Protocol of the Session on January 19, 2011

(Beifall bei der SPD)

Hamburgs Mitbewerber freuen sich natürlich: Rotterdam baut an der Maasvlakte, Antwerpen investiert Milliardenbeträge, Zeebrügge klaut Hamburg still und leise die Feederverkehre, weil man in der Krise die Preise anhebt, während die anderen sie senken, und Niedersachsen bereitet sich auf die Einweihung von Wilhelmshaven vor. Und Hamburg? Hamburg schläft. Und der Senat macht alles noch schlimmer; er ist gescheitert mit seiner Politik "Hafen finanziert Hafen". Er hat die Investoren verunsichert, weil nicht klar ist, in welche Richtung es gehen soll.

Es gab eine völlig überflüssige Diskussion über die Verlagerung der Universität. Nur weil eine Wissenschaftssenatorin oder ehemalige Stadtentwicklungsstaatsrätin sich hier ein Denkmal setzen wollte, sind 1000 Arbeitsplätze bedroht und die Zukunft des Universalhafens gefährdet worden. Auch das ist schlechte Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Der Hafenentwicklungsplan wurde jetzt vorgelegt und gestern mit den Unternehmen diskutiert. Wahrscheinlich hat man diese Versammlung noch einberufen, weil die Wahl kurz bevorsteht. Das Hafenprivileg wäre ohne den Druck, den die SPD-Fraktion in diesem Parlament gemacht hat, mit Sicherheit nicht gekommen. Sie hätten es nämlich gegenüber Ihrem grünen Koalitionspartner nicht durchsetzen können, Frau Ahrons. Dies alles führt dazu, dass Ihnen im Hafen niemand mehr traut und Ihnen auch nichts mehr zutraut. Dass Sie in der Lage sind, die Probleme zu lösen, trauen Ihnen die Unternehmen nicht zu und die Arbeitnehmer schon gar nicht, und das werden Sie am 20. Februar merken.

Nehmen wir als zweites Feld einmal die Mittelstandspolitik, Ihr Steckenpferd, Frau Ahrons. 70 Prozent der Arbeitsplätze in Hamburg sind mittelständisch und Ihre Bilanz ist nicht in Ordnung. Jedes Jahr wandern 100 Handwerksbetriebe aus Hamburg ab, weil sie keine bezahlbaren Gewerbeflächen finden. Es stehen zwar 159 Hektar Gewerbeflächen zur Verfügung, davon sind aber nur 23 universal einsetzbar. Der Rest unterliegt Nutzungsbeschränkungen oder ist belastet und dann wer

den sie noch zu Höchstpreisen abgegeben. Da ist die Abwanderung von kleinen Handwerksbetrieben kein Wunder. Das ist Ihre Verantwortung, die Sie da haben und der Sie der Stadt gegenüber nicht gerecht werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Zahl der Meisterbetriebe geht zurück und der Senat streicht die Meistergründungsprämie und halbiert die Zuschüsse für die Beratung durch die Handwerkskammer bei Unternehmensgründung – fürwahr eine vorausschauende Politik. Laut Hamburger Kreditbarometer, drittes Quartal 2010, haben häufig kleine und noch junge Unternehmen Probleme, Kredite zu bekommen. Aber dieser Senat lehnt es wie alle seine Vorgängersenate der CDU ab, eine Investitionsbank zu gründen, wie andere Bundesländer sie haben. Schauen Sie nach Baden-Württemberg und lernen Sie von Ihren Parteifreunden dort, wie man es richtig macht. Wir werden, wenn wir regieren, in dieser Stadt eine Investitionsbank gründen.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Schon wieder ein Versprechen mehr, ich lach' mich ka- putt!)

Der berühmte Paradigmenwechsel in der Kreativwirtschaft hat immerhin dazu geführt, dass nach zweieinhalb Jahren eine Kreativagentur eingeführt wurde. Zur Kreditwirtschaft könnte man auch noch viel sagen, dort sind 5000 Arbeitsplätze in den letzten Jahren abgebaut worden. Das vorrangige Ziel der Kreativagentur ist die Schaffung oder Anmietung von Atelierräumen. Da sind wir froh, dass es schon 70 000 Arbeitsplätze im Bereich von Medien- und Kreativwirtschaft gibt, die entstanden sind, ohne dass Sie irgendetwas dazu beigetragen haben. Dieser Wirtschaftszweig kann froh sein, dass Sie da nicht genauso agiert haben wie in den anderen Bereichen.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt ziehe ich als Fazit: Aus der einst stolzen Wirtschaftspartei Ludwig Erhards ist hier in Hamburg ein wirtschaftspolitischer Trümmerhaufen geworden. Räumen Sie das Feld, Sie sind reif dafür.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Während in Hamburg Handel und Schifffahrt weltweit immer vorne mitgespielt haben, war die Wirtschaftspolitik der Hansestadt Hamburg über Jahrhunderte sehr konservativ und häufig durch einen Mangel an Weitsicht ausgezeichnet,

(Michael Neumann SPD: Aber erfolgreich!)

