Protocol of the Session on May 23, 2012

Der Aufruf "Hamburg bekennt Farbe" wird als Erstunterzeichner getragen von den gesellschaftlichen Institutionen und Parteien, die das politische, soziale, wirtschaftliche und religiöse Leben in dieser Stadt gestalten und prägen. Hierzu gehören Bürgerschaft und Senat, Handels- und Handwerkskammer, der Hamburger Sportbund, Gewerkschaften, Kirchen, Religionsgemeinschaften, Migrantenorganisationen und weitere zivilgesellschaftliche Vereine. Damit senden wir schon vor dem 2. Juni ein wichtiges Signal an die Rechtsextremisten, aber auch an die von ihnen Bedrohten und Verfolgten. Dazu zählen neben den Menschen mit Migrationshintergrund auch Behinderte, Homosexuelle, Obdachlose oder eben einfach nur Andersdenkende. Dies zu betonen, ist mir als Senator für Arbeit, Soziales, Familie und Integration besonders wichtig. Dieses Signal wird von vielen Stimmen verstärkt. Neben den Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichnern unterstützen bereits weit über 100 Organisationen und Einzelpersonen den Aufruf von Senat, Bürgerschaft und Zivilgesellschaft. Wir setzen gemeinsam ein sichtbares Zeichen für gelebte Demokratie, für ein respektvolles Miteinander und für eine weltoffene, tolerante Stadt. Spätestens wenn am 2. Juni um 12 Uhr Tausende Bürgerinnen und Bürger im wahrsten Sinne des Wortes Farbe bekennen und farbige Postkarten als Symbol für unsere Aktion in die Höhe halten und damit zeigen, wie wichtig ihnen Hamburgs gesellschaftliche Vielfalt ist, spätestens dann soll den Rechtsextremisten die Lust auf eine Wiederholung in unserer Stadt vergangen sein.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Auf der Bühne zeigt sich unsere Stadt an diesem Tag von ihren besten Seiten. Harry Rowohlt trifft auf den Hamburger Hip-Hop, Bischöfin Fehrs auf Abi Wallenstein, der Revolverheld Kris auf einen allevitischen Frauenchor. Am Nachmittag schließlich wird Ralph Giordano unter anderem mit Peggy Parnass und Bertini-Preisträgern im Rathaus über das sprechen, was die Organisatoren des sogenannten "Tags der deutschen Zukunft" gern verschweigen: die Schrecken der Vergangenheit. Frau Nitruch hat darauf hingewiesen, dass das Zusammentreffen mit Zeitzeugen immer schwerer möglich wird, weil es immer weniger gibt. Die Veranstaltung mit Ralph Giordano findet etwas abseits statt, nämlich im Rathaus, und ich werbe dafür, mit Kindern und Jugendlichen in diese Veranstaltung zu kommen, weil die Zeitfenster knapp sind, noch Zeitzeugen zu treffen und authentisch zu hören,

(Katja Suding)

was im Nationalsozialismus in Deutschland geschehen ist. Darauf wollte ich ausdrücklich noch einmal von hier vorne hinweisen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Die Aktionen auf dem Rathausmarkt werden nur ein Teil des Protests und friedlichen Widerstands sein, der sich gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen richtet. Andere Vereine wie "Laut gegen Nazis" und das "Hamburger Bündnis gegen Rechts" haben ebenfalls zu Protest aufgerufen. "Laut gegen Nazis" hat Ende Mai mit zahlreichen Veranstaltungen und einem hohen Medienecho die "Internationalen Wochen gegen Rassismus" organisiert; hierfür steht das zwischenzeitlich vielen bekannte Motto: "Hamburg steht auf!". Wir teilen also das Ziel, Hamburg nicht den Rechtsextremisten zu überlassen, wir teilen das Ziel des friedlichen Widerstands und wir demonstrieren an verschiedenen Stellen gemeinsam gegen Nazis. Dazu rufen wir, Senat und Bürgerschaft, alle auf. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Damit ist die Aktuelle Stunde für heute beendet.

Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung, Drucksache 20/3962: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung – Drs 20/3962 –]

Der Stimmzettel liegt Ihnen vor. Er enthält Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Ich bitte Sie, den Stimmzettel jeweils nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie jetzt Ihre Wahlentscheidung vor.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Ich darf die Schriftführer bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen. Wie immer ist es hilfreich, wenn Sie diese hochhalten, damit die Schriftführer sehen, wo noch Stimmzettel sind.

Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung.

Das Wahlergebnis wird nun ermittelt und ich werde es Ihnen im Laufe der Sitzung bekannt geben.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 31, Drucksache 20/4102, Bericht des Innenausschusses: Ent

wurf eines Gesetzes zur Änderung polizeirechtlicher Vorschriften und Verfassungskonforme Novellierung des Gesetzes zur Datenverarbeitung der Polizei sowie Verfassungskonforme Novellierung des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

[Bericht des Innenausschusses über die Drucksachen 20/1923, 20/3167 und 20/3168: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung polizeirechtlicher Vorschriften (Senatsantrag), Verfassungskonforme Novellierung des Gesetzes zur Datenverarbeitung der Polizei (An- trag der Fraktion DIE LINKE), Verfassungskonforme Novellierung des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Antrag der Frak- tion DIE LINKE) – Drs 20/4102 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/4243 ein Antrag der FDP-Fraktion vor.

[Antrag der FDP-Fraktion: Novellierung des Hamburgischen Polizeirechts – Bericht des Innenausschusses – Drs 20/4243 –]

Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Herr Münster, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Endlich bekommt Hamburg ein verfassungskonformes Polizeirecht.

