Protocol of the Session on January 21, 2015

Es wäre eine Verständigung, die anerkennt, dass neben der alltäglichen Diskriminierung in den Herkunftsländern der Winter die Not und die tatsächliche Lebensgefährdung verschärft und wir deshalb Schutz gewähren.

Der Senat verweist nun auf seinen Weg der Einzelfalllösung, der in aktuellen Beispielsfällen so aussieht, dass auch mithilfe des Eingabenausschusses Familien mit einem Neugeborenen oder einem frisch operierten Elternteil kein temporärer Schutz gewährt wird, Familien mit mehreren kleinen Kindern ebenfalls nicht. Das Problem liegt dabei in der politisch nicht gewollten Akzeptanz der besonderen Schutzbedürftigkeit. Die Behörde bewertet diese Einzelfälle immer anhand allgemeiner Merkmale wie Aufenthaltsdauer oder mögliche Identitätstäuschung und anderes. Sie beruft sich auf die Möglichkeit, die das Asylrecht bietet, und spricht durchaus auch davon, dass dringend Platz gebraucht werde. Das, meine Damen und Herren, ist aber Ordnungspolitik, das ist keine Fürsorge für diese besondere Gruppe von Menschen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Darüber hinaus wäre dieses alles relevant, wenn es um einen dauerhaften Aufenthalt ginge, aber eben nicht, wenn es um Humanität, um den Schutz vor Hunger und Kälte für diese besonders schutzbedürftige Gruppe für einen Zeitraum von drei Monaten geht. Diejenigen, die eigentlich europaweit besonderen Schutz genießen, sollen ihn auch hier in Hamburg bekommen, das ist jedenfalls die Intention unseres Antrags. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schäfer von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es stimmt, Frau Möller, wir diskutieren dieses Thema alle Jahre wieder, immer einen ein klein wenig anderen Aspekt. Voriges Jahr war es kein Antrag von Ihnen, voriges Jahr haben wir die Debatte – es ging um einen Winterabschiebestopp in die Balkanländer – im Rahmen der Aktuellen Stunde geführt. Heute geht es um einen Winterabschiebestopp, der bis Mai gehen soll, wenn ich das richtig lese, und zwar ohne sonstige Einschränkungen. In Ihrer Rede wiederum sind Sie speziell auf Roma-Familien aus den Balkanländern eingegangen. Sie sollten Ihre Rede bitte auf Ihren Antrag abstimmen und nicht das Thema wechseln, wie es gerade geschehen ist. Aber ich gehe auch gerne darauf ein.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Zur Sa- che, bitte!)

Ich rede zum Antrag.

Herr Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung der Abgeordneten Möller?

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass der Antrag sich explizit auf die schutzbedürftigen Flüchtlinge gemäß der EU-Konvention bezieht, und das ist genau die Gruppe, die ich genannt habe.

Zu Beginn Ihrer Rede haben Sie speziell die Balkanländer allesamt aufgezählt und betont, dass es dort besonders schlimm sei.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Und das finden Sie jetzt nicht, oder was?)

Also geht es Ihnen, ausgehend von Ihrer Rede, offenkundig insbesondere um die Balkanländer und um die Veränderungen, die bundesweit vorgenommen wurden, womit Serbien und andere Balkanländer zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass diese Entscheidung im Bundesrat angenommen worden ist, auch unter Zustimmung des Landes Baden-Württemberg, dessen Ministerpräsident meines Wissens ein Grüner ist.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sind das jetzt alles Argumente?)

Es wird weiterhin dabei bleiben, dass Hamburg Einzelfallprüfungen vornehmen und jeden Fall nach der gesetzlichen Lage beurteilen wird, genauso wie 16 minus 2, also 13 andere Bundeslän

der. Der Rechtsweg steht jedem einzelnen Fall offen. Der Eingabenausschuss steht jedem einzelnen Fall offen. Es wird hier weiterhin entsprechend dieser gesetzlichen Vorgaben entschieden werden.

Eine pauschale Regelung führt ihrerseits auch wieder zu Unklarheiten und Ungerechtigkeiten.

(Farid Müller GRÜNE: In Schleswig-Holstein geht das alles!)

Eine pauschale Regelung, so wie sie von Ihnen beantragt worden ist, würde beispielsweise auch Afrika in den Winterabschiebestopp mit einbeziehen, wenn ich Ihren Antrag wörtlich nehme.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Können Sie nicht mal ein Argument bringen?)

Sie sollten bitte noch einmal darüber nachdenken, wie eine Regelung auszusehen hat, die human ist und jedem Fall gerecht wird. Das kann nur eine Einzelfallprüfung gewährleisten, nach der etwa Überschwemmungsgebiete ganzjährig als Hinderungsgrund für eine Ausweisung gelten können

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ha- ben Sie aber nicht gemacht!)

und beispielsweise Epidemien wie Ebola selbstverständlich ein Grund sind, nicht in die betroffenen Regionen auszuweisen. Diese Einzelfallprüfung ist viel sinnvoller, zielführender und letztlich auch humaner als eine Pauschalregelung, die ihrerseits auch wieder nur zu Ungerechtigkeiten führt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Deswegen halten wir an diesen Einzelfallprüfungen fest, so wie im Übrigen, um die Rechengeschichte von vorhin noch einmal klarzustellen, insgesamt 14 Bundesländer: 13 andere Bundesländer und Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Voet van Vormizeele von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen diese Debatte wahrlich nicht zum ersten Mal; meine beiden Vorredner haben bereits darauf hingewiesen. Daran merkt man schon, dass wir nicht richtig vorankommen. Bei allem Respekt, Frau Möller, Sie haben in Ihrem Debattenbeitrag alle Gegenargumente bereits aufgezählt und die Debatte damit eigentlich als Monolog geführt. Der Kollege Schäfer und ich müssten gar nicht mehr viel sagen.

