Protocol of the Session on September 12, 2012

Das Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle hat erwiesen, dass sich Ihre Chancen bei einem anonymisierten Bewerbungsverfahren deutlich verbessern, und genau deshalb unterstützen wir den Vorschlag, im öffentlichen Dienst Hamburgs, der ein sehr großer öffentlicher Dienst ist im Verhältnis zur Celler Stadtverwaltung, wo das Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle stattgefunden hat, ein zunächst auf zwei Jahre befristetes Pilotprojekt zu starten.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Erstens wegen der Vorbildfunktion für die private Wirtschaft und zweitens, weil es angesichts der Verhältnisse nötig ist, alle Formen von Diskriminierung zu benennen und womöglich auszuschalten. Und die Personalstruktur des hamburgischen öffentlichen Dienstes zeigt, dass das noch lange nicht der Fall ist. Gerade die Besetzung der leitenden Funktionen dürfte ein scharfes Bild vorhandener Diskriminierung zeichnen. Hier ist nämlich der Anteil von Frauen zum Beispiel gering, manchmal extrem gering. Schauen wir uns einmal die Besoldungsgruppe B3 an, in die etwa der Direktor des Amts für Arbeitsschutz oder des Staatsarchivs, die Leitende Oberschulrätin – die wahrscheinlich weniger –, der Leitende Medizinaldirektor und so weiter eingruppiert sind. Insgesamt finden sich hier 43 verbeamtete Personen, von denen ganz genau – Herr Abaci, wissen Sie es? – sechs weiblich sind, also 14 Prozent, nicht 50 Prozent.

Oder ein anderes Beispiel: Obwohl die Mehrzahl der Lehrkräfte an Schulen Frauen sind, sind unter den in der Besoldungsgruppe A16 eingruppierten 349 Personen – und hier geht es vor allem um Schulleiter – gerade einmal 111 Frauen, weniger als ein Drittel.

(Olaf Ohlsen CDU: Unglaublich!)

Diese Angaben finden sich im Personalstrukturbericht 2012. Für Menschen mit Migrationshintergrund liegen leider keine vergleichbaren Zahlen vor. Tatsächlich dürften sich Migrantinnen und Migranten auf solchen Ebenen – Direktor des Amtes für Arbeitsschutz oder Schulleiter – so gut wie überhaupt nicht finden.

Jetzt gibt es durchaus, Herr Abaci, Fortschritte bei der interkulturellen Öffnung der hamburgischen Verwaltung. Der Antrag der GRÜNEN, ein Pilotprojekt zu starten, bezieht sich ausdrücklich nicht auf Ausbildungsplätze; das scheint mir auch richtig. Trotzdem will ich kurz auf die Situation bei den Auszubildenden eingehen, die Sie so gelobt haben. Hier lassen sich die Probleme der Ungleichbehandlung und Benachteiligung von Migrantinnen und Migranten allein deshalb am deutlichsten zeigen, weil Zahlen vorliegen. Sie sagen zu Recht, dass sich bei den Auszubildenden der Anteil der jungen Menschen mit Migrationshintergrund von 2006 auf 2011 verdreifacht hat. Aber er liegt immer noch bei 16,5 Prozent und damit deutlich niedriger, als der Bedeutung junger Migrantinnen und Migranten in dieser Altersgruppe entspricht, der Anteil liegt nämlich ungefähr bei 40 Prozent.

(Olaf Ohlsen CDU: Nee, 45!)

Im Einstellungsbereich des ehemaligen höheren Dienstes ist der Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund mit 15,6 Prozent noch einmal niedriger. Von den 426 Bewerberinnen und Bewerbern in diesem Einstellungsbereich hatten übrigens 19,2 Prozent einen Migrationshintergrund, es wurden aber nur 15,6 Prozent genommen. Das ist bemerkenswert, denn das zeigt, dass Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund gegenüber den anderen immer noch im Nachteil sind, auch wenn sich etwas – da stimme ich zu – verbessert hat.

(Olaf Ohlsen CDU: Ist ja unglaublich!)

