dann sind der Bürgermeister und der Senat verpflichtet, diese Frage auch zur Vorlage beim Verfassungsgericht zu bringen. Das entspricht übrigens dem einstimmigen Beschluss aller Fraktionen, den wir im November gefasst haben.
Sie haben gesagt, Herr Dressel, man solle nicht leichtfertig zum Verfassungsgericht gehen. Was Herr Scholz und sein Senat machen, ist aber – ich betone das –, das Verfassungsgericht zu missachten. Denn das Verfassungsgericht hat nach Artikel 100 Grundgesetz und Artikel 64 das Normverwerfungsmonopol. Wenn also Herr Scholz meint, sich bei der Terminsetzung des Volksentscheids über eine klare Vorschrift – Paragraf 26 Volksabstimmungsgesetz, Volksentscheid vier Monate nach Antrag – hinwegsetzen zu können, dann macht er sich zum Verfassungsgericht, und das ist eine Missachtung des Hamburgischen Verfassungsgerichts.
Vor diesem Hintergrund geht unsere klare Aufforderung an den Bürgermeister und den Senat: Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung, vermeiden Sie eine über eineinhalb Jahre dauernde Rechtsunsicherheit und rufen Sie – mit den Stimmen aller rational handelnden Fraktionen im Rücken – das Verfassungsgericht an. Es geht, um das zu betonen, um den Haushaltsvorbehalt des Parlaments, nicht einzelner Fraktionen. Deswegen, Herr Müller, wäre es sehr viel besser und lauterer, wenn diese Fragen, die uns alle interessieren, das Parlament klärt. Die vernünftige Partei ist dann der Senat, so wie wir es auch gemeinsam im November beschlossen haben: Der Senat möge die Verfassungsbedenken überprüfen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Scheuerl, nur in aller Kürze. Wir wollen Ihren Antrag an den Ausschuss überweisen, um noch einmal Juristen zu hören, die das vielleicht noch profunder beurteilen können als wir beide.
Doch, das ist möglich, und das ist auch in Ordnung so, weil die Juristen aus dem Landeswahlamt und auch die dafür zuständigen Juristen aus der Senatskanzlei sich den ganzen Tag mit nichts anderem beschäftigen und sehr anerkannt sind.
verfassungswidrig ist, dass der Senat den Volksentscheid auf den Bundestagswahltag gelegt hat. Dazu ist zu sagen: Dort, wo die Verfassung eine detaillierte Regelung trifft – und das tut sie in dieser Frage, denn die Verfassungsänderung 2008 bezog sich auf die Terminfindung für Volksentscheide –, muss das einfache Gesetz verfassungskonform angewandt werden. Genau das hat der Senat bei der Terminsetzung getan. In Bezug auf die Klage sieht es aber ganz anders aus; das Gesetz schweigt zu einer Klage vor dem Volksentscheid. Genau das ist der Unterschied. Darum haben wir es nicht mit "Cherry picking" zu tun, sondern mit einer wohl erwogenen Abwägung. Ich glaube, es wäre ein sinnvolles Verfahren, wenn uns das die Kolleginnen und Kollegen aus dem Landeswahlamt, die in dieser Stadt und quer über alle Parteien hinweg eine hohe Reputation in der Beurteilung dieser Fragestellung haben, im Ausschuss noch einmal im Einzelnen erläutern. – Danke.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/3165 an den Verfassungsund Bezirksauschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung angenommen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 59, Drucksache 20/3530, Antrag der SPD-Fraktion: Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes – Ein Schulweg für die ganze Familie.