Wir führen diese Debatte in der Tat seit 2011. Sie geben ihr immer eine kleine Nuancierung, aber letztendlich dreht sie sich um denselben Kern. Lie

be Kollegen, wir haben in einem bestimmten Bereich der Asylpolitik verschiedene Auffassungen. Das machen wir auch immer wieder deutlich. Ich gebe dem Kollegen Dr. Schäfer voll und ganz recht, dass die Einzelfallprüfung die einzig angemessene Methode ist, um alle Umstände, die jede einzelne Person betreffen, auch wirklich zu berücksichtigen. Pauschale Regelungen helfen uns nicht einen Deut weiter. Diese Debatte führen wir nun im vierten Jahr nacheinander. Sie wird auch heute, da bin ich ganz sicher, kein anderes Ende haben.

Ihr Hinweis auf die neue Regelung, dass wir bestimmte Länder zu sicheren Drittländern erklärt haben, den Sie als Einstieg in die Debatte gewählt haben, gehört eigentlich eher in eine Debatte, die Sie bei den GRÜNEN mit sich selbst führen müssten. Sie wissen ganz genau, dass diese Regelung niemals in Kraft getreten wäre, wenn nicht ein grüner Regierungschef genau das mitgemacht hätte – und wenn er das tut, dann weiß er auch, was er da tut.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und der FDP)

Es mag sein, dass Sie eine andere Auffassung dazu haben, aber vielleicht diskutieren Sie das dann auf Ihrem Parteitag und regeln das dort, anstatt jedes Jahr denselben Antrag einzubringen, von dem Sie ganz genau wissen, dass er in diesem Hause keine Mehrheit findet.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl [fraktionslos])

Das Wort bekommt Herr Ritter von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt in dieser Debatte leider kein Schwarz-Weiß-Denken.

(Beifall bei Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP)

Wir finden, dass der Antrag von der Richtung her grundsätzlich unterstützenswert ist. Allerdings sind auch mir diverse Punkte aufgefallen, die Herr Schäfer schon gut herausgearbeitet hat. Wenn zum Beispiel von einem Winterabschiebestopp gesprochen wird, dann gehen wir davon aus, dass das mit der kalten Jahreszeit zu tun hat. Schaue ich aber in Ihren Antrag, lese ich von vier Monaten ab jetzt. Das ist Mitte Mai. Da geht der Antrag zu weit. Das würden wir so nicht gutheißen.

(Farid Müller GRÜNE: In vier Monaten ist April!)

Herr Müller mit seinen unqualifizierten Bemerkungen zum Thema; Hauptsache geschrien.

Ich möchte aber einen anderen wichtigen Aspekt aufgreifen, Herr Dr. Schäfer. Es geht mir darum,

dass das Recht ein wichtiges Gut ist. Wir als Liberale und Freie Demokraten sind immer dafür, dass man Recht generieren und für sich geltend machen kann. Dazu müssen Sie von Ihrem Recht wissen. Einzelfallprüfung ja, wir können aber vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen im Eingabenausschuss sagen, dass natürlich nicht jeder von seinen Rechten weiß und nicht jeder gleich gut sein Recht bekommt. Es kann nicht sein, dass Menschen, die nichts vom Eingabenausschuss wissen, von diesem Recht nicht profitieren können. Das ist ein Zustand, der nicht sein kann.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Und was folgern Sie daraus?)

Das sage ich Ihnen jetzt.

Ich folgere daraus, dass jedem das Recht zugänglich gemacht werden muss, das er hat, und jeder Mensch hat in Deutschland Rechte.

Lassen Sie mich auf den Punkt kommen. Warum sollte es Hamburg nicht gut zu Gesicht stehen, einen Abschiebestopp in die 15 Herkunftsländer, die in Schleswig-Holstein und Thüringen bestimmt wurden – man kann sie also bestimmen, wenn man möchte – zu erlassen? Warum wäre das so schlimm? Wer würde sich einen Zacken aus der Krone brechen, wenn Sie sagen, wir machen das wie unsere Genossen und Freunde in SchleswigHolstein und schieben bis zum 31. März nicht in diese 15 Länder ab? Es bricht sich doch keiner einen Zacken ab, wenn Sie in Schleswig-Holstein nachfragen, warum sie so entschieden haben, und das dann auch in Hamburg umsetzen. Wir würden diesen Weg voll und ganz unterstützen.

Zu guter Letzt möchte ich Ihnen noch eines mit auf den Weg geben: Sie zielen auf die anderen Bundesländer ab. Wenn Hamburg sich in der Flüchtlingspolitik in Zukunft andere Bundesländer zum Vorbild nehmen will, werden wir in diesem Bereich deutlich verlieren. Ich finde, wir sollten in der Flüchtlingspolitik Vorreiter sein, ein Vorbild für ganz Deutschland, und nicht den anderen Ländern hinterherrennen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE.