Protocol of the Session on May 10, 2012

Dann kommen wir zur Drucksache 20/3922.

Wer den Antrag der CDU-Fraktion annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen. – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Punkt 51, Drucksache 20/3985, Antrag der FDP-Fraktion: Veräußerung des BioEinkaufszentrums ViVo.

[Antrag der FDP-Fraktion: Veräußerung des Bio-Einkaufszentrums ViVo – Drs 20/3985 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der CDU und der FDP an den Haushaltsausschuss überweisen. Die FDP-Fraktion hat außerdem beantragt, die Drucksache mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien zu überweisen. Bevor ich Herrn Dr. Kluth das Wort erteile, möchte ich die anderen darauf hinweisen, dass sie deutlich zu laut sind.

Herr Dr. Kluth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sieht es aus, wenn Politiker versuchen, ein gut gemeintes Immobilienprojekt zu planen und umzusetzen? Es sieht wahrscheinlich so aus wie das Bio-Einkaufszentrum ViVo. Da überlegen sich einige Politiker, in diesem Fall solche von der GAL während des letzten rot-grünen Senats, dass es eine gute Idee sein könnte, in Ottensen ein Bio-Einkaufszentrum anzusiedeln und drum herum ein Gewerbe- und Gesundheitszentrum, genauer gesagt ein Nachhaltigkeitszentrum, in dem allerlei Ökologisches angeboten wird. Ottensen scheint dafür kein schlechtes Pflaster zu sein, hat einen gewissen alternativen Charme und vor allen Dingen eine zunehmende Kaufkraft und außerdem kontinuierlich gute Wahlergebnisse für die GAL.

(Arno Münster SPD: Werdet doch mal findig, dann wisst Ihr auch, worum es geht!)

Gedacht, getan, 2003 steht das Einkaufszentrum schließlich, aber für die Gewerbeflächen wollen sich einfach nicht genügend Mieter finden. Bereits 2004 bewertet die Finanzbehörde das Konzept als gescheitert und entwirft ein neues Nutzungskonzept. Um dem Leerstand entgegenzuwirken, werden städtische Mieter gesucht, angeworben und

(Dora Heyenn)

zwangsverpflichtet, so etwa das zentrale Fundbüro, das in das ViVo verlegt wird, nicht gerade im Sinne kurzer Wege oder im Sinne von Bürgernähe; immerhin hat sich die Einrichtung vorher in der Innenstadt befunden. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2012 und auch acht Jahre nach dem Nutzungskonzept ist das ViVo immer noch ein Fass ohne Boden. Das belegen gleich drei Fakten.

Erstens: Seit 2004 verschlingt das ViVo jährlich im Schnitt 1,5 Millionen Euro Steuergelder aus Verlustausgleich für die fehlenden Mieten, in Summe bislang 15 Millionen Euro.

Zweitens: Der Trend ist ungebrochen, 2011 und 2012 soll der Zuschuss nicht etwa sinken, sondern weiter steigen.

Und drittens: Der Senat hat einen Immobilienklotz am Bein und ist damit völlig überfordert. Er weiß nicht, wie er damit umgehen und das Problem lösen soll, weder an ein neues Nutzungskonzept noch an die Ablösung der städtischen Mieter durch private denkt die Stadt.

Was lernen wir daraus? Grün wirkt, und zwar vor allem beim Verschwenden von Steuergeldern, und zweitens geht es fast immer schief, wenn Politiker schlauer sein wollen als der Markt.

(Beifall bei der FDP)

Drittens ist gut gemeint der größte Feind von gut gemacht. Das Planen, Bauen und Betreiben von Gewerbezentren und Gewerbehöfen sollte man denen überlassen, die davon auch wirklich etwas verstehen und die es vor allen Dingen auch mit eigenem Geld und auf eigenes Risiko tun und nicht auf das Risiko und mit dem Geld der Steuerzahler.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Es ist höchste Zeit, hier die Reißleine zu ziehen, anstatt jedes Jahr weitere Millionen in einem Projekt zu verpulvern, das sich als Fass ohne Boden herausgestellt hat. Deshalb wollen wir heute mit unserem Antrag den Senat auffordern, ein Konzept vorzulegen, wie sich die Stadt von diesem teuren Biozentrum und Grab von Millionen Euro an Steuergeldern möglichst schnell trennen kann.

