Protocol of the Session on December 15, 2010

Zum anderen rächt sich hier auch die brutale Absenkung der Arbeitsmarktmittel auf Landesebene. Waren im Jahr 2001 noch 100 Millionen Euro für Arbeitsmarktmittel eingeplant, sind es im Jahr 2010 nur noch 38 Millionen Euro. Die sind im Wesentlichen eingebunden in Mittel des Europäischen Sozialfonds. Vergebens sucht man eine Handschrift des Senats bei Arbeitsmarktmaßnahmen; es gibt keine. Es ist so, als würden Arbeitslose für den Hamburger Senat kaum existieren. Der Abbau der Mittel war die Zuversicht, dass die Bundesmittel schon fließen würden und das Hamburger Manko überdecken. Jetzt, geehrte Kolleginnen und Kollegen, stehen wir mit leeren Händen vor den Arbeitslosen und müssen wichtige Sozialprojekte streichen, eine Kurzsichtigkeit, die sich bitter rächen wird. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Stemmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen von der SPD, ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich mehr als verwundert darüber bin,

(Wilfried Buss SPD: Ja, wir auch!)

dass Sie diese Senatsmitteilung heute zur Debatte angemeldet haben. Haben Sie denn gar keine eigenen Themen, die wir debattieren sollten?

(Wilfried Buss SPD: Das müssen Sie gerade sagen!)

Müssen Sie jetzt schon Senatsmitteilungen zum Anlass für eine Debatte nehmen? Ich verstehe es auch deswegen nicht, da Sie doch erreicht haben, was Sie wollten, nämlich die gemeinsame Einrichtung, das heißt, eine überwiegend vom Bund gesteuerte und vorgegebene Arbeitsmarktpolitik. Sie, liebe Frau Badde, haben heute Morgen bei einer gemeinsamen Podiumsdiskussion und soeben auch noch einmal betont, dass die SPD gegen die Option gestimmt hätte, wohingegen die CDU ganz klar für eine Optionskommune gestimmt hätte, damit wir Arbeitsmarktmaßnahmen speziell für Hamburg in Hamburg machen können. Damit sind wir in den letzten Jahren sehr gut gefahren und die Optionskommune hätte uns künftig noch stärker die Möglichkeiten gegeben, Geld und Maßnahmen

zur Integration auf dem Arbeitsmarkt optimal zu nutzen.

(Wolfgang Rose SPD: Fragen Sie mal Ihren Senat!)

In Hamburg geht es um die Integration von rund 200 000 erwerbsfähigen Menschen in den Arbeitsmarkt, die nach dem SGB II eine grundsichernde Unterstützung, ALG II, erhalten und die aus verschiedenen Gründen nur schwer in den Arbeitsmarkt zu integrieren sind. Für diese Menschen brauchen wir besondere Maßnahmen, die sich an ihren Bedürfnissen orientieren. Wir stehen jetzt vor einer großen und nicht ganz leichten Aufgabe, denn der Bund hat diese Einsparungen, die Frau Badde auch eben erwähnte, in Höhe von rund 30 Prozent angekündigt.

Vor diesem Hintergrund wird es schwierig werden, Hamburger Arbeitsmarktpolitik in Berlin und Nürnberg durchzusetzen. Wir werden aber alles daransetzen, die gemeinsame Einrichtung durch Bund und Kommunen erfolgreich zu gestalten, mit einer geteilten Verantwortung, aber mit genügend Einfluss für Hamburg. Die Wirtschaftsbehörde, die Arbeitsagentur und team.arbeit.hamburg arbeiten derzeit daran, alle möglichen Schritte für die jetzt notwendigen Umsetzungen zu erledigen. Wir haben aber auch schon heute sehr gut laufende Programme und Instrumente, die an den Hamburger Arbeitsmarkt angepasst sind. Für sie werden wir uns auch zukünftig stark machen. Die Stadt wird mit der Bundesagentur einen Vertrag schließen, mit dem sich die bisher erfolgreiche gemeinsame Arbeit fortführen lässt.

