Protocol of the Session on December 16, 2010

Wir hoffen natürlich sehr, dass nach der Wahl die Lage eine ganz andere ist und dass wir dann wirklich Schluss machen können, auch mit den freiwilligen Vereinbarungen, denn es ist endgültig die Zeit gekommen, einmal Nägel mit Köpfen zu machen.

Ich sage gern noch einmal – das war auch die Aufforderung von dieser Seite –, was wir uns wünschen. Wir als SPD-Fraktion wissen nämlich, dass nicht nur Frauen, sondern die gesamte Gesellschaft eine Geschlechterquote für die Privatwirtschaft brauchen. Wir brauchen konkrete Maßnahmen gegen den Skandal der ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern und wir brauchen eine Überarbeitung des Gleichstellungsgesetzes.

Sie können übrigens all das, was wir wollen, in den entsprechenden Anträgen nachlesen, die wir zum Beispiel im Juli 2009 gestellt haben. Das entspricht ungefähr dem, was jetzt im GAL-Antrag steht. Da

mals wurde es abgelehnt. Wir haben auch Anfang dieses Jahres im Februar einen Antrag vorgelegt. Vielleicht mögen Sie das noch einmal nachlesen, es handelt sich um die Drucksachen 19/3551 und 19/5485. In beiden haben wir dargelegt, welche Ziele wir verfolgen, aber mit diesem Senat wollen wir sie nicht mehr verfolgen. Wir hoffen einfach auf die Zeit nach der Wahl. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Artus.

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Ganz so einfach wie die SPD möchte die Links-Fraktion es sich nicht machen,

(Beifall bei Dora Heyenn DIE LINKE)

wir möchten uns dazu schon verhalten. In Richtung der Kollegin Koop: Ich weiß, dass Sie ein sehr respektables Engagement einsetzen, was die Gleichstellung angeht. Aber warum Sie sich immer an der Stelle sperren, wo es darum geht, in Unternehmen verpflichtende Maßnahmen zu ergreifen – im Gegensatz zu dem, was Sie wissen und vorbringen, nämlich weshalb Frauengleichstellung immer noch nicht nennenswert stattgefunden hat –, bleibt mir ein Rätsel.

Ich arbeite in einem Unternehmen, das zu 60 Prozent aus Frauen besteht und zu 40 Prozent aus Männern. Die zehn höchsten Gehälter teilen sich auf sieben Männer und drei Frauen auf. Die ersten fünf Positionen sind ausschließlich mit Männern besetzt. Hier rede ich nicht von klassischen Frauenberufen oder von Ingenieursberufen, sondern von einem Betrieb, der überwiegend Frauen beschäftigt. Das ist zwar nur ein kleiner Ausschnitt, aber ich weiß, wovon ich rede, weil ich die Gehälter real kenne, damit auch die Personen verbinden kann und deswegen diese kleinen Einblicke habe. Wenn es heißt, Frauen könnten sich nicht genügend durchsetzen bei Gehaltsverhandlungen, hätten nicht genügend Standing, seien nicht aggressiv genug oder hätten nicht genügend Ellenbogenkraft, dann kann ich nur sagen: Ich habe mein Leben lang nur mit Chefinnen zusammengearbeitet und habe davon genügend Ellenbogenkraft abbekommen.

Dies ist jetzt ein Zitat:

"In den letzten sieben Jahren gab es keine nennenswerten Änderungen im Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern – dieser stagniert weiterhin."

Das hat der Senat geantwortet auf die Große Anfrage der CDU zur Gleichstellung von Frauen und Männern, die auf der letzten Bürgerschaftssitzung noch zur Debatte angemeldet gewesen war und

(Gabi Dobusch)

dann leider wieder zurückgezogen wurde. Dieser Satz war wohl der zentralste unter den Antworten des Senats. In den letzten sieben Jahren hat sich also nichts getan. Alles, was initiiert wurde, hat nichts gebracht. Girls'Day, Töchtertag, Mädchenwirtschaft, eine Berufsralley, das Zertifikat "familiengerechte Hochschule", Equal Pay Day – es ist wohl alles umsonst gewesen.

