Protocol of the Session on September 29, 2011

Vorhin kam die Frage, weshalb noch nichts passiert ist. Für die jetzige Amtsperiode von SchwarzGelb trägt diese Seite des Hauses keine Verantwortung. Man kann in der Tat fragen, warum vorher nichts passiert ist. Bei Rot-Grün war das – das weiß ich, ich habe mich erkundigt – in Vorbereitung und dann war da die Legislaturperiode zu Ende.

(Zurufe von der CDU)

In der schwarz-roten Koalition gab es Entwürfe von uns, die natürlich von der CDU abgelehnt worden sind. Und in der jetzigen Legislaturperiode gibt es Entwürfe von den Grünen und von der LINKEN und wir erarbeiten jetzt auch einen.

Aber wir sind alle Parlamentarier und deshalb gehört das auch in die Bürgerschaft. Wir fallen nachher alle in den Anwendungsbereich oder eben auch nicht. Das ist auch eine Frage, die unser Selbstverständnis als Parlamentarier betrifft, was aus unserer Sicht noch zur Mandatsausübung gehört und was nicht. Es muss ein klares politisches Signal geben, was unter Strafe steht und was nicht. Und dazu muss man sich bekennen und sagen, was man will und was nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller und Farid Müller, beide GAL)

Was die Handlungsmöglichkeiten des Senats angeht – darum haben wir das Petitum offen formuliert –, so kann das im Rahmen der Bundesratsinitiative umgesetzt werden. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass die Justizsenatorin das in der Justizministerkonferenz als gemeinsames Anliegen der Justizminister und Justizsenatoren aufgreift. Das wollen wir zunächst offen lassen. Wichtig ist das Ergebnis und dass diese Regelungslücke, die für Deutschland peinlich ist, wenn wir bei diesem Thema in einer Gemeinschaft mit Ländern wie Saudi-Arabien und anderen genannt werden, endlich beseitigt wird.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt noch kurz zu den Zusatzanträgen: Zu dem von der FDP ist schon alles gesagt worden. Klar ist, dass wir schon allein die Formulierung "Ersetze das Petitum" nicht akzeptieren können, denn das konterkariert das Ansinnen. Ich will Ihnen gerne zugestehen, dass man die Frage in den Ältestenrat oder in die Runde der Fraktionsvorsitzenden bringt und sagt, wir müssen noch einmal prüfen, ob bei den Verhaltensregeln Handlungsbedarf besteht. Wenn Sie dazu eine Vorlage erarbeiten, können wir das gerne ansprechen. Aber ein Ersetzen des Petitums, das kann nicht sein.

Da gefällt mir nicht, und deswegen lehnen wir den Antrag ab und wollen ihn auch nicht überweisen, dass Sie bei der Ziffer 3 den Eindruck erwecken – der Kollege Müller hat das Drehtüreffekt genannt und da kam der Gedanke an Blohm + Voss –, die Lauterkeit des Senatshandelns, was solche Fragestellungen und Zuständigkeiten angeht, sei nicht gewährleistet. Diese Unterstellung lehnen wir entschieden ab und deswegen lehnen wir auch Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Müller.

Herr Dressel, nun haben wir doch soviel Einigkeit gehabt

(Christiane Schneider)

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, aber nicht in diesem Punkt!)

und nun fühlen Sie sich auf den Schuh getreten. Ich habe doch gesagt, dass es real so gelaufen ist, wie wir uns das wünschen, aber wir würden dieses Handeln auch gerne verstetigt sehen; das ist vielleicht nicht bei jedem so gegeben. Deswegen finde ich es bedauerlich, dass Sie diesen Schritt nicht mit uns gehen wollen.

Kommen wir noch einmal auf die Frage von der FDP; das hat mich doch etwas gewundert, Herr Kollege. Wenn im Bund etwas geregelt wird, heißt das durchaus, dass durch Bundesgesetz auch das Handeln von Menschen in Hamburg betroffen ist, deswegen muss man es an das Strafgesetzbuch koppeln. Wenn der Bundestag sich zurzeit nicht so richtig entschließen kann, diesen Schritt zu gehen, finde es nicht falsch, wenn wir aus den Länderparlamenten – wir als Landtagsabgeordnete sind wie die Kommunalabgeordneten unmittelbar betroffen – den Wink nach oben geben – in Anführungszeichen –, wir hätten da gerne eine Regelung, weil es uns peinlich ist, in der Frage der Korruption in einen Topf mit Syrien und Saudi-Arabien und sonst wem geworfen zu werden. Ich finde es richtig, dass das hier angesprochen wird, und überhaupt nicht deplatziert.

(Zuruf von Katja Suding FDP)

Wenn es aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf gibt für die Hamburger Abgeordneten, dann machen Sie einen Regelungsvorschlag und dann sprechen wir darüber. Wenn er nicht ganz absurd ist, werden wir ihn bestimmt im Verfassungsausschuss mit Ihnen diskutieren. Aber am Ende möchte ich betonen, denn das beschädigt uns auch, dass es keine Symbolpolitik ist, was hier gerade besprochen wird. Sie haben vielleicht noch in Erinnerung, dass es in Großbritannien massive Korruptionsvorwürfe, die auch bewiesen wurden, an die Abgeordneten gab. Das hat zu einem immensen Vertrauensverlust zwischen Gewählten und Wählern geführt. Es gibt dort inzwischen ein sehr strenges Gesetz, den Bribery Act, der nicht nur die Absurdität aufgreift, dass ausländische Abgeordnete hier strafbar sind, sondern es ist durchaus auch so, dass deutsche Unternehmen, die in England geschäftlich tätig sind, sich diesem Bribery Act unterwerfen müssen. Und der ist außerordentlich streng und sieht vor, dass es Richtlinien in den Unternehmen gibt, wie mit Korruption umzugehen ist. Das heißt, auch in Hamburg tätige Unternehmen wie Siemens und andere haben diese Anforderungen längst umgesetzt, denn sonst könnten sie in Großbritannien keine Geschäfte mehr machen beziehungsweise würden sich dort strafbar machen. Wenn es also so ist, dass sich auch große Teile der Hamburger Wirtschaft inzwischen auf dieses Thema eingestellt haben, weil sie gerne auch in Großbritannien Geschäfte machen wollen, dann wird die FDP dem

Ganzen nicht gerecht, wenn sie sagt, das sei Symbolpolitik. Das zeigt ein Stück weit, dass die FDP nicht so richtig weiß, was in deutschen Unternehmen geschieht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer einer Überweisung der Drucksachen 20/1589, 20/1695 und 20/1702 federführend an den Verfassungs- und Bezirksausschuss sowie mitberatend an den Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist mit Mehrheit abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Zunächst zum Antrag der GAL-Fraktion aus Drucksache 20/1702.

Wer diesen annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Dann kommen wir zum Antrag der FDP-Fraktion aus Drucksache 20/1695.

Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch der ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag der SPD aus der Drucksache 20/1589.

Wer sich diesem anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Dann kommen wir zum Punkt 20 der Tagesordnung, Drucksache 20/1576, dem Antrag der CDUFraktion: Hijab an Hamburger Schule.

[Antrag der CDU-Fraktion: Hijab an Hamburger Schule – Drs 20/1576 –]

Die GAL-Fraktion möchte diese Drucksache federführend an den Schulausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration sowie den Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Herr Heinemann, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat hat bei der Diskussion eines leider sehr sensiblen Themas erneut ein Problem eher verschärft als es zu lösen – ein

(Farid Müller)

bisschen vergleichbar mit dem Thema Zaun, das wir gestern debattiert haben.

An der Stadtteilschule Alter Teichweg unterrichtet bekanntlich, Sie haben es den Medien entnommen, eine Aushilfslehrkraft, die im Unterricht einen Hijab trägt. Das gab es bislang in Hamburg noch nicht und das hat in der Schule und auch in der Öffentlichkeit für erhebliche Diskussionen gesorgt. Und ich glaube, wir müssen uns als Politiker dieser Diskussion stellen und dürfen uns nicht, wie es der Schulsenator getan hat, hinter der Lehrerkonferenz einer Schule verstecken.

(Beifall bei der CDU)

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2003 in seinem Urteil sogar ausdrücklich gefordert, dass diese Diskussion in der Politik geführt werden muss. Ich zitiere aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts:

"Das unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen positiver Glaubensfreiheit eines Lehrers einerseits und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität, dem Erziehungsrecht der Eltern sowie der negativen Glaubensfreiheit der Schüler andererseits unter Berücksichtigung des Toleranzgebots hat der demokratische Landesgesetzgeber zu lösen, der im öffentlichen Willensbildungsprozess eine für alle zumutbare Regelung zu suchen hat."

Es handelt sich also unbestreitbar um ein sehr komplexes Thema. Das fängt bereits bei der Wahrnehmung des Hijab an. Ist der Hijab ein religiöses Kleidungsstück? Ist er ein Symbol für die Unterdrückung der Frau? Oder ist er vielleicht gar ein politisches Bekenntnis zum Islamismus? Jede Trägerin wird diese Fragen für sich anders beantworten und auch jeder von uns wird hierzu vermutlich eine andere Einschätzung haben. Und je nach Antwort wird auch der Handlungsdruck in dieser Frage als sehr unterschiedlich empfunden.

Wir haben in Hamburg eine gleichgelagerte Diskussion schon einmal vor ungefähr acht Jahren geführt. Damals haben zwei Lehrerinnen in Hamburg mit Kopftüchern unterrichtet und die Schulbehörde hat nach intensiver Prüfung der Einzelfälle entschieden, dass sie das Tragen von Kopftüchern im Unterricht unter bestimmten Bedingungen für zulässig hält. Das waren im Verhältnis zu anderen Bundesländern sehr tolerante Entscheidungen. Diese Entscheidungen waren auch in dem Bewusstsein getroffen worden, dass es sich um ganz wenige Einzelfälle handelt. Man hielt es für unangemessen, für diese Einzelfälle ein Gesetz zu schaffen. Und diese Entscheidung halte ich nach wie vor für richtig.