Daraus schließe ich, dass sich in den Institutionen ungeachtet aller bewussten Anstrengungen Formen von Diskriminierung – vielfach natürlich unbewusster Diskriminierung – halten, durch die Menschengruppen aufgrund von äußeren Merkmalen, die mit der Qualifikation überhaupt nichts zu tun haben, benachteiligt werden. Anonymisierte Bewerbungsverfahren sind nur ein Schritt von vielen, für Diskriminierung zu sensibilisieren und institutionelle Diskriminierung zu bekämpfen. Aber sie können tatsächlich ein wichtiger Schritt sein, weil sie den Fokus auf die Qualifikation und die Eignung richten und damit die Chancengleichheit stärken. Sie stärken die Transparenz und Objektivität von Bewerbungsverfahren. Deshalb gehen wir auch davon aus – es steht dort nicht ausdrücklich –, dass der Vorschlag der GRÜNEN sich auf externe und interne Stellenbesetzungen bezieht, denn gerade bei den internen Stellenbesetzungen geht es doch besonders intransparent zu. Wir freuen uns also auf die Diskussion im Ausschuss, da ist noch eine Menge Musik drin.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Das Wort hat Frau von Berg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu Ihrem Beitrag, Herr Abaci: Ich muss wirklich sagen, er hat mich relativ erschüttert. Ich habe mich gefragt, ob Sie die Lebenswirklichkeit von Frauen in Hamburg eigentlich kennen. Wissen Sie, wie das ist, wenn sie sich hier bewerben? Haben Sie mit denen einmal gesprochen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens habe ich das Gefühl, dass Sie unseren Antrag überhaupt nicht gelesen haben. Sie haben überhaupt nicht gelesen, dass es uns um Landesbetriebe geht und nicht um private Unternehmen. Selbstverständlich wissen wir, dass private Unternehmen das nur freiwillig machen können und dass wir es nicht verordnen können. Wir laden dazu ein, die Landesbetriebe auch mit in dieses Bewerbungsverfahren einzubeziehen.

Zu Ihrem Beitrag, Herr Kleibauer. Ich habe mir auch Gedanken darüber gemacht, warum eigentlich einige Bewerberinnen und Bewerber das herkömmliche Verfahren besser finden. Ich habe da ein bisschen an mich selbst gedacht. Wahrscheinlich hatte ich relativ gute Chancen, genommen zu werden wegen des deutschen Namens, weil ich eine Frau bin, das Kind schon groß ist und ich studiert habe.

(Olaf Ohlsen CDU: Besseres Aussehen!)

Dazu sage ich jetzt mal nichts.

Für mich wäre wahrscheinlich das herkömmliche Verfahren auch besser. Und genau das ist der Punkt, der bei der Studie auch herausgekommen ist. Die Bewerberinnen und Bewerber, die gesagt haben, dass sie das herkömmliche Verfahren besser fänden, haben größere Chancen, genommen zu werden.

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Einen Moment, Frau Abgeordnete. – Meine Damen und Herren! Insbesondere an die CDU-Fraktion noch einmal der Hinweis. Frau Wolff, wenn Sie sich unterhalten wollen, dann tun Sie es bitte außerhalb des Plenarsaals; das gilt auch für andere. – Frau Abgeordnete, fahren Sie bitte fort.

Ich komme noch einmal zu den Ergebnissen. Diese Studie hat belegt, dass es nicht eindeutig ist. Aber dies liegt einfach daran, dass einige Menschen von dem herkömmlichen Verfahren profitieren.

Noch einmal zur Frauenförderung beziehungsweise zu den Frauen. Wir wollen doch gerade überprüfen, wie das anonymisierte Bewerbungsverfahren mit Programmen aus der Frauenförderung verknüpft werden kann, damit Frauen besser in Führungspositionen kommen. Frau Schneider hat eindrucksvoll dargelegt, wie es mit den Zahlenverhältnissen in den oberen Etagen unserer Unternehmen, der Landesbetriebe und auch der öffentlichen Verwaltung ist.

(Unruhe bei der CDU)

Finden Sie das so witzig in der CDU?

(Hansjörg Schmidt SPD: Die haben zu we- nig Frauen!)

