Protocol of the Session on August 24, 2011

Dies alles natürlich auch, weil Hamburg Deutschlands mit Abstand größten und wichtigsten Schifffahrtsstandort darstellt und wir alles tun müssen, um die Hamburger Unternehmen und ihre Mitarbeiter optimal zu unterstützen.

Dass Ihnen, liebe Kollegen von der CDU, unsere Aktivitäten nicht verborgen geblieben sind, ist nachvollziehbar, dass Sie sich nun entschlossen haben, etwas zu tun, ebenso. Herausgekommen ist dabei allerdings ein Forderungspaket, das an der Realität vorbeigeht, und zwar an der Realität der Verfassung unseres Landes.

Deshalb sind die Forderungen, die wir an die von Ihnen geführte Bundesregierung herantragen sollen, schlichtweg unerfüllbar. Denn sie stellen im Wesentlichen darauf ab, private Sicherheitsunternehmen auf deutschen Schiffen zuzulassen, damit diese hoheitliche Aufgaben übernehmen mit all den faktischen und rechtlichen Problemen, die dies mit sich bringt. Damit fordern Sie de facto nicht weniger als die Aufhebung des Gewaltmonopols des Staates auf Schiffen unter deutscher Flagge. So sehr uns das Leben und die Sicherheit der Seeleute ernsthaft berühren, über dieses Stöckchen, das Sie uns hinhalten, springen wir nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Hier ist vielmehr gefordert, dass der Staat seinen hoheitlichen Aufgaben verantwortungsbewusst nachkommt und dafür sorgt, dass Marine und Bundespolizei verstärkt zum Einsatz kommen, um das Problem zu lösen. Wir sehen drei wesentliche Bereiche, die angegangen werden müssen.

Erstens: Die deutsche Marine hat im Rahmen des Atalanta-Projekts ein Mandat des Deutschen Bundestags zur Entsendung von bis zu 1400 Soldaten erhalten. Tatsächlich jedoch ist nur ein einziges Schiff vor Ort, nämlich die Fregatte "Bayern" mit rund 270 Soldaten. Wenn nun die Bundesregierung beklagt, ihr fehle das Personal bei der Marine, um ihren hoheitlichen Aufgaben nachzukommen,

dann fragt man sich, warum sie kurz zuvor die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft hat.

(Beifall bei der SPD)

Aber so oder so ist die Bundesregierung aufgefordert, die militärische Präsenz am Horn von Afrika deutlich auszuweiten und präventiv und gegebenenfalls aktiv für mehr Sicherheit zu sorgen.

Zweitens: Sie muss weiterhin ihren Einfluss im Nordatlantischen Bündnis sowie im Weltsicherheitsrat verstärkt auf diese Bedrohung ausrichten und darauf hinwirken, die internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der Piraterie zu verstärken. Dazu gehört auch, dass eine langfristige Perspektive für die Region und insbesondere für Somalia geschaffen wird. Der Hintergrund für diese Missstände, so unentschuldbar sie auch sein mögen, ist letztlich doch die instabile Lage des Landes, die Armut, der Hunger, die Anarchie und die Perspektivlosigkeit der Menschen. Hier müssen die großen Industrienationen langfristig helfen und Konzepte entwickeln, die auf eine Verbesserung und Stabilisierung der Lebensumstände der Menschen abzielen. Und deshalb wird unsere Fraktion den hierauf abgestellten Zusatzantrag der GAL auch mit unterstützen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Letztlich muss es die Bundesregierung ermöglichen, dass bestimmte Schiffe mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf den Schutz durch die Bundespolizei anfordern können, und zwar insbesondere kleine Schiffe, langsame Schiffe und Schiffe mit geringem Freibord, also Massengutfrachter und Tanker, die voll beladen nur wenig aus dem Wasser ragen und leichte Beute für die Piraten darstellen. Dies dient in erster Linie der Prävention, denn Piraten sind zwar Kriminelle, aber sie agieren mit hoher ökonomischer Logik. Es ist von ihnen noch kein Schiff erfolgreich überfallen worden, das über Sicherheitskräfte an Bord verfügte. Und da reichen drei Mann mit entsprechender Qualifikation pro Schiff, die tätig werden, wenn Piraten auftauchen. Die Piraten wissen dann, dass sie einen schwierigen bis unmöglichen Kampf vor sich haben und drehen ab.