Der Hijab geht allerdings über das Kopftuch hinaus. Nach den Definitionen, die mir vorliegen, muss er zumindest so beschaffen sein, dass nur noch das Gesicht zu sehen ist. Wir stehen also wieder einmal vor der Entscheidung, ob wir als Landesgesetzgeber ein solches Kleidungsstück für unvereinbar mit dem Auftrag und den Aufgaben einer Lehrerin halten oder ob wir sagen, erst beim Gesichtsschleier oder gar bei der Burka wäre die Grenze erreicht. Wie weit geht also unsere Toleranz? Wie sehr lassen wir auch unsere Grenzen austesten? Und wie sehr könnte unsere Toleranz andere in ihrer Freiheit einschränken? Ich denke da an Mädchen, die gerade mit sich oder mit ihrer Familie über die Frage ringen, ob sie künftig einen Hijab tragen oder nicht.

Bei der Burka scheinen wir uns einig zu sein, dass diese im Unterricht eindeutig nicht zulässig wäre. Und auch beim Hijab hatte ich Anfang September noch diesen Eindruck, als ich in der "Welt" las – ich zitiere –:

"Allerdings sagte Rabe gestern auch, dass der Hijab so nicht toleriert werden würde. Notfalls müsse man ein Gesetz erlassen, das das Kopftuchtragen von Lehrerinnen in Klassenzimmern verbiete, kündigte Rabe an."

Inzwischen ist davon nicht mehr die Rede. Im Gegenteil, nach der Antwort des Senats auf eine Anfrage hält der Schulsenator auch einen Hijab unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich für zulässig im Unterricht. Ich kann für die CDU erklären, dass wir das ausdrücklich anders sehen. Während das Kopftuch nicht nur ein religiöses, sondern in vielen Ländern auch ein traditionell-ländliches Kleidungsstück ist, ist der Hijab doch wohl ganz unbestritten ein deutlich sichtbares Symbol für den Islam. Und anders als bei einer Halskette mit einem kleinen Kreuz oder bei einem Ohrstecker mit einem kleinen Halbmond ist mit dem Hijab die Religion im Klassenraum sehr präsent, für mich vergleichbar mit einer Mönchskutte oder der Tracht einer Nonne. Ich bin der Auffassung, dass derartige Kleidungsstücke nicht mit der Neutralitätspflicht einer Lehrerin oder eines Lehrers vereinbar sind und daher außerhalb des Religionsunterrichts im Klassenzimmer einer staatlichen Schule nichts zu suchen haben.

(Beifall bei der CDU)

Sie sehen an unserem Antrag, dass wir trotzdem noch keinen Gesetzentwurf eingebracht haben, denn nach wie vor halte ich es für sehr problematisch, Einzelfälle mit Gesetzen zu lösen, zumal ein Gesetz immer auch Abgrenzungsprobleme aufwirft. Viel besser wäre es daher, wenn es der Schulbehörde gelänge, mit der Lehrkraft zu dem Ergebnis zu kommen, dass sich Hijab und Unter

richt ausschließen. Die Behörde hat – oder hatte, muss ich leider sagen – dazu eigentlich auch das notwendige Instrumentarium in der Hand. Die erheblichen Diskussionen im Lehrerkollegium und die öffentlichen Stellungnahmen der Eltern zeigen, dass der Schulfrieden gestört war und vermutlich noch ist, auch wenn sich nicht mehr jeder öffentlich äußern mag. Die Schulbehörde hat in einem solchen Fall die Möglichkeit, die Lehrkraft aus dem Unterricht zu nehmen und für interne Projekte einzusetzen. Leider hat der Senator dieses Instrument nicht nur für diesen Fall, sondern auch für die Zukunft sehr leichtfertig aus der Hand gegeben. In seiner Antwort auf meine Anfrage erklärt er ausdrücklich, dass selbst unter den Umständen, die wir alle in den Medien verfolgen konnten, der Schulfrieden vor Ort nicht gestört gewesen sei. Damit dürfte es für den Senat deutlich schwieriger geworden sein, künftig arbeitsrechtliche Prozesse mit diesem Argument zu gewinnen.

Der Senat ist jetzt gefordert, aus dieser selbstgeschaffenen Sackgasse einen Ausweg zu finden. Wir fordern ihn zunächst einmal nur auf, bis Ende Oktober eine Lösung zu finden, die vor Ort wirklichen Schulfrieden schafft, denn in der Antwort auf meine zweite Anfrage hat er am 23. September schließlich selber eingeräumt, dass eine solche Lösung bis heute noch nicht gefunden wurde.