Protocol of the Session on November 11, 2010

Es ist vielleicht ein kleiner, aber dennoch ein wichtiger Beitrag, um Engagement zu fördern, um politisches Interesse zu wecken, um ein gewisses Verständnis bei jungen Leuten dafür zu bekommen, wie politische Prozesse ablaufen. Die Antwort auf Fragen, warum bestimmte Prozesse so lange dauern und wie sich überhaupt Diskussionsprozesse gestalten, sind häufig aus der öffentlichen Berichterstattung nicht so herauszulesen wie es der Fall ist, wenn man nahe dran ist und es direkt mitbekommt. Da kann man viel Interesse wecken und viel Verständnis für politische Arbeit erreichen. Wenn wir das bei nur wenigen jungen Menschen schaffen – ich bin ganz der Meinung von Frau Schneider, dass wir uns darum bemühen müssen, auch diejenigen zu erreichen, die diese Angebote noch nicht so stark wahrnehmen –, dann ist ein, wenn auch kleiner, aber wichtiger Schritt getan. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Antrag der GAL–Fraktion aus Drucksache 19/7806 abstimmen. – Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das mit Mehrheit angenommen.

Kommen Sie doch bitte nach vorne und setzen sich hin, dann machen Sie es dem Präsidium einfacher zu sehen, wie die Verhältnisse sind. Das gilt für die Fraktion der SPD wie für die Fraktion der CDU.

Im Übrigen stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Senatsmitteilung aus Drucksache 19/7540 Kenntnis genommen hat.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Punkt 15 auf, Drucksache 19/7434, Antrag der Fraktion DIE

LINKE: Kinder- und Jugendgesundheit in Hamburg und die Aufgaben des Schul(zahn)ärztlichen Dienstes.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Kinder- und Jugendgesundheit in Hamburg und die Aufgaben des Schul(zahn)ärztlichen Dienstes – Drs 19/7434 –]

Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKE an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz überweisen. – Wer wünscht das Wort? Frau Artus, bitte.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Vor Kurzem, am 21. Oktober, fand die 1. Zielkonferenz in Hamburg unter dem Thema "Gesund aufwachsen in Hamburg!" statt. Sie entspricht der Strategie des Paktes für Prävention vom Juni dieses Jahres. Erfreulicherweise war zu hören, dass die meisten kleinen Hamburger und Hamburgerinnen gesund aufwachsen und offensichtlich haben die heftigen Proteste aus der Bevölkerung dazu geführt, dass größere Leistungskürzungen im Gesundheits- und Sozialbereich ausgeblieben sind.

Aber, und das ist die zweite, weit problematischere Aussage der Konferenz, etwa 25 Prozent der Kinder wachsen in Hamburg nicht in bester Gesundheit auf. 22 Prozent zeigen sogar mehrere Symptome gleichzeitig, von motorischen und psychischen Störungen bis hin zu kariösen Zähnen. Wenn es bei jedem vierten Kind in Hamburg gesundheitliche Probleme gibt, dann müssen doch eigentlich bei allen Verantwortlichen die Alarmglocken läuten. Ich verweise an dieser Stelle auf die aktuelle Krankenhausplanung, die dringend erforderliche Erweiterung von Kapazitäten für psychisch Kranke und die Sonderzulassung von 60 Kinder- und Jugendpsychotherapeuten und -therapeutinnen.

(Lydia Fischer CDU: Es sind ganz viele zu- gelassen!)

Wenn dann noch die Aussage gemacht wird, dass Familien mit niedrigem Sozialstatus weniger Gesundheitschancen haben, dann müsste ein großes Nachdenken im Senat darüber stattfinden, wie dieser Entwicklung gegengesteuert werden kann. Die Aussage einer Konferenzteilnehmerin dazu: Man müsse bei der Wohnungs- und Existenzsicherung beginnen. Der soziale Status ist ausschlaggebend für die Gesundheit, sehr geehrte Herren und Damen.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch welche Botschaften erreichen die Öffentlichkeit im Zuge der Haushaltsplanung und -diskussion? Wegkürzen bei den Schwächsten der Gesellschaft. Besonders perfide ist das Im-Kleinen-Kür

(Linda Heitmann)

zen im sozial-gesundheitspolitischen Bereich nach dem Motto: Dann fällt es nicht so auf. Aber die Wirkungen sind umso heftiger.

