Protocol of the Session on May 23, 2012

(Beifall bei der CDU)

Neidlos gönnen wir es Ihnen, dass Sie nun die Anpassungen an die Rechtsprechung vornehmen können; übrigens alles Anpassungen, die nicht auf Urteile gegen Hamburger Bestimmungen hin erfolgten, sondern allesamt Urteile gegen andere SOGs betrafen, die wir adäquat umzusetzen hatten. Da hat man es als absolute Mehrheit ein bisschen leichter als in Zeiten einer Koalitionsregierung. Aber, um es einmal deutlich zu sagen, das, was Sie geändert haben, hat weder ein neues Gesetz geschaffen, noch hat es einen neuen Geist dieses Gesetzes geschaffen. Sie haben notwendi

(Arno Münster)

ge technische Änderungen vorgenommen – Gratulation dazu. Deshalb werden wir als Union diesen notwendigen technischen Änderungen auch gern zustimmen, aber mehr auch nicht. Hamburg hat das beste und modernste Polizeirecht Deutschlands, weil die Union vor sechs Jahren so weise war – im Übrigen gegen die Stimmen der SPD –, dieses Gesetz zu beschließen.

(Beifall bei der CDU)

Ein letzter Satz zur Waffenverbotszone: Wir stimmen bewusst auch dieser Möglichkeit in der Waffenverbotszone zu. Nur, verehrte Kollegen der SPD und im Senat, wir erwarten auch, dass die Waffenverbotszonen, die wir in Hamburg haben, mit derselben Energie und Akribie, mit der wir sie zuzeiten der letzten Senate geschaffen haben, durchgesetzt werden. Es darf dort kein Nachlassen geben, es darf dort kein Zurückweichen geben, es darf dort auch keinen Abbau von Kontrollen oder Polizeikräften geben. Um es ganz deutlich zu sagen: Nur mit der Einführung einer neuen Vorschrift ist deren Umsetzung in der Realität auf dem Kiez noch nicht hergestellt. Deshalb meine dringende Bitte und auch die Ankündigung, dass wir auf diesen Punkt sehr genau achten werden. Lassen Sie hier nicht nach, hier waren wir erfolgreich und hier werden wir auch weiterhin erfolgreich sein.

Das gilt übrigens auch – das sei in diesem Zusammenhang deutlich gesagt – für das Glasflaschenverbot. Vor Kurzem haben wir die ersten Zahlen für Hamburg gesehen. Wir sind in diesem Bereich deutlich erfolgreicher als noch vor wenigen Jahren. Wir haben einen bemerkenswerten Rückgang an Gefährdungen gehabt, der für viele Menschen mehr Sicherheit bedeutet. Das ist auch ein Erfolg unserer Polizei, weil man dort eine hohe Kontrolldichte aufgebaut hat. Weichen Sie dort nicht zurück, fangen Sie nicht an, diese Kontrolldichte zu verringern.

(Beifall bei der CDU)

Das war ein kurzer Beitrag; mehr gibt es zu diesem Gesetz und seinen Änderungen auch nicht zu sagen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da scheinen die Nerven ein bisschen blank zu liegen: erst billige Polemik in Ihrer Pressemitteilung und jetzt dramatische Sätze wie der, dieser Gesetzentwurf sei ein Zeichen dafür, dass die Innenpolitik wieder sozialdemokratisch sei. Das klingt großartig und gewaltig. Herr van Vormizeele hat es schon gesagt: Es gab durchaus die ganze Zeit über ein Polizeigesetz in Hamburg, und es gab im Übrigen – was Sie immer ignoriert haben, was

aber schlicht und einfach Praxis war – ein Aussetzen der verfassungsrechtlich strittigen Regelungen, so wie sich das gehört und es beispielsweise beim Scannen der Kfz-Kennzeichen dringend notwendig war. Sie führen das jetzt wieder in einer noch schärferen Fassung ein und dies ist umso kritikwürdiger. Das wird der erste Punkt sein, in dem Ihr Gesetz vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand haben wird.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Die durchgängige Linie dieser Novelle ist, dass der Polizei neue Instrumente für eine flächendeckende Überwachung der Menschen in dieser Stadt an die Hand gegeben werden.

