Protocol of the Session on October 26, 2011

Zuvor galt das Amtsgeheimnis. Mit der Gesetzesänderung im Jahr 2006 wurde grundsätzlich alles offengelegt und es gibt nur wenige Ausnahmetatbestände. Das heißt, die CDU hat mit der Transparenz und der konsequenten Bürgerorientierung angefangen, denn sie hat das Gesetz damals eingebracht.

(Heiterkeit bei der SPD – Gabi Dobusch SPD: So ist das mit der Selbstwahrneh- mung!)

Aber wenn Sie sagen, dass hier noch weitere Öffnungstatbestände möglich sind, dann ist das verfassungswidrig und trifft den Kern nicht. Herr Ritter, lassen Sie uns lieber gemeinschaftlich diesen Senat kontrollieren, ihm Regeln aufzeigen und Grenzen setzen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Fangen Sie da- mit mal an!)

aber nicht das IFG und das Verfassungsrecht miteinander vermischen. Das war Murks. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat nun Herr Müller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Wahrhaftigkeit der politischen Aussagen von Parteien erkennt man immer daran, was sie tun, wenn sie denn endlich einmal regie

(Viviane Spethmann)

ren. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in der Zeit, in der Sie kurz regiert haben, von 2001 bis 2003, eine auch nur klitzekleine Initiative zum Thema Transparenz des Verwaltungshandelns in dieser Stadt vorgelegt wurde.

Man kann sich weiterentwickeln, das gilt vielleicht auch für die FDP, wir werden es sehen; einige Beispiele, die von der SPD vorgebracht wurden, sprechen allerdings nicht dafür, dass wirklich mehr Transparenz gewünscht ist. Aber das ändert nichts daran, dass Sie mit Ihrer Kritik am Auskunftsverhalten dieses SPD-Senats, das sich gravierend von dem der Vorgängersenate unterscheidet, recht haben.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU und der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Blödsinn!)

Die Auskunftspflicht des Senats ist keine nette Geste gegenüber dem Parlament, die Auskunftspflicht des Senats gegenüber der Hamburgischen Bürgerschaft ist ein Grundpfeiler der Demokratie und verfassungsrechtlich abgesichert. In diversen Verfassungsgerichtsverfahren in dieser Stadt wurde entsprechend geurteilt und der Senat wurde dazu gezwungen, seiner Auskunftspflicht nachzukommen. Nur wir wollen nicht ständig vor Gericht laufen, um das zu bekommen, was uns laut Verfassung zusteht. Wir wollen, dass der Senat so handelt, dass es gar nicht erst dazu kommt, dass Verfassungsrichter in dieser Stadt sagen müssen, was die Öffentlichkeit erfahren darf und was nicht.

(Beifall bei der GAL, vereinzelt bei der CDU und bei Carl-Edgar Jarchow FDP)

Meine Fraktion hat heute anlässlich dieser Debatte allein fünf Beispiele veröffentlicht, mit denen wir schon in dieser ganz kurzen Zeit, in der Herr Scholz mit seinen Kolleginnen und Kollegen regiert, nachweisen können, dass die Auskunftspflicht nicht erfüllt wird, obwohl die Präsidentin ausdrücklich den Präsidenten des Senats aufgefordert hat zu liefern. Wir warten immer noch.

Meine Damen und Herren! Es gibt hier offensichtlich eine Vermischung zwischen der Auskunftspflicht des Senats gegenüber uns Abgeordneten und damit auch gegenüber der Öffentlichkeit und der Frage, was mit dem Informationsfreiheitsgesetz passiert. In der Tat sehen wir gerade im Netz eine atemberaubende Entwicklung. Hier wird mit vielen Gruppen ein Gesetzentwurf diskutiert und entworfen, der Transparenzgesetz genannt wird und eine Weiterentwicklung des jetzigen Informationsfreiheitsgesetzes darstellt, an dem wir in der letzten Legislaturperiode noch einmal Hand angelegt und das wir verbessert hatten. Wir Grünen begrüßen die Kampagne grundsätzlich, mit der Mehr Demokratie, Transparency International und der Chaos Computer Club in dieser Stadt eine Volksinitiative auf den Weg bringen wollen.

(Beifall bei der GAL und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Gerade auch vor dem Hintergrund der Geheimnisse, die dieser SPD-Senat offenbar weiter hüten will, ist ein solcher Gesetzentwurf die richtige Antwort. Die Bürger wollen inzwischen mehr darüber wissen, was diese Regierung macht und was sie nicht macht.

