Protocol of the Session on December 16, 2010

Einkommens zum Tragen kommen. Natürlich kann man jetzt nicht alle 25 Faktoren aufzählen, aber die bekanntesten sind der Bildungsabschluss, der Zeitraum, in dem man seine Bildung erwarb, die Berufserfahrung, die Betriebszugehörigkeit oder die Wochenarbeitszeit. Wir fordern zwar gleichen Lohn für gleiche Arbeit, aber ob da auch die gleiche Zeit gearbeitet wird und ob es sich tatsächlich um die gleiche Arbeit handelt, das muss man auch genau betrachten.

(Antje Möller GAL: Deswegen muss das in den Unternehmen erfasst werden!)

Ja, es gibt aber auch Kriterien, von denen ich eben gesprochen habe, die sehr individuell angesetzt werden müssen.

Dazu gehört zum Teil, wenn man ins Bankwesen schaut, ein gepflegtes Äußeres; Sprachkenntnisse kommen dazu und ein dynamischer Gesamteindruck. Die Versuche, die man jetzt macht mit ganz neutralen Bewerbungen und anderen neutralen Beurteilungen für eine Arbeitsplatzbesetzung, halte ich für einen Irrweg; aber dafür bin ich nicht zuständig.

Wichtigste Erkenntnis bei diesen Untersuchungen war aber, dass die spätere Lohnentwicklung bei den Frauen schon damit anfängt, dass sie häufig mit einem zu geringen Gehalt in die Berufsentwicklung einsteigen. Hier ist schon der Geburtsfehler für die spätere Minderbewertung gelegt. Zudem gehen sie nicht regelmäßig genug und nicht nachdrücklich genug auf Beförderungen ein und denken immer, sie müssten sich erst einmal beweisen, bevor sie die Gehaltsforderungen stellen. Da sind die jungen Männer doch etwas nassforscher. Nicht nur die jungen, auch die älteren Männer haben eine ganz andere Einstellung dazu. Natürlich kommt noch hinzu, dass Frauen Familienphasen haben und die Konzentration auf bestimmten Berufsfeldern liegt; das hat dann seine Auswirkungen.

Die Systeme, die jetzt auf den Markt geworfen werden und mit denen man beurteilen will, ob innerhalb der Firmen eine gerechte Verteilung des Lohns stattfindet, sind zum Teil noch recht anfällig. Der Deutsche Juristinnenbund hat sich sehr kritisch darüber geäußert. Da müssen noch ganz andere Dinge entwickelt werden, damit man das auch tatsächlich objektiv darstellen kann. Es ist auch die Frage, ob man dies je objektiv wird beurteilen können.

Wir haben daneben aber auch den gesellschaftspolitischen Raum und der lässt sich meines Erachtens nicht gesetzlich regeln. Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Festigkeit sich die Herabwürdigung von Frauenarbeit in den Köpfen hält. Ich habe einmal eine Unterrichtseinheit gemacht, bei der mir kleine Kinder sagten, Männer bekommen deswegen mehr Lohn, weil sie kräftiger sind. Nehmen Sie einmal einen Finanzbeamten und bei

spielsweise eine Krankenschwester, die körperlich schwere Arbeit leistet und höchstwahrscheinlich wesentlich mehr Muskelmasse und Kraft hat. Diese Beurteilungen sind einfach in den Köpfen drin.

Gehen Sie beispielsweise einmal als Manager in die Wüste Gobi und machen eine Auszeit zur Selbstfindung, das finden die Leute dann ganz toll. Gehen Sie aber als Mutter für ein Jahr nach Hause und kümmern sich um ihre Kinder, dann sagen alle, dann hat sie natürlich den Anschluss verloren.

(Beifall bei Claudia Folkers, Rolf Harling- hausen, beide CDU und vereinzelt bei der SPD und der GAL)

Solche Beurteilungen sind die Kriterien, die uns zu schaffen machen. Hier muss also noch eine ganze Menge Aufklärungsarbeit stattfinden.

Aber wir haben noch ein anderes Problem. Wer nämlich nur auf diese Lohnlücke starrt, der verkennt die richtige Problemlage. Es geht nämlich im Wesentlichen darum, dass wir in einem Wirtschaftssystem leben, dass ganz bestimmte Verhaltensweisen belohnt. Es ist ein Wirtschaftssystem, das notgedrungen von Männern für Männer gemacht worden ist. Das kann man nun beanstanden, aber es hat uns auch in bestimmten Dingen Vorteile gebracht. Nun haben wir durch die Frauenförderung dafür gesorgt, dass die Frauen in dieses System hineinwachsen. Es ist eine der großen Illusionen der feministischen Lehre, dass wir glauben, wenn mehr Frauen in das System kommen, dann wird sich das schon ändern. Nein, es muss grundsätzlich etwas geändert werden.