Massenscannen von Kfz-Kennzeichen habe ich eben schon genannt. Ich darf an die Evaluation erinnern, die wir zu schwarz-grünen Zeiten gemacht haben. Vor der Entscheidung des Verfassungsgerichts wurden in Hamburg 258 867 Fahrzeuge gescannt, davon waren 159 zur Fahndung ausgeschrieben und 142 wurden angehalten, also Massenscannen ohne erkennbaren Nutzen und insgesamt eine riesige Datensammlung, von der niemand weiß, wo sie bleibt und was mit ihr passieren wird.

(Beifall bei der GAL und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Sie führen die präventive Videoüberwachung bei Versammlungen im öffentlichen Raum ein, bei Veranstaltungen, Partys und Fußballspielen. Sie ist im Übrigen vor Gericht schon längst wieder ad acta gelegt worden; sie ist nicht zulässig. Wie Sie damit durchkommen wollen, wenn es bei Open-Air-Konzerten, Straßenfesten oder Fußballspielen zur präventiven Videoüberwachung kommt, ist mir ein großes Rätsel. Der Senator hat schon ein bisschen zurückgerudert und gesagt, die Kamera werde laufen, aber ob etwas gespeichert werde, entscheide sich dann je nachdem, ob eine Gefahr gesehen werde oder etwas passiert sei. Diese Argumentation wird genauso wenig vor Gericht standhalten wie die Argumentation für das Scannen von Kfz-Kennzeichen.

Ein weiteres Thema, wieder unter der Maßgabe der flächendeckenden Überwachung der Menschen in dieser Stadt, sind die anlasslosen Durchsuchungen von Personen. Herr Münster hat so schön gesagt, das brauche man eben in einer Waffenverbotszone. Es ist bezeichnend für die Haltung der SPD, dass scheinbar nichts von dem, was die Experten in unserer Anhörung dazu gesagt haben, bei Ihnen angekommen ist.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Wenn man das Wortprotokoll liest, dann kann man erkennen, dass auch der Senat nicht sehr viel davon aufgenommen hat. Gerade dieser Punkt, dass jemand angehalten wird in einem Gebiet, das in

(Kai Voet van Vormizeele)

Hamburg eine Waffenverbotszone ist, und dann seine Taschen vorzeigen soll, geht weit über das hinaus, was das Grundgesetz eigentlich vorsieht. Das ist eine anlasslose Durchsuchung von Personen, die sich zufällig in einem Gebiet aufhalten, und das wurde deutlich als nicht stichhaltig gegenüber einer verfassungsrechtlichen Überprüfung angesehen.

Wir können es aber auch noch einmal ein bisschen kleiner formulieren, denn die Befugnisse der Polizei gegenüber den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern sind ebenfalls erhöht worden. Herr Münster, Sie haben es nicht erwähnt, aber wir haben uns viele Stunden über das Thema der Wohnungsdurchsuchung lediglich, um die Identität einer Person festzustellen, unterhalten. Auch hier gab es heftige Kritik von dreien der vier Experten, die wir angehört haben. Auf die Frage, warum wir diese Wohnungsdurchsuchung zur Feststellung der Identität brauchen, hat der Senator auf der anschließenden Senatsanhörung im Übrigen gesagt, dass 13 andere Bundesländer das auch machen und wir jetzt auch. Das finde ich als Argument für einen derartigen Eingriff überhaupt nicht überzeugend.

(Beifall bei der GAL)

In allen Fällen verändert sich die Abwägung der individuellen Rechte gegenüber den staatlichen Sicherheitsansprüchen zuungunsten der Menschen und schränkt die besonders geschützten Räume freien und unüberwachten Lebens ein. Vielleicht sind die Argumente dazu ausgetauscht, vielleicht ist die Debatte deswegen auch ein bisschen lahm, der Raum nicht gut gefüllt, weil wir schon Stunden um Stunden in den Ausschüssen damit verbracht haben. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass wir damit eine Schwelle überschreiten und dieser Schritt nur äußert schwer wieder rückgängig gemacht werden kann. Die Eingriffsschwelle sinkt und kommt immer näher an die Strafprozessordnung heran; auch das ist mehrfach diskutiert worden. Die Experten haben deutlich darauf hingewiesen, dass viele der Eingriffe, die jetzt im Polizeigesetz vorgesehen sind, längst durch die Strafprozessordnung abgedeckt sind. Dafür gab es kein Argument, keine Begründung des Senats. Auch deswegen halten wir diese Novellierung für nicht stichhaltig vor dem Verfassungsgericht. Wir glauben nicht, dass sie Bestand haben wird.