Das heißt allerdings nicht, dass wir Grünen naiv sind und dass für uns Transparenz ein Selbstzweck ist. Wir werden genau prüfen, ob Transparenz möglicherweise dem Schutz der Daten von Bürgerinnen und Bürgern widerspricht, und wir werden ein solches Gesetz auch daraufhin prüfen, ob es im Einzelfall das Gemeinwohl der Stadt gefährden könnte. Man kann diverse Fälle benennen, wo das zutreffen könnte, und deswegen müssen wir aufpassen. Aber wir unterstützen grundsätzlich dieses Anliegen. Und nur weil es Einzelfälle gibt, in denen man nicht veröffentlichen sollte, weil das Gemeinwohl gefährdet wäre, darf man sich einem Mehr an Transparenz nicht entgegenstellen.

Ich hoffe, dass wir uns diesen Gesetzentwurf sorgfältig ansehen und dass es nicht zum Volksentscheid kommt, sondern dass wir als Abgeordnete den Entwurf übernehmen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Nun hat Frau Schneider das Wort.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! So ist das bei kryptischen und nicht transparenten Titeln, dass dann alle das Ihre zum Thema machen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Thomas Völsch SPD)

Ich werde vor allem über das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz sprechen, das seit zweieinhalb Jahren in Kraft ist. Das macht es möglich, dass man nicht nur den erzielten Fortschritt bewerten, sondern auch die Probleme benennen kann, die noch nicht gelöst sind. Dass dieses Gesetz ein Fortschritt in Richtung Transparenz und einer informationsfreundlichen Verwaltungskultur war, ist wohl unbestreitbar. Unbestreitbar ist aber auch, dass es nicht leicht ist, eine Änderung der Mentalität des Amtsgeheimnisses, die sich über ein Jahrtausend lang in deutschen Amtsstuben herausgebildet hat, zu bewirken. Diese Mentalität des Amtsgeheimnisses erfahren auch wir Abgeordneten, wenn unsere Kleinen und Großen Anfragen eben nicht immer im Sinne der Fragestellung beantwortet, sondern mehr oder weniger floskelhaft abgebügelt werden oder wenn Informationen verweigert werden, und zwar wirklich oft ohne plausiblen Grund.

(Farid Müller)

Diese Tendenz – das teilen wir – hat sich in den letzten Monaten unter der SPD-Regierung massiv verstärkt. Gutes Regieren ist aber ohne gute Legislative und insbesondere ohne eine gute Opposition nicht zu machen. Und eine kräftige, gute Opposition setzt natürlich Information und die Transparenz des Regierungshandelns voraus. Wer die Auskunftspflicht verletzt, wird im Sumpf des Filzes enden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber auch in Bezug auf das Informationsfreiheitsgesetz zeigt sich, dass es für Informationssuchende immer noch schwer zu überwindende Barrieren gibt. Der Hauptgrund dafür ist, dass zwar ein Holrecht existiert – das heißt, dass die Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, Informationen abzufragen –, dass aber die Exekutive, also der Senat und die Verwaltung, nicht von vornherein in der Bringschuld steht. Zu viele Ausnahmetatbestände und zu viele Schlupflöcher schließen wesentliche Informationen, vor allem über den Umgang der Exekutive mit den Steuergeldern, von vornherein aus, etwa wenn es um Verträge der Stadt mit Privaten geht, die sich dann auf ihr Betriebsgeheimnis berufen.

Wie kann es sein, dass eine gleichlautende Anfrage – es ging um Infostände der Nazis – von einigen Bezirksämtern beantwortet wird, während andere die Antwort mit Verweis etwa auf die öffentliche Sicherheit verweigern? Das ist Willkür.

(Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GAL)

Warum dürfen die Bürgerinnen und Bürger im Bezirk Hamburg-Mitte buchstäblich nichts über die Nutzung öffentlicher Flächen durch Private oder die Fällung von Bäumen auf städtischen Grundstücken erfahren? Warum behandelt das Bezirksamt Hamburg-Mitte Angelegenheiten etwa des Denkmalschutzes als Geheimsache – und Bauangelegenheiten sowieso? Warum müssen Bürgerinnen und Bürger in manchen Fällen zäh darum ringen und viel Stehvermögen und auch finanzielle Risikobereitschaft aufbringen, um bestimmte Informationen zu erhalten? Auch hier ein Beispiel aus dem Bezirk Hamburg-Mitte, es geht um den Versuch, Einsicht in die Unterlagen zur Baugenehmigung der Wasserkunst Kaltehofe zu erlangen. Im September 2009 wurde der Antrag gestellt, im Oktober 2009 lehnte das Bezirksamt ab. Der Widerspruch gegen die Ablehnung wurde nicht beantwortet, sondern durch Fristablauf erledigt. Nach Aufforderung verschickte das Bezirksamt im Juli 2010 gegen eine Gebühr in Höhe von 132 Euro einen Widerspruchsbescheid, im August 2010 erhoben die Informationssuchenden Klage gegen das Bezirksamt, im Mai 2011 erklärte sich das Bezirksamt in einer Stellungnahme für nicht zuständig. Wann die Angelegenheit vor dem Verwaltungsgericht verhandelt wird, steht in den Sternen.