Zentral für die anhaltende Benachteiligung und Unterdrückung der Frau ist nämlich nach wie vor Mutterschaft und finanzielle Unselbstständigkeit. Die Höhe der Summen, die für Frauen ausgegeben werden müssen, die trotz eines Einkommens nicht davon leben können, steigt zudem unaufhörlich. Auch dies ist eine sehr erschreckende Zahl, die wir ebenfalls in den Antworten des Senats auf die Große Anfrage der CDU zur Gleichstellung nachlesen können. So gibt es zum Beispiel in Hamburg über 10 000 über sechzigjährige Frauen, die ALG II beziehen. Ich finde, das ist eine Schande und zeugt von einer unglaublichen Respektlosigkeit gegenüber dieser Generation.

Einer der Gründe für ungleiche Bezahlung ist der Umfang der Erwerbstätigkeit. Teilzeit ist eine bevorzugte Arbeitsform von Frauen, aber Teilzeit hat auch einen Doppelcharakter. Frauen können damit ihre Rolle als Mutter und ihr Recht auf Arbeit verbinden, der Ausbau an Teilzeitplätzen ist aber nicht automatisch frauenfeindlich.

Das zeigt sich an Folgendem – auch hier habe ich eine Große Anfrage für die Recherche genommen: Im öffentlichen Dienst wurden in Hamburg in den letzten sechs Jahren 2514 Teilzeitstellen geschaffen. Im gleichen Zeitraum wurden aber 3266 Vollzeitstellen abgebaut. Der Anteil an Stellen sank insgesamt im öffentlichen Dienst in Hamburg von 66 218 auf 65 466. Es wurden also 3266 Stellen abgebaut, von deren Bezahlung man unabhängig hätte leben können und die somit eine Gewähr dafür waren, im Alter nicht auf staatliche Zusatzleistungen angewiesen zu sein.

Auf der anderen Seite hat sich aber im öffentlichen Dienst in puncto Gleichstellung viel getan, auch hierfür gibt es belastbare Zahlen. Nur ist die Freie und Hansestadt Hamburg nicht die einzige Arbeitgeberin, und wenn man den öffentlichen Dienst als Branche definieren würde, bei weitem nicht die größte. Die Gleichstellung ist in der Privatwirtschaft aber nach wie vor ein Stiefkind der Politik, des unternehmerischen Handelns sowieso, und hinkt der Realisierung der Menschenrechte der Frau weit hinterher. Deswegen findet der vorliegende Antrag schon, bis auf den dritten Spiegelstrich, unsere Zustimmung. Unternehmen aber, sehr geehrte Herren und Damen, müssen nicht mehr ermutigt werden, sie müssen endlich verpflichtet werden. Meine Geduld und die großer Teile der Frauenbewegung sind nämlich endgültig am Ende.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anja Dom- res und Michael Neumann, beide SPD)

Wir brauchen umgehend verbindliche Gleichstellungsgesetze, wir brauchen eine Stärkung von Frauen und Gleichstellungsbeauftragten, wir brauchen auch Kita- und Hortplätze für alle, und zwar solche, in denen Kinder sich wohlfühlen, optimal gefördert werden und bei denen Eltern ein gutes Gefühl haben, wenn sie ihre Kinder dort betreuen lassen. Der Senat, der sich das Motto gegeben hat "Wachsende Stadt mit Weitblick", hätte hierzu übrigens schon längst ein Konzept vorlegen müssen – da gebe ich der Kollegin Dobusch ohne Weiteres recht –, das andere Metropolen und Bundesländer hätte erblassen lassen. Daher kommt der Antrag der GAL auch etwas verspätet.

Unverständlich ist auch – und das kann ich euch hier nicht ersparen –, warum die GAL unseren Antrag für ein Gleichstellungsgesetz noch im Juli dieses Jahres im Rechts- und Gleichstellungsausschuss versenkt hat und jetzt mit einem eigenen Antrag zu dem Thema kommt. Nichts für ungut, liebe Kollegen und Kolleginnen, die hier links von mir sitzen, aber unter Glaubwürdigkeit verstehe ich etwas anderes.