Als Beispiel soll die Kürzung beim Schulzahnärztlichen Dienst stehen, für Herrn Senator Wersich möglicherweise ein läppischer Betrag von noch nicht einmal 400 000 Euro. Aber welche Wirkung auch nur eine einzige unbesetzte Schulzahnärztinnen-Stelle hat, lässt sich anschaulich anhand des Gesundheitsberichts des Bezirks Bergedorf darstellen. Dort konnten im Jahr 2005 20 Prozent der schulpflichtig gemeldeten Kinder nicht schulzahnärztlich untersucht werden. Durch die Nachbesetzung einer freien Schularztstelle erreichte die Untersuchungsquote ein Jahr später 99,6 Prozent. Ein weiterer Bericht aus Altona weist für die ersten Klassen des Schuljahres 2005/2006 unglaubliche 34 Prozent des Zahnstatus als behandlungsbedürftig aus. Diesen Kindern wäre geholfen gewesen, wenn es ausreichend Personal gegeben hätte.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Herr Senator Wersich erhielt zur Kürzung des Schulzahnärztlichen Dienstes einen vom Vorsitzenden der Zahnärztekammer und dem Stellvertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendzahnpflege unterschriebenen Brief, der ihn sehr eindringlich auf die Folgen durch Kürzung in diesem Bereich hinweist. Das ist mehr als nur ein Protest. Die zuständige Schulzahnärztin hat ebenfalls in einem Brief darauf aufmerksam gemacht, die Problemlage ist also mehr als bekannt. Wir, die LINKE, erwarten entsprechende Konsequenzen. Zulasten der Kinderzahngesundheit darf der Haushalt nicht saniert werden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das ist auch kurzsichtig, wenn Sie sich einmal über die Folgekosten für das Gesundheitssystem Gedanken machen oder wenn Sie sich der Bedeutung bewusst werden – wir haben auch einige Ärztinnen und Ärzte hier im Raum –, die gesunde Zähne auf den Organismus eines Menschen haben.

Sehr geehrte Herren und Damen! Der Öffentliche Gesundheitsdienst nimmt, wie wir in unserem Antrag dargestellt haben, allgemein bevölkerungsmedizinische und sozialkompensatorische Aufgaben wahr. Aus diesem Grund sind schulärztliche Aufgaben nicht auf den niedergelassenen Bereich abzuschieben. Der schulärztliche Dienst ist ein aufsuchender Dienst und er führt die Reihenuntersuchungen durch.

"Wie gesund wachsen Kinder in Hamburg auf?" war ein beeindruckender Vortrag auf der von mir eingangs erwähnten Gesundheitskonferenz. Wenn man aber mehrere Berichte dazu sichten muss, um Material und Daten zusammenzutragen, wie eine Referentin bemerkte, dann ist das kritisch zu se

hen. Warum? Seit 2001 gibt es das Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst in Hamburg. Dieses Gesetz schreibt die Notwendigkeit einer regelmäßigen Gesundheitsberichterstattung fest. Gesundheitsberichte sind deshalb notwendig, weil sie konkrete Aussagen über die sich darauf beziehende Gesundheitsplanung geben. Doch in Hamburg sucht man eine einheitliche Datenindikatorenbasis für die Gesundheitsberichte vergeblich und findet auch keine auf diesen Grundlagen basierende Gesundheitsplanung. Ebenso vergeblich sucht man eine einheitliche Terminliste.

Dies ist eine aus unserer Sicht völlig unhaltbare Situation, die allerdings der Symbolpolitik dieses Senats entspricht. Dabei muss man aber wissen, dass noch in den Neunzigerjahren die Bundesländer im Gesunde-Städte-Netzwerk der WHO zu Hamburg hinaufgeblickt haben. Heute muss Hamburg einen Referenten aus Sachsen einladen,

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Herr Wersich, hören Sie das?)

der berichtet, wie Hamburg anhand von guten Beispielen lernen kann.

Besonders würdigen möchte ich an dieser Stelle die Arbeit der Bezirke. Sie bemühen sich, ihren Berichtspflichten nachzukommen, aber selbst die Bezirke fordern eine bessere Datenkonzeption und -erfassung sowie eine einheitliche und vergleichbare Datenbasis mit gesundheitsrelevanten Merkmalen; so schreibt der Altonaer Bericht. In diesem Bemühen werden die Bezirke offensichtlich allein gelassen. Was passiert mit den kritischen Hinweisen und Handlungsempfehlungen? Der Senat scheint sich nur sehr unzureichend zu bemühen, den Bezirken zu helfen, einheitliche Standards für die Gesundheitsberichte und Zielplanung festzulegen und als Stadtstaat einen eigenen Gesamtbericht zur Gesundheitsentwicklung von Kindern, Jugendlichen und differenziert nach Geschlecht und Migrationshintergrund sowie sozialen Indikatoren vorzulegen. Auf Gesundheitsdaten von Krankenkassen, Krankenhäusern kann hingegen für eine kommunale Gesundheitsberichterstattung problemlos verzichtet werden.

