Protocol of the Session on September 29, 2011

Sofern Ihnen das nicht gelingt – und ich sage ausdrücklich, dass es für uns keine Lösung ist, dass der Vertrag der Aushilfslehrkraft Ende Oktober endet –, fordern wir den Senat auf darzulegen, wie er in diesem Fall und in zukünftigen Fällen zu einer Lösung kommen will. Der Senat bekommt damit die Chance, es ohne Gesetz zu schaffen und damit an die bisherige Tradition anzuknüpfen. Ich sage aber ganz klar: Schafft der Senat das nicht, werden wir ein entsprechendes Gesetz einbringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

Herr Holster, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, ich möchte zunächst einmal zwei Dinge trennen: Ihren Antrag zu diesem konkreten Fall und die grundsätzliche Haltung, wie wir verfahren sollen, wenn Angestellte an öffentlichen Schulen religiöse Symbole tragen.

Zum Fall: Es handelt sich um eine Lehrerin, die nach dem ersten Staatsexamen auf ihr Referendariat wartet und einen Lehrauftrag an einer Schule angenommen hat, bis sie – die Zusage hat sie – am 1. November in den Vorbereitungsdienst eintreten wird. Konkret dazu: Das Bundesverwaltungsgericht hat am 26. Juni 2008 eindeutig entschieden, dass ein mögliches Kopftuchverbot nicht ge

nerell auf den staatlichen Vorbereitungsdienst übertragen werden kann. Wir haben damit ein großes Problem, das wir nicht mal eben durch ein Gesetz aus der Welt schaffen können.

(Antje Möller GAL: Das ist ja eine interes- sante Definition!)

Sie fordern eine Gesetzesvorlage gegen den Hijab, so habe ich Sie jedenfalls verstanden.

(Dietrich Wersich CDU: Gerade nicht!)

Aber zu handeln. Entweder man führt Gespräche oder man macht ein Gesetz, eines von beiden geht nur.

Sie fordern den Senat unter Punkt 1 auf zu handeln, Sie fordern ihn unter Punkt 2 auf zu handeln, und der Senat handelt. Er führt Gespräche mit der Schulleitung und er hat diverse Gespräche mit der angehenden Lehrerin geführt, das ist Fakt. Den Senat aufzufordern zu handeln, was er bereits tut, so einen Antrag brauchen wir nicht beschließen, sondern wir müssen ihn ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Genauso wenig brauchen wir diesen konkreten Fall …

(Zuruf von Antje Möller GAL)

Das kommt gleich.

(Jens Kerstan GAL: Bis eben hatte die De- batte Niveau! – Jörg Hamann CDU: Das ist nun eine ganz billige Argumentation! – Glocke)

(unterbre- chend) : Herr Holster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heinemann?

Ja, natürlich.

Herr Holster, Sie haben gerade gesagt, der Senat habe Gespräche mit der Lehrerin geführt. Bisher hat er das in seinen Antworten auf meine Anfragen nicht gesagt. Mich würde interessieren, wann der Senat Gespräche mit dieser Lehrerin geführt hat.

Ich korrigiere mich: Die Behörde hat Gespräche mit der Lehrerin geführt.

(Jens Kerstan GAL: Dann hat der Senat ja nicht gehandelt!)

Genauso ergibt es keinen Sinn, diesen konkreten Fall im Schulausschuss, im Justizausschuss oder im Sozialausschuss zu besprechen.

Jetzt komme ich zur grundsätzlichen Haltung. Herr Heinemann – wir haben gestern darüber gesprochen –, wenn man politische Initiativen anschieben

(Robert Heinemann)

will und an einem Rad dreht, dann drehen sich viele andere Räder mit. Man muss also immer auch den Gesamtblick haben und das ist in diesem Fall ganz besonders wichtig.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Herr Hamann kann zu allen Dingen etwas sagen, ich weiß.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Natürlich darf Schule nicht zum Konfliktfeld aufgrund verschiedener religiös oder weltanschaulich motivierter Erscheinungsbilder der Lehrkräfte werden, da stimme ich absolut mit Ihnen überein. Und sollte dies eintreten, dann müssen wir über eine gesetzliche Regelung zur Wahrung der Neutralität nachdenken.

(Beifall bei der SPD)

Aber wenn wir das tun und etwas in diese Richtung anschieben wollen, dann müssen wir uns auch ganz ehrlich die Auswirkungen einer solchen gesetzlichen Regelung bewusst machen. Wir sind einerseits historisch christlich geprägt und leben doch auch von der großen religiösen Vielfalt. Alle Bürger in dieser Stadt haben ein Recht auf Glaubensfreiheit.

