Protocol of the Session on November 28, 2012

Etablierte Qualifizierungsprogramme, therapievorbereitende Angebote und geschulte Mitarbeiter, und dies alles an einem Ort, sowie die räumliche Trennung zwischen Frauen- und Männervollzug wollen Sie einfach aufgeben. Ich will ein paar Gründe nennen, warum wir das nicht unterstützen werden. Die Kosten für die Verlegung des Frauenvollzugs nach Billwerder schlagen allein mit mindestens 3 Millionen Euro zu Buche, und das bei 9 Millionen Euro, die wir in den letzten Jahren für den Frauenvollzug in Hahnöfersand investiert haben. Die angeblichen Einsparungen von 20 Vollzeitstellen sind auch ohne eine Verlagerung möglich. Außerdem ist es höchst fraglich, ob diese Einsparungen bei einer Verlagerung nach Billwerder überhaupt möglich sind, weil viel mehr Begleitpersonal notwendig sein wird, wenn die Frauen auf dem Anstaltsgelände in Billwerder von Vollzugsbediensteten begleitet werden müssen. 80 Haftplätze für Frauen in einer Haftanstalt mit 650 männlichen Gefangenen: Bei diesem männlichen Übergewicht droht zwangsläufig eine Benachteiligung der weiblichen Insassen.

Das Lieblingsargument der SPD lautet, die Strafverteidiger und Rechtsanwälte müssten nicht mehr so weit nach Hahnöfersand fahren, da Billwerder näher an der Innenstadt liege. Und wie reagieren die Betroffenen? In der Stellungnahme der Hamburger Arbeitsgemeinschaft der Strafverteidiger ist kein Wort der Dankbarkeit dafür zu lesen. Ich finde es geradezu peinlich, mit diesen Argumenten die Qualität des Strafvollzugs in Hamburg zu gefährden.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Viele Fragen sind offen: Kann die strikte räumliche Trennung wirklich gelingen? Durch die ungleiche Verteilung von Männern und Frauen ist fraglich, welche Auswirkungen auf Ausbildungs- und Betreuungseinrichtungen es im Laufe der Zeit gibt. Was will der Senat gegen die drohenden Unterdrückungstendenzen tun? Wie soll eine MutterKind-Station in der Haftanstalt Billwerder funktionieren? Kann die Situation baulich wirklich so angepasst werden, dass eine Beeinträchtigung, Stichwort Sichtschutz der Frauen, absolut verhindert werden kann? Auch deshalb haben wir unsere Beratungen im Rechtsausschuss noch nicht abgeschlossen, wenngleich die SPD das gerne gehabt hätte.

Meine Damen und Herren! Die SPD macht es sich zu einfach. Sie ist stolz darauf, dass zwei ihrer Abgeordneten sich Billwerder einmal angeguckt und

(Ksenija Bekeris)

festgestellt haben, das ginge alles. Sie nennen die Anstalt in Luckau-Duben als Paradebeispiel für den gemeinsamen Vollzug von Männern und Frauen, aber diese ist überhaupt nicht vergleichbar mit unserer Situation. Sie ist baulich und konzeptionell so geplant gewesen, und in einem Flächenland wie Brandenburg haben wir eine andere Häftlingsstruktur als in der Großstadt Hamburg. Frau Schiedek hat ihren Abteilungsleiter losgeschickt, der uns in rosaroten Farben im Ausschuss erklärte, wie toll das alles sei, und das hat sogar noch dazu geführt, dass die SPD-Abgeordneten gefragt haben, ob man nicht noch mehr Verbindungen schaffen und möglicherweise noch eine gemeinsame Unterbringung von Männern und Frauen im Strafvollzug einrichten könne. Das geht wirklich an den Realitäten im Strafvollzug vorbei.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Es ist schade, dass Sie meine Idee zu gemeinsamen Verhandlungen und Gesprächen über die Möglichkeit eines Vollzugsstrukturfriedens gleich abgelehnt haben. Alle Oppositionsfraktionen haben ihre Bereitschaft erklärt, nur die SPD ist nicht dazu bereit. Sie wollen lieber mit dem Kopf durch die Wand. Wir hätten die einmalige Chance einer Zusammenarbeit, weil wir inhaltlich gar nicht so weit auseinanderliegen. Wir sind uns einig, dass wir eine behutsame Weiterentwicklung, einen Ausbau und eine qualitative Stärkung des offenen Vollzugs brauchen und dass wir weitere Haftplätze abbauen müssen. Diese Ausgangsposition ermöglicht es uns doch, dass wir uns in der Diskussion über die Haftanstalten in Hamburg jetzt einer friedlichen Lösung nähern können und uns um die wirklichen Probleme im Vollzug wie den hohen Krankenstand der Strafvollzugsbediensteten oder die hohe Rückfallquote der Gefangenen kümmern können. Frau Senatorin, verwechseln Sie nicht politisches Durchhaltevermögen mit Unbelehrbarkeit.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Mein Appell an Sie: Gehen Sie noch einmal in sich und stellen Sie sich Ihrer Verantwortung für den Hamburger Strafvollzug. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Tabbert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass die geplante Neustrukturierung des hamburgischen Justizvollzugs eine auch aus vollzuglicher Sicht gut vertretbare Lösung ist.