(Ingo Egloff)

wenn man es freundlich ausdrücken will. Mit anderen Worten, die Zeichen der Zeit wurden häufig nicht erkannt. Unter anderem galt jahrhundertelang ein festes Dogma in dieser Stadt, dass Hamburg keine Universität brauche, das bräuchten Kaufleute nicht. Einer der größten Standortnachteile, unter denen Hamburg heute noch leidet, ist, dass diese Universität erst im 20. Jahrhundert gegründet wurde.

Ebenso hieß es, man bräuchte keine Industrie in dieser Stadt. Hamburg ist erst 1937 zur größten Industriestadt Deutschlands geworden durch das Groß-Hamburg-Gesetz, durch die Eingemeindung der preußischen Industriestädte Harburg, Ottensen, Altona und Wandsbek. Wenn man auch jetzt immer nach dem Prinzip "Stärken stärken" verfährt, wird Hamburg Zukunftstrends verschlafen. Und wenn man Herrn Egloff von der SPD zugehört hat, fragt man sich, wer denn die größere strukturkonservative Partei in Hamburg ist.

(Michael Neumann SPD: Wer hat die Uni gegründet? Wer hat den Hafen gestärkt? Die SPD wusste immer, wann der Zug ab- geht!)

Kein Wort zu Zukunftstechnologien, kein Wort zur Wissensgesellschaft, kein Wort zu Forschung, Entwicklung und Ausbau der Universität. Wer weiß, dass die Weltwirtschaft sich dramatisch ändert und sich zu einer globalisierten Wissensgesellschaft umwandelt, in der Wissen der entscheidende Produktionsfaktor ist, der weiß, dass man sich dem nicht verschließen kann und es nicht reicht, strukturkonservativ zu sein, und der weiß, warum hier in Hamburg starke Grüne in der Bürgerschaft für die Zukunft dieser Stadt notwendig sind.

(Beifall bei der GAL)

Eines ist doch ganz deutlich geworden: Der Hamburger Hafen hat in der Krise Marktanteile verloren und ist stärker eingebrochen als die anderen Häfen in der Nordrange und auch jetzt beim Wiederaufholen verliert Hamburg immer noch Marktanteile, weil der Hafen langsamer wächst als die Konkurrenzhäfen. Dennoch steht Hamburg besser da, wie Herr Heintze richtig gesagt hat, als der Rest von Deutschland. Das liegt daran, dass Hamburg nämlich längst viel mehr ist als Handel und Hafen. Hier gibt es andere zukunftsfähige Industriebranchen, die eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik fördern muss. Genau das haben wir Grünen in den letzten Jahren durchgesetzt: ein Cluster erneuerbare Energien in Hamburg mit mehreren internationalen Großfirmen, die hier ihre Europa- und Weltzentralen angesiedelt haben, und eine Stärkung der Medien- und Kreativwirtschaft. Bei der SPD gab es nur Verachtung für eine solche zukunftsgewandte Politik.

(Ingo Egloff SPD: Wo ist die Kreativwirt- schaft denn gestärkt worden?)

Wir haben eine Wissenschaftsstiftung gegründet, die erreichen soll, dass die Hamburger Universität endlich zu den Spitzenuniversitäten in diesem Land aufschließen kann. All das sind Gründe, warum die Grünen hier gebraucht werden und warum auch die Wirtschaft in Hamburg die Grünen für eine zukunftsgerichtete Politik braucht.

(Beifall bei der GAL)

Dann benennt die SPD einen Wirtschaftsschattensenator, der dafür kämpfen will, dass die Schrottreaktoren Krümmel und Brunsbüttel, die von einer Panne zur nächsten taumeln, länger laufen. Auch das ist ein Grund mehr, warum man die SPD nicht alleine im Senat dieser Stadt lassen kann, sondern warum man dort die Grünen braucht.

(Beifall bei der GAL – Ingo Egloff SPD: Was müssen Sie für eine Angst vor der absoluten Mehrheit der SPD haben!)