An Gebühren und Rechtsanwaltskosten fielen bisher über 1000 Euro an. Insgesamt haben die Informationssuchenden circa 1300 Euro aufgebracht und das Ganze dauert schon zwei Jahre.

Gerade wenn es um Informationen geht, die Licht ins Dunkel bringen sollen, also unbequeme Informationen, schöpft so manches Amt, so manche Stelle alle Möglichkeiten aus, diese Informationen zu verweigern. Bei allem Fortschritt, den das Informationsfreiheitsgesetz bedeutet, hat es die Mentalität des Amtsgeheimnisses nicht gebrochen. Es ist jedoch an der Zeit, diese vordemokratische Mentalität des letzten Jahrtausends endgültig zu beerdigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Solange diese Mentalität in den Behörden und Ämtern weiterlebt und Vorgänge im Dunkeln bleiben, bleibt die unheilvolle Dynamik des Misstrauens ungebrochen. Ich begrüße es deshalb, dass Mehr Demokratie, Transparency International und der Chaos Computer Club eine Initiative für ein Transparenzgesetz gestartet haben, das die Mängel des Informationsfreiheitsgesetzes beseitigen und das Öffentlichkeitsprinzip durchsetzen soll, das heißt, proaktive Veröffentlichung nichtpersonenbezogener Informationen. Ich gehe davon aus, dass wir diese Initiative unterstützen, denn größtmögliche Transparenz ist die Grundvoraussetzung für die politische Willensbildung, für demokratische Teilhabe und demokratische Kontrolle. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christa Goetsch GAL)

Das Wort hat Herr Ritter. – Pardon, bevor Sie richtig einsteigen. Insbesondere auf der rechten Seite ist es wirklich sehr laut. Ich möchte Sie bitten, Ihre Gespräche nach draußen zu verlagern. – Danke.

Ich möchte nur kurz etwas ergänzen. Herr Tabbert, Sie stehen hier vorne und erzählen uns das Gleiche, was ich in meiner Rede angeführt habe, sagen aber nichts Konkretes dazu, was ich gefragt habe und was wir in der Aktuellen Stunde besprechen wollen. Zum Beispiel wäre meine konkrete Frage, wann Sie als Vorsitzender des Unterausschusses Datenschutz endlich einmal dazu kommen, uns zu konstituieren. Das wäre einmal eine Frage, wann wir über wichtige Themen sprechen können, Herr Tabbert.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien CDU – Zuruf von Urs Tabbert SPD)

Herr Tabbert, wir können darüber gerne noch einmal ausführlich reden.

Frau Spethmann, weil es juristisch nicht zusammenpasst – das wissen wir natürlich auch, es han

(Christiane Schneider)

delt sich einmal um Verfassungsrecht und einmal um Informationsfreiheitsgesetz –, heißt das noch lange nicht, dass wir das Thema hier nicht zusammen debattieren können. Uns zu unterstellen, dass wir Verträge, die nach dem geltenden Recht nicht in die Öffentlichkeit kommen dürfen, an die Öffentlichkeit geben, ist eine bodenlose Unterstellung, die wir nicht auf uns sitzen lassen.

(Beifall bei der FDP)

Aber – und jetzt kommt das Aber – wo es die Möglichkeit gibt, dass es rechtlich im Rahmen ist, das an die Öffentlichkeit zu bringen, da haben wir keine Denkverbote, da unterscheiden wir uns ganz klar von der CDU, Frau Spethmann. Das ist ein deutlicher Unterschied.

(Beifall bei der FDP)

Anhand der Diskussion glaube ich – darauf hatten Herr Müller und Herr Tabbert auch schon hingewiesen –, dass wir mit der Präsidentin darüber sprechen müssen. Das Thema ist ein wichtiges Thema. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort erhält der Abgeordnete Schmidt.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Transparenz ist momentan ein sehr zeitgeistiges Thema. Es ist in aller Munde und viele Bürgerinnen und Bürger fordern auch zu Recht mehr Transparenz vom Staat. Ich nehme hier wahr, dass die FDP bei dem Thema anscheinend versucht, ihr liberales Profil etwas zu schärfen, weil Sie merken, dass Sie da Druck von einer Bewegung außerhalb des Parlaments bekommen, und jetzt versuchen, da ein bisschen gut Wetter zu machen. Aber, Herr Ritter, wer die Lippen spitzt, der muss auch pfeifen. Und da kann man schon einmal auf eine gewisse Vergangenheit schauen, und wenn Sie sich hier so anbiedern, dann müssen Sie irgendwann auch liefern. Ich garantiere Ihnen, dass Sie genau diese Lieferung nicht überstellen werden können, denn falls bestimmte Forderungen aus dem Volksentscheid so umgesetzt werden, dann wird kein Mensch mehr mit dieser Stadt Verträge abschließen und damit hätte insbesondere auch die Klientel der FDP enorme Probleme.