(Dietrich Wersich CDU: Schade!)

Seit einem Jahr liegen die Pläne des Senats vor, und dem vorausgegangen sind im Übrigen etliche Jahre erfolgloser Bemühungen der Vorgängerse

nate um ein schlüssiges Konzept. Die Neustrukturierung des hamburgischen Strafvollzugs ist eine große Herausforderung, an die wir mit der notwendigen Sorgfalt und unter Abwägung aller Interessen herangegangen sind.

(Beifall bei der SPD – Vizepräsidentin Bar- bara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Zu der Senatsdrucksache haben mehrfach ausführliche Beratungen in öffentlichen Sitzungen des Justizausschusses stattgefunden. Zudem gab es eine umfangreiche Expertenanhörung, für die sich alle Fraktionen, allen voran meine, einvernehmlich ausgesprochen hatten und die in einer dritten Sitzung zu diesem Thema extensiv gemeinsam ausgewertet wurde. Allseits begrüßt wurde der Ausbau des offenen Vollzugs am bisherigen Standort Glasmoor und das damit verbundene Abrücken von den schwarz-grünen Plänen, diesen hinter die geschlossenen Mauern der JVA Fuhlsbüttel zu verlagern, ganz abgesehen davon, dass das Konzept von Schwarz-Grün nicht ansatzweise ausfinanziert war. Im Streit scheint mir lediglich, wie der Kollege Trepoll es gerade auch angesprochen hat, die Verlegung der Teilanstalt für Frauen von Hahnöfersand nach Billwerder.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Nee, nee, nee!)

Hier haben uns letztlich bei der Expertenanhörung die Ausführungen des Leiters der JVA Luckau-Duben, der eindrucksvoll von einem gut funktionierenden gemeinsamen Vollzug von Männern und Frauen berichtete, überzeugt sowie die beeindruckende Schilderung des stellvertretenden Leiters des Strafvollzugsamts über seinen Besuch in der JVA Luckau-Duben. Das in der JVA Luckau-Duben verfolgte Vollzugskonzept kommt dabei dem der Neustrukturierungsdrucksache des Senats am nächsten. Nach den ausführlichen Beratungen waren und sind wir der Auffassung, dass die Drucksache zusammen mit dem gemeinsamen Petitum der SPD-Fraktion – von der Opposition gab es keines – beschlussfähig ist. Die Beschlussfassung war uns zudem wichtig, um die in der Drucksache haushaltsrelevanten Entscheidungen auf den Weg bringen zu können. Je länger die Gelder für die Neustrukturierung gesperrt bleiben, umso länger verhindern sie insbesondere den Ausbau des offenen Vollzugs in Glasmoor.

(Beifall bei der SPD)

Dies erstaunt mich umso mehr, als ich inzwischen den Eindruck gewonnen habe – Sie haben das gerade noch einmal bestätigt, Herr Trepoll –, dass es über die Notwendigkeit des Ausbaus des offenen Vollzugs in Glasmoor zwischen den Fraktionen dieses Hauses keinen Streit mehr gibt. Selbstverständlich will und wird die SPD-Fraktion keine Minderheitenrechte aushebeln. Um dem in der letzten Sitzung von der Opposition erweckten Eindruck,

(André Trepoll)

hier solle etwas mit der Brechstange durchgesetzt werden, entgegenzuwirken, haben wir noch vor der Entscheidung der Bürgerschaftskanzlei – die im Übrigen auch einen Teil Ihres Beschlusses für die öffentliche Anhörung für rechtswidrig erklärt hat, darüber können Sie sich ruhig lustig machen, lachen Sie doch über die Bürgerschaftskanzlei, ich nehme das ernst – einer weiteren öffentlichen Anhörung zu diesem Thema zugestimmt.

(Dietrich Wersich CDU: Sie verwechseln Tä- ter und Opfer!)

Eines ist klar: Die SPD-Fraktion ist stets offen für einen sachlichen Austausch, so, wie wir das seit einem Jahr bei diesem Thema tun. Wenn die Opposition das weiterhin wünscht, dann werden wir uns dem nicht verschließen. Allerdings erfordert ein Austausch schon alternative Konzepte, und die hat keine der Oppositionsfraktionen bisher vorgestellt, auch Sie eben nicht, Herr Trepoll.

(Beifall bei der SPD – Christiane Schneider DIE LINKE: Doch!)

Für eine ernsthafte politische Auseinandersetzung reicht es eben nicht, Begriffe wie "Vollzugsfrieden" in den Raum zu stellen und weiteren Beratungsbedarf anzumelden. Nach über einem Jahr Beratung kann auch die Bevölkerung von der Opposition erwarten, entweder Alternativangebote zu machen oder die Blockade von dringend notwendigem Senatshandeln zu unterlassen.

(Dr. Till Steffen GRÜNE. Das hat die SPD doch auch nicht anders gemacht!)