Insgesamt könnte ich noch viel mehr dazu ausführen. Die Stichworte Telefonkommunikationsüberwachung und PC-Onlineüberwachung machen deutlich, wie notwendig es ist, eine Evaluation im Innenausschuss zu haben, um noch einmal darüber zu diskutieren, was präventiv ist und was längst in der Strafprozessordnung verankert ist, was wir brauchen und was nicht.

(Beifall bei der GAL und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Das Wort bekommt Herr Jarchow.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am Ende der Beratungen zur Novellierung des hamburgischen Polizeirechts bleibt aus Sicht der Hamburger FDP festzuhalten, dass dieser heute zu erwartende Beschluss des Hauses wohl einiges an Licht, aber auch einiges an Schatten enthalten wird. Es ist aus liberaler Sicht entschieden zu begrüßen, dass Hamburg – da bin ich bei Ihnen, lieber Herr Münster – mit der Gesetzesnovelle nach vielen Jahren wieder auf den Boden von Rechtsstaat und Grundgesetz zurückkehrt.

(Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Dies gilt insbesondere für das SOG, das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Aus liberaler Sicht sollten Verwaltungs- und Verfassungsgerichte nicht Reparaturbetriebe eines Gesetzgebers sein, der es mit dem Grundgesetz nicht ganz so genau nimmt. Wir sind froh, dass die Bürgerschaft ihrer Aufgabe bei der Korrektur vergangener Fehler damit nachgekommen ist.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Bemerkenswert ist allerdings aus unserer Sicht, wie wenig von dem Entwurf der SPD-Fraktion aus der letzten Legislaturperiode übrig geblieben ist. Unabhängig davon ist die Novelle, so wie sie heute wohl beschlossen werden wird, aber in vielen Bereichen auch eine Sammlung von verpassten Chancen. Es bleibt leider bei zwei Gesetzen, dem Polizeigesetz und dem Gesetz für die Datenverarbeitung der Polizei, und das eigentlich nur aus historischen Gründen beziehungsweise aufgrund des Beharrungsvermögens staatlicher Verwaltung in Deutschland. Beide sind mit den zahllosen und komplexen Querverweisen schwer lesbar und für die praktische Anwendung damit aus unserer Sicht eher untauglich. Problematisch sind auch die zahlreichen implementierten Verweise auf andere Rechtsnormen bis hin zu nur schwer zugänglichen EU-Richtlinien. Dieses scheint hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Zitiergebotes zumindest grenzwertig.

Ferner kritisieren wir den Grundansatz des Senats, jede Vorschrift bis zur Schmerzgrenze an die von den Gerichten vorgegebenen Grenzen auszudehnen. Alles dies macht es den Behörden, der Polizei und den Bürgern nahezu unmöglich, auf Grundlage dieses Gesetzes rechtssichere Maßnahmen zu ergreifen und fehlerhafte Anwendungen zu erkennen. Gesetze sollten in einem Rechtsstaat möglichst so gestrickt sein, dass ihr Gehalt nicht erst Kommentaren, Dienstvorschriften und Ratgebern zu entnehmen ist. Das gilt besonders für Gesetze,

(Antje Möller)

die das tägliche Leben von vielen Staatsdienern und Bürgern betreffen.

Auf einen weiteren großen Schattenbereich konnte die Expertenanhörung zum Glück viel Licht werfen, nämlich bei diversen neuen Elementen, die sich der Senat im Zuge der Novelle so nebenbei geschaffen hat, vor allem im Bereich der Datenverarbeitung. Grundsätzlich problematisch und rechtsstaatlich bedenklich ist dabei der Grundansatz des Senats, immer mehr konkrete Eingriffe in Grundrechte mit abstrakten Gefahrenlagen zu rechtfertigen, die zudem noch von den eingreifenden Behörden höchstselbst definiert werden können. Solche Versuche, den Gesetzesvorbehalt bei der Gefahrenabwehr auszuhebeln, tragen wir nicht mit.

