Der aktuelle Personalbericht des Senats enthält hierzu umfangreiche und aussagekräftige Informationen. Hamburg ist beispielsweise bei der interkulturellen Öffnung insgesamt auf einem guten Weg.
So hat sich die Zahl der Auszubildenden mit Migrationshintergrund innerhalb von fünf Jahren verdreifacht. Insgesamt wurden während der Laufzeit des Projekts "Wir sind Hamburg! Bist Du dabei?" von 2006 bis 2011 385 Auszubildende mit Migrationshintergrund in der hamburgischen Verwaltung eingestellt.
Ich verstehe die Intention des Antrags, dass die Stadt quasi ein Signal an die Wirtschaft geben und sie zur Nachahmung anregen soll. Aber wir sollten darüber nicht vergessen, dass die Stadt als öffentlicher Arbeitgeber ganz eigene Regularien und Zielvorgaben hat, die die Wirtschaft in dieser Form nicht kennt; ich nenne die Frauenförderung des Hamburger Gleichstellungsgesetzes und für die Menschen mit Migrationshintergrund das Ziel der interkulturellen Öffnung.
Hamburg als öffentlicher Arbeitgeber geht den Weg einer positiven Diskriminierung, das heißt, die Stadt fordert bestimmte Gruppen, wie Migranten, gezielt auf, sich in der hamburgischen Verwaltung zu bewerben. Die Frage ist nun, ob es angesichts dieser Vorgehensweise und der bisherigen Erfolge Sinn macht, ein anonymisiertes Verfahren einzuführen, oder ob das nicht sogar kontraproduktiv sein könnte. Der Senat hat sich mit seinem Arbeitsprogramm ausdrücklich dafür ausgesprochen, die interkulturelle Öffnung der hamburgischen Verwaltung verstärkt fortzuführen und die Kampagne fortzusetzen. Der öffentliche Dienst ist hier schon viel weiter als die private Wirtschaft.
Es bleibt also die Frage der Signalwirkung. Selbst wenn die hamburgische Verwaltung ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren einführen würde, hätte dies nicht zwangsläufig Auswirkungen auf die Einstellungspraxis in der privaten Wirtschaft.
Und es sind die privaten Arbeitgeber, die Sie überzeugen müssten, nicht die im öffentlichen Dienst. Außerdem ist die Frage offen, ob Sie mit der anonymisierten Bewerbung allein Ihr Ziel erreichen würden. Alle Arbeitgeber wollen sich ein vollständiges Bild von einem Bewerber machen. Die anonyme Bewerbung kann ein Mittel sein, die erste Hürde zu nehmen. Wenn aber die weiteren Schritte im Bewerbungsverfahren, die Gesprächsführung oder die anschließenden Tests nicht diskriminierungsfrei gestaltet werden, dann hilft das den Betroffenen
auch nicht weiter. Es gilt also, das gesamte Verfahren möglichst diskriminierungsfrei zu gestalten. Hier denke ich an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in der Führungsebene und an die Anerkennung, Förderung und Wertschätzung der interkulturellen Kompetenz.
Sie sehen, mich beschäftigen noch einige Fragen zu Ihrem Antrag. Deshalb sollten wir die Diskussion weiter führen, und zwar im Unterausschuss Personalwirtschaft des Haushaltsausschusses. Dort haben wir mit dem Personalbericht die richtige Grundlage und mit dem Personalamt auch den richtigen Ansprechpartner, um das noch einmal genauer zu beleuchten. Die SPD-Fraktion beantragt deshalb die Überweisung an den Haushaltsausschuss. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben bereits gesagt, worum es bei diesem Thema geht. Es ist auch deutlich geworden, dass die Drucksache mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Ausschuss überwiesen wird. Wir finden es auch richtig, dass sie im zuständigen Unterausschuss für Personal beraten wird, da kann man sich dem Thema auch etwas näher widmen. Gestatten Sie mir deshalb nur einige wenige Anmerkungen.
Frau von Berg, Sie haben auf dieses Pilotprojekt auf Bundesebene und seine Auswertung durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hingewiesen. Nun fällt diese Auswertung nicht dramatisch positiv aus. Sie fällt in der Tendenz positiv aus, es gibt Befragungen, auch unter Bewerbenden, aus denen eine gewisse Tendenz herauszulesen ist hin zu dieser anonymen Bewerbung. Aber es gibt zum Teil auch Umfragen, bei denen die Befragten sagten, es bringt mir keinen Vorteil oder es ist in etwa ein ausgeglichenes Stimmungsbild. Das spricht also auch dafür, sich das intensiv anzusehen, zumal dieses Pilotprojekt auf Bundesebene insgesamt relativ überschaubar war.