Wir jedenfalls sind gespannt auf Ihre Konzepte. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Müller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tabbert, es ist kein nettes Angebot der SPD-Fraktion, dass es jetzt eine öffentliche Anhörung gibt, sondern es ist das Ergebnis der Prüfung der Bürgerschaftskanzlei, dass die Abstimmung ungültig war

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

und insofern die öffentliche Anhörung geboten ist – also keine nette Geste. Ich glaube, dass wir uns alle einig sind, dass sehr viele Fragen offen sind. Wir haben viele leere Gesichter gesehen; das wird das Protokoll auch noch einmal zeigen. Deswegen ist es angemessen, weiterhin mit Experten über diese sehr umstrittene Verlagerung von inhaftierten Frauen nach Billwerder in diesem Parlament zu sprechen.

Aus unserer Sicht ist diese Drucksache in ihrem jetzigen Zustand nicht abstimmungsfähig und schon gar nicht, Herr Tabbert, mit Ihrem Petitum, mit Ihrem Antrag, in den Sie Dinge hineingeschrieben haben, die schon in der Senatsdrucksache stehen. Darum fragen wir uns, warum jetzt noch einmal beschlossen werden soll, was der Senat schon in seiner Drucksache geschrieben hat. Trauen Sie Ihrem Senat nicht?

Wir haben aber auch unsere berechtigten Zweifel. Ich kann verstehen, dass Sie vielleicht der Opposition in dieser Frage nicht zuhören, aber es haben sich wirklich sehr viele Menschen in dieser Stadt, und auch die Experten, mit Argumenten gemeldet, über die man nachdenken muss, da sie recht haben. Wir haben einen offenen Brief, und zwar von der Mutter Ihrer Justizsenatorin, Maria Peschel-Gutzeit.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist nicht ihre Mutter!)

Sie war eine gute Justizsenatorin und sie ist die Mutter der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand und auch von Billwerder. Das war einmal alles ganz anders geplant. Sie hat von Anfang an darüber befunden, dass Frauen und Männer in einen getrennten Vollzug kamen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Peschel-Gutzeit hatte recht und hat auch aus heutiger Sicht weiterhin recht, denn Ihre Pläne, warum man verlagern sollte, sind nicht schlüssig. Es fängt beispielsweise damit an, dass die Expertin der Justizvollzugsanstalt in Bützow sagte, sie hätten auch das Problem der Prostitution hinter den Gefängnisgittern. Es sähe dort vielleicht anders aus als in St. Pauli, aber das Problem existiere durchaus. Es gibt bei den Frauen eine Ausnutzung ihrer Situation auf den verschiedensten Wegen. Das können wir uns alle in Freiheit nicht vorstellen, aber das Leben hinter Gittern hat seine eigene Realität. Und diese Realität ist nicht vergleichbar mit dem, was die Frauen zurzeit in Hahnöfersand erleben. Das haben übrigens viele Experten dargestellt, nicht nur die eine Expertin aus Bützow.

Ich habe noch einmal mit Erschrecken gehört, was der Vorsitzende des Bundesstrafvollzugsdienstes gesagt hat. Auch er hat nämlich große Zweifel daran, dass die Zusammenlegung unter Abwägung der vorgebrachten Argumente am Ende dafür sprechen. Er hat sogar schon in der "Bild"-Zeitung die Überschrift gesehen wegen Vergewaltigungen.

Es gab sehr viel Kritik und Hinweise in dieser Hinsicht. Wir haben die Verantwortung für diese Frauen und wir können nicht leichtfertig damit umgehen. Ich habe das Gefühl, dass es in Ihrer Fraktion jetzt nur noch darum geht, den Senat gut aussehen zu lassen und nicht mehr darum, ob es wirklich eine gute Idee ist, für 870 000 Euro diese

(Urs Tabbert)

Frauen als Experiment zu 650 Männern nach Billwerder zu stecken. Wir glauben nämlich, dass das gefährlich ist.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und ver- einzelt bei der LINKEN)

Es gab all die Versprechungen über mehr Qualifikationen und Ausbildung. In der letzten Sitzung fragten wir, ob das alles überhaupt gesichert sei. Es wurde gesagt, der Friseur sei schon weg. Die Gelder seien zwar beim Sozialfonds beantragt, aber es sei unsicher, ob die kommen würden, man würde einmal schauen. Es ist also nichts gesichert und es gibt nicht mehr. Dazu haben wir noch weitere Fragen.

Als wir nach dem Geld fragten, wurde es dann ganz diffus. Es wurde gesagt, Billwerder hätte sowieso schon so viele Beschäftigte, und da liefen offenbar welche herum, die nichts zu tun hätten. Man könnte den Mehraufwand, den die Frauen auslösen würden, wenn sie nach Billwerder zögen, dann übernehmen. Das wird aber ein Wanderzirkus, wenn man sich das einmal vorstellt. Für jeden Gang zum Arzt, zum Kaufmann, für jede Drogenberatung und überall hin müssen die Frauen begleitet werden.

(Urs Tabbert SPD: Dann werden alle Män- ner auch begleitet!)