Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Martens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Buss?
Vielen Dank, Frau Martens. Ich habe eine konkrete Zwischenfrage. Kann man aus Ihrem Antrag, den Sie heute zur Abstimmung stellen, herauslesen, dass das Altonaer Museum nicht geschlossen wird, wie es heute in der Presse gestanden hat? Ist das tatsächlich so zu interpretieren? Das hätte ich gerne von Ihnen erläutert.
Der Antrag ist so zu verstehen, dass wir für die Schließung oder Nichtschließung des Hauses erst einmal ein Konzept haben möchten,
und zwar nicht ein Konzept für die vier Museen insgesamt, sondern dazu, wie es am Standort Altona aussieht. Das ist doch ganz einfach zu verstehen. Ich muss für das Haus selbst ein Konzept haben, das ist eine herausgenommene kleine Einheit.
(Heiterkeit bei der SPD – Ingo Egloff SPD: Sagen Sie mal Ihrem Senator, dass er ein Konzept haben muss!)
Wir wollen ein konkretes Konzept für das Altonaer Museum, und zwar kurzfristig. Ich gehe davon aus, dass wir uns alle die Zeit nehmen werden, auch in einem kommunikativen Prozess mit allen Museen der Stiftung weiterhin daran zu arbeiten. Unser aller Ziel muss doch sein, dass wir Museen haben, in denen die Bürger Schlange stehen.
(Hans-Detlef Roock CDU: Oh, Frau Do- busch! – Ingo Egloff SPD: Jetzt gibt's was an die Backen, Jungs!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielleicht erst einmal meinen Dank an Frau Martens für die Aufklärung und die deutlichen Worte im Hinblick auf die Interpretierbarkeit des Antrags von CDU und GAL. Ich glaube, auch die Presse hat es jetzt verstanden. Eigentlich soll man die Hoffnung nie aufgeben, aber es war deutlich, wie es gemeint war.
Meine Damen und Herren! Wer hätte das gedacht? Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich als SPDPolitikerin eines Tages hier stehen würde und einer konservativ geführten Regierung, diesem Senat, würde erklären müssen, welche fundamentale Bedeutung ein Landesmuseum hat. Für die Nichtlateinerinnen und Nichtlateiner in diesem Haus, "conservare" heißt auf gut Deutsch "bewahren". Und was sind Museen? Museen sind Orte des Bewahrens.
Worum es uns hier gehen muss, ist erstens um die Bewahrung eines traditionsreichen Hauses, nämlich des Altonaer Museums. Worum es uns hier außerdem gehen muss, ist das Bewahren der gesamten Hamburger Kultur vor der doch recht simplen Verwertungslogik dieses Senats
und vor dem Primat der Ökonomie, die in Hamburg die ganze Kulturpolitik zu durchdringen, oder sollte ich sagen zu durchsieben, zu unterwandern und zu durchlöchern droht, als ob allein Besucherzahlen, zumal wenn sie auch noch falsch wiedergegeben oder verfälscht gestreut werden, neuerdings über den Wert oder Unwert von Kultur entscheiden würden. Wo sind wir denn hier eigentlich?
So einfach dürfen Sie sich das Ganze doch nicht machen. Schon ganz und gar nicht, wenn wir über ein Haus reden, das eine knapp 150-jährige Geschichte hat. Da wird einmal geguckt, wie viele Besucher nach der Renovierung dort hingegangen sind, das ist unmöglich.
Meine Damen und Herren! Nun zu Ihrem nachgeschobenen Antrag zum Altonaer Museum. Dieser Antrag macht den Eindruck, als ginge es wirklich um den Erhalt, als ob Sie sich von dem Aufruhr in der Stadt eines Besseren hätten belehren lassen. Ihre Formulierungen allerdings ließen uns schon vermuten, dass die Sache nicht so einfach ist.
Was ist denn damit gemeint? Das kann heißen, Umwidmung dieses wunderbaren Standortes, einen Investor finden, der daraus – mit Bahnanbindung – etwas ganz Tolles macht. Das kann von der Schrumpflösung bis hin zum schleichend verordneten Tod der gesamten Stiftung Historische Museen dank konsequenter struktureller Unterfinanzierung wirklich alles heißen, was Sie nur wollen.
Dann müssen Sie mir das Wörtchen "kurzfristig" noch einmal erklären. Wie soll es denn bitte Ihrer Meinung nach gehen? Wie ist es denn möglich, etwas, das unter Leitung dieses Senats und Ihrer Kulturbehörde in den ganzen letzten Jahren nicht befriedigend gelungen ist, nämlich das Altonaer Museum als eines von vier Haupthäusern mit je eigener Identität innerhalb der von Ihnen gewünschten Gesamtkonzeption Stiftung Historischer Museen, und zwar seiner Bedeutung als Landesmuseum entsprechend, zu positionieren und das innerhalb kürzester Zeit? Das müssen Sie mir einmal erklären. Wir werden diesem CDU/GAL-Antrag natürlich auf gar keinen Fall zustimmen.