Es geht hier übrigens nicht – ich hörte so einige wenig qualifizierte Zwischenrufe –

(Heino Vahldieck CDU: Selbstgespräche!)

um die Abwälzung der Kosten der Sicherheit auf die öffentliche Hand. Die Reeder haben mehrfach erklärt, dass sie bereit wären, einen Teil der Kosten der Beauftragung der Bundespolizei selbst zu tragen. Dabei sollte man sich eigentlich fragen, warum sie das tun sollten. Stellen Sie sich einmal vor, auf der Bleichenbrücke würden einmal pro Woche Menschen, die sie überqueren wollen, von organisierten Banden entführt und erst nach Zah

lung eines hohen Lösegelds und dem Erleiden körperlicher Gewalt und schwerer Traumata wieder auf freien Fuß gesetzt. Und der Bürgermeister und der Innensenator würden den Bürgerinnen und Bürgern empfehlen, sich doch bitte schön einmal nach einem privaten Sicherheitsdienst umzuschauen, wenn sie denn ausgerechnet diese Brücke überqueren wollten. Was für ein Aufschrei ginge – völlig zu Recht – durch unsere Stadt. Dies würden alle Betroffenen empört zurückweisen. Denn der Staat hat in unserem Land das unangefochtene Gewaltmonopol und die Fürsorgepflicht für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Daran wollen und werden wir nichts ändern.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb werden wir Sozialdemokraten den Antrag der CDU ablehnen und bitten Sie alle herzlich, stattdessen unseren eigenen Antrag zu unterstützen, der auf meinen vorgenannten Ausführungen aufbaut und sie entsprechend berücksichtigt.

Wir freuen uns in jedem Fall, dass wir in der Sache einen breiten Konsens zu haben scheinen und weder ein Erkenntnisproblem noch ein Zielkonflikt vorliegt. Wir alle erkennen die Piraterie als ein Übel, das es entschlossen und mit den verfassungskonformen Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen gilt. Wir gehen davon aus, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, alles unternehmen werden, um Ihre Berliner Kollegen aktiv werden zu lassen.

Der Schutz der deutschen Schiffe und ihrer Besatzung ist Aufgabe des Staats. Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass dieser seiner Verantwortung und seinen Pflichten in der gebotenen Art und Weise nachkommt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Möller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass durch Herrn Rickmers der rein deutsche Fokus, der leider in dem Antrag der CDU zu finden ist, ein bisschen ausgeweitet wurde. Dieses Problem der Bekämpfung der Piraterie und des Umgangs mit ihr in internationalen Gewässern ist mitnichten ein nationales Thema, sondern ein internationales. Es gibt keine einseitigen Lösungswege, es gibt keine einfachen Lösungswege und wir können in der Kürze der Redezeit kaum ansatzweise alle Aspekte benennen, die in dem Zusammenhang diskutiert werden müssen. Nicht umsonst diskutieren auf UNund EU-Ebene ständig Gremien miteinander, um verschiedene Lösungswege zu entwickeln.

Was schlicht und einfach überhaupt nicht geht, ist unsere Unterstützung darin, dass Kriegswaffen an

private Sicherheitsdienste gelangen und diese sie dann auch einsetzen können.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Diese Sicherheit, Herr Rickmers sagte es, ist Kern des staatlichen Gewaltmonopols. Private Sicherheitsfirmen sind weder kontrollierbar noch unterliegen sie zum Beispiel den völkerrechtlichen Regelungen. Niemand kann verbindliches Handeln von ihnen einfordern. Da hilft auch leider keine Zertifizierung, denn diese Zertifizierung kann weder überprüft werden noch ist sie in irgendeiner Weise zu verfolgen, wenn ihr nicht nachgekommen wird.