(Beifall bei Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Danke schön, Herr Hackbusch.

Wir meinen, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt werden in diesem Wirtschaftssystem, aber wenn man genau hinschaut, sind es bestimmte Eigenschaften und Lebensentwürfe, die diskriminiert oder bevorzugt werden. Bevorzugt werden Lebensentwürfe, die wir hauptsächlich bei Männern finden. Wenn ich eine bestimmte Habitus-Kultur an den Tag lege, wenn ich also zum Beispiel gern viel arbeite, wenn ich nach Macht strebe, meine Ellenbogen einsetze, wenn ich mich zielstrebig zeige, risikofreudig bin und dergleichen, dann habe ich Erfolg im Beruf und dann werde ich auch höher bewertet. Diese Eigenschaften verbinden wir heute immer noch mit einem typisch männlichen Darstellungsbild. Es ist aber heute auch so, dass viele Frauen dies schon an den Tag legen und sich deswegen auch Frauen jüngeren Alters in dieser Wirtschaftswelt sehr viel besser zurechtfinden, weil sie sich angepasst haben. Deswegen haben wir es nicht mehr mit dem Gegensatz zwischen Männereinkommen und Fraueneinkommen zu tun, sondern wir haben es mit Einkommen zu tun, die sich quer durch die Gesellschaft

erstrecken und die bestimmte Verhaltensweisen, die wir männlich nennen, belohnt.

(Beifall bei Claudia Folkers CDU)

Die Menschen, die sogenannte weibliche Eigenschaften haben – die zum Beispiel partnerschaftlich ausgerichtet sind, die kommunikativ eingestellt sind, die Einfühlungsvermögen zeigen, die sich rücksichtsvoll benehmen und die sich vielleicht selbst einmal zurücknehmen um einer Sache willen –, benoten wir weiblich und die werden als weniger wert erachtet. Da ist der Unterschied. Es gibt eine Untersuchung in Amerika darüber, dass asiatische Männer, die von Natur aus etwas leiser und zurückhaltender sind, weniger erfolgreich im Beruf sind, weil sie diese Verhaltensweisen an den Tag legen. Also es ist nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen Männer- oder Frauengehältern.

(Antje Möller GAL: Sie brauchen doch ein In- strument, um das zu steuern!)

Ja, aber diese Fokussierung auf die Frauengehälter ist eine Fehlentwicklung und ich denke, dass wir damit Gefechte von gestern ausführen.

Erlauben Sie mir einmal einen kleinen Einschub. Ich bedauere es sehr, dass wir nicht länger so intensiv zusammenarbeiten können, wie wir es bisher gemacht haben, denn ich hatte das Gefühl, dass wir uns von sehr unterschiedlichen Seiten aufeinander zu bewegt haben und viele alte Vorstellungen in der Gleichstellungspolitik über Bord geworfen haben, um zu einer wirklichen Gleichstellungspolitik zu kommen. Gleichstellung ist ein Grundrecht; es ist kein donatives Gefälligkeitsmoment, sondern ein Grundrecht. Eine Gleichstellung ist die Grundlage für jede demokratische Gesellschaft und das müssen wir vertreten.

(Beifall bei der GAL und bei Anne Krischok SPD)

Deswegen ist auch die Gleichstellungspolitik, lieber Herr Dr. Steffen, die wir zusammen auf den Weg gebracht haben, der richtige Weg. Dies ist zukunftsträchtig, aber keine einseitige Frauenförderung oder die Fokussierung auf die Frauenförderung. Leider haben wir das nicht zu Ende bringen können.

Erlauben Sie mir ein für Sie, liebe Frau Artus, gegendertes Cicero-Zitat:

"Amica certa in re incerta cernitur."

Das heißt, die richtige und sichere Freundin zeigt sich in unsicheren Zeiten. Ich hätte mir gewünscht, dass wir die unsicheren Zeiten gemeinsam durchgestanden hätten und in der Gleichstellungspolitik weiter hätten arbeiten können. Mir persönlich ist es wichtig, dass meine eigene und die politische Energie nicht länger für einen Kampf gegen Lohndiskriminierung bei Frauen eingesetzt wird, sondern dass ich sie einsetze zur Aufwertung von be

stimmten Lebensmustern, die ich für unsere Gesellschaft und auch für unsere Unternehmen für vernünftig halte. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker und Michael Gwosdz, beide GAL)

Das Wort hat Frau Dobusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie es mich gleich vorweg sagen: Wir machen da heute nicht mit.

