Protocol of the Session on October 27, 2010

Dabei, das möchte ich auch einmal deutlich sagen, geht es uns nicht nur um die Kinder und Jugendli

(Bettina Machaczek)

chen, die ihr Abitur mit 1,8 machen oder auf einem ähnlich guten Weg sind. Es geht uns vor allem um die Kinder und Jugendlichen, die durch ihr Leben in dieser Stadt – und da mag es einen fehlenden Hauptschulabschluss geben, dafür aber eine Mitarbeit in Sportverein, Kirche, Nachbarschaftshilfe oder was auch immer – die Verwurzelung mit unserer Gesellschaft deutlich machen. Das müssen die Kriterien sein. Jetzt suchen wir in jedem Einzelfall nach ihnen, um zu bewerten und zu entscheiden. Wir brauchen eine Bundesregelung und nicht eine Variante, die sich jedes Bundesland selber mühsam erarbeitet.

(Wilfried Buss SPD: Stimmt doch gar nicht! – Vereinzelter Beifall bei der GAL und der CDU)

Ein Wort an die SPD. Sie haben sehr markige Worte gewählt, Herr Buss, Heimat sei da, wo die Freunde seien. Es wäre dann aber auch schön, wenn wir in solchen Fällen öfter Ihre Unterstützung hätten.

Wir sind uns auf Bundesebene einig. Die Anträge sind sehr unterschiedlich, aber es geht um die gleiche Idee. Hamburg hat den Vorsitz auf der Innenministerkonferenz und damit die große Chance, dort einen Impuls zu geben. Nicht nur das Bundesland Bremen gibt den Kindern und Jugendlichen mit seiner schriftlich festgelegten Regelung eine Perspektive, auch das Bundesland Hamburg mit seinem aktuellen Handeln. Ich wünsche mir da einen großen Impuls, der die anderen Bundesländer mitnimmt. Wenn das nicht gelingt, müssen wir den Weg über den Bundesrat suchen. Ich glaube nicht, Herr Buss, dass die Bremer Regelung die Chance hat, von allen Bundesländern übernommen zu werden.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das ist rechtswidrig! – Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir brauchen aber eine bundeseinheitliche Regelung.

(Wilfried Buss SPD: Warum denn?)

Weil es wichtig ist, dass wir als Bundsrepublik Deutschland mit unserem Ausländerrecht ein einheitliches Signal geben, kein uneinheitliches durch beliebige Entscheidungen einzelner Bundesländer, selbst wenn wir in Hamburg in diesem Sinne agieren.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da sind Sie Re- gierungspartner in Bremen, oder war das nicht so?)

Die Härtefallkommission, das möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich sagen, ist beileibe keine Gnadenkommission. Auch an dieser Stelle unterschätzen Sie das Ausländerrecht, Herr Buss. Natürlich haben wir es bei der Härtefallkommission mit einem Instrument zu tun, das aus hu

manitären Gründen handelt. So sollte man das den Menschen, die sich durch den Eingabenausschuss an die Härtefallkommission wenden, auch vermitteln. Wir lassen hier nicht Gnade vor Recht ergehen, sondern nutzen einen Paragrafen des Ausländerrechts. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir einen interfraktionellen Impuls zuwege brächten, der auf andere Bundesländer übergreift. Auf der Innenministerkonferenz sollte ein erstes, möglichst breites Einvernehmen erfolgen und dann muss durch die befreundeten Fraktionen Druck auf Bundesebene kommen. Wir brauchen diese Regelung für die Kinder und Jugendlichen, die hier aufwachsen, wir brauchen sie bundesweit gültig und wir brauchen sie im Ausländerrecht.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Yildiz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! An einem Punkt stimme ich Frau Möller zu, dass nämlich dieses Problem auf Bundesebene gelöst werden sollte. Man hat aber auch auf Landesebene einige Möglichkeiten.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Aber nicht gegen das Bundesrecht!)