Aber ich möchte den Sachzusammenhang unseres Antrags auch etwas weiter abstecken. Vom gescheiterten Projekt ViVo sollten wir auch ordnungspolitisch lernen. Was sagen uns die Erfahrungen des ViVo? Sie sagen, dass die Stadt nicht nur nicht der bessere Stromversorger und nicht nur nicht die bessere Reederei ist, sie ist auch nicht wirklich der bessere Betreiber von Gewerbehöfen. In der Wirtschaftsbehörde wird zurzeit an einem Konzept gearbeitet, nach dem zukünftig auch städtisch betriebene lokale Zentren für Handwerk und Gewerbe auf die Schiene gebracht werden sollen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Auf die Schiene?)

Wie schon bei einem anderen Projekt, nämlich der Investitionsbank, stellt sich die Frage, ob der Senat hier nicht versucht, eine Lösung für ein Problem zu präsentieren, ohne dass klar ist, ob dieses Problem überhaupt besteht. Warum nun ausgerechnet die Stadt Gewerbehöfe betreiben muss oder soll, ist nicht nachzuvollziehen. Welche erneuten finanziellen Risiken der Senat hier eingehen möchte, der sich eigentlich Haushaltskonsolidierung zum obersten Ziel gesetzt hat, wage ich mir nur mit Schrecken vorzustellen. Im Übrigen fehlt es bislang auch an einer sorgfältigen Evaluation, welche Defizite im Bereich der vorhandenen und bislang ausnahmslos privat betriebenen Gewerbehöfe überhaupt bestehen, und wenn solche vorhanden sein sollten, ob solche Gewerbehöfe überhaupt ein sinnvoller Beitrag dazu sein könnten, die Defizite, wenn sie denn vorhanden sind, zu beseitigen.

Jeder, der sich intensiver mit dem Betrieb von Gewerbehöfen oder Gewerbezentren beschäftigt hat oder vielleicht sogar über eigene praktische Erfahrungen verfügt, der weiß, dass auf so einem Gewerbehof ein stetiges Kommen und Gehen herrscht und sich die Anforderungen der Mieter hinsichtlich der Größe und der Beschaffenheit ständig ändern. Der Betreiber eines Gewerbehofs muss daher flexibel sein, er muss schnell entscheiden können und er muss kurzfristig in der Lage sein, auch Investitionsentscheidungen zu treffen. Es übersteigt in der Tat mein Vorstellungsvermögen und auch meine erfahrungsgestützte Fantasie, warum ein privater Unternehmer dies nicht besser machen sollte als eine Verwaltungsbehörde.

(Beifall bei der FDP)

Wir bitten daher für den vorliegenden Antrag unserer Fraktion um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Gritz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Kluth, erst einmal Gratulation zu Ihrer Recherche für die Schriftliche Kleine Anfrage und auch für den Antrag. Sie gehen auf Artikel aus 2005 und 2007 ein und bis in die 16. Legislaturperiode zurück. Das ist auch angemessen bei diesem Thema. Was allerdings bei Ihnen offensichtlich gefehlt hat, war eine Inaugenscheinnahme des Objekts, denn Sie sprechen im Betreff Ihrer Schriftlichen Kleinen Anfrage, auf der der Antrag beruht, vom ehemaligen Altonaer Ökozentrum, und im Antrag selbst ist noch etwas verschärft, ohne das "ehemalig", vom Bio-Einkaufszentrum ViVo die Rede. Herr Dr. Kluth, wie Sie bin auch ich nicht politisch im Bezirk Altona organi

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

siert, ich lebe in Hamburg-Nord. Aber als gelernter Kommunalpolitiker verfolge ich die Devise unserer sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik und die heißt: Vor Ort zu sein sich immer lohnt, auch wenn man ganz woanders wohnt.

(Beifall bei der SPD – Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Sagen Sie doch mal was zur Sa- che!)

Das können Sie jetzt nicht sehen, ich habe in meinem Manuskript eine Fußnote gesetzt, Sie müssen sich jetzt eine kleine hochgestellte 1 denken. Ich komme nachher noch einmal darauf zurück.