Am 29. September haben wir anlässlich der Unterzeichnung der Europäischen Gleichstellungscharta zuletzt darüber debattiert, wie unzureichend sich der Senat bislang aktiv für die Geschlechtergerechtigkeit einsetzt. Ich habe die GAL-Fraktion am 29. September harsch kritisiert, weil sie mit ihrer Ablehnung zu unserer Gesetzesinitiative im Juli sogar hinter den Beschlüssen ihrer Bundespartei zurückgeblieben ist, die nämlich schon lange ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft fordert und nicht erst Prüfaufträge auf den Weg gibt. Ich freue mich in diesem Zusammenhang aber, dass sie nach dem Unterzeichnen der Europäischen Charta für Gleichstellung die Forderung der Frauenbewegung, ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft einzuführen, aufgenommen hat, was hoffentlich heute hier mehrheitsfähig ist. Nun höre ich aber, dass ihr euch enthalten wollt, insofern kann ich nur bedauern, dass ihr das tut.

Nun wäre noch die Frage, an welchen Senat sich der Antrag richtet. Dieser sehr gerupfte Senat, der sowieso demnächst verschwindet, wird aus inhaltlichen und personellen Gründen nicht in der Lage sein, dies anzugehen. Sollte die Arbeitsstelle Vielfalt, wenn sie den Regierungswechsel überlebt, aktiv werden, dann muss sie umgehend ihr Konzept ändern und personell aufgestockt werden. Außerdem muss überlegt werden, sie in eine unabhängige Landesbehörde für Gleichstellung umzugestalten beziehungsweise sie darin zu integrieren. Ich hoffe, ihr nehmt das in euer Wahlprogramm auf.

Die derzeit beschriebenen Aufgaben der Arbeitsstelle Vielfalt, die wir auch in den Senatsantworten zur Großen Anfrage der CDU zum Thema Gleich

stellung nachlesen konnten, reichen nämlich nicht aus. Zwar soll das Thema Einkommensdiskriminierung bis 2012 im Mittelpunkt der Arbeitsstelle Vielfalt stehen, ich persönlich finde aber, dass in anbetracht der wirtschaftlichen Situation von Frauen in Hamburg der Zeitraum bis 2012 nicht ausreicht. Ein Netzwerk dazu ins Leben zu rufen, mag ein richtiger Schritt sein, aber ich rieche förmlich, dass es sich hierbei nur um eine sehr einseitige Initiative handeln wird für Frauen, die in die Führungsebene wollen. Das trägt nicht dem Anliegen der vielen Working-Poor-Frauen Rechnung, nicht den Alleinerziehenden und nicht den 10 000 über Sechzigjährigen, die ALG II beziehen. Wir als LINKE verlangen aber, dass der Blick auf die Menschen gerichtet wird, die soziale Gerechtigkeit verdienen. Armut gehört auch bei der Geschlechtergerechtigkeit für uns deswegen zentral in den Mittelpunkt.

Ansonsten bin ich auch dafür, dass es keine Nachteile für männliche Kollegen gibt. Fakt ist aber, dass eine Geschlechterkonkurrenz schon noch vorhanden ist. Und was Männer möglicherweise als Nachteil empfinden, darauf kann die Frauenbewegung nur wenig Rücksicht nehmen. Als Nachteil kann auch empfunden werden, dass sie nicht mehr unter sich sind und dass sie sich nicht mehr gegenseitig die Posten zuschieben können.

Deswegen möchte ich auf Folgendes aufmerksam machen: Dass der Internationale Frauentag nicht nur in der Dritten Welt, sondern auch in hochindustrialisierten Ländern wie Deutschland seine Berechtigung nicht verloren hat, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wir viel zu lange haben zurückstecken müssen. Wenn wir in drei Monaten seinen 100. Geburtstag an dieser Stelle feiern, dann geht es immer noch um die gleichen Forderungen von damals: Mindestlöhne und gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Da reicht es nicht aus, das Thema Einkommensdiskriminierung nur bis 2012 in den Mittelpunkt der Arbeit zu rücken.

