrag zu führen, der hier gar nicht vorliegt, zumal wir diese Debatte in dieser Legislaturperiode schon dreioder viermal geführt haben und auch der Rechtsausschuss sich mit der Thematik beschäftigt hat. Ihnen geht es um etwas anderes. Sie wollen noch einmal Stimmung machen vor der Bundestagswahl, aber wir werden Ihnen nicht auf den Leim gehen. Sie können versuchen, im Rahmen der Wahlen für Ihren Vorschlag eine gesellschaftliche Mehrheit herbeizuführen – das wird Ihnen schwer genug fallen –, und dann können wir uns wieder damit beschäftigen, aber heute ist das an dieser Stelle völlig überflüssig.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Was ist bloß los in Hamburgs Justizlandschaft? Diese Frage drängt sich nach den letzten turbulenten Wochen geradezu auf. Knastskandal, Justizkrise, viele Baustellen in der Justiz, Schaden für Hamburg, Brandbrief – das sind nur wenige Auszüge aus den Schlagzeilen der vergangenen Wochen. Jetzt rächt sich, dass der Senat und die Justizsenatorin Schiedek in den letzten zwei Jahren die Leistungsfähigkeit unserer Justiz sträflich vernachlässigt haben.
Ein Gefangener wird mehrfach brutal von Mithäftlingen zusammengeschlagen und schwer verletzt, ein anderer flieht in Hollywood-Manier aus einer maroden Haftanstalt. Staatsanwälte beklagen sich in einem Brandbrief an die Senatorin über den Zustand und die Ausstattung der Staatsanwaltschaften. Der Hamburgische Richterverein sieht die rechtsstaatliche Sicherheit in Hamburg gefährdet.
Der Hamburgische Anwaltverein beklagt, dass das Rechtsschutzbedürfnis der Hamburger bereits schweren Schaden erlitten habe. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer erklärt genauso öffentlich ihre Besorgnis über die derzeitigen Zustände in der Hamburger Justizlandschaft und warnt, dass weitere Belastungen nicht mehr aufgefangen werden können. Die Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten schlägt ebenfalls Alarm und sagt, dass der Schutz der Bevölkerung und eine Resozialisierung mit dem derzeitigen Personalbestand nur schwer, wenn nicht gar unmöglich zu leisten seien. Die nächste Hiobsbotschaft kommt aus der Vorführungsabteilung der Untersuchungshaftanstalt, die ebenfalls vollkommen überlastet ist. In den letzten Monaten mussten bereits Hauptverhandlungstermine gänzlich abgesagt werden. Von den erheblichen Verfahrensverzögerungen, insbesondere bei den einstweiligen Verfügungsverfahren, den sogenannten Eilverfahren am OLG, will ich gar nicht sprechen.
Jetzt stellt sich die Frage, was die zuständige Senatorin unternimmt. Leider gar nichts. Frau Schiedek ignoriert die Probleme, sie redet sie schön oder verharmlost sie. Aus ihrer Sicht ist scheinbar alles in Ordnung in Hamburgs Justiz. Frau Schiedek spielt die Ahnungslose.
An zwei Beispielen will ich dies deutlich machen. Zu den Gewaltvorfällen in der Haftanstalt Billwerder: Ein Häftling wurde mehrfach angegriffen und schwer verletzt. Nach dem letzten Angriff, bei dem ihm das Jochbein, das Nasenbein und der Oberkiefer gebrochen wurden, musste die Polizei erst von der Mutter des Opfers informiert werden, und die Spuren der Tat in der JVA wurden beseitigt. Die Behördenleitung wurde nach eigener Darstellung weder bei der ersten noch bei der letzten Attacke informiert, verlautet es auf meine Fragen in der Schriftlichen Kleinen Anfrage mehrmals.
Ich frage Sie, Frau Schiedek: Wieso lassen Sie sich über solche derart rechtswidrigen und schlimmen Vorgänge in einer Justizvollzugsanstalt in Hamburg nicht rechtzeitig und umfassend informieren? Was soll denn noch passieren, damit Sie Interesse zeigen? Der Gipfel des Versagens ist die Tatsache, dass Sie jetzt angeordnet haben, das Melde- und Anzeigeverhalten der JVAs gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft zu ändern und bei Straftaten erheblichen Ausmaßes die Ermittlungsbehörden nun regelhaft zu informieren. Es ist doch ein Skandal, dass es schriftlicher Verfügungen bedarf, damit Polizei und Staatsanwaltschaft bei schweren Straftaten überhaupt erst informiert werden.
