Protocol of the Session on June 14, 2012

(Dr. Walter Scheuerl)

die Primarschulreform schon gezeigt, dass Sie gern ein bisschen von oben herab verordnen. Wir möchten, dass Ganztagsbetreuung freiwillig ist, und die SPD hat zugestimmt. Wer ein Problem damit hat, der möchte gern von oben herab bestimmen, und das finde ich einfach unmöglich. Wir müssen doch keine Ideologiedebatten mehr führen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Mir ist völlig unklar, warum wir nicht endlich aufhören, darüber zu diskutieren, was in der vorigen Legislaturperiode war, was Herr Rabe vorgefunden hat und wer schuld daran war. Dann steht Herr Heinemann auf und sagt, wir haben das alles ganz anders gemeint, und die GAL sagt auch noch etwas dazu. Warum schauen wir nicht einfach nach vorn und versuchen, qualitativ hochwertige Ganztagsschulen auszubauen und das auf freiwilliger Basis? Dann haben wir alle, was wir wollen, wenn wir es denn wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Heyenn hat das Wort.

Es bleibt dabei, Schuldiskussionen sind immer emotionsgeladene Diskussionen. Was für militante Begriffe ich hier wieder gehört habe – das war sagenhaft. Paragraf 13 Absatz 3 des mühsam errungenen Schulgesetzes lautet:

"In der offenen Form der Ganztagsschule ist die Teilnahme am Unterricht nach Stundentafel Pflicht, an den ergänzenden Angeboten freiwillig."

Wenn Sie, Frau von Treuenfels, sagen, dass Sie nur das wollen, dann müssen Sie das Schulgesetz nicht ändern, es steht schon drin. Ich möchte einfach an die SPD appellieren, sich zu überlegen, welche Konsequenzen es hat, wenn man ein Schulgesetz ändert. Die Diskussion, die bezüglich "zwangsweise" und "freiwillig" geführt wird, hat für mich etwas aus dem 19. Jahrhundert oder der Steinzeit.

(Beifall bei der GAL – Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Gestatten Sie Herrn Dr. Scheuerl eine Zwischenfrage?

Frau Heyenn, Sie haben eben den alten Paragrafen 13 Absatz 3 zitiert. Ist Ihnen bekannt, dass Sie nachher über den SPD-Antrag mit einem neuen

Paragrafen 13 Absatz 3 abstimmen, in dem dieser Satz, den Sie gerade zitiert haben, gar nicht mehr vorkommt?

Erstens ist der Antrag noch nicht beschlossen worden und zweitens halte ich mich an das geltende Gesetz.

Ich finde, dass man sich dreimal überlegen muss, ob man diese vielen Änderungen nach dem hoch gelobten Schulfrieden einführt. Wir haben mehrfach gesagt, dass es regional ausgewogen und in zumutbarer Entfernung zum Wohnort ein Recht auf Halbtagsschulbesuch geben soll. Ich frage Sie von der SPD, was Sie denn tun wollen. Da hat Frau von Berg doch recht. Wenn in einer Region alle Eltern mehrheitlich in den Schulen GBS beschließen…

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, GBS ist das!)

Aber wenn Sie es nicht machen müssen, dann reicht doch Paragraf 13 Absatz 3, dann müssen Sie das Schulgesetz doch nicht ändern.

(Robert Heinemann CDU: Ich erkläre Ihnen das gleich noch mal, Frau Heyenn!)

Ich möchte noch etwas zu Zwang und Freiwilligkeit sagen. Der PISA-Schock ist erwähnt worden und PISA hat gezeigt, dass in der Mehrheit diese Länder viel besser sind als diejenigen, die eine Ganztagsschulorganisation haben. Polen, Österreich und Deutschland haben traditionell eine Halbtagsbeschulung, man kann auch sagen, aus konservativem Hintergrund heraus. Der Punkt ist, dass die Halbtagsschule eine reine Unterrichtsschule ist, moderne Ganztagsschulen dagegen eine Schulorganisation sind, wo Bildung, Freizeit und Betreuung ineinandergreifen, und das ist auch pädagogisch von sehr, sehr vielen Wissenschaftlern begleitet worden. Wenn schon die Handelskammer und die Bertelsmann Stiftung Ihnen, Herr Senator, sagen müssen, dass gebundene Ganztagsschulen das Beste sind, dann müssen Sie einmal darüber nachdenken, wer denn wohl der Demagoge ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Till Stef- fen GAL)