Nach 10 000 Jahren ständiger Übervorteilung dürfen Männer meiner Meinung nach ruhig auch einmal zurückstecken. Weniger ist außerdem auch manchmal mehr. Vielen Männern würde es zum Beispiel auch verdammt gut tun, wenn sie ihre Lebensenergie nicht in unzählige Überstunden stecken würden und keine Ämter mehr anhäufen müssten, um wichtig zu sein. Oder anders ausgedrückt – ich möchte es mit den Worten eines anderen Bürgerschaftsabgeordneten sagen, der neulich mit seinem Grußwort auf einer Frauenkonferenz unter anderem sagte, vor der Gleichstellung komme zunächst die Wiedergutmachung.

Sehr geehrte Herren und Damen! Wir haben einen Zusatzantrag vorgelegt, der die wichtigsten Inhalte beschreibt, die ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft beinhalten muss, damit es effektiv wirkt. Wir bitten darum, dass er angenommen wird, damit wir in dieser Sache wirklich vorankommen.

Ein schöneres Geschenk kann die Bürgerschaft den Hamburgerinnen zum 100. Geburtstag des Internationalen Frauentags nicht machen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anja Dom- res und Dr. Monika Schaal, beide SPD)

Das Wort hat Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte neigt sich dem Ende zu, die Herren füllen wieder den Saal. Kollegin Koop, Kollegin Artus, vielen Dank für die fachliche Auseinandersetzung mit unserem Antrag, für die Debatte über das Thema, das uns eigentlich gemeinsam bewegen sollte und auch weiter bewegen wird. Frau Dobusch, auch Sie haben eine sehr interessante Rede gehalten mit vielen fluffigen Argumenten, warum jetzt der falsche oder richtige Zeitpunkt, die falsche Uhrzeit oder warum überhaupt alles falsch ist, ohne dass Sie auch nur mit zwei Sätzen inhaltlich auf das eingegangen sind, worum es eigentlich geht. Vielleicht ist dies auch das Dilemma bei diesem Thema. Gerade Menschen – ich sage es einmal vorsichtig – mit sozialdemokratischem Hintergrund, gewerkschaftlicher Verflechtung und Ähnlichem führen die Diskussion sehr angeregt über das Thema, aber vielleicht auch nicht so zielführend, wie man es in anderen Kreisen tut, die mehr den feministischen Blick haben. Gerade diese Gemengelage, dass die einen aus der gewerkschaftlichen Sicht argumentieren, die anderen aus der rein feministischen Sicht, man aber dennoch gemeinsam in die Gender-Debatte startet, ist es doch, die eigentlich zielführend ist. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Hätten wir hier eine erfreuliche, überraschende Mehrheit für diesen Antrag bekommen, dann wäre es mehr gewesen als nur eine gemeinsame Verständigung in dieser Runde über den Weg, den man gehen muss, um auch beim Einkommen mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Dann wäre es auch ein Signal an die nächste Legislaturperiode gewesen, damit weiterzumachen. Das war vielleicht der hauptsächliche Hintergrund für unseren Antrag.

(Beifall bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Zunächst zum CDU-Antrag aus Drucksache 19/8192.

Wer möchte diesen Antrag annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag der GAL-Fraktion aus der Drucksache 19/8071.

(Kersten Artus)

Siehe Anlage 3, Seite 4349

Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einer großen Zahl von Enthaltungen abgelehnt.

(Glocke)

Darf ich um Ruhe bitten, meine Damen und Herren? Es wird heute mit den Abstimmungen etwas schwieriger. Ich darf Sie bitten, mitzuarbeiten, damit wir es sauber über die Bühne bekommen.

Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 19/8197. Diesen möchte die GAL-Fraktion ziffernweise abstimmen lassen.

Wer möchte Ziffer 1.1 dieses Antrages annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einer großen Zahl von Enthaltungen abgelehnt.

Wer den Ziffern 1.2 bis 1.4 dieses Antrages zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einer großen Zahl von Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wer möchte sich den Ziffern 1.5 bis 1.7 anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einer großen Zahl von Enthaltungen abgelehnt.

Wer möchte den Ziffern 1.8, 1.9 und 2 folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einer großen Zahl von Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.

Damit sind wir bei Tagesordnungspunkt 6 angelangt, den Drucksachen 19/7943 bis 19/7948, Berichte des Eingabenausschusses.

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/7943 –]

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/7944 –]