Herr Kluth, auch zu Ihnen komme ich noch. Auch Sie haben anscheinend unseren Antrag nicht gelesen. Sie sagen, es gäbe doch diese Studie. Wir beziehen uns in unserem Antrag eindeutig auf diese Studie; das haben Sie vielleicht überlesen. Sie haben vielleicht diese Studie nicht gelesen, aber ich habe sie gelesen und weiß ganz genau, wer bei der Studie mit dabei war. Es waren nicht die Hamburger Landesbetriebe und auch nicht Hamburgs öffentliche Verwaltung, es war nicht HAMBURG WASSER, es war auch nicht die Hamburger Hochbahn und wie sie alle heißen.

Was Ihre Bemerkungen zur Diskriminierung in Hamburg anbelangt, so habe ich das Gefühl, die Lebensverhältnisse von Menschen in dieser Stadt haben Sie nicht im Blick. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau von Berg.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion! Es fällt wirklich auf. Herr Kleibauer, Frau Prien, den anderen kann ich von hinten nicht erkennen: Wenn Sie sich unterhalten wollen, dann tun Sie das bitte draußen und geben Sie den Rednern, die sich Gehör verschaffen wollen, die ausreichende Achtung. – Herr Abaci, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau von Berg und Frau Schneider, es ist nicht richtig, dass die interkulturelle Öffnung nur ausdrücklich auf die hamburgische Verwaltung reduziert ist, sondern im Personalbericht steht klipp und klar, dass auch für die externen Bewerbungen Migrantinnen und Migranten insbesondere ermutigt werden, sich auf die Stellen zu bewerben. Es gibt dort eine Ermutigungsklausel und in der steht es ganz klar. Hamburg ist eine weltoffene und vielfältige Stadt.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Großartig!)

Diese Vielfalt soll sich in der hamburgischen Verwaltung widerspiegeln, um die Dienstleistungen für unsere Bürger und Bürgerinnen optimal erbringen

zu können. Wir begrüßen ausdrücklich Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund und wir freuen uns auf ihre Bewerbungen. Es geht nicht nur um die Ausbildung, sondern es geht um die Verwaltung insgesamt.

(Beifall bei der SPD – Christiane Schneider DIE LINKE: Wie hoch ist denn der Anteil?)

Vielen Dank, Herr Abaci.

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/5140 an den Haushaltsausschuss zu? – Gegenprobe. –Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit so beschlossen worden.

Ich rufe dann auf den Tagesordnungspunkt 41, Drucksache 30/5124, Antrag der FDP-Fraktion: Öffentliche Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen der Freien und Hansestadt Hamburg.

[Antrag der FDP-Fraktion: Öffentliche Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen der Freien und Hansestadt Hamburg – Drs 20/5124 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der CDU und der FDP an den Ausschuss Öffentliche Unternehmen überweisen. Wer möchte dazu das Wort haben? – Herr Dr. Kluth, Sie haben es.

(Dr. Andreas Dressel SPD: 15 Minuten noch!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Netze, Hapag-Lloyd, HHLA, Hamburg Energy…

(Dr. Andreas Dressel SPD: Energie!)

Energie, vielen Dank, Herr Dressel.

Wir haben in den vergangenen Monaten bereits mehrfach über städtische Beteiligungen, den Staat als Unternehmer und die sich daraus ergebenden Nachteile und Risiken für die Stadt im Parlament diskutiert. Und ich bin sehr zufrieden damit, dass die FDP-Fraktion mehrere dieser Diskussionen angestoßen hat und in allen Debatten einen ordnungspolitisch sehr klaren Kurs gefahren ist.

(Beifall bei der FDP – Vizepräsidentin Kers- ten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man sich die Debattenbeiträge, insbesondere der Kollegen von der LINKEN, aber auch von den Sozialdemokraten und den GRÜNEN, in die

sen Diskussionen vergegenwärtigt, dann konnte man gelegentlich den Eindruck haben, dass in den letzten Jahren eine Privatisierungswelle durch Hamburg gefegt ist und die Stadt deshalb kaum mehr in der Lage ist, auch nur die elementarsten Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrzunehmen. Das ist nichts anderes als eine Märchengeschichte.