[Antrag der SPD-Fraktion: Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes – Ein Schulweg für die ganze Familie – Drs 20/3530 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei der Anmeldung ihrer Kinder an einer Grundschule gehen eigentlich alle Eltern davon aus, dass die Geschwisterkinder bevorzugt berücksichtigt werden. Das Problem sind aber die von der CDU-Regierung eingeführten Anmeldeverbünde, die wir in Paragraf 42 des Schulgesetzes finden. Jetzt könnten wir stundenlang über die Vorund Nachteile von Anmeldeverbünden diskutieren; das ersparen wir uns heute. Da aber jüngst das Verwaltungsgericht entschieden hat, dass entgegen der gängigen Praxis, Geschwisterkinder bevorzugt zu berücksichtigen, Kinder aus den Anmel
deverbünden vorrangig zu berücksichtigen seien und damit häufig die Kapazitäten an den Grundschulen überschritten werden, sind Probleme aufgetreten. Darum beantragen wir, den Satz, der auf die Anmeldeverbünde Bezug nimmt, aus dem Schulgesetz zu streichen.
Nun kann man natürlich kritisieren und fragen, warum die SPD das Schulgesetz nicht direkt nach Regierungsübernahme geändert habe – und Sie haben durchaus recht, Herr Dr. Scheuerl, dass das Schulgesetz an dieser Stelle von der damaligen CDU-Regierung etwas unüberlegt geändert wurde –, aber jede Fraktion setzt andere Schwerpunkte und wir sind nicht bereit, die leichten Unwuchten aus den vergangenen zehn Jahren im Schulgesetz Punkt für Punkt zu regulieren. Wir setzen auf die Verbesserung des Unterrichts, Ganztagsschulen, Inklusion und Übergänge in berufliche Bildung. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Die Geschichte des heutigen Antrags der SPD beginnt wenige Tage vor Weihnachten 2011 mit einer Lüge.
Einem Rundschreiben, das die Schulbehörde am 19. Dezember 2011 an die Grundschulleitungen verschickt hat – ich habe es mitgebracht –, war eine Handreichung zur Organisation der Aufnahmen in die Klasse 1 beigelegt, die nach den Anmeldewochen Geltung finden sollte. In dieser Handreichung wurde den Schulleitungen mitgeteilt – ich zitiere –:
"Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat ein Urteil gefällt, das die Zugehörigkeit zum Anmeldeverbund noch über das Geschwisterkriterium stellt."
Das sind gleich zwei Falschbehauptungen in einem Satz: Das Oberverwaltungsgericht hat mit seinen Entscheidungen im Sommer 2011 die Geschwisterkindregelung bestätigt. Es gab auch kein Urteil, sondern nur einen Beschluss des Verwaltungsgerichts in einem vorläufigen Verfahren in einem Einzelfall, gegen den der Senator nicht einmal ein Rechtsmittel eingelegt hat.
Was hat nun Herr Rabe beziehungsweise die BSB zu dieser Falschbehauptung veranlasst? Betrachten wir einmal die Vorgeschichte. Das Primarschulgesetz ist im September 2009 geändert worden, Sie werden sich daran erinnern, aber in einer Weise, dass für die Aufnahme in Klasse 1 neben den Anmeldeverbünden auch weiterhin die Länge des
Schulwegs und die Geschwisterkindregelung Berücksichtigung finden sollte und der Schulbehörde die Einzelheiten der Aufnahmeregelungen in Klasse 1 vorbehalten bleiben – deswegen auch die Handreichung, er hätte es auch anders regeln können. Was dann folgte, erinnert an ein GerhartHauptmann-Drama, ein Sozialdrama in drei Akten, in dem der Protagonist auf der schiefen Ebene von Akt zu Akt und Szene zu Szene immer weiter auf den Untergang zusteuert.
Erster Akt, Sommer 2011, Szene 1: Das Verwaltungsgericht Hamburg beschließt am 4. August in dem besagten einstweiligen Verfügungsverfahren, dass ein bestimmter Schüler in eine bestimmte Grundschule aufgenommen wird. Vier Tage danach bestätigt das Oberverwaltungsgericht in einem anderen Verfahren die Geschwisterregelung.
Szene 2: Senator Rabe entscheidet sich, kein Rechtsmittel gegen diese einstweilige Anordnung einzulegen. Das war eine freiwillige politische Entscheidung.