Zum zweiten Beispiel: Da gelingt einem einer schweren Straftat Beschuldigten vor Kurzem ein spektakulärer Ausbruch aus dem Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. Dass die Bausubstanz beim Untersuchungsgefängnis teilweise löchrig ist wie ein Schweizer Käse war hinlänglich bekannt,
auch Ihnen, Frau Schiedek. Sie glaubten sogar, dass der Gefangene das Loch innerhalb weniger Stunden aufbrechen konnte, so in Ihrer Pressemitteilung nach dem Ausbruch zu lesen. Erst als man ihn nach der erneuten Festnahme befragen konnte, wurde Ihnen klar, dass dieser Ausbruch über Tage vorbereitet worden war.
Trotzdem wurden die Insassen vorher nicht in den intakten Teil der Anstalt verlegt, das geschah erst nach der Flucht. Die täglichen Gitterkontrollen haben Sie, Frau Schiedek, erst im Dezember 2012 abgeschafft. Die regelhaften Sicherungsund Überwachungsmaßnahmen wurden anscheinend nur noch eingeschränkt und lückenhaft durchgeführt, insbesondere in der Umbauphase, sodass Paletten locker verteilt im Innenhof für Ausbruchsversuche der Gefangenen quasi bereitlagen, und zur Sicherheit haben Sie den S-Draht auch an einigen Stellen gleich entfernen lassen. Über das Sicherheitskonzept haben Sie sich nach Ihrem Amtsantritt ebenfalls nicht informiert, so Ihre Aussage im Justizausschuss.
Der richtige Hammer ist aber, dass sich Mitarbeiter aus dem Vollzug an die Anstaltsleitung gewandt und Anfang Mai ihre Besorgnis über die Sicherheitslage in der U-Haft geäußert haben. Diese Mail liest sich wie eine Ausbruchsanleitung, und ich will einmal daraus zitieren.
Da schreibt der Mitarbeiter:
"Gefangene, die diese gravierenden Mängel aus ihren Haftraumfenstern beobachten, könnten zu Ausbrüchen animiert werden."
Zitatende.
Genauso ist es zwei Monate später auch gekommen. Wieso lassen Sie sich über solch wichtige Vorgänge innerhalb einer Haftanstalt nicht informieren? Wie wollen Sie in Zukunft sicherstellen, dass über solche Versäumnisse zeitnah informiert wird, oder soll die Methode der Nichtinformation der Behördenleitung etwa weiterhin gepflegt werden? Frau Schiedek, ist es Absicht, dass Sie sich einfach nicht informieren lassen, damit Sie hinterher sagen können, Sie hätten von nichts gewusst?
Ist das eine von Ihnen vorsätzlich organisierte Ahnungslosigkeit?
Meine Damen und Herren! Die Justiz ist ein wichtiger Baustein der Inneren Sicherheit, sie genießt bei Ihnen jedoch keine Priorität. Dies ist schon in den Haushaltsberatungen für den aktuellen Doppelhaushalt sehr deutlich geworden, wir haben darauf hingewiesen.
Frau Senatorin Schiedek ist justizpolitisch kein Fels in der Brandung, sondern gleicht mittlerweile vielmehr einer Kapitänin, die sich mit ihrem Schiff in schwerer See befindet und führungs- und orientierungslos quasi per Autopilot direkt auf die Klippen zusteuert,
denn zusammenfassend muss man leider feststellen, dass Sie, Frau Justizsenatorin Schiedek, entweder nichts gewusst haben, nichts erfahren haben oder nichts unternommen haben – zu wenig, um Ihrem Amt als Justizsenatorin gerecht zu werden. Die Innere Sicherheit ist ein hohes Gut, und dafür brauchen wir eine funktionierende Justizlandschaft. Handeln Sie endlich.
– Ich habe leider nicht so viel Zeit, Filme zu schauen. Bei den Kollegen hingegen scheint das ausgeprägt zu sein.
Ich will mit einer Frage an die SPD, insbesondere an Frau Schiedek und Herrn Tabbert, beginnen. Was ist das?
"Die Unfähigkeit eines Menschen, das eigene Handeln mit der Objektivität der realen Welt [oder] der Denkweise seines Umfeldes in Einklang zu bringen."
Das ist die Definition von Realitätsverlust, und diese Diagnose muss man bei Ihnen wohl stellen.
Herr Tabbert, wenn man allen Ernstes behauptet, dass es keine Probleme in der Justiz gab,
dass das Sommerloch herrschte und die Presse nichts zu schreiben hatte, dann ist das Realitätsverlust.
Bis auf die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen hat jeder, der in dieser Stadt etwas mit Justiz zu tun hat, diesen Senat und diese Senatorin in den letzten Wochen kritisiert, und das ignorieren Sie völlig. Das kann doch nicht Ihr Ernst
sein. Frau Schiedek spricht davon, dass moderne Führungskultur in ihrer Behörde herrsche.