Wenn wir in Punkt 2 unseres Antrages den Setting-Ansatz fordern, dann können Sie die ausführliche Begründung ebenfalls aus den Berichten der Bezirke herauslesen. Auf ein Problem möchte ich jedoch konkret verweisen. Es ist eine bekannte Tatsache, dass mit zunehmendem Alter die Kinder die Früherkennungsuntersuchungen, insbesondere die U8 und U9, weniger wahrnehmen und das angesichts des bevorstehenden Schuleintritts. Dabei ist das rechtzeitige Reagieren auf Entwicklungsauffälligkeiten von ganz besonderer Bedeutung und wir sehen diese Entwicklung deshalb mit großer Sorge. Die Lösung liegt nur zum Teil darin, dass verbindliche Einladungen nach Hause verschickt werden. Der bessere Schutz für Kinder vor ver

meidbaren Erkrankungen liegt darin, den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Abschließend eine Bemerkung zur Stellenbesetzung im Öffentlichen Dienst, Punkt 3 unseres Antrags. Ich beziehe mich hierbei auf die Schriftliche Kleine Anfrage aus der letzten Wahlperiode mit der Drucksachennummer 18/7907. Daraus geht hervor, dass elf Ärzte- und Ärztinnenstellen nicht besetzt und weitere 25 Personalstellen offen waren. Nun denken Sie einmal nach, woran das liegen könnte. Das Gesundheitspersonal im öffentlichen Dienst ist hoffnungslos unterbezahlt, der Arbeitsbereich ist schlicht unattraktiv. Wenn es Honorarerhöhungen für freiberufliche Ärztinnen und Ärzte gibt, können die Medizinerinnen im ÖGB nur weinend zusehen.

Sehr geehrte Herren und Damen! Kinder haben ein Recht, gesund aufzuwachsen, eine unverzichtbare Säule dafür ist der Öffentliche Gesundheitsdienst mit seinen Einrichtungen. Am Schulärztlichen und Schulzahnärztlichen Dienst darf deswegen in keiner Weise gespart werden.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir begrüßen natürlich, wenn diese Anfrage überwiesen wird und freuen uns auf eine vertiefende Debatte dazu im Ausschuss.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Frau Fischer, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Artus, Sie haben geschildert, wie Sie die gesundheitliche Situation bei Kindern sehen. Ich werde jetzt einmal schildern, wie das bei uns aussieht, wie wir das sehen und was wir bis jetzt getan haben, um Gesundheit zu fördern.

Natürlich liegt uns die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sehr am Herzen. Deshalb haben wir ein System aufgebaut, in dem Kinder so versorgt werden, dass ihr gesundes Aufwachsen vom ersten Lebenstag an gefördert wird. In Hamburg hat sich über Jahre ein hervorragend funktionierendes Netzwerk aus Institutionen entwickelt. Diese legen sehr viel Wert auf Prävention. Sie leisten einen nachhaltigen Beitrag zur Kinder- und Jugendgesundheit und wecken bei den Eltern von der Geburt ihrer Kinder an ein Bewusstsein dafür. Mütterberatung, Familienhebammen, "Frühe Hilfen" und Eltern-Kind-Zentren sind wichtige Angebote, die Betroffene in unserer Stadt nutzen können.

Ihr Antrag zielt darauf ab, Berichte vorlegen zu lassen. Diese gibt es. Der Bericht "Kindergesundheit in Hamburg" enthält viele Fakten, die Ihnen auch zugänglich sind. Dieser Bericht von 2007 ist auch heute aktuell. Es ist nicht sinnvoll, derart umfangreiche Studien jährlich neu aufzulegen. Wesentliche Veränderungen treten nicht von Jahr zu Jahr ein; das geschieht in längeren Zeiträumen.

Die BSG hat in den vergangenen drei Jahren sechs umfangreiche Berichte zu verschiedenen Gesundheitsthemen vorgelegt und in allen finden Fragen der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen eine besondere Berücksichtigung. Ferner wird es sehr zeitnah einen weiteren Bericht der Fachbehörde zum Gesundheitsverhalten von elfbis 15-jährigen Schulkindern geben. Der Senat berichtet bereits laufend über die gesundheitsbezogenen Ziele bei Kindern und Jugendlichen. Mit verschiedenen Kampagnen hat er nachhaltig die Gesundheit dieser Bevölkerungsgruppen gefördert; ich darf an den "Pakt für Prävention – Gemeinsam für ein gesundes Hamburg!" erinnern.

Zu dem gut funktionierenden System gehört auch der Schulärztliche Dienst in den Bezirken. Er ist personell so ausgestattet, dass 66 besetzte Stellen zur Verfügung stehen, und hier wird es auch keinerlei Kürzung geben. Wir wollen versuchen, den Standard des Schulärztlichen Dienstes zu halten. Ich würde es bedauern, wenn wir dort massiv einsparen müssten; das würde mit leidtun. Wir sind in einer schwierigen Situation. Wenn es keinen anderen Weg gibt, werden wir leider in diesen sauren Apfel beißen müssen,

(Dr. Mathias Petersen SPD: Die Kinder? – Michael Neumann SPD: Die haben keine Zähne mehr, die Kinder!)

aber vielleicht gibt es noch Möglichkeiten.

Das Thema Frauengesundheit hat uns schon häufig im Fachausschuss beschäftigt und wird auch weiterhin dort beraten werden, wie Sie es angeregt haben, Frau Artus. Das soll so weitergehen und deshalb überweisen wir den Antrag an den Fachausschuss. – Haben Sie vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Herr Böwer, Sie haben das Wort.

(Jörn Frommann CDU: Sie haben zwei Mi- nuten!)

– Ich habe schon ein bisschen mehr als zwei Minuten, aber keine Angst, ich werde nicht lange brauchen.