Erck Rickmers
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie Sie alle wissen, bin ich noch nicht sehr lange in der Politik und von daher hier und da einigermaßen überrascht über bestimmte Abläufe. Dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nun das Problem der Seepiraterie für sich entdeckt haben, ist für mich eine dieser politischen Überraschungen, die mir, das muss ich Ihnen ehrlich sagen, ein Schmunzeln entlockt haben.
Denn es ist doch ziemlich absurd, dass ausgerechnet Sie sich mit einem Antrag, der ausschließlich – und ich wiederhole: ausschließlich – die Bundesgesetzgebung betrifft, hier zu Wort melden und einen von uns Sozialdemokraten geführten Senat auffordern, gewissermaßen für Sie auf Bundesebene tätig zu werden.
Nur zur Erinnerung: Für die Bundesgesetzgebung in Deutschland ist, und das erlaube ich mir hier einzufügen – derzeit noch – eine CDU-geführte Regierung verantwortlich. Wenn es Ihnen also tatsächlich um die Sache ginge, bräuchten Sie in Hamburg keine diesbezüglichen Anträge zu stellen. Sie könnten nämlich viel zielführender arbeiten, indem Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen in Berlin die Angelegenheit eindringlich näherbrächten und sie aufforderten, im Sinne der betroffenen Menschen,
die auf Schiffen zusätzlich zu einer harten Arbeit noch der Gefahr für Leib und Seele ausgesetzt sind, endlich zur Seite zu stehen.
Für die SPD ist das Thema Piraterie eines von übergeordneter Bedeutung. Zum einen geht mit der Piraterie eine humanitäre Katastrophe einher. In Somalia befinden sich derzeit 18 Schiffe mit rund 400 Menschen in der Hand der Piraten. Und selbst diejenigen, die die Torturen der Überfälle und der Gefangenschaft überstanden haben, kommen oftmals traumatisiert und bisweilen arbeitsunfähig zurück.
Zum anderen können und wollen wir nicht akzeptieren, dass eine der Hauptrouten des Weltseehandels, nämlich der Verkehr zwischen Asien, dem Persischen Golf und Europa, durch ein paar entschlossen handelnde Kriminelle mit hohem Organisationsgrad ernsthaft bedroht wird. Von daher ist das Thema Piraterie eines, mit dem wir uns schon lange auseinandersetzen.
So geschehen in Berlin, wo die SPD-Bundestagsabgeordneten der Küstenländer, die sogenannte "Küstengang", seit Monaten fordern, die Bundesregierung möchte endlich Maßnahmen ergreifen, die einen wirkungsvollen Schutz der Schiffe und ihrer Besatzungen garantieren.
So geschehen wiederum in Berlin, wo ich selbst am 1. Juli zusammen mit dem geschäftsführenden Präsidiumsmitglied des VDR und dem Reeder Alfred Hartmann aus Leer im kleinen Kreis Bundesinnenminister Friedrich auf dessen Wunsch die Situation erläutern konnte, weil Herr Dr. Friedrich gern aus erster Hand hören wollte, wie die Situati
on in der Praxis gesehen wird und was die Bundesregierung tun sollte.
So geschehen am 15. Juli in Hamburg, als Wirtschaftssenator Frank Horch und Innensenator Michael Neumann gemeinsam Vertreter Hamburger Reedereien in das Gästehaus des Senats einluden, um sich bei den betroffenen Unternehmen zu informieren und gemeinsam Maßnahmen zu diskutieren und zu entwickeln.
Nein.
Dies alles natürlich auch, weil Hamburg Deutschlands mit Abstand größten und wichtigsten Schifffahrtsstandort darstellt und wir alles tun müssen, um die Hamburger Unternehmen und ihre Mitarbeiter optimal zu unterstützen.
Dass Ihnen, liebe Kollegen von der CDU, unsere Aktivitäten nicht verborgen geblieben sind, ist nachvollziehbar, dass Sie sich nun entschlossen haben, etwas zu tun, ebenso. Herausgekommen ist dabei allerdings ein Forderungspaket, das an der Realität vorbeigeht, und zwar an der Realität der Verfassung unseres Landes.