Natürlich kann der Innensenator die Anträge zum Anlass nehmen, dieses Thema bei der Innenministerkonferenz einzubringen und um Unterstützung zu werben, Frau Möller. Unsere Unterstützung wird er haben. Uns liegt dieses Thema am Herzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte auf einen Punkt des SPD-Antrags eingehen, den ich sehr kritisch sehe. Frau Möller hat in eine ähnliche Richtung argumentiert. Es kann nicht sein, dass wir in Hamburg die Problematik der geduldeten Menschen, die seit Jahren hier leben, nur darauf reduzieren, ob sie wirtschaftlich nützlich sind und ihre Integration gelungen ist oder nicht.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Doch, das ist ein wichtiger Punkt!)

Das Aufenthaltsrecht sollte dazu genutzt werden, den Integrationsprozess zu beschleunigen, anstatt dazu, die Menschen zur Integration aufzufordern und dann, je nachdem, wie gebildet sie sind und ob die Wirtschaft sie braucht oder nicht, zu entscheiden, was wir mit ihnen machen.

(Beifall bei der LINKEN)

In Deutschland leben 89 498 Menschen, die eine Duldung haben, 57 000 von ihnen leben länger als sechs Jahre hier. Stichtag für diese Zahlen ist der 31. Dezember 2009.

(Antje Möller)

Für Hamburg gibt es unterschiedliche Angaben. Im Jahr 2006 lebten 8500 Menschen mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung länger als sechs beziehungsweise acht Jahre in Hamburg; die letzten Zahlen sprechen von 4500 bis 5000 Menschen. Ich frage mich, was aus den restlichen 3500 Menschen geworden ist. Sind sie abgeschoben worden oder haben sie ein Aufenthaltsrecht bekommen? Ich würde mich freuen, wenn sie ein Aufenthaltsrecht bekommen hätten, aber ich glaube nicht daran.

Nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz und der gesetzlichen Bleiberechtsregelung haben, wie der Senat auf eine unserer Anfragen antwortete, zum Stichtag 31. März 2010 in Hamburg 1567 Menschen ein Aufenthaltsrecht auf Probe erhalten haben. Das heißt, dass erst in ferner Zukunft darüber entschieden wird, was aus diesen Menschen wird. Dabei hat auch die Innenministerkonferenz zu Recht eingesehen, dass die Bleiberechtsregelung verlängert werden muss, weil die Menschen aufgrund der Wirtschaftskrise die geforderten Kriterien nicht erfüllen können.

Dass die Menschen seit Jahren mit diesen Problemen leben müssen, hängt – Frau Möller hat es angesprochen – mit der restriktiven Bleiberechtsregelung unseres Ausländerrechts zusammen. Wir sollten dafür sorgen, dass wir all den Menschen, die seit Jahren hier leben, deren Familien unsere Familien und deren Kinder unsere Kinder geworden sind, eine Perspektive eröffnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was hätte es für Folgen, wenn wir den Menschen diese Möglichkeit verweigern? Ich kann Ihnen Beispiele nennen, in denen Menschen seit Generationen in Flüchtlingsunterkünften leben, Menschen, die hier die Kita besucht haben und zur Schule gegangen sind, keine Ausbildungsmöglichkeit hatten und nun bereits eigene Kinder haben, die im selben Teufelskreis leben. Wir müssen es den Menschen, die seit Jahren hier leben, endlich ermöglichen, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Deswegen haben wir die Dreijahresfrist vorgeschlagen. Das ist eine Bundesregelung, aber man kann in Hamburg diskutieren, was wir unterstützen. Wir sollten das Schicksal der Menschen nach drei Jahren klären und sie dann, verdammt noch mal, unterstützen, anstatt ihnen jede gesellschaftliche Teilhabe zu verwehren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich freue mich, dass beide Anträge an den Innenausschuss überwiesen werden und auch auf die angeregte Debatte. Natürlich unterstützen wir den SPD-Antrag, auch wenn er nach unserer Auffassung nicht ausreichend ist. – Wir sehen uns im Innenausschuss.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Dr. Dressel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! So ganz können wir die Nörgelei an dem, was wir vorgeschlagen haben und was einen guten, vermittelnden Weg in der aktuellen Integrationsdebatte aufzeigt, nicht nachvollziehen. Das sage ich in alle Richtungen in diesem Hause, denn in Bremen ist es mit interfraktioneller Zustimmung – von der einen Seite des Hauses bis zur anderen – gelungen, das durchzusetzen.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das macht die Sache auch nicht beständiger!)