Wenn dem gefolgt wird, was die Bundesregierung jetzt offenbar vorsieht, nämlich private Sicherheitsdienste, mit Kriegswaffen ausgerüstet, auf deutsche Schiffe zu schicken, dann kommen wir zu einer gegenseitigen Aufrüstung. Das ist doch das Einzige, was dann passieren wird. Ich sehe deshalb im CDU-Antrag überhaupt keinen Ansatz, der die Handelsschifffahrt vor dem Horn von Afrika auch nur ein bisschen sicherer macht.

Die Wege werden bisher beschritten über die UN, die die institutionelle Basis für die internationalen Lösungen bietet, denn wir reden über Gebiete außerhalb der nationalen Hoheitsgebiete und viele internationale Maßnahmen, die gleichzeitig laufen. Es läuft mitnichten nur die Mission Atalanta, sondern auch die NATO ist vor Ort. Genau das ist vielleicht das Problem, es gibt zu wenige EU-koordinierte Missionen, militärische Missionen, aber vor allem auch Missionen, die humanitär und zivilgesellschaftlich arbeiten.

Das Problem, das Ursache und Kern der Piraterie ist, müssen wir angehen, damit man von der ständig zunehmenden Seepiraterie wegkommt. Es geht doch darum, dass ein Land in völliger Armut versinkt. Die Armut entsteht auch dadurch, dass Fischereirechte gnadenlos ausgebeutet werden und Fischgründe vor Somalia überhaupt nicht mehr zu befischen sind. Kein Fischfang bedeutet aber mehr Armut und Hunger, und mehr Armut bedeutet die Suche nach lukrativen Geschäften. Die Traumatisierung, die wir einerseits bei den Schiffsbesatzungen erleben, die den Piraten in die Hände fallen, erlebt man andererseits auch bei der Bevölkerung Somalias.

Wir brauchen keine nationale Lösung, schon gar nicht eine, die bedeutet, dass Kriegswaffen, die ohnehin schon in der Regel auf den Schiffen vorhanden sind, in die Hände von privaten Sicherheitsdiensten gelangen. Wir brauchen stattdessen eine Initiative, die – das sagt auch der SPD-Antrag – noch einmal deutlich macht, dass auf internationaler Ebene zusammengearbeitet werden muss. Natürlich werden wir in einem Gebiet, das ungefähr die Fläche der Bundesrepublik umfasst, weder mit Marine noch mit Bundespolizei oder an

(Erck Rickmers)

deren polizeilichen Maßnahmen flächendeckend der Piraterie ein Ende setzen können.

Deswegen fasse ich noch einmal kurz zusammen: Das gleichzeitige Weiterentwickeln eines Gesamtkonzepts, vor allem auch zum Aufbau der Zivilgesellschaft und der Verwaltungsstrukturen in Somalia, ist wichtig. Die Menschen dort müssen aus der Armut herausgeholt werden, nur das ist ein präventiver Ansatz, der auch erfolgversprechend ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Herr Dr. Kluth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, uns eint in dieser Debatte über alle Fraktionen hinweg in großer Ernsthaftigkeit die Sorge über die zunehmende Piraterie, die Sorge um Leib und Leben und die Gesundheit deutscher Seeleute.

Herr Rickmers, ich finde es schon bedauerlich, dass Sie einen großen Teil Ihres Redebeitrags darauf verwendet haben, ein relativ kleinteiliges, parteipolitisches Scharmützel zu führen.

(Beifall bei der FDP – Heino Vahldieck CDU: Er hat schnell gelernt!)