Heute Morgen bei der Podiumsdiskussion gab es einen Stadtstaaten-Vergleich, der uns von einer Bremer Wissenschaftsgruppe vorgestellt wurde und der zeigte, dass von den drei Stadtstaaten in Hamburg die Zahl der Langzeitarbeitslosen am deutlichsten zurückgegangen ist. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Wir, die CDU, werden uns weiterhin stark für den Arbeitsmarkt einsetzen. Wir werden alles dafür tun, um integrationsfähigen Menschen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt zu helfen und für Betroffene, die für den Arbeitsmarkt verloren erscheinen, neue Perspektiven zu entwickeln. Das sind zwei unserer wichtigsten Anliegen. Einer weiteren Diskussion verweigern wir uns nicht, Ihrem Überweisungsbegehren stimmen wir zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Möller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! An dieser Drucksache kann man vielerlei erkennen. Unter anderem kann man daran erkennen, dass auch hier schon die politische

(Elke Badde)

Steuerung innerhalb der schwarz-grünen Koalition nicht mehr funktioniert hat. Frau Badde, Sie sagten, das sei Geschichtsklitterung, da ist viel dran. Es ist mitnichten so gewesen – Herr Stemmann, das wissen Sie auch –, dass es noch eine politische Zustimmung gab. Ob nun der Impuls von den Behörden gekommen ist, es nicht umzusetzen, oder ob es mangelnde Steuerung und Durchsetzungsfähigkeit innerhalb des Senats gab – der Wirtschaftssenator kann vielleicht noch einmal beschreiben, wie es eigentlich zu dieser Situation gekommen ist –, hier ist jedenfalls ein gemeinsam beschlossenes politisches Projekt nicht weiter verfolgt worden.

Anders als die SPD finde ich das Ergebnis überhaupt nicht erfreulich. Ich bin sehr froh, dass die Drucksache nur zur Kenntnis gegeben wird, damit wir sie nicht abstimmen müssen. Aber gleichzeitig brauchen wir dringend ein Instrument, um überhaupt im Parlament in den parlamentarischen Ausschüssen etwas bewegen und steuern zu können, das können wir jetzt nämlich überhaupt nicht. Wenn man sich den Vertrag anschaut, dann steht dort, dass es möglich sein wird, dass Mitglieder der Trägerversammlung in die parlamentarischen Ausschüsse gehen könnten und dass Daten erhoben werden könnten, wenn die FHH oder das Parlament diese haben möchte. Es steht aber nichts von systematischer und ständiger Zusammenarbeit darin, nichts von Berichtspflicht und auch nichts von konzeptioneller Darlegung dessen, was die Trägerversammlung beispielsweise in ihren Zielvereinbarungen, völlig ohne Beteiligung des Parlaments, entscheiden wird.

Ich möchte ein Beispiel geben, das vielleicht auch denen, die nicht so sehr an dieser Arbeitsmarktdebatte beteiligt sind, deutlich macht, was diese gemeinsame Einrichtung für uns bedeuten wird. Hamburg hat jetzt schon einen überdurchschnittlich hohen Anteil von sogenannten Aufstockern und Aufstockerinnen, sprich Menschen, die einen Vollzeitjob haben, deren Einkommen aber so gering ist, dass sie zusätzliche, ergänzende Leistungen bekommen. Diese trägt Hamburg. Das ist das kleine Paket, das sich hinter den flankierenden Leistungen versteckt. Das bedeutet, alles, was die Bundesagentur für Arbeit machen kann und machen wird, um Menschen in Arbeit zu bringen, ist nur teilweise hilfreich. Der Bundesagentur für Arbeit kann es egal sein, wie viel jemand verdient bei einem Vollzeitarbeitsplatz, weil die Zuständigkeit für die aufstockenden Leistungen bei der Kommune liegt. Das halte ich für ein großes Dilemma und wird uns eine riesige Finanzierungsproblematik bescheren.

Im Übrigen möchte ich noch einmal – im Dissens mit Frau Badde – deutlich machen, dass das Thema Optionskommune tatsächlich eines ist, an dem die Hamburger Arbeitsmarktpolitik der letzten zweieinhalb Jahre gescheitert ist. Wir sind jedoch weit

gekommen mit dem Ansatz, in die Quartiere umzusteuern und ein Drittel der Arbeitsmarktmaßnahmen in die Quartiere hineinfließen zu lassen. Ich sehe das als die wichtigste Aufgabe, an der wir, unabhängig von der politischen Konstellation, als Hansestadt Hamburg weiterarbeiten müssen.