Ich würde es sehr begrüßen – ich glaube, da stimmt auch die GAL überein –, wenn der Antrag der FDP an den Ausschuss überwiesen würde, wir dort darüber diskutieren könnten und dazu eine Expertenanhörung machen würden. Denn bevor wir ein Schulgesetz mit unabsehbaren Folgen ändern, sollte man es erst einmal an den Ausschuss überweisen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der GAL)

Danke. – Herr Heinemann hat das Wort.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

Herr Präsident! Nur ein Wort zu PISA. Frau Heyenn, ich weiß nicht, ob Sie wirklich das Schulsystem von Singapur, Korea und so weiter in Deutschland haben wollen; das waren die PISA-Sieger.

(Dora Heyenn DIE LINKE: PISA sind OECD- Staaten!)

Darüber sollten wir sehr genau nachdenken. Innerhalb von Europa lagen wir übrigens ziemlich weit vorn.

Beim Thema Ganztagsschule sollten wir generell zwischen kleinen Kindern und großen Kindern unterscheiden. Bei kleinen Kindern, die sich sehr unterschiedlich entwickeln und die auch Ganztagsbetreuung sehr unterschiedlich erleben, müssen Eltern, unabhängig davon, was die Mehrheit in ihrem Umfeld sagt, die Möglichkeit haben zu entscheiden, ob sie ihr Kind halbtags oder ganztags beschulen lassen. Diese Freiheit müssen die Eltern von kleinen Kindern haben. Die kleinen Kinder, Herr Rabe, können auch nicht woanders zum Essen hingehen. Das ist an den Gymnasien, von denen Sie gesprochen haben, damals anders gewesen. Natürlich kann sich ein Zehnt- oder Elftklässler im Zweifel woanders etwas zum Essen besorgen, aber der Erstklässler eben nicht. Von daher ist es für Erstklässler nicht einerlei, ob eine Kantine da ist oder nicht, denn die können nicht zum Kiosk gehen und sich selbst etwas kaufen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben leider nicht eine einzige meiner Fragen beantwortet. Bei den Kleinkindern ist es auch nicht einerlei, ob das Angebot wohnortnah ist oder nicht, denn sie können eben nicht wie der Gymnasiast oder der Stadtteilschüler fünf Kilometer mit dem Fahrrad fahren. Wir wollen doch alle, dass Grundschüler zu Fuß zur Schule gehen. Von daher ist es nicht einerlei, ob die Schule wohnortnah ist oder nicht.

In Ihrer Drucksache benutzen Sie leider die Begrifflichkeiten extrem unterschiedlich. Mal bezeichnet GBS eine Ganztagsschule, weiter vorn im Gesetz ist GBS dann keine Ganztagsschule. Von daher ist nicht klar, was Sie mit dem Begriff Ganztagsschule im Gesetz meinen. Wir haben einen Vorschlag gemacht, wie man die in Hamburg bekannten Begriffe von der offenen und gebundenen Ganztagsschule wieder einführt. Wir haben auch die Flexibilität, die Sie, Herr Rabe, persönlich den Eltern in Hamburg zugesagt haben, im Gesetz festgeschrieben, weil ich nicht weiß, ob man sich auf Ihre Zusagen wirklich verlassen kann. Ich würde mich lieber auf das Gesetz verlassen. Von daher wollen wir das, was GBS mindestens von den Eltern an Verpflichtung erfordert, auch hineinschreiben und nicht irgendwelchen Verordnungen überlassen, die Sie dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchbringen.

Ein letzter Punkt. Frau Heyenn, ich gebe Ihnen in einem Punkt völlig recht. Wir sollten über diese gesamte Thematik noch einmal im Schulausschuss beraten, denn meiner Meinung nach ist auch der FDP-Antrag ein bisschen mit der heißen Nadel gestrickt. Zwar steht im letzten Absatz in der Begründung einiges zum Thema Sekundarstufe, das steht aber nicht im Gesetz. Ich bin gespannt – ich sehe dort oben schon jemanden –, wohin es führt, wenn man anfängt, das Thema G8 unter dieser Frage zu beleuchten.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Wen sehen Sie da?)