Deshalb sind die Forderungen, die wir an die von Ihnen geführte Bundesregierung herantragen sollen, schlichtweg unerfüllbar. Denn sie stellen im Wesentlichen darauf ab, private Sicherheitsunternehmen auf deutschen Schiffen zuzulassen, damit diese hoheitliche Aufgaben übernehmen mit all den faktischen und rechtlichen Problemen, die dies mit sich bringt. Damit fordern Sie de facto nicht weniger als die Aufhebung des Gewaltmonopols des Staates auf Schiffen unter deutscher Flagge. So sehr uns das Leben und die Sicherheit der Seeleute ernsthaft berühren, über dieses Stöckchen, das Sie uns hinhalten, springen wir nicht.
Hier ist vielmehr gefordert, dass der Staat seinen hoheitlichen Aufgaben verantwortungsbewusst nachkommt und dafür sorgt, dass Marine und Bundespolizei verstärkt zum Einsatz kommen, um das Problem zu lösen. Wir sehen drei wesentliche Bereiche, die angegangen werden müssen.
Erstens: Die deutsche Marine hat im Rahmen des Atalanta-Projekts ein Mandat des Deutschen Bundestags zur Entsendung von bis zu 1400 Soldaten erhalten. Tatsächlich jedoch ist nur ein einziges Schiff vor Ort, nämlich die Fregatte "Bayern" mit rund 270 Soldaten. Wenn nun die Bundesregierung beklagt, ihr fehle das Personal bei der Marine, um ihren hoheitlichen Aufgaben nachzukommen,
dann fragt man sich, warum sie kurz zuvor die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft hat.
Aber so oder so ist die Bundesregierung aufgefordert, die militärische Präsenz am Horn von Afrika deutlich auszuweiten und präventiv und gegebenenfalls aktiv für mehr Sicherheit zu sorgen.
Zweitens: Sie muss weiterhin ihren Einfluss im Nordatlantischen Bündnis sowie im Weltsicherheitsrat verstärkt auf diese Bedrohung ausrichten und darauf hinwirken, die internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der Piraterie zu verstärken. Dazu gehört auch, dass eine langfristige Perspektive für die Region und insbesondere für Somalia geschaffen wird. Der Hintergrund für diese Missstände, so unentschuldbar sie auch sein mögen, ist letztlich doch die instabile Lage des Landes, die Armut, der Hunger, die Anarchie und die Perspektivlosigkeit der Menschen. Hier müssen die großen Industrienationen langfristig helfen und Konzepte entwickeln, die auf eine Verbesserung und Stabilisierung der Lebensumstände der Menschen abzielen. Und deshalb wird unsere Fraktion den hierauf abgestellten Zusatzantrag der GAL auch mit unterstützen.
Letztlich muss es die Bundesregierung ermöglichen, dass bestimmte Schiffe mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf den Schutz durch die Bundespolizei anfordern können, und zwar insbesondere kleine Schiffe, langsame Schiffe und Schiffe mit geringem Freibord, also Massengutfrachter und Tanker, die voll beladen nur wenig aus dem Wasser ragen und leichte Beute für die Piraten darstellen. Dies dient in erster Linie der Prävention, denn Piraten sind zwar Kriminelle, aber sie agieren mit hoher ökonomischer Logik. Es ist von ihnen noch kein Schiff erfolgreich überfallen worden, das über Sicherheitskräfte an Bord verfügte. Und da reichen drei Mann mit entsprechender Qualifikation pro Schiff, die tätig werden, wenn Piraten auftauchen. Die Piraten wissen dann, dass sie einen schwierigen bis unmöglichen Kampf vor sich haben und drehen ab.