(Jens Kerstan GAL: Das kennen wir doch!)

Wir spielen einfach nicht mit. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass Frau Koop ihre Rede mehr oder weniger an Sie persönlich gerichtet hat, Frau Möller. Ich finde es ganz reizend, dass Sie immer noch dabei sind, sich gegenseitig versuchen zu erklären, was Sie jeweils mit der Gleichstellungspolitik vorhatten.

(Antje Möller GAL: Sagen Sie doch lieber was Inhaltliches!)

Ich finde es ganz rührend, dass Sie das noch nicht aufgegeben haben. Aber wir werden uns bei diesem warmen Antragsregen, der überraschenderweise kurz vor Schluss – oder fünf nach zwölf, heute noch – zum Thema Gleichstellung über uns hereingebrochen ist, einfach enthalten.

(Michael Gwosdz GAL: Oh, keine Meinung!)

Wir werden uns enthalten, nicht, weil uns dieses Thema egal ist oder weil uns das Thema kalt lässt, ganz im Gegenteil. Wir sind natürlich sachlich in vielen Fällen einer Meinung. Sicher, Frauen verdienen bei gleichwertiger Arbeit auch in Hamburg viel weniger als Männer, Frauen stoßen auch immer noch an die gläserne Decke und sie fehlen eklatant in allen Aufsichtsgremien, in den Aufsichtsräten und den Vorständen. Natürlich ist das skandalös und wir müssen dagegen angehen. Aber was nun noch einmal alle dazu veranlasst hat, tatsächlich fünf nach zwölf diesen Rumpfsenat aufzufordern, ausgerechnet in diesem Bereich weiterzuprüfen, noch einmal auf der Bundesebene etwas zu unternehmen – die Logik bei dieser Geschichte erschließt sich mir ganz und gar nicht.

(Wolfgang Beuß CDU: Das kann ich mir gut vorstellen!)

Frau Koop, ich habe Ihnen immer genau zugehört. Sie werben immer für Verständnis dafür, dass Sie sich bei den Ihren nicht so ganz durchsetzen können. Aber der Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, ist meiner Meinung nach noch windelweicher als das Übliche, das aus Ihrer Richtung bisher zu diesem Thema kam. Ich dachte, es gehe vielleicht darum, dass jetzt die Wahl ansteht und man zum Beispiel für die Wahlbausteine des Landesfrauen

(Karen Koop)

rates noch ein bisschen was vorlegen muss. Ich habe es auch so verstanden, dass es immer noch um eine Fortführung der Auseinandersetzung dieser zerbrochenen Koalition geht.

(Zurufe von Claudia Folkers CDU und Antje Möller GAL)

Was Sie als GAL jetzt bewogen hat, diesen Antrag auf den Weg zu bringen und diesen Restsenat aufzufordern, das umzusetzen, was Ihnen während der Koalition in drei Jahren nicht gelungen ist, was Sie also veranlasst hat, jetzt darauf Hoffnung zu setzen, das verstehe ich nicht.

(Glocke)

Entschuldigen Sie, liebe Frau Abgeordnete. Meine Damen und Herren! Darf ich herzlich bitten, die Abgeordnete zu Worte kommen zu lassen. Bitte, das geht jetzt so nicht. Frau Dobusch hat das Wort und niemand sonst.

Ich sage das gern noch mal.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Es reicht!)

Was Sie jetzt veranlasst zu glauben, dass Sie mit dem Antrag diesen Senat noch dazu bringen können, etwas umzusetzen, was während der Koalition nicht möglich war, erschließt sich mir nicht; dieser Logik kann ich nicht ganz folgen. Vielleicht geht es einfach darum, noch Restbestände von der Arbeitsstelle Vielfalt zu verwerten.

(Antje Möller GAL: Wir machen das schon!)

Ich sage ganz deutlich, dass die Zeit der Prüfaufträge, die Zeit des Aussitzens, die Zeit der Verzögerungen Gott sei Dank mit dieser Koalition zu Ende gegangen ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir hoffen natürlich sehr, dass nach der Wahl die Lage eine ganz andere ist und dass wir dann wirklich Schluss machen können, auch mit den freiwilligen Vereinbarungen, denn es ist endgültig die Zeit gekommen, einmal Nägel mit Köpfen zu machen.