Zudem reden wir über den öffentlichen Dienst. Ich glaube auch, dass der öffentliche Dienst in Hamburg durchaus weiter ist. Das Programm zur interkulturellen Öffnung hat der Vorgängersenat unter Ole von Beust erfolgreich angeschoben; es gibt Frauenförderprogramme und alle Statistiken zeigen, dass der öffentliche Dienst auch in Hamburg in diesem Punkt durchaus besser dasteht als viele Unternehmen der Privatwirtschaft. Nichtsdestotrotz und auch wenn es diese Programme gibt hat der öffentliche Dienst natürlich auch eine Vorbildfunktion. Das zeigt sich auch bei Pilotprojekten auf Bun
desebene, es waren gerade diejenigen aktiv, die sich auch vorher darüber Gedanken gemacht haben. Deshalb schließt das eine das andere nicht aus. Das sind im Wesentlichen die Punkte.
Ich möchte zu Ihnen, Herr Abaci, noch eine Anmerkung machen. Ich finde es schon interessant, wie verhalten und wie defensiv Sie sich zu diesem Antrag geäußert haben, denn mir sind in der Vorbereitung auf diese Debatte auch viele andere Statements aus der SPD aufgefallen, zum Beispiel von einer Bundestagsabgeordneten der Hamburger SPD, von Frau Özoguz, die sich sehr prominent für die anonymisierte Bewerbung eingesetzt hat.
(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der CDU und bei Christiane Schneider und Can- su Özdemir, beide DIE LINKE)
Und ich fände es, Herr Abaci, in der Tat für die weitere Beratung, die wir von mir aus sehr ergebnisoffen führen können, sehr schade, wenn die SPD da, wo sie in der Opposition ist, die eine Haltung vertritt und sagt, wir müssen dies tun und wir versprechen euch das, sie sich aber da, wo sie wie in Hamburg in der Verantwortung ist und wo Sie selbst gesagt haben, dass der öffentliche Dienst relativ weit ist, zurücklegt und sagt, so ist das nicht gemeint und das Personalamt hat uns aufgeschrieben, dass das nicht geht. Das finde ich dann etwas merkwürdig, hier sollten Sie in einer Linie auftreten. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir alle sind gegen Diskriminierung, wir alle sind uns einig, dass bei Bewerbungen die Eignung und die Qualifikation die entscheidenden Kriterien sein sollten, und vermutlich könnten wir einen einstimmigen Beschluss zu dieser Frage fassen. Die Frage, die uns hier aber beschäftigt, ist: Was wollen die Kollegen von den GRÜNEN mit ihrem Antrag? Die GRÜNEN wollen einen zweijährigen Pilotversuch in Hamburg mit anschließender wissenschaftlicher Evaluierung. Frau Berg, ganz offen gesagt, da kommen Sie ein bisschen spät, denn ein solches Pilotprojekt mit Evaluierung hat es bereits gegeben – Herr Kollege Kleibauer hat darauf hingewiesen –, durchgeführt im Auftrag des Bundesfamilienministeriums von 2010 bis 2012, und zwar zusammen mit vier großen Konzernen, einem mittelständischen Unternehmen und drei öffentlichen Verwaltungen. Die wissenschaftliche Evaluation hat über 8500 anonyme Bewerbungen berücksichtigt und die Ergebnisse dieser Studie und die wissenschaftliche Aus
wertung liegen bereits seit März dieses Jahres vor. Da stellt sich natürlich die Frage, ob es Sinn macht, genau das gleiche Pilotprojekt noch einmal in Hamburg durchzuführen.
(Antje Möller GRÜNE: Das waren private Unternehmen! – Christiane Schneider DIE LINKE: Ist doch das Gleiche!)
Frau Möller, es waren nicht ausschließlich private Unternehmen. Es waren Konzerne, drei öffentliche Verwaltungen und ein mittelständisches Unternehmen dabei; lesen Sie die Studie.
Also noch einmal die Frage: Macht es Sinn, dieses Pilotprojekt zu wiederholen? Hat man die Einschätzung, dass man zu anderen Ergebnissen kommt als bei dem bundesweiten Pilotprojekt oder als in Baden-Württemberg oder in Schleswig-Holstein? Ich glaube das nicht, und daher wäre die Durchführung eines weiteren Pilotprojekts nichts anderes als eine Verschwendung von Zeit und auch von Geld.
dass aus den bereits durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen politische Konsequenzen gezogen werden. Und wenn dann eine dieser zu ziehenden politischen Schlussfolgerungen darin bestehen sollte, zukünftig in der Verwaltung und auch bei öffentlichen Unternehmen nur noch anonymisierte Bewerbungsverfahren durchzuführen, dann wäre ich da aus drei Gründen skeptisch.