(Beifall bei der SPD)

Es hat lange gedauert. Der damalige Innensenator Nagel hatte das Polizeirecht im Jahr 2005 geändert und sich damit gerühmt, dass Hamburg nun das schärfste Polizeirecht Deutschlands habe. Bereits im folgenden Jahr erklärte das Bundesverfassungsgericht polizeirechtliche Regelungen anderer Länder für verfassungswidrig, die sich so oder ähnlich auch in den neuen Regularien des Hamburger Polizeirechts fanden. Seit Jahren waren also mehrere Vorschriften des Hamburger Polizeirechts offensichtlich verfassungswidrig. Die SPD-Fraktion hat dies immer wieder kritisiert und Nachbesserungen gefordert; passiert ist nichts.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Schlimm!)

Auch die GAL hat es in der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung versäumt, diesen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Noch schlim- mer!)

Betroffen waren namentlich die Regelungen zur Rasterfahndung, zu Kennzeichenlesegeräten sowie die Vorschriften zum Kernbereichsschutz bei Wohn- und Telefonüberwachung. Wir haben des

(Senator Detlef Scheele)

Wahlergebnis, siehe Seite 2529

halb den Senat bereits im April letzten Jahres mit der Drucksache 20/273 ersucht, bis Ende Oktober 2011 einen Gesetzentwurf zur verfassungskonformen Korrektur und Weiterentwicklung des Hamburger Polizeirechts vorzulegen, der auch die Diskussionen und Innovationen der Hamburger Polizeigesetze im SOG sowie im PolDVG aus der 19. Wahlperiode berücksichtigt. Das Ergebnis nach intensiven Ausschussberatungen und einer Expertenanhörung ist ein verfassungskonformes Polizeirecht,

(Beifall bei der SPD)

das die Grundrechte der Bürger auf Sicherheit und Freiheit in hervorragender Weise vereinbart. Die notwendigen Anpassungen, die aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich waren, sind berücksichtigt worden.

Darüber hinaus wird es nun aber auch noch zwei neue Regelungen geben, erstens das Kontakt- und Näherungsverbot, das wir als SPD-Fraktion bereits seit Langem gefordert haben.

(Beifall bei der SPD)

Damit können nun Stalking-Opfer und Opfer der häuslichen Gewalt deutlich besser geschützt werden.

(Beifall bei der SPD)

Bisher konnte die Polizei nur eine sogenannte Wegweisung durchsetzen, mit der es dem Täter untersagt wurde, sich dem Wohnort des Opfers zu nähern; mit dem Kontakt- und Näherungsverbot kann dem Täter nun untersagt werden, sich dem Opfer überhaupt zu nähern, egal, wo es sich gerade aufhält.

Die zweite Neuerung betrifft die konsequente Durchsetzung der Waffenverbotszonen. In diesen besonderen Gebieten kann die Polizei in Zukunft nun nicht nur mitgeführte Sachen durchsuchen, sondern auch Personen anhalten, befragen und durchsuchen, wenn aufgrund von konkreten Lageerkenntnissen davon auszugehen ist, dass verbotene Waffen oder gefährliche Gegenstände mitgeführt werden. Wir halten diese Regelung für zwingend erforderlich, um die Waffenverbotszone auch wirksam durchsetzen zu können. Trotzdem ist uns klar, dass diese Regelung einen weitgehenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der durchsuchten Personen darstellt. Aus diesem Grund soll die Regelung auch erst einmal zeitlich begrenzt bis zum 30. Juni 2014 gelten. Der Senat soll der Bürgerschaft dann rechtzeitig vor Ablauf dieser Geltungsdauer über die Ergebnisse der Anwendung dieser Vorschrift berichten.

Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Jedes Polizeirecht trägt den Konflikt von Sicherheit auf der einen und Freiheit auf der anderen Seite in sich. Uns ist mit diesem Gesetzentwurf, der durch die intensive Beratung im Innenausschuss eine hohe

Reife erlangt hat, eine gute Lösung des Konflikts gelungen. Es ging uns nicht darum, das schärfste oder das liberalste Polizeirecht zu schaffen, es ging uns darum, das beste Polizeirecht zu schaffen,

(Beifall bei der SPD)

ein Polizeirecht, das auf dem Boden des Grundgesetzes die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und gleichzeitig ihr Recht auf Sicherheit gewährleistet. Unserer Polizei geben wir mit dem novellierten Polizeirecht eine Rechtsgrundlage für ihre schwierige Arbeit auf den Weg, die bestmögliche Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung zu ermöglichen. Gleichzeitig haben unsere Polizistinnen und Polizisten die Gewissheit, dass die rechtliche Grundlage ihres polizeilichen Handelns verfassungskonform die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger wahrt.

Meine Damen und Herren! Nach fast sechs Jahren bekommt Hamburg wieder ein verfassungskonformes Polizeirecht. Der vorliegende Gesetzentwurf samt seiner Änderungen aus den Ausschussberatungen zeigt in beeindruckender Weise, dass Sicherheit und Ordnung unter Wahrung der bürgerlichen Freiheitsrechte ein sozialdemokratisches Thema ist.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Ausführungen des Kollegen Münster glaubte, dann könnte man den Eindruck gewinnen, Hamburg habe sechs Jahre lang überhaupt kein Gesetz gehabt. Das ist nicht so ganz richtig.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Warum haben Sie es denn nicht geändert?)

Noch einmal auch für Sie, Herr Dr. Dressel, vielleicht zum Mitschreiben: Hamburg hat seit sechs Jahren das modernste und beste Polizeirecht Deutschlands, daran hat sich überhaupt nichts verändert.

(Beifall bei der CDU)