(Beifall bei der GAL und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Bevor ich jetzt Herrn Joithe das Wort gebe, bitte ich noch einmal um etwas mehr Ruhe. – Herr Joithe, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat legt uns eine fertige Vereinbarung zur näheren Ausgestaltung und Organisation der zukünftigen gemeinsamen Einrichtung vor, wie sie nach der Änderung unseres Grundgesetzes – darauf sollte man noch einmal hinweisen – möglich geworden ist. Man sollte auch noch einmal darauf hinweisen, dass die Hinweise, die das Bundesverfassungsgericht uns gegeben hat, in dieser Ausgestaltung nicht beachtet wurden. Die Verhandlungen sind parallel betrieben worden, als der Senat noch die Optionskommune favorisiert hat. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen, das ist der sogenannte Plan B.

Es ist aber sehr wohl etwas dagegen zu sagen, dass in der Darstellung des Senats in der Mitteilung so getan wird, als ob die gemeinsame Einrichtung den Einfluss Hamburgs genauso gut wahren konnte wie angeblich die Option. Der Senat hätte nach der Regelung in Paragraf 44b SGB II die Vereinbarung zur gemeinsamen Einrichtung auch unter vorheriger Einbeziehung der Bürgerschaft vorbereiten können. Bei gemeinsamen Einrichtungen unter Beteiligung von kommunalen Trägern in den Flächenländern ist nämlich eine Einschaltung der Kommunalparlamente gewährleistet. In Hamburg wurde die Bürgerschaft jedoch übergangen.

Der Senat war schon bei dem Versuch, die Option einzuführen, nicht bereit – darauf sollte man noch einmal gesondert hinweisen –, eigene Landesmittel zur aktiven Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung zu stellen. Nun stehen die Kürzungen der Bundesmittel fest und die gemeinsame Einrichtung wird ebenfalls nicht mit eigenen Landesmitteln ausgestattet. Das ist ein Armutszeugnis für die boomende Stadt. Wir sind der Ansicht, dass die angeblich auf Hamburg angewandte politische Verantwortung bei der gemeinsamen Einrichtung mit finanziell sichtbaren Veränderungen im Einsatz der Haushaltsmittel einhergehen müsste.

Insgesamt ist die Vereinbarung über die gemeinsame Einrichtung sehr offen und stellt lediglich eine Rahmenvereinbarung dar. Es wird insofern noch erheblicher Anstrengungen bedürfen, eine stärkere Kooperation mit den Landesbehörden zu errei

(Antje Möller)

chen. Hier ist außer einer Absichtserklärung nicht ersichtlich, wie in Zukunft eine bessere Abstimmung und Abgrenzung zwischen der Sozialpolitik der Stadt und den arbeitsmarktpolitischen Lösungen der gemeinsamen Einrichtung erfolgen sollen. Das heißt, die Chance für eine echte Verbesserung wurde nicht genutzt. Es sieht alles danach aus, als ob vor allem die bisherige Arbeit von team.arbeit.hamburg mit nunmehr erheblich reduzierten Eingliederungsmitteln weitergeführt werden soll. Es ist aber entschieden zu wenig. Die Hartz-IV-Geschädigten hätten eine echte Veränderung erwartet und sind wieder einmal enttäuscht worden.

Frau Badde, wenn Sie sagen, dass etwas Gutes herausgekommen sei, dann muss ich Ihnen sagen, dass eigentlich die Fortschreibung des rechtswidrigen Chaos der ARGE dabei herausgekommen ist. Wenn Sie fragen, was an Sozialprojekten gestrichen werden müsste, dann müssten wir einmal darüber diskutieren, was Sie unter Sozialprojekten verstehen.

Frau Möller muss ich in wesentlichen Punkten zustimmen. Die gemeinsame Einrichtung wird mit weiteren Aufstockern zu tun haben und wird große Schwierigkeiten haben, das mit dem jetzigen Personalkontingent zu leisten, abgesehen von der Software und weiteren Problemen, die nach wie vor bei der ARGE bestehen.