Es geht hier übrigens nicht – ich hörte so einige wenig qualifizierte Zwischenrufe –
um die Abwälzung der Kosten der Sicherheit auf die öffentliche Hand. Die Reeder haben mehrfach erklärt, dass sie bereit wären, einen Teil der Kosten der Beauftragung der Bundespolizei selbst zu tragen. Dabei sollte man sich eigentlich fragen, warum sie das tun sollten. Stellen Sie sich einmal vor, auf der Bleichenbrücke würden einmal pro Woche Menschen, die sie überqueren wollen, von organisierten Banden entführt und erst nach Zah
lung eines hohen Lösegelds und dem Erleiden körperlicher Gewalt und schwerer Traumata wieder auf freien Fuß gesetzt. Und der Bürgermeister und der Innensenator würden den Bürgerinnen und Bürgern empfehlen, sich doch bitte schön einmal nach einem privaten Sicherheitsdienst umzuschauen, wenn sie denn ausgerechnet diese Brücke überqueren wollten. Was für ein Aufschrei ginge – völlig zu Recht – durch unsere Stadt. Dies würden alle Betroffenen empört zurückweisen. Denn der Staat hat in unserem Land das unangefochtene Gewaltmonopol und die Fürsorgepflicht für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Daran wollen und werden wir nichts ändern.
Deshalb werden wir Sozialdemokraten den Antrag der CDU ablehnen und bitten Sie alle herzlich, stattdessen unseren eigenen Antrag zu unterstützen, der auf meinen vorgenannten Ausführungen aufbaut und sie entsprechend berücksichtigt.
Wir freuen uns in jedem Fall, dass wir in der Sache einen breiten Konsens zu haben scheinen und weder ein Erkenntnisproblem noch ein Zielkonflikt vorliegt. Wir alle erkennen die Piraterie als ein Übel, das es entschlossen und mit den verfassungskonformen Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen gilt. Wir gehen davon aus, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, alles unternehmen werden, um Ihre Berliner Kollegen aktiv werden zu lassen.
Der Schutz der deutschen Schiffe und ihrer Besatzung ist Aufgabe des Staats. Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass dieser seiner Verantwortung und seinen Pflichten in der gebotenen Art und Weise nachkommt. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Die SPD ist in Hamburg angetreten, um unsere Stadt nach vielen Jahren schwarz-grüner Misswirtschaft wieder nach vorn zu bringen, und die Bürgerinnen und Bürger haben uns hierfür ein klares Mandat gegeben.
Wir sind mit einer zentralen Wahlaussage angetreten: Haushaltskonsolidierung. Wir wollen und wir werden die finanzielle Situation Hamburgs langfristig und sozial verträglich wieder in Ordnung bringen. Wir haben die letzten zehn Jahre, aber auch die Jahre davor – das möchte ich gerne konzedieren – über unsere Verhältnisse gelebt. Es war absehbar, dass Haushaltskonsolidierung in Hamburg keine leichte Aufgabe sein würde. Wir kannten die vielfältigen Probleme unserer Stadt, insbesondere die katastrophale Haushaltslage, aber seit März dieses Jahres mussten wir lernen, dass viele Haushaltspositionen keine solide Finanzierungsgrundlage aufwiesen und nach dem Prinzip Hoffnung ignoriert beziehungsweise in die Zukunft verschoben wurden.
Im Ergebnis stehen wir trotz einer günstigen Wirtschaftslage, trotz eines entsprechend höheren Steueraufkommens und trotz niedriger Zinsen vor großen Herausforderungen, um unseren Haushalt zu konsolidieren. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gebietet einen festen Rahmen für die zukünftige Haushaltspolitik und das ist gut so. Wir wollen und werden sie einhalten, weil es der Gerechtigkeit entspricht und weil es unsere Verantwortung gegenüber jüngeren Generationen gebietet.
Aber beim Konsolidieren gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird weniger Geld ausgegeben oder es wird mehr eingenommen; umgekehrt funktioniert es leider nicht, auch wenn einige Politiker
dies die Bürger glauben lassen wollen. Wir werden also in einer Art und Weise sparen müssen, die für viele Menschen in dieser Stadt Zumutungen mit sich bringt. Denn jeder Euro unserer Staatsausgaben kommt schließlich der Allgemeinheit zugute und jeder Euro, der fehlt, wird schmerzlich vermisst.
Das haben wir alle erst gestern in der Diskussion zu Wissenschaft, Forschung und Universitäten gemeinsam zu Recht beklagt.