(Dennis Gladiator CDU: Aber nicht im Klas- senzimmer!)

Machen wir es uns nicht zu einfach, indem wir den Senat auffordern zu handeln. In einem solchen Fall stehen wir alle in der Verantwortung, im Sinne der Schülerinnen und Schüler zu handeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Dr. von Berg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich stehe hier als Schulpolitikerin und als Frauenpolitikerin unserer Fraktion, aber ich hätte eigentlich gern fast alle Fraktionsmitglieder mit am Rednerpult, um deutlich zu machen, wie viele Facetten dieses Thema hat.

(Thilo Kleibauer CDU und Birgit Stöver CDU: Ja!)

Deswegen auch unser, zugegeben etwas verschwurbelter, Überweisungsantrag, denn wir würden es uns zu einfach machen, wenn wir dieses Thema nur dem Schulausschuss überlassen würden. Es sind einfach zu viele Facetten betroffen: der Bereich Soziales, der Bereich Religion, der Bereich Migration und natürlich auch der Justizbereich. Es ist eine Verfassungsfrage, die hier berührt wird, da reicht es nicht, nur an den Schulausschuss zu überweisen.

Wir als Bürgerschaft haben die Aufgabe, das Signal nach draußen zu senden, dass wir dem Populismus Einhalt gebieten,

(Beifall bei der GAL und der SPD)

denn dieses Thema kann sehr schnell populistisch instrumentalisiert werden. Ich bin sehr froh, dass wir – bisher jedenfalls – nicht populistisch debattieren.

Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass wir durch unsere christlich-eurozentrische Brille auf dieses Problem gucken. Ich zumindest tue das und wenn ich mich hier umsehe, dann werden die allermeisten durch diese Brille schauen. Natürlich habe ich auch ein Bauchgefühl, wie es viele von Ihnen mit Sicherheit auch haben werden, aber damit machen wir es uns zu einfach. Wichtig ist, dass wir uns zukünftig diesem Thema stellen, aber bitte nicht mit Schnellschuss-Politik. Das wäre diesem Thema nicht angemessen.

Wir werden in Zukunft immer mehr Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund haben; unser erklärtes Ziel sind mindestens 20 Prozent. Eventuell werden wir dann mehr Kopftuch oder Hijab tragende Lehrerinnen bekommen und uns diesem Thema stellen müssen. Aber ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen? Wir reden über einen Einzelfall. Diese Teilzeitlehrkraft wird ihr Referendariat am 1. November beginnen, dann ist das Thema sowieso vom Tisch, denn es ist klar geregelt, dass wir ein Monopol auf Ausbildung haben, und dann darüber nicht weiter zu reden brauchen. Die derzeitige Rechtslage ist klar: Selbstverständlich darf diese Lehrerin so unterrichten, wie sie es tut. Deswegen hat Herr Rabe absolut korrekt gehandelt. Er hat versucht, in diesem Einzelfall eine Lösung herbeizuführen, aber letztlich sind ihm die Hände gebunden. Er konnte in diesem Fall nicht mehr machen.

Natürlich werden wir in Zukunft darüber nachdenken müssen, was der Hijab eigentlich ist, Herr Heinemann hat es angedeutet. Ist er ein religiöses Symbol, ist er ein politisches Symbol? Wir werden uns viel Zeit dafür nehmen müssen – das geht quer durch alle Fraktionen hindurch –, wie wir das bewerten.

Wir müssen dabei auch im Hinterkopf behalten, dass wir eine Stadt mit einer Willkommenskultur sind oder zumindest sein wollen.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL – Zuruf aus dem Plenum: Mit der eurozentrischen Brille!)

Mit der eurozentrischen Brille, selbstverständlich, aber in unseren Schulen werden künftig 50 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben; dem können wir uns nicht verschließen.

Wir brauchen multiperspektivische Lösungsansätze. Mich würde dabei auch interessieren, wie die Schülerinnen und Schüler denken, ob es valide

(Lars Holster)

Studien zu diesem Thema oder Erfahrungen anderer Bundesländer gibt. Wir stochern viel im Nebel. Alle haben wir Vermutungen und Thesen, aber erhärtet ist nichts davon. Ich würde mich freuen, wenn wir uns diesem Thema in Zukunft widmen würden, aber mit viel Zeit und Achtsamkeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)