Ich freue mich schon auf die ersten Verwaltungsgerichtsverfahren, wenn das Thema G8 dort entsprechend angegriffen wird. Von daher kann ich nur dringend raten, Herr Senator, Ihre Drucksache gemeinsam mit dem Antrag der FDP an den Schulausschuss zu überweisen, damit wir mit Ihren Juristen über die juristischen Auswirkungen dieses Satzes beraten können. Sollten Sie das ablehnen, werden wir dem FDP-Antrag zustimmen. Das ist dann Ihre Verantwortung, aber wir würden die Beratung bevorzugen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Dr. von Berg hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine Klarstellung: Wir haben kein Problem mit der Wahlfreiheit, wir haben aber ein Problem, wenn demokratische Prozesse an Schulen ausgehebelt werden. Wenn zwei Drittel der Teilnehmer einer Schulkonferenz sich für eine bestimmte Ganztagsschulform entscheiden oder eben auch nicht, dann kann es nicht sein, dass eine Behörde dem widersprechen kann. Das ist es, wofür wir uns einsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Aktuelle Stunde hiermit beendet.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 66, Drucksache 20/4330, Antrag der SPD-Fraktion: Ausbildungsumlage für die Altenpflegeausbildung.

[Antrag der SPD-Fraktion: Ausbildungsumlage für die Altenpflegeausbildung – Drs 20/4330 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/4460 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ausbildungsumlage für die Altenpflegeausbildung – Drs 20/4460 –]

Beide Drucksachen möchte die GAL-Fraktion an den Gesundheitsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Kienscherf wünscht das Wort und bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben eben lange über das Thema Bildung gesprochen. Das ist ein Thema, das den Anfang des Lebens in den Mittelpunkt rückt. Ich glaube, es ist genauso wichtig, dass sich das Haus hier und heute, aber auch in vielen anderen Sitzungen, mit einem Thema befasst, das eher gegen Ende des Lebens entscheidend wird. Das ist gute Pflege im Alter und wir sollten alles tun, damit wir diese gute Pflege wirklich gewährleisten können.

(Beifall bei der SPD und bei Katharina Fege- bank GAL)

Wir haben als SPD-Fraktion in der letzten Legislaturperiode diverse Debatten dazu eingebracht und Vorschläge unterbreitet, wie wir Pflege verbessern und wie wir sie sichern können. Wir wissen, dass das Thema Pflege und die Zukunftsfähigkeit des gesamten Systems letztendlich in diesen Jahren entschieden werden. Wir entscheiden heute über die Situation in 10 oder 20 Jahren. In dieser Debatte wird es darum gehen, wie wir Menschen für den Pflegeberuf gewinnen können. Wenn man sich die aktuellen Zahlen der Arbeitsagentur für Hamburg anschaut, dann sehen wir, dass es 250 offene Stellen gibt. Experten sagen voraus, dass bis zum Jahr 2030 in Deutschland zwischen 150 000 und 250 000 Stellen in der Pflege fehlen, wenn wir so weiter machen. Von daher müssen wir alles dafür tun, um eine Trendwende zu bewirken, um mehr Menschen für Pflegeberufe zu gewinnen und um gute Pflege auch in den nächsten Jahrzehnten realisieren zu können. Dafür wollen wir Sozialdemokraten uns einsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Ein entscheidender Punkt ist natürlich, wie es auf Bundesebene hinsichtlich der Ausstattung der finanziellen Basis der Pflegeversicherung weitergeht. Nur wenn wir dort zu einer Verbreiterung kommen, wenn wir es schaffen, mehr Geld in das System zu geben, dann schaffen wir es auch, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich zu verbessern, dann schaffen wir es auch, mehr Geld für die Mitarbeiter zu haben, denn die Pflege konkurriert mit anderen Ausbildungsberufen. Auf Bundesebene aber herrscht Stillstand. Das ist ein falscher Stillstand, denn dieser geht zulasten der heutigen und der nächsten