Meine Fraktion wird einer Überweisung an den Wirtschaftsausschuss zustimmen. – Ich danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Senator Karan, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Wie Sie alle wissen, standen zur Umsetzung des SGB II in Hamburg zwei grundsätzlich unterschiedliche Trägerschaftsmodelle zur Verfügung. Eines ist die zweigeteilte Trägerschaft, zusammengeführt durch eine gemeinsame Einrichtung von Arbeitsagentur und Kommune, das zweite ist die kommunale Gesamtträgerschaft durch zugelassene kommunale Träger, die sogenannte Option.

Infolgedessen hat der Senat in diesem Jahr geprüft, ob die kommunale Gesamtträgerschaft in der Freien und Hansestadt Hamburg eingeführt werden sollte und eine Analyse der Vor- und Nachteile sowie der notwendigen Entscheidungskriterien erstellt. Davon ausgehend wurden die langfristigen Risiken und Chancen abgewogen und eine Grundlage für die Entscheidungsfindung hin zur gemeinsamen Einrichtung gefunden. Im Mittelpunkt der jetzt gefundenen Lösung steht die gemeinsame Vereinbarung zwischen der Agentur für Arbeit und der Stadt Hamburg.

(Beifall bei der CDU)

In dieser Vereinbarung konnte der Senat im Rahmen der gesetzlichen Grenzen des SGB II viele seiner Vorstellungen durchsetzen. Dort ist festgeschrieben, dass auch in Zukunft das Vor-Ort-Wissen und die Interessen der regionalen Arbeitsmarktpolitik der Freien und Hansestadt Hamburg in die gemeinsame Einrichtung eingebracht werden. Damit wird die Erfolgschance einer gemeinsamen Einrichtung bei den Menschen vor Ort erhöht.

Auch sollen erfolgreiche Arbeitsmarktprogramme wie zum Beispiel das Hamburger Modell und die Stadtteilorientierung der Arbeitsmarktpolitik fortgesetzt werden. Die Vereinbarung bindet die beiden Träger der gemeinsamen Einrichtung, stellt eine gute Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit dar und zeigt die Richtung der Entwicklung der künftigen gemeinsamen Einrichtung. Leitgedanke der Vereinbarung ist, dass sich die Freie und Hansestadt Hamburg und die Bundesagentur für Arbeit in der Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe begegnen.

Seien Sie versichert, dass der Senat gegenüber der Agentur für Arbeit seinen Handlungsspielraum maximal ausgenutzt hat und möglichst alle für Hamburg wichtigen Themen auch in der Vereinbarung zum Ausdruck gebracht hat. Ich denke, wir haben mit der Vereinbarung ein tragfestes Fundament, das es erlaubt, dass team.arbeit.hamburg auch im kommenden Jahrzehnt erfolgreich Menschen in Arbeit bringt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich nun all das zusammenfasse, dann stelle ich fest, dass wir in Hamburg bisher den uns zur Verfügung stehenden Spielraum genutzt haben und unseren Interessen weit im Voraus Gehör verschafft haben. Jetzt haben wir mit der gemeinsamen Einrichtung ab dem 1. Januar 2011 eine Organisationsstruktur, die uns den größtmöglichen Spielraum bei gleichzeitig geteilter Verantwortung lässt. Damit schlagen wir ab dem 1. Januar 2011 ein neues Kapitel der Hamburger Arbeitsmarktpolitik auf. Ab dann werden für alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt circa 2300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei team.arbeit.hamburg ihr Bestes tun, um möglichst unbürokratisch jeden bei seinem Wunsch zu unterstützen, eine Arbeitsstelle zu finden. Ich bin mir sicher, dass ab dem 1. Januar 2011 die gemeinsame Einrichtung nach der Neuorganisation erfolgreich startet. – Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen dann zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/8032 an den Wirtschaftsausschuss zu? – Ge

(Wolfgang Joithe-von Krosigk)

genprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen. Ich stelle jetzt das Ende des ersten Sitzungstages fest.

Ende: 18.48 Uhr