Szene 3 – jetzt wird es allmählich abgründig und dramatisch –: Senator Rabe verschweigt seine Absicht, im Dezember die Geschwisterkindregelung unter die Anmeldeverbünde zu stellen. Er informiert weder Grundschulleitungen noch Eltern der angehenden Erstklässler. Erst im Dezember schickt er den Schulleitungen seine neuen Handreichungen.
Zweiter Akt, Jahreswechsel: Kurz vor Weihnachten lässt er die Grundschulleitungen informieren und schreibt, liebe Grundschulleitungen, wir sind gezwungen, die Anmeldeverbünde über die Geschwisterkindregelung zu stellen. Bitte organisieren Sie Ihre Klassen entsprechend; noch immer werden die Eltern nicht informiert.
Dritter Akt, Rettung und gutes Ende, Szene 1: Die Elternkammer und "Wir wollen lernen!" decken auf, was in der Handreichung steht. Uns wird das Rundschreiben mit den Falschbehauptungen zugespielt. Gemeinsam mit der CDU-Fraktion wird ein Antrag entwickelt, die Geschwisterkindregelung wieder abzusichern.
Szene 3: Senator Rabe gibt nach und teilt den Grundschulleitungen noch während der laufenden Aufteilungskonferenzen mit: Alles zurück, die Geschwisterkindregelung greift doch.
Für Senator Rabe mit seiner langen beruflichen Erfahrung als Redaktionsleiter zählt das Ende, da muss eine gute Schlagzeile her. Was also macht er? Er sorgt nicht dafür, dass die SPD dem Antrag der CDU zustimmt, sondern für die Schlagzeile: SPD führt die Geschwisterkindregelung wieder ein. Alles dumm Tüch, denn er hat sie gerade vorher selber abgeschafft. Aber lange Rede, kurzer Sinn:
Für uns als CDU zählt das Ergebnis, und deswegen werden wir dem Antrag zustimmen, auch wenn er jetzt das SPD-Etikett hat.
Ende gut, alles gut mit einer Ausnahme. Dadurch, dass die Gesetzesänderung erst 2013 in Kraft treten soll, werden die Eltern von Vorschulkindern in eine Falle gelockt. Viele Eltern werden ihr Kind während der Anmeldewoche im Vertrauen darauf, dass ihr Kind an der zugehörigen Grundschule die erste Klasse besuchen kann, in einer Vorschule angemeldet haben. Nach der aktuellen Planung sieht es aber so aus, dass diese Kinder keinen sicheren Platz in Klasse 1 der Schule haben sollen. Herr Senator Rabe, dies ist ein dringender Auftrag an Sie, da nachzusteuern und dafür zu sorgen, dass auch diese Eltern für ihr Kind aus der Vorschulklasse einen Platz in der ersten Klasse dieser Schule bekommen. – Vielen Dank.
Bevor ich Frau Dr. von Berg das Wort gebe, möchte ich Herrn Dr. Scheuerl darauf hinweisen, dass das Wort "Lüge" auf der Liste der unparlamentarischen Wörter steht. Bitte berücksichtigen Sie das künftig.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Es ist bereits spät, wir haben einen ziemlich anstrengenden Tag hinter uns,
Im Prinzip stehen Antrag und Debatte unter der Überschrift: Senator Rabe holt die Kohlen aus dem Feuer, in das er sie selber geworfen hat. Denn es ist tatsächlich so, dass die Handreichung der Behörde für Schule und Berufsbildung im Dezember 2011 etwas umgestoßen hat, was schon galt, dass Geschwisterkinder bevorzugt werden. Angeblich, so wurde immer gesagt, entspreche dies Paragraf 42 Absatz 7 Schulgesetz. Das ist jedoch nicht richtig, weil dort die Geschwisterkindregelung explizit aufgenommen wurde. Und als das Verwaltungsgericht in einem Einzelfall Bedenken anmeldete, wurde das durch das Oberverwaltungsgericht wieder ausgebügelt. Passiert ist eigentlich gar nichts, man hätte einfach weitermachen können wie bisher. Stattdessen hat die SPD diese Handreichung herausgegeben und damit lagen die Kohlen im Feuer und die Eltern waren in Not.