Alle möglichen Begründungen dafür zu finden, warum das alles ganz schwierig sei, überhaupt nicht gehe und doch wieder das falsche Signal sei, überzeugt nicht. Wenn wirklich ernst gemeint ist, was Sie in der Integrationsdebatte sagen, dann sollten Sie sich noch einmal einen stärkeren Ruck geben.

(Beifall bei der SPD)

Fangen wir mit der Härtefallkommission an, auf die immer so schön verwiesen wird. Dort muss so ein Fall erst einmal auf die Tagesordnung gelangen. Was passiert denn mit all den Fällen, die nicht groß mit Foto in der "Bild"-Zeitung aufgemacht sind und in denen das "Hamburger Abendblatt" nicht von einer großen Unterschriftenaktion der Schule berichtet? Da sind einige dabei, die bei einer solchen Regelung durchs Rost fallen, das muss man einfach so knallhart sagen. Deswegen braucht es eine Regelung, die darüber hinausgeht.

Dann sind Sie auf die Frage der Rechtswidrigkeit eingegangen. Auch das ist interessant. Ihr Kompagnon von der CDU hat das in Bremen mit keinem Wort erwähnt. Er hat im Gegenteil genau dargelegt, warum die CDU in Bremen als Oppositionspartei zugestimmt hat, als das "Hamburger Abendblatt" noch einmal nachfragte. Von Rechtswidrigkeit war da kein Wort zu hören. Das wirkt wie ein hergesuchtes Argument und deshalb kann das nicht überzeugen.

(Beifall bei der SPD – Kai Voet van Vormi- zeele CDU: Wovor haben Sie denn Angst, dass man das hier debattiert?)

Herr Voet van Vormizeele, eine direkte Frage an Sie. Sie haben sich im "Hamburger Abendblatt" – derselbe Artikel – beschwert, dass der Bremer Innensenator zwar Vorschläge unterbreite, aber nicht kooperiere – ich zitiere –:

"Wir haben Informationen aus Bremen angefordert, aber nicht erhalten."

Sie haben jetzt die Gelegenheit zu präzisieren, was Sie damit gemeint haben und wo man sie da hat im Dunklen tappen lassen. Mir scheint auch

(Mehmet Yildiz)

das ein hergesuchtes Argument zu sein, aber vielleicht kommen wir heute in der Debatte ein bisschen weiter, als es bisher der Fall gewesen ist.

Noch einmal zu den Gesetzesänderungen auf Bundesebene. Dort fand in der Tat eine Sachverständigenanhörung statt und wir haben Anträge von der SPD-Fraktion, der Linksfraktion und den Grünen. Heute hat die Regierungskoalition in Berlin gezeigt, was sie von diesen Anträgen hält, indem sie einen eigenen Gesetzesentwurf zum Ausländerrecht vorgelegt hat. Dort stehen einige Sachen drin, die okay sind und für die es auch politisches Einvernehmen gibt, wie zum Beispiel schärfere Regelungen gegen Zwangsheirat, aber das wäre auch eine Chance gewesen, den von uns diskutierten Aspekt mit aufzugreifen. Ich sehe aber nicht, dass es bei CDU und FDP bei den Tönen, die da auf Bundesebene teilweise aus ihrer Ecke kommen, eine Perspektive für eine bundesrechtliche Regelung gäbe, wie Sie sie zu Recht anmahnen. Natürlich wäre das besser, aber wenn es sie nicht gibt, kann es doch nicht heißen, dass wir untätig bleiben und diese Leute in die Perspektivlosigkeit schicken. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich gibt es auch noch die Möglichkeit der Innenministerkonferenz. Sie reden von Signalen, Impulsen und dass man ein Zeichen setzen müsse. Diesen Kindern und Jugendlichen nützen aber keine Zeichen, sondern Aufenthaltstitel.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Die kriegen sie jetzt auch!)