Protocol of the Session on November 10, 2011

Herr Wersich, auch Ihren Vorschlag nehme ich gern auf und sage, dass ich die Linie vertreten habe, die unter meinen Vorgängern schon in der Behörde entwickelt worden ist. Deswegen bin ich davon ausgegangen, dass Schwarz-Grün das auch richtig findet.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Es gab auch Vorgängerinnen, nicht nur Vorgänger!)

Ja, genau.

Aber jetzt kurz zur Situation des Ausbildungsberichts. Nur zwei Botschaften möchte ich aufgreifen. Frau Heyenn hat recht, aber aus meiner Sicht nicht ganz, denn der Ausbildungsmarkt zieht deutlich an. Dass man es dieses Mal noch nicht so merkt, liegt an unserem riesigen Nachbarbundesland Niedersachsen mit dem doppelten Abiturjahrgang. An der Stelle, glaube ich, werden wir unseren Jugendlichen trotzdem sagen können, dass sich die Situation für sie in den nächsten Jahren erheblich verbessert, weil uns nämlich das Umland weniger Schülerinnen und Schüler und damit weniger Bewerber nach Hamburg bringen wird. Diese Chance

(Dora Heyenn)

gilt es zu nutzen. Dazu gehört auch, zwei Dinge zu veranlassen.

Zum einen muss man in den Schulen umdenken. Mein Bruder ist noch mit 16 Jahren in die Lehre gegangen, in eine Ausbildung.

(Finn-Ole Ritter FDP: Ich auch!)

Gut so.

Mittlerweile kennen wir das nicht mehr, weil es immer schwieriger wurde für Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss, bei den sehr knappen Lehrstellen überhaupt eine Lehrstelle zu finden. Aber jetzt wird es besser. Jetzt müssen es aber auch die Beteiligten wieder für möglich halten, dass man nach der Realschulreife auch einen Beruf ergreifen kann. Dazu müssen die Lehrerinnen und Lehrer etwas tun, auch die Schüler und die Eltern. Dazu muss die berufliche Orientierung in der Schule verstärkt werden. Es muss wieder normal sein und es darf nicht mehr normal sein, nach der Realschulreife verzweifelt irgendwelche Hilfsrunden an irgendwelchen Berufsschulen zu drehen ohne klare Perspektive, sondern es muss normal werden, nach einem Realschulabschluss selbstverständlich wieder eine Ausbildung in Hamburg zu beginnen. Das müssen wir gemeinsam erreichen an den Schulen, aber auch in der Wirtschaft. Hier habe ich manchmal den Eindruck, dass man nur an den 18-jährigen Abiturienten mit Führerschein denkt und an die normalen Lehrlinge gar nicht mehr. Das gilt es zu verändern.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Einen zweiten Punkt müssen wir auch berücksichtigen, da hat Frau Heyenn völlig recht. Für viele Jugendliche wird es leichter, aber wir haben Jugendliche, die schreiben Bewerbungen ohne Ende und es kommt nichts dabei heraus.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Genau hier anzusetzen ist die große Aufgabe, die wir vielleicht auch gemeinsam schaffen können, denn eine andere große Aufgabe haben wir schon gemeinsam geschafft, nämlich einen verbesserten Übergang von der Schule in den Beruf mit unserer Drucksache 19/8472; sie wurde sogar während des Wahlkampfs einstimmig verabschiedet.

Eines ist aber eine andere Aufgabe: Was machen wir mit denjenigen, die mit schlechter Qualifikation am Ende der Schulzeit dastehen? Bisher begegnen sie einer Vielfalt von Fördermöglichkeiten, aber häufig nutzen sie keine und fallen durchs Raster. Häufig kümmert sich auch keiner um diese Schülerinnen und Schüler, weil vielleicht das Elternhaus nicht so aufgeweckt ist. Hier gilt es anzusetzen. Jeder, der Kinder hat, kann es sich vorstellen. Wenn die Kinder größer werden, sind die Eltern in dem Bereich hinterher und fragen nach Bewerbungen, wie sie funktionieren, ob die Jugendli

chen an den Ausbildungsabschluss gedacht haben und so weiter. Die Eltern reden mit den Kindern und begleiten sie dann auch durch die Ausbildung. Bei den Schülern mit Schwierigkeiten allerdings gibt es sehr viele, die möglicherweise diese Rückendeckung nicht haben.