Auch die wissenschaftlichen Begleiter der bundesweiten Pilotstudie haben das übrigens in ihren Ergebnissen ausdrücklich nicht empfohlen. Ich will die drei Argumente nennen.
Erstens: Jede Dienststelle in der Hamburger Verwaltung und auch jedes Unternehmen in der Hansestadt hat schon jetzt das Recht, anonymisierte Bewerbungen durchzuführen, wenn dies gewollt und für sinnvoll erachtet wird. Es bestehen keinerlei Verbote gegenüber anonymen Bewerbungsverfahren. Man kann auch sagen, kein Hamburger Personalchef muss auf die GRÜNEN oder einen Beschluss der Bürgerschaft warten, um anonyme Bewerbungsverfahren im eigenen Haus umzusetzen.
Zweitens: Einige Unternehmen setzen bereits heute auf anonymisierte Bewerbungen, weil sie diese für geeignet halten, gewollte oder ungewollte Diskriminierungen abzubauen oder zu beseitigen. Andere Unternehmen verzichten gerade aus Gründen der Vielfalt auf anonymisierte Bewerbungen und suchen ganz gezielt zum Beispiel nach Migranten,
älteren Menschen oder Menschen mit Handicaps, um ihre Belegschaft entsprechend zu erweitern. Wir reden fast in jeder Bürgerschaftssitzung über den Fachkräftemangel und dass es darauf ankommt, in Zeiten des Fachkräftemangels ganz gezielt vorhandene Beschäftigungsreserven zu mobilisieren. Wieder andere Unternehmen führen Bewerbungen ganz klassisch durch. Und auf all diesen Wegen wird unternehmerischer Erfolg erzielt. Deshalb meinen wir, nicht wir als Bürgerschaft wissen am besten, welche Auswahlverfahren sich eignen, sondern die Unternehmen vor Ort können dies am besten für sich entscheiden, und das gilt für den öffentlichen Dienst in gleicher Weise.
Drittens: Im Antrag der GRÜNEN wird angedeutet, dass die anonyme Bewerbung dabei hilft, die Abwanderung der ausländischen Hochschulabsolventen zu verhindern und somit den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Meine Empfehlung an die GRÜNEN: Machen Sie sich die Mühe und besuchen Sie Hamburger Betriebe, die von Fachkräftemangel betroffen sind. Das Problem ist doch dort gerade nicht, dass man qualifizierte Bewerber mutwillig wegen ihres Geschlechts, ihres kulturellen Hintergrunds oder nach anderen Kriterien ausmustert. Diese Vorstellung bildet die Realität heute nicht mehr ab.
Das Problem ist vielmehr, dass der Arbeitsmarkt zum Beispiel bei Ingenieuren oder IT-Profis leergefegt ist. Die Betriebe würden sich also über Bewerbungen freuen, ob anonym oder nicht anonym.
Um es noch einmal zusammenzufassen: Selbstverständlich wollen auch wir Vorfahrt für Eignung und Qualifizierung bei Bewerbern. Der vorliegende Antrag ist aber überflüssig, weil es das geforderte Pilotprojekt gegeben hat. Ein solcher Beschluss kostet nur Geld und Zeit, bringt uns aber in der Sache nicht weiter. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Im Unterschied zur SPD und zur FDP finden wir den Vorschlag eines
Pilotprojekts in einem großen öffentlichen Dienst – und darum geht es – gut. Es ist schon vieles gesagt worden. Statistisch gesehen findet die Diskriminierung vor allem in der ersten Phase der Bewerbung statt. Heißen Sie zum Beispiel Bulut oder Kaczynski oder Papadakis, sind Sie eine Frau mit Kind oder sind Sie schon älter, dann haben Sie bei Bewerbungen einfach schlechtere Chancen und das ist statistisch messbar. Dann zählt nämlich Ihre Qualifikation im Verhältnis zu einer gleichen Qualifikation weniger, weil Sie erst gar nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werden.
Das Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle hat erwiesen, dass sich Ihre Chancen bei einem anonymisierten Bewerbungsverfahren deutlich verbessern, und genau deshalb unterstützen wir den Vorschlag, im öffentlichen Dienst Hamburgs, der ein sehr großer öffentlicher Dienst ist im Verhältnis zur Celler Stadtverwaltung, wo das Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle stattgefunden hat, ein zunächst auf zwei Jahre befristetes Pilotprojekt zu starten.