(Beifall bei der FDP)

Genauso wenig mittragen können wir die vielen Versuche, die polizeirechtlichen Eingriffsrechte mit möglichst dehnbaren Formulierungen im Gesetz vom Vorgehen gegen Störer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf möglichst viele Nichtstörer auszudehnen. Das gilt besonders bei Rechtsgrundlagen für massenhafte verdachtsunabhängige Durchsuchungen und mediale Überwachung. Gerade in dieser Hinsicht waren während der Ausschussberatungen die angehörten Experten sehr klar und deutlich. Leider wurden die Meinungen dieser Experten von Senat und Mehrheitsfraktion eher vernachlässigt, ein Umstand, der bei Expertenanhörungen der Bürgerschaft zurzeit leider häufiger zu beobachten ist, was wir bedauern. Natürlich ist es das Recht einer absoluten Mehrheit, nicht auf die Opposition zu hören, aber Expertisen einfach zu ignorieren, überspannt das vom Wähler verliehene Mandat dann doch aus unserer Sicht.

Für uns Liberale ist klar, dass man als Staat Sicherheit nur durch konsequentes Vorgehen gegen Kriminelle und Störer schafft und nicht dadurch, dass man möglichst viele unbeteiligte Bürger unter Generalverdacht stellt, kriminalisiert oder Kriminellen und Störern gleichstellt.

(Beifall bei der FDP)

Aus liberaler Sicht ebenfalls zu bemängeln war in den Ausschussberatungen zur Auswertung der Expertisen die Darstellung des Senats zur Evaluation von Maßnahmen. Wenn der Senat in Sachen verdachtsunabhängige Kontrollen auf die Fragen aus der Bürgerschaft nach Evaluationen mit wissenschaftlicher Qualität von polizeilichen Eingriffsbefugnissen entgegnet, diese seien in der Erstellung zu teuer, scheint man beim Senat etwas Grundlegendes nicht verstanden zu haben.

(Beifall bei der FDP)

Wenn der Staat in die Rechte seiner Bürger eingreift, ist es seine Obliegenheit zu beweisen, dass dieser Eingriff geeignet und erforderlich ist. Bei den Neuregelungen zum Einsatz der Kennzeichenlese

geräte drängt sich einfach der Verdacht auf, dass man verzweifelt nach einer Einsatzberechtigung suchte, nachdem frühere Senate die teuren Geräte in Verkennung der verfassungsrechtlichen Lage angeschafft haben. Uns überzeugt das nicht, man sollte alte Fehler nicht mit neuen reparieren.

(Beifall bei der FDP)

Ebenfalls nicht akzeptabel sind dann noch die vom Senat vorgelegten Regelungen im Bereich TKÜ, Telekommunikationsüberwachung. Dort will man eine Vorratsregelung für eine gesetzliche Grundlage zum Einsatz von technologischen Instrumenten, vor allem Software, und zwar für solche, die es nicht nur noch gar nicht gibt, sondern bei der auch noch nicht einmal absehbar ist, wann und ob es sie geben wird. Natürlich sollten Gesetzesnovellierungen die eine oder andere neue Entwicklung durchaus antizipieren, damit man nicht ständig nachbessern muss. Aber gerade bei diesem so grundrechtssensiblen Thema wie der Integrität von Computersystemen sollte man als Gesetzgeber nicht in den Bereich der Science-Fiction abgleiten.

(Beifall bei der FDP)

Die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung für eine gegenüber allen betroffenen Interessen verhältnismäßige Kennzeichnungspflicht für Polizisten im geschlossenen Einsatz haben wir bereits bei anderer Gelegenheit, lange vor Beginn dieser Beratung gestellt. Da beim Senat und bei der SPD bisher keine Einsicht eingetreten ist, müssen wir es hier am Ende des Verfahrens natürlich wieder tun und werden es tun. Da die Expertisen aus den Anhörungen offenbar kaum Berücksichtigung gefunden haben, obwohl diese zwingend angezeigt gewesen wären, können wir dem vorliegenden Gesetz so nicht zustimmen. Wir verweisen bezüglich unserer Änderungswünsche auf unseren Zusatzantrag und bitten dafür um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.