Protocol of the Session on February 29, 2012

Unser Auftrag ist es, die Schutzfunktion mit allem, was dazu erforderlich ist, ernst zu nehmen.

Herr Schäfer, als wir das damals in der Bürgerschaft diskutiert haben – ich war leider krank –, haben Sie zu dem Thema gesagt, man könne das Vertrauen dieser Menschen, die die Drogenhilfe aufsuchten, nicht von vornherein dadurch zerstören, dass man ihnen klar mache, dass sie erfasst würden und sehr schnell in der Gefahr schwebten, dass ihnen ihr Kind weggenommen werde. Da fragen wir uns als CDU-Fraktion gerade vor dem Hintergrund dieser Ereignisse, ob das Kindeswohl nicht höher einzustufen ist als das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten. Die CDU sagt an dieser Stelle ganz klar: Ja, es ist höher einzustufen.

(Beifall bei der CDU)

Herrn Senator Scheele – er ist inzwischen nicht mehr da – habe ich gestern im Familienausschuss zu diesem Thema noch einmal ausdrücklich gefragt. Ich war sehr erstaunt und positiv überrascht, dass er ganz klar sagte, er halte nach diesen Fällen die Erfassung dieser Kinder, eine regelhafte Meldung an die Jugendämter und auch Überprüfungen durch Haartests für wichtig. Ich habe ihm an dieser Stelle viel Glück gewünscht, sich mit dieser Position auch innerhalb der SPD durchzusetzen. Ich hoffe, dass es auch an dieser Stelle zu einem Gesinnungswandel bei Ihnen gekommen ist.

(Beifall bei der CDU)

Als wir über Chantal redeten, Herr Dressel, haben Sie vor einigen Wochen zu Recht gesagt, dass Kindeswohl vor Datenschutz gehen müsse. Wenn das aber so ist, dann darf die SPD bei diesem The

ma auch nicht auf halber Strecke haltmachen und muss jetzt ihre ablehnende Haltung endlich korrigieren und den vorgeschlagenen Maßnahmen, die wir heute wieder aufgerufen haben, zustimmen. Ansonsten ist dieses Prinzip, das Sie formuliert haben, auch nicht mehr als ein Lippenbekenntnis.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Aber im Ausschuss haben Sie es für erledigt erklärt!)

Das will ich Ihnen erklären, Sie waren auch nicht dabei.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ich habe es mir erzählen lassen!)

Das ist in Ordnung, ich erzähle es Ihnen gern noch einmal.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie waren doch auch nicht da, Herr de Vries!)

Doch, ich war in der Anhörung.

Es gab eine ablehnende Haltung aller Fraktionen zu den flächendeckenden Haartests. Daraufhin haben wir gesagt, um Ihnen eine Brücke zu bauen, dass wir dieses abschwächen und Haartests bei begründeten Verdachtsfällen machen. Aber nicht einmal dieser Forderung konnte sich Ihre Fraktion anschließen, Herr Dressel.

(Beifall bei der CDU)

Ich will das an dieser Stelle nicht weiterführen. Herr Dressel, Sie haben das Angebot gemacht, als Konsequenz aus dem Fall Chantal ohne parteipolitische Rituale gemeinsame Konsequenzen zu ziehen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das gilt auch heute noch!)

Wir wollen mit unserem heute eingebrachten Zusatzantrag dieses Angebot annehmen, um der gemeinsamen Verantwortung für das Wohl der Kinder in unserer Stadt gerecht zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Eines bleibt nach dem Todesfall Chantal festzuhalten: Wer jetzt immer noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt hat und diese Beziehung zwischen Arzt, Therapeuten und Klienten über den Schutz der Kinder stellt, der handelt nicht nur unverantwortlich, sondern er handelt aus meiner Sicht auch grob fahrlässig.

(Beifall bei der CDU)

Eines möchte ich zum Abschluss noch wissen, und ich wende mich damit noch einmal an den Senat und an die SPD-Fraktion. Wer will eigentlich in Zukunft noch verantworten, wenn ein Kind, das in Hamburg in einem Haushalt von Methadonpatienten oder Opiatabhängigen lebt, ernsthaft zu Schaden oder sogar zu Tode kommen sollte, wenn man sich dieser zentralen Erfassung und auch den flä

chendeckenden Haartests verweigert hat? Ich bin gespannt auf die Antwort.

Wir brauchen diese beiden Maßnahmen, und wir müssen auch die bisherige Take-Home-Vergabe des Methadons an solche Haushalte, in denen minderjährige Kinder leben, kritisch überprüfen. Alle drei Maßnahmen sind notwendig und wichtig, und das ist die eigentliche Konsequenz aus dem Fall Chantal. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schäfer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich darf vorweg aus dem Protokoll der Ausschusssitzung zitieren, auf der Ihr Antrag vom letzten Sommer abschließend beraten wurde – Zitat –:

"Die CDU-Abgeordneten dankten den Senatsvertreterinnen und -vertretern für die Einleitung erster Maßnahmen. Die Erkenntnisse der Anhörung hätten dazu geführt, dass auch sie [die CDU] die regelhafte Untersuchung nicht mehr für den richtigen Weg hielten."

Und jetzt stellen Sie den Antrag, regelhaft zu untersuchen. Was wollen Sie eigentlich? Sie sagten, Sie wüssten ganz klar, was Sie wollen. Sie wissen überhaupt gar nicht, was Sie wollen.

(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Fangen sie mal an und sagen, was Sie wol- len!)

Sie ignorieren alles das, was im Laufe dieser Expertenanhörung damals zutage getreten ist, was wir in dieser Sitzung im Dezember gemeinsam als Erkenntnis akzeptiert und entsprechend in das Petitum, das Sie mit beschlossen haben, geschrieben haben.

(Dietrich Wersich CDU: Das stimmt gar nicht!)

Selbstverständlich. Herr Wersich, Sie haben neun Jahre lang Verantwortung getragen. Ich werde jetzt nicht sagen, zehn Jahre CDU-Regierung seien diesbezüglich schlecht gewesen. Sie sind zum Glück nie auf die Idee gekommen,

(Dietrich Wersich CDU: Da lagen aber die Ergebnisse aus Bremen noch nicht vor!)

etwas umsetzen zu wollen, was in den ersten beiden Punkten Ihres Antrags jetzt wieder zurückgekommen ist.

Ein weiterer Punkt. Der Fall Chantal zeigt sogar, wie falsch es wäre, wenn man nach Ihrem Muster vorginge. Es ist völlig richtig, dass in dem Moment, in dem ein Kind oder Eltern von Kindern in ein

staatliches Hilfesystem kommen, ihnen innerhalb dieses Hilfesystems nichts Schlimmes geschehen darf. Bei Chantal hat das Hilfesystem ganz klar versagt; das ist das Schlimme. Chantal war gewissermaßen in staatlicher Obhut und dennoch ist das geschehen. Aber um wie viel schlimmer wäre es, Kinder beziehungsweise Eltern von Kindern, die ihrerseits drogenabhängig oder was auch immer sind, erst gar nicht in das Hilfesystem hineinzuholen, sondern Maßnahmen zu ergreifen, die im Ergebnis dazu führen, dass sie eher draußen bleiben,

(Dietrich Wersich CDU: Dann haben Sie Bremen gar nicht verstanden!)

womöglich sogar hinausgehen, nachdem sie schon drinnen waren. Im Gegenteil, man muss alle Hilfebedürftigen in unsere Hilfesysteme hineinholen.

(Dietrich Wersich CDU: Genau! In Bremen werden Verträge mit den Eltern abgeschlos- sen!)

Nun hören Sie doch einmal auf, Sie können sich doch melden.

Sie müssen ins Hilfesystem hineinkommen und ihnen muss dort die entsprechende Hilfe zuteil werden.

All das haben wir im Petitum aufgeführt. Keine regelhaften Überprüfungen, weil die kontraproduktiv wären, aber es soll in Kooperation mit den Bezirken, der Ärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung, den substituierenden Ärztinnen und Ärzten sowie den Trägern der psychosozialen Betreuung geprüft werden, ob analog der Kooperationsvereinbarung zwischen Suchthilfe und Jugendhilfe ein Verfahren entwickelt werden kann mit den Zielen, Risiken für Kindeswohlgefährdung bei substituierten Drogenabhängigen präventiv und wirksam vorzubeugen. Da ist alles enthalten. Aber was Sie wollen, wäre in der Wirkung kontraproduktiv, würde mehr schaden als helfen.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Wie weit das, was wir in das Petitum als Aufforderung an den Senat geschrieben haben, schon entwickelt worden ist, wird die Frau Senatorin nachher noch im Einzelnen aufzählen. Dann werden wir wissen, wie weit der Stand der Dinge ist. Insofern kann ich nur sagen, was Sie jetzt wieder wollen, würde das Gegenteil dessen bewirken, was beabsichtigt sein muss. Also sollten wir ganz einfach so verfahren, wie gemeinsam von uns im Ausschuss beschlossen, dass im Sommer ein Bericht über die vorgesehenen Maßnahmen vorgelegt wird. Das sollten wir auch abwarten, weil genau hier ein überstürztes Handeln nicht zum Ziel führt. Es müssen schließlich Verhandlungen geführt werden mit Einrichtungen, die keiner staatlichen Kontrolle unterliegen und mit denen man verhandeln muss.

(Christoph de Vries)

Das muss geschehen und das geschieht auch. Inwieweit es schon passiert ist, werden Sie nachher noch hören, aber bitte keine solchen Schnellschüsse.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Das Wort bekommt Frau Schmitt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist keine Frage, dass Kinder von drogenabhängigen Eltern besonderen Gefahren und Belastungen ausgesetzt sind. Kinder von substituierten, drogenabhängigen Eltern sind auch besonderen Gefahren und Belastungen ausgesetzt, haben aber eine wesentlich bessere Prognose, insbesondere dann, wenn die Eltern nicht nur substituiert, sondern auch kontinuierlich psychosozial betreut werden.