Auf der Einnahmenseite sind unsere Handlungsmöglichkeiten jedoch beschränkt. Um also das strukturelle Defizit zu verringern, unseren Haushalt zu sanieren und um auch in Zukunft Hamburgs Handlungsfähigkeit sicherzustellen, müssen wir dafür sorgen, dass unsere Stadt systematisch und dauerhaft höhere Einnahmen hat. Die Vermögensteuer ist dabei eine reelle Möglichkeit.
Natürlich ist die Vermögensteuer ein politisch emotionales Thema, das man kontrovers diskutieren kann. Und wir kennen die Argumente dagegen sehr wohl: Die Vermögensteuer bringt nichts ein. Sie ist zu aufwendig in der Erhebung. Sie kostet Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze. Sie ist eine ideologisch verbrämte Neidsteuer der Linken, wobei ich davon ausgehe, dass dieser Punkt bei mir persönlich zumindest nicht verfängt. Auf all diese Aspekte müssen diejenigen, die letztlich das Gesetz formulieren, in gebotener Weise eingehen.
Dabei werden wir auch eine andere zentrale Wahlaussage der SPD berücksichtigen, nämlich die Interessen der Wirtschaft voranzubringen und diese bei der Neufassung der Vermögensteuer zu berücksichtigen. Diejenigen von Ihnen, die unseren Antrag genau lesen, werden feststellen, dass dies der Fall ist.
Im Übrigen kann man den Argumenten entgegenhalten, dass die Vermögensteuer Mitte der Neunzigerjahre, umgerechnet, 4,5 Milliarden Euro in die Länderkassen eingebracht hat bei Erhebungskosten von circa 300 Millionen. Es blieben also selbst bei höheren Erhebungskosten noch rund vier Milliarden Euro netto. Für die Länder wäre das ein substanzieller Gewinn und in der derzeitigen Haushaltssituation dringend erforderlich, nicht nur in Hamburg, sondern in allen bundesdeutschen Ländern.
Natürlich greift eine Vermögensteuer wie jede Steuer in die Wirtschaft ein und ist auch eine Be
lastung. Aber im internationalen Vergleich liegt sowohl unsere Steuerquote als auch der Anteil der vermögensbezogenen Steuern unter dem Durchschnitt. Sogar die OECD empfiehlt Deutschland eine Erhöhung der vermögensbezogenen Steuern. Die Vermögensteuer ist leider eine Notwendigkeit, um unseren finanziellen Spielraum in den nächsten Jahren wieder ein bisschen zu erhöhen. Sie ist auch ein Beitrag der Solidarität, den wir von den Inhabern der großen Vermögen erbitten.
Die eigentliche Frage ist doch: Wie wollen wir in Zukunft aktives staatliches Handeln möglich machen und finanzieren? Darauf brauchen wir bald Antworten. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen wird, gerade nach der Finanzkrise, von der wir wissen, dass sie strukturell noch nicht überwunden ist, dazu führen, dass die Steuern in Deutschland tendenziell wieder etwas steigen müssen. Wir brauchen eine Neuordnung und Vereinfachung unseres Steuersystems sowie eine vernünftige, neu strukturierte Verteilung der Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden. Die Vermögensteuer ist ein erster Beitrag dazu. Sie ist zwar eine Bundessteuer, wird aber in der heutigen Struktur in voller Höhe auf Landesebene vereinnahmt, ohne Abgaben im Rahmen des Länderfinanzausgleichs.
Lassen Sie mich mit einer persönlichen und versöhnlichen Bemerkung schließen. Wer ein bisschen in der Welt herumgekommen ist, die Lebensqualität in unterschiedlichen Regionen und Metropolen dieser Welt kennengelernt hat und vergleicht, stellt fest: In einer Gesamtschau der Verhältnisse ist Hamburg eine der attraktivsten Städte der Welt. Damit das auch so bleibt, brauchen wir eine solide Finanzierung und bei allen Sparbemühungen etwas höhere Einnahmen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dies in einer ausgewogenen, sozial gerechten und wirtschaftsfreundlichen Art und Weise zu erreichen. – Vielen Dank.