Herr Rickmers, mich befremdet an dieser Debatte noch etwas anderes, nämlich dass sich hier jemand wie Sie zu Wort meldet, der von den politischen Entscheidungen in dieser Angelegenheit, wie immer sie ausfallen werden, ob man sagt, man setzt die Bundespolizei ein oder private Sicherheitsdienste, unmittelbar wirtschaftlich betroffen ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber das ist eine Frage des politischen Stils, der parlamentarischen Gepflogenheiten, das müssen Sie letztlich für sich allein entscheiden.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ich würde sagen, klare Befangenheit!)

Meine Damen und Herren! Es ist nur wenige Wochen her, dass wir die Schlagzeilen über die Geiselnahme der Seeleute auf einem niederländischen Containerschiff verfolgen konnten. 70 Tage lang befanden sich die Seeleute in Gefangenschaft von Piraten, beendet wurde ihr Martyrium durch eine hohe Lösegeldzahlung der Reederei. Glücklicherweise blieben alle Seeleute am Leben und unverletzt. 15 deutsche Schiffe wurden in den letzten Jahren von Piraten gekapert, 69 im vergangenen Jahr angegriffen. Schiffe unter deutscher Flagge waren damit am häufigsten im Visier der Piraten. Deshalb ist es richtig und auch wichtig, dass die Bundesregierung unter der Führung des maritimen Koordinators, Staatssekretär Joachim Otto, das

Thema Piraterie nach ganz weit oben auf ihre politische Agenda gesetzt hat.

Es geht um die Gefahr für Leib und Leben von Seeleuten, die im Einsatz sind, um Waren schnell und sicher von Hafen zu Hafen zu bringen, und es geht um eine ernsthafte Bedrohung internationaler Handelsströme. Uns als Hamburger müssen diese Tatsachen besonders aufmerksam machen und bewegen, denn als Zentrum des Handels, der Seeschifffahrt und der Reedereien sind wir besonders betroffen.

Der Antrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion greift dieses wichtige Thema auf und wirft einen Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir angesichts der Piraterie stehen. Wir glauben, dass es richtig ist, alle Möglichkeiten zu prüfen, um Seewege wieder sicher zu machen. Auch der Einsatz privater Sicherheitskräfte auf Schiffen könnte hier unter strengen Auflagen als Ultima Ratio in Betracht kommen, jedoch nur dann, wenn es dafür eine klare rechtsstaatliche Grundlage gibt, auf deren Basis private Sicherheitsdienste arbeiten können, denn im Grundsatz gilt, dass das staatliche Gewaltmonopol auch auf deutschen Seeschiffen gelten muss.

Nicht zu Unrecht äußerte sich selbst der Bundesverband deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen noch sehr skeptisch gegenüber einem Einsatz sogenannter "Vessel Protection Teams" an Bord von deutschen Seeschiffen. Mit der rechtsstaatlichen Grundlage muss auch eine solide Ausbildung von Sicherheitskräften einhergehen, die auf die speziellen Gefahren des Einsatzes zum Schutz vor Piraten auf hoher See vorbereitet werden müssen. Auch die Aufklärung in den Reedereien selbst ist ein wichtiger Faktor, auf den stärker als bisher geachtet werden muss.

Auf internationaler Ebene brauchen wir eine bessere rechtliche Handhabe gegen Piraterie. So ist es ein Unding, dass zurzeit noch rund 70 Prozent der somalischen Piraten wieder freigelassen werden müssen, weil sich kein Land für die Strafverfolgung findet und für diese bereiterklärt. Hier muss dringend im Rahmen internationaler Verträge und Organisationen gehandelt werden.

All diese Einzelmaßnahmen sollten sich einfügen in ein Gesamtkonzept der Bundesregierung zum besseren Schutz deutscher Schiffe vor Piraterie. Hamburg kann dafür einen wichtigen Beitrag leisten. Aus diesem Grunde begrüßen wir die Initiative der Bundesregierung, schnellstmöglich Lösungsansätze zum besseren Schutz vor Piraterie zu schaffen, und wir begrüßen ebenso den vorliegenden Antrag der CDU, den wir unterstützen und für den wir stimmen werden. – Vielen Dank.