Ich war jedenfalls vorgestern vor Ort und habe mir das alles noch einmal angesehen. Im ViVo befinden sich ein großflächig angelegtes Fitnessstudio, ein Fachgeschäft für Fotoausrüstung für den professionellen und semiprofessionellen Bereich, dann gibt es dort, das habe ich nicht so wahrgenommen, ein Fachgeschäft zur Reparatur von Espressomaschinen, außerdem eine Bar und an staatlichen Einrichtungen, Sie haben es umrissen, die Mütterberatung, das Gesundheitsamt des Bezirks Altona, die Hauptkasse und das Fundbüro. Da ist aber nichts von Öko und nichts von Bio und das war es auch von Anfang an nicht, weil das Konzept von Anfang an nicht aufging.

(Robert Heinemann CDU: Ihr Konzept, rot- grün!)

Herr Dr. Kluth, mein Vorwurf an Sie ist, dass Sie das ganz genau wissen und trotzdem in Ihrer Schriftlichen Kleinen Anfrage und Ihrem Antrag dem ViVo dieses Ökolabel verleihen, um zu suggerieren, diese Umweltfredis wüssten nicht, wie man so ein Zentrum führt, und nur Sie als knallharte Wirtschaftsfachleute von der FDP wüssten, wie das geht und wo der Hammer hängt, und deswegen müsste das Ganze in private Hand.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der GAL und bei Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Das eine ist genauso falsch wie das andere. Sie bringen in Ihrem Antrag und in Ihrer Schriftlichen Kleinen Anfrage auch immer eines durcheinander: Sie unterscheiden nicht zwischen der HaGG und der 1. HaGG KG. Ich zitiere einmal aus einer Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, Drucksache 19/3786:

"Die 1. HaGG Hamburger Immobilienbeteiligung GmbH & Co. KG ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der HaGG Hamburger Gesellschaft für Gewerbebauförderung mbH."

Und jetzt kommt's:

"Ihre Geschäftstätigkeit besteht ausschließlich im Betrieb des VIVO […]. Da der Betrieb des Objekts nicht auskömmlich ist, erhält die

Gesellschaft laufende Zuwendungen aus dem Haushalt."

Zitatende.

Seit Errichtung des ViVo-Gebäudes ist die Objektgesellschaft 1. HaGG KG bilanziell überschuldet und wird durch Sicherungsbürgschaften der Freien und Hansestadt vor dem Konkurs bewahrt. Die Hansestadt übernimmt unmittelbar die Zinsaufwendungen, die nicht durch Mieterträge gedeckt werden, und unterstützt die 1. HaGG KG seit Jahren mit Zuschüssen von jährlich über 1 Million Euro.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Hört, hört!)

Das heißt, trotz der sehr guten Vermietungsquote entsteht so jährlich ein Verlust zwischen 1,4 und 1,5 Millionen Euro. Getilgt wird dabei nicht.

Herr Dr. Kluth, ich frage Sie, welcher private Investor wäre denn bereit, über den Verkehrswert des Objektes hinaus hier auch die bestehenden Verbindlichkeiten zu übernehmen?

(Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Wollen Sie für die Ewigkeit die Schulden fortführen? Tolles Konzept!)

Dazu komme ich noch, Herr Dr. Kluth.

Unterhalten Sie sich doch einmal bitte mit der Kommunalpolitik in Altona. Fragen Sie einmal Ihre Fraktionskollegin Frau Kaesbach. Sie war Geschäftsführerin der FDP-Fraktion in Altona und sie könnte Ihnen sagen, dass nicht das Objekt interessant ist, sondern die Fläche drum herum, und genau die muss in öffentlicher Hand bleiben, um dort etwas zu entwickeln.

(Beifall bei der SPD)

Das aber machen wir nicht im Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft, sondern belassen es schön da, wo es hingehört, im Bezirk. Wir wollen auch im Wirtschaftsausschuss nicht Centermanagement spielen, deswegen lehnen wir die Überweisung an den Wirtschaftsausschuss ab. Was wir dagegen sehr ernst nehmen, Herr Dr. Kluth, ist, dass immer noch über 1 Million Euro jährlich an staatlichen Zuschüssen in die Objektgesellschaft fließen.