Dass Sie sich immer hinter Herrn Kusch verstecken müssen, Herr Dressel, ist wirklich auffällig. Ich weiß nicht, welches Trauma Sie haben.
Dass Sie wahrscheinlich nicht jede E-Mail Ihrer Mitarbeiter lesen, kann ich nachvollziehen. Aber erklären Sie mir einmal, wie es möglich ist, dass der Gefangene am 19. Juli ausbricht und bis zum 25. Juli sechs Tage Zeit vergehen, bis in der "Bergedorfer Zeitung" diese anonyme E-Mail, die an uns und an die Zeitung gesandt wurde, bekannt wird. Was hat es mit moderner Führungskultur zu tun, wenn Ihre Mitarbeiter Ihnen selbst dann, nachdem der Gefangene fort ist, die öffentliche Debatte beginnt und die Menschen Angst haben, immer noch nicht vorlegen, dass es eine E-Mail gab, und zwar Mitarbeiter, die Sie angeblich in Schutz nehmen wollen, die dort aussagen, dass sie es kommen gesehen haben? Selbst dann, als es passiert ist, hatten die Mitarbeiter offensichtlich noch immer nicht die Kompetenz und Fähigkeit, Ihnen das vorzulegen. Das muss Ihnen doch zu denken geben.
Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.
Ich will ein Zitat bringen:
"Vor massiven Stellenstreichungen bei unserer Staatsanwaltschaft kann ich an dieser Stelle nur vehement warnen."
Das kommt nicht aus dem Jahr 2008 von mir, sondern aus dem Jahr 2010 von Frau Schiedek, hier an diesem Pult gesprochen. Aber was erleben wir jetzt? Eine Kürzungsorgie
und einen Aufschrei der Staatsanwaltschaft. Im Protokoll gab es noch Beifall bei der SPD-Fraktion, das ist offensichtlich jetzt bei Ihnen nicht mehr der Fall. Wir haben es durch die vom Senat auferlegten Schonbereiche in der Justiz mit einer Sparquote von 18,2 Prozent zu tun, wobei der Stellenbestand der Justiz gerade einmal 7,8 Prozent am Gesamtpersonalkörper der Hamburger Verwaltung beträgt, und dann wird die Strafjustiz von Ihnen noch zusätzlich über Gebühr zur Konsolidierung herangezogen.
Frau Schiedek, Sie sprachen vom Städtevergleich und von 1,3 Monaten, aber Sie müssen auch schauen, wie die Entwicklung jetzt schon aussieht. Die allgemeinen Strafverfahren dauerten bei der Staatsanwaltschaft 2010 noch 62 Tage, 2011 69 Tage, im vergangenen Jahr 71 Tage, und bei der Summe aller staatsanwaltschaftlichen Verfahren, von denen Sie gesprochen haben, vergingen zwischen Eingang und Abschluss 2010 37 Tage, im Jahr darauf 39 Tage, jetzt 40 Tage und in diesem ersten Halbjahr 43 Tage. Da ist doch etwas im Busch, das muss man doch erkennen, wenn man diese Zahlen sieht, und die müssen Sie doch auch zur Kenntnis nehmen.
Es ist ein Alarmsignal, wenn der Generalstaatsanwalt und der Leitende Oberstaatsanwalt uns sagen, dass sie nicht mehr so leistungsfähig wie in den vergangenen Jahren seien. Auch dafür müssen Sie die Verantwortung übernehmen. Deshalb fordern wir Sie auf, ein umfassendes Konzept für die Umbaumaßnahmen der JVA, dabei in erster Linie der Untersuchungshaftanstalt, und, besonders wichtig, der Finanzierung vorzulegen.
Herr Müller hat es angesprochen, sagen Sie uns Abgeordneten endlich, wie die umfangreichen Stellenstreichungen bei der Staatsanwaltschaft und den Gerichten konkret aussehen. Oder ist es auch moderne Führungskultur, wenn Sie sagen, dass die anderen die Mistarbeit machen können und Sie damit in Ruhe gelassen werden wollen, das sei alles eigenverantwortlich? So kann man mit unserer Justiz nicht umgehen.
Kämpfen Sie für eine angemessene Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften im Senat. Nehmen Sie endlich Platz auf der Brücke der Justizbehörde und erwecken Sie nicht länger das Bild der ahnungslosen Senatorin. – Vielen Dank.
Frau Duden, das waren richtige Argumente, nur die Schlussfolgerung war falsch. Warum überweisen wir das an den Verfas