Lassen Sie mich noch einmal rekapitulieren: Der Senat hat die Schließung des Altonaer Museums beschlossen ohne Prüfung der Machbarkeit, der Folgekosten und der rechtlichen Lage, ohne vorherige Gespräche mit Fachleuten, mit den Betroffenen oder mit Leuten vor Ort und ohne Zukunftskonzepte für die Zeit danach;
Norbert Hackbusch hat es schon hervorgehoben. Die besondere Frechheit ist, dass er auch noch versucht hat, dieses komplett am Parlament vorbei zu tun; das lassen wir aber nicht zu.
Die wunderbaren Reden über die Sparnotwendigkeiten machen mich ganz krank. Ob hier überhaupt irgendetwas gespart würde oder ob Kosten nicht einfach nur von der linken Tasche in die rechte Tasche verschoben würden,
von der Kulturbehörde hin zur Finanzbehörde, ist noch gar nicht klar. In seinen Antworten hat der Senat klar gesagt, dass er das alles noch gar nicht wisse. Dass es sich der Senat allerdings mit seiner Entscheidung nach Gutsherrenart mit allen Kulturschaffenden in dieser Stadt verdorben hat, ist offensichtlich geworden und das wird sich auch in den nächsten Wochen noch zeigen. So fahrlässig geht man nicht mit Menschen und mit altehrwürdigen Institutionen um.
Damit bin ich bei meinem nächsten Punkt. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde ein Landesmuseum geschlossen.
Es handelt sich also bei dieser beabsichtigten Schließung keineswegs mal eben um eine der immer mal wieder anstehenden kleinen Kürzungen im Kulturetat, es handelt sich um einen einmaligen Vorgang von überregionaler Bedeutung.
Bisher waren Museen dieser Größenordnung nämlich sakrosankt. Hamburg scheint nun ausgerechnet in dieser Sache wild entschlossen, die Vorreiterrolle übernehmen zu wollen.
Lassen Sie mich aus einem Brief der RichardSchöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte zitieren, um Ihnen noch einmal vor Augen zu führen, was Sie hier einfach so beschließen wollen:
"Das Altonaer Museum […] war von vorneherein mehr als ein städtisches, nämlich ein regionalhistorisches Museum. Die Sammlungen zu ländlichen und urbanen Kulturen vorindustrieller Zeitalter, zum historischen und modernen Schiffbau, zur sozialen, Wirtschafts- und Politikgeschichte oder zu der von Minderheiten greifen entsprechend aus bis nach Ost- und Nordfriesland, Holstein, Nordniedersachsen, Mecklenburg und Pommern. Sie bilden bis in kleine Details hinein ein Gesamtbild der norddeutschen Kulturund Naturgeschichte seit dem Mittelalter, wie es an keiner anderen Stelle vergleichbar erlebt werden kann."
Wir haben bei unseren Aktionen vor Ort erlebt, wie sehr die Bevölkerung mit diesem Museum verbunden ist, wie viele Erinnerungen daran geknüpft sind. Museen sind nämlich auch Bildungsstätten. Sie tragen dazu bei zu entdecken, wer wir sind, wo wir sind und woher wir kommen. Nicht-Hamburgern in leitender Position übrigens ist das alles sehr zu empfehlen. Nicht zu vergessen, sie tragen auch dazu bei, dass wir wissen, wohin wir gehen. Das sind keine überflüssigen Kästen gefüllt mit altem Ramsch, das sind Stätten der Ruhe und der Sammlung, die wir in unseren hektischen Zeiten der Globalisierung dringend brauchen, um uns ab und zu selbst zu vergewissern.
International übrigens gibt es schon längst einen Trend hin zur Inszenierung historischer Museumsgebäude, die sich als wahre Publikumsrenner erwiesen haben. Auch da hätte das Altonaer Museum mit seinen festen Einbauten unheimlich viel zu bieten. Wollen Sie denn, kurz bevor da etwas passiert, jetzt Tabula rasa machen? Ich finde das unmöglich. Es müsste doch den Kulturverantwortlichen, zumindest denen im Senat, sofort einleuchten, dass die Museen mit ihrem für heutige Verhältnisse wirklich verschwenderischen Umgang mit Raum doch die Kathedralen der Neuzeit sind. Die gilt es doch zu verteidigen, die müssen wir doch erhalten, nicht als Sammlung in Kisten irgendwo in der Rumpelkammer, irgendwo unten in den Katakomben, sondern genau in den historischen Gebäuden, die dafür konzipiert wurden, was sich heute kein Mensch mehr leisten könnte.