Auch die Wirtschaft braucht das. Welche Branchen haben denn in den letzten Jahren in Hamburg geboomt? Das sind die Umwelttechnologie und die erneuerbaren Energien,

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

gerade diese Windkraftfirmen wie Siemens und General Electric, die hier ihre Forschungszentren angesiedelt haben. Die Windenergieanlagen bekommen im Moment den Strom nicht mehr ins Netz, weil es durch Atomenergie verstopft wird und die vier großen Konzerne den Netzausbau blockieren. Ein Wirtschaftssenator, der für die Laufzeitverlängerung eintritt, gefährdet den Wirtschaftsstandort Hamburg und eine wichtige Zukunftsbranche in dieser Stadt – ein Grund mehr, die SPD nicht alleine im Senat zu lassen, sondern man braucht dort starke Grüne für eine gute Wirtschaftspolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL – Lachen bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Bischoff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unstrittig ist, dass Hamburg schneller und besser aus der Krise gekommen ist. Wir könnten jetzt eine längere Debatte darüber führen, Herr Heintze, ob der einzige Indikator, den Sie anführen, die Zahl der Arbeitslosen ist oder ob man an der Stelle nicht ein bisschen stärker graben müsste. Auch die Erwartungen und Befürchtungen, die wir ein paar Mal diskutiert haben, sind widerlegt worden. Das ist der Ausgangspunkt, der unstrittig ist. Jetzt geht es aber darum, was die CDU oder die GAL dazu beigetragen haben. Und die zweite, noch viel wichtigere Frage ist: Ist damit jetzt Entwarnung angesagt, können wir das alles vergessen? Oder was muss künftig in

(Jens Kerstan)

Hamburg passieren? Auf beide Fragen, Herr Heintze, haben Sie keine Antwort gegeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen jetzt noch einmal sagen, worin der Anteil der CDU besteht. Sie haben hier im Parlament die Konjunkturprogramme gerühmt, einerseits das aufgestockte des Bundes, andererseits das, was Hamburg vorgezogen hat; insgesamt waren das 789 Millionen Euro. Sie haben sicherlich bessere Zahlen als ich, aber als Parlamentarier haben wir die Abrechnung zum 15. November 2010. Und wenn ich mir das ansehe, dann ist bis dahin nur ein Bruchteil dieser Mittel überhaupt kassenwirksam ausgegeben worden. Sie argumentieren, Sie hätten die Mittel verplant. Aber soviel werden Sie doch von Ökonomie verstehen: Wenn Sie jemandem sagen, 2013 bekommen Sie auch einen Auftrag, dann ist das doch keine reale Wirtschaftspolitik.

(Barbara Ahrons CDU: Das ist das Leucht- turmprogramm!)

Frau Ahrons, ich habe bislang immer geglaubt, dass Sie sich wirklich für die kleineren und mittleren Unternehmen einsetzen. Aber das haben Sie weder mit dem Konjunkturprogramm, noch mit Ihren Leuchtturmprogrammen gemacht.

(Barbara Ahrons CDU: Stimmt doch gar nicht!)

Sehen Sie sich doch an, wie die Vergabe läuft. Und dafür werden Sie bei den Wahlen, wie Herr Egloff schon gesagt hat, eine Quittung bekommen, denn Sie haben die Unternehmen im Regen stehen gelassen. Das ist die Wirtschaftspolitik, die Sie gemacht haben.

(Zuruf von Olaf Ohlsen CDU)

Herr Ohlsen, was Ihre Partei mit dem Hafen angerichtet hat, das sucht doch in Europa seinesgleichen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Sie haben zunächst das Projekt "Hafen finanziert Hafen" aufgelegt, das war ein reines Schrottprojekt. Der Rechnungshof hat Ihnen schon lange vorgehalten, wie man solch einen Unfug überhaupt machen könne. Dann passierte erst einmal nichts und dann haben Sie einen Hafenentwicklungsplan vorgelegt, gleichsam als Geheimunternehmung, den Sie noch nicht einmal in den Ausschüssen öffentlich zur Diskussion gestellt haben.

Sehen Sie sich einmal Ihre Investitionszahlen für das Jahr 2010 an, Herr Heintze. Herr Kerstan ist der Meinung, das sei sogar clever. Die Wirtschaftskrise ist vorbei und wir fahren jetzt die Investitionen für die nächsten Jahre kräftig herunter.

(Zuruf von der CDU: Antizyklisch!)

Antizyklisch, das ist wunderbar. Das können Sie machen, Sie können sagen, die Gefahr ist vorbei, wir brauchen für die nächste Zeit nicht vorzusorgen. Aber das ist der entscheidende Unterschied: Sie haben alles versäumt, zukünftige Wirtschaftsstrukturen zu etablieren, damit wir den Schwierigkeiten begegnen können, die wir noch vor uns haben. Und das, Herr Heintze, ist das Problem.

Wenn Sie sagen, das sei alles vorbei, dann können Sie eigentlich nicht ernsthaft die Zeitung gelesen haben, denn sonst müssten Sie erkennen, was für eine Schieflage wir in Europa zwischen der Peripherie und anderen Hauptländern und der Bundesrepublik haben. Wir haben eine fragile Situation in der globalen Ökonomie. Hamburg hätte guten Grund, sich für die Zukunft zu wappnen und bestimmte Sachen auf den Weg zu bringen.