Wir wollen deshalb eine Jugendberufsagentur auf den Weg bringen. Diese Agentur soll Jugendliche aktiv ansprechen und begleiten, so ähnlich wie es die Eltern tun. Ich möchte mich nicht falsch ausdrücken, ich nenne es einmal freundliche Belagerung der Teilnehmer mit dem klaren Ziel, mit Hilfe und Unterstützung dafür zu sorgen, dass der Weg in die Ausbildung klar wird. Da brauchen wir Angebote, aber hier müssen auch die Behörden zusammenarbeiten und sich kümmern. Das ist eine große Aufgabe, denn es sind viele Behörden: die Arbeitsagentur, team.arbeit.hamburg, die BASFI, die Bezirksämter und die BSB. Das wird eine Herkulesaufgabe, die sich aber lohnt.

Jugendliche an die Hand nehmen und ihnen eine Perspektive zeigen ist die Aufgabe, vor der wir jetzt stehen. Mit der Jugendberufsagentur wollen wir das machen, und ich freue mich auf eine Fortsetzung der Debatte,

(Olaf Ohlsen CDU: Wir freuen uns, wenn du Schluss machst!)

wenn wir dazu unsere Pläne einbringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, können wir zur Abstimmung kommen.

Wer einer Überweisung der Drucksache 20/1866 an den Schulausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 20/1866 Kenntnis genommen hat.

Punkt 6 der Tagesordnung, Drucksache 20/1659, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Jugendkriminalität und Jugendgewalt.

[Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Jugendkriminalität und Jugendgewalt – Drs 20/1659 –]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion federführend an den Innenausschuss und mitberatend an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Herr Münster.

(Senator Ties Rabe)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben die Große Anfrage der LINKEN zur Debatte angemeldet. Ich habe vorhin über die Bank gehört, dass Frau Schneider damit nicht so ganz einverstanden ist. Das verstehe ich in der Sache nicht, denn sie müsste sich eigentlich freuen, dass wir die angemeldet haben. Nun hat sie die Möglichkeit, zu ihrer Großen Anfrage noch einmal Stellung zu nehmen, und es geht nichts von ihrem Anmeldekontingent verloren.

Wir haben es der Sache wegen angemeldet, weil wir glauben, dass wir nach wie vor ein Problem mit der Jugendgewalt und Jugendkriminalität haben in der Stadt. Dies zeigt auch die Dunkelfeldforschung und die Senatsantwort dazu auf Ihre Große Anfrage, Frau Schneider. Aus unserer Sicht muss hier gehandelt werden, gerade beim Thema Jugendkriminalität ist klar, dass nur eine frühe Intervention rechtzeitig das Abrutschen in eine kriminelle Karriere verhindern kann.

(Beifall bei der SPD und bei Karl-Heinz Warnholz CDU)

Deshalb arbeiten wir aufbauend auf den bestehenden Maßnahmen, die wir in der Vergangenheit auch gemeinsam erarbeitet haben, wie zum Beispiel PROTÄKT, Cop4U oder den Präventionsunterricht an den Schulen. Die Weiterentwicklung dieses Handlungskonzepts gegen Jugendgewalt steht unter dem Motto: Besser früher helfen als später strafen.

(Beifall bei der SPD und bei Karl-Heinz Warnholz CDU – Olaf Ohlsen CDU: Schöner Einsatz!)

Aber die Straftaten müssen natürlich zügig und konsequent verfolgt und geahndet werden. Unser Konzept setzt insbesondere darauf, schnelle Fallkonferenzen aller beteiligten Behörden einzuberufen, wie dies jetzt durch das neue Obachtverfahren gewährleistet ist.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Dann müsst Ihr euch mal selber ans Recht halten! – Gegenruf von Dr. Andreas Dressel SPD: Das tun wir auch!)

Die schnelle Reaktion ist vor allem bei Jugendlichen und ganz besonders bei jungen Intensivtätern unerlässlich, ob nun durch das Verfahren im Einzelnen oder durch die gemeinsame Nutzung von Informationen und Dokumenten, die durch ein SharePoint ermöglicht wird.

Der beobachtete Personenkreis umfasst zurzeit 288 Personen unter 21 Jahren, die durch ein besonders gewalttätiges Verhalten aufgefallen sind. Eine kontinuierliche Beobachtung dieser Fallbearbeitung ist in der Koordinationsstelle hiermit sichergestellt. Jede beteiligte Behörde überprüft wöchentlich die Personen auf der Obachtliste bezüglich aktueller Auffälligkeiten. Die Bewertung des

Status ist wie bei einem Ampelsystem rot, gelb und grün. Grün bedeutet keine Auffälligkeit und weitere Beobachtung, gelb bedeutet eine Problemmeldung, Reaktion innerhalb einer Woche und Austausch der beteiligten Dienststellen, rot ist eine Alarmmeldung und zieht eine überbehördliche Fallkonferenz nach sich.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Die Vorteile dieses Verfahrens liegen auf der Hand. Es bietet die notwendige Transparenz bei der überbehördlichen Fallbewertung. Die Dienststellen erhalten die Stammdaten sämtlicher Ansprechpartner auf einen Blick. Das System wird wöchentlich aktualisiert. Es ermöglicht den Zugriff auf sämtliche notwendigen Informationen, erst dadurch wird ein unverzügliches Handeln ermöglicht. Das ist nötig, das zeigen auch die Zahlen aus Ihrer Großen Anfrage, Frau Schneider, das haben wir aufgegriffen.

(Beifall bei der SPD)

Das Handlungskonzept gegen Jugendgewalt ist ein wichtiger Bestandteil der Inneren Sicherheit in dieser Stadt. Wir werden uns auch noch vertieft im Innenausschuss damit befassen können, weil wir Ihre Gro0e Anfrage dementsprechend an den Ausschuss überweisen und eine Selbstbefassung dort wohl beschließen werden. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Münster. – Das Wort hat Herr Voet van Vormizeele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat eine etwas ungewöhnliche Art, verehrter Kollege Münster, eine Große Anfrage einer anderen Fraktion anzumelden. Das mag vielleicht vieles darüber aussagen, wie sehr die SPD zurzeit Themen sucht und offensichtlich nicht mehr bei sich selbst findet.

(Beifall bei der CDU und der LINKEN)

Das mag vielleicht manchmal auch der Fluch der absoluten Mehrheit sein, aber die Kollegen der LINKEN werden sich bestimmt darüber freuen, weil sie auf diese Art und Weise immerhin eine Anmeldung gespart haben.

Ich bin deshalb in besonderem Maße überrascht, weil es für die regierende Fraktion ein Leichtes wäre, eine Beantwortung vorweisen zu können, die nun exorbitant gut wäre. Aber bei 32 Fragen mehr als ein Drittel der Fragen mit dem Hinweis zu beantworten, die PKS ermögliche keine Auswertung im Sinne der Fragestellung, also mehr als ein Drittel der Fragen gar nicht zu beantworten, und dann die Chuzpe zu haben, diese Antwort hier zur Debatte anzumelden, das zeigt schon, wie sehr die

Kollegen der SPD die Themen zurzeit offensichtlich brauchen.

(Beifall bei der CDU, der LINKEN und bei Katja Suding FDP)

Ich will mit einem Thema anfangen, das im Vorwort der Großen Anfrage der LINKEN angesprochen wird und das eine sehr wichtige Feststellung beinhaltet. Wir haben mit der Jugendkriminalität in dieser Stadt zahlenmäßig deutlich weniger Probleme als mit der gefühlten Jugendkriminalität. Wir haben eine primär mediale gefühlte Steigerung, aber wir haben auch – und das gehört zu den Dingen, über die wir gemeinsam reden müssen – eine Qualitätsveränderung in der Jugendgewalt. Wir haben eine Tendenz hin zu einer anderen Gewalt und einer anderen Kriminalität; diese müssen wir ernst nehmen und für diese müssen wir gemeinsam Wege finden. Und das ist nicht nur die Aufgabe der Kollegen aus dem Innenausschuss, sondern das ist auch die Aufgabe der Kollegen in den anderen Ressorts. Deshalb würde ich es ausdrücklich begrüßen, wenn wir eine Überweisung nicht nur an den Innenausschuss vornehmen, sondern auch an die anderen beteiligten Ausschüsse, weil es Sinn macht, über Ursachen und Wirkungen gemeinsam zu reden.

(Beifall bei der CDU, der LINKEN und ver- einzelt bei der GAL)