Protocol of the Session on September 30, 2010

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Die mächtige Antiatomdemonstration vor nicht einmal zwei Wochen rund um das Reichstagsgebäude in Berlin war nach der sagenhaften Menschenkette von Brunsbüttel bis Krümmel ein weiterer eindrucksvoller Beweis dafür, dass die Menschen die Energiewende tatsächlich wollen: weg von der Atomenergie, hin zu erneuerbaren Energien. Doch die rot-grüne Energiewende wird durch das schwarz-gelbe Energiekonzept versperrt. Dazu muss die Hamburger Politik Flagge zeigen.

(Olaf Ohlsen CDU: Hey!)

Auch darum muss die Hamburger Politik Flagge zeigen: Der Titel europäische Umwelthauptstadt 2011 ist Hamburg schließlich nicht fürs Abtauchen verliehen worden, wenn in Umwelt- und Klimapolitik wichtige Ziele auf dem Spiel stehen.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD ist der Auffassung, dass das Energiekonzept der Bundesregierung auch das Hamburger Klimaschutzprogramm aushebeln könnte, wenn nicht gegengesteuert wird. Die grüne Umweltsenatorin Hajduk hat sich am Dienstag zusammen mit ihren grünen Kollegen aus anderen Bundesländern bereits kritisch zu dem Konzept der Bundesregierung geäußert.

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

Aber es trägt nicht zur politischen Glaubwürdigkeit bei, wenn die CDU in Berlin die Renaissance der

Atomenergie feiert und in Hamburg mit atomkritischen grünen Partnern strahlend Händchen hält. Wir haben zusammen in Berlin demonstriert, Frau Hajduk, gehen wir gemeinsam nach Karlsruhe. Darum lassen Sie uns die vorliegenden Anträge beschließen und nachträglich überweisen; das wäre die sauberste Lösung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Stöver, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dr. Schaal, das war eine Meisterleistung von Ihnen, Sie sind förmlich über sich hinausgewachsen, ohne dass Sie neue Aspekte genannt haben.

(Unmutsäußerungen bei der SPD – Arno Münster SPD: Immer diese Beleidigungen!)

Ich möchte mein Schlusswort vorwegnehmen, es betrifft die Bundesratsbeteiligung beziehungsweise die Verfassungsklage. Hamburg vertrat und vertritt auch heute noch die Auffassung, dass der Bundesrat beteiligt werden sollte. Dass wir aber so weit gehen, uns einer Klage gegen die Laufzeitverlängerung anzuschließen, geht entschieden zu weit. Das können Sie und auch unser Koalitionspartner nicht von uns verlangen.

(Michael Neumann SPD: Warum das denn? Verfassungsbruch und wir wehren uns nicht?)

Frau Dr. Schaal hat vorhin schon angedeutet, dass das Energiekonzept für Deutschland vom Kabinett wie erwartet mit kleinen Änderungen beschlossen wurde. Und wie erwartet ist es die Opposition, die das Energiekonzept auf die Laufzeitverlängerungen reduziert und dementsprechend kritisiert. Andere weisen auf die Chancen hin. Das Energiekonzept ist weitergehender und deutlich umfassender als nur der kleine Teil der Laufzeitverlängerungen. Weitere Kapitel des Energiekonzepts stellen den Fahrplan dar, der den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien aufzeigt. Das hat die ehemalige rot-grüne Bundesregierung versäumt, als sie den Atomausstieg beschlossen hat. Rot-Grün ist uns die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie eine Energieversorgung mit überwiegend erneuerbaren Energien erreicht werden kann.

Meine Damen und Herren! Ich wiederhole mich hier zum x-ten Mal, wenn ich feststelle, dass es zwischen uns inhaltlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt. Wir alle wollen den Umbau der Energielandschaft hin zu erneuerbaren Energien.

(Beifall bei der CDU)

Sie hören es am Applaus.

(Dr. Monika Schaal)

Wir haben mittlerweile auch alle festgestellt, dass es nicht nur auf die Quantität der erneuerbaren Energien ankommt. Die Branche der erneuerbaren Energien treibt mit Euphorie und Herzblut den Ausbau voran, sie kann und wird die Prognose in der Quantität sogar übertreffen. Aber es kommt auch die Arbeit auf uns zu, den Weg strukturell zu begleiten; das ist alles nichts Neues. Der Netzausbau muss vorangetrieben werden. Die dena-Studie bescheinigt uns, dass es erhebliche Verzögerungen im Netzausbau gibt und dass der Zuwachs nicht ausreichend sein wird, um die gesteckten Ziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen. Nicht genug damit, es kommt auch noch hinzu, dass die Akzeptanz für Hochspannungsanlagen weiter abnimmt.

Der nächste Punkt ist, dass die Speichertechnologien neu erforscht und bis zur Marktreife gebracht werden müssen. Forschung, das wissen Sie alle, braucht Zeit und Geld.

(Michael Neumann SPD: Weswegen klagen Sie nicht?)

Die Energieeinsparungen und CO2-Reduktionen sollen durch Steigerung der Energieeffizienz erreicht werden; auch dies ist schon gesagt worden. Übrigens ist die Kritik an der Umsetzung der EDLRichtlinie auf Bundesebene nicht nachvollziehbar. Die in Deutschland seit Langem kontinuierlich durchgeführten Maßnahmen tragen erheblich dazu bei, dass das indikative 9-Prozent-Ziel für Deutschland vergleichsweise sicher erreicht werden kann.

Das höchste Gut – auch etwas, das wir alle gemeinsam verfolgen – ist die Sicherheit, und zwar einmal die Sicherheit für die Menschen.

(Michael Neumann SPD: Nichts ist sicherer für die Menschen als ein Atomkraftwerk, das abgeschaltet ist!)

Damit beschäftigt sich auch der zweite Teil des Gesetzentwurfs zum Atomgesetz. Aber natürlich sind wir auch in der Wohlstandsgesellschaft darauf angewiesen und wir wünschen es gar nicht mehr anders, als dass der Strom ständig verfügbar ist. Wer möchte schon, dass wir tagelang Stromausfall haben.

(Heiterkeit bei der SPD – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Was soll das jetzt?)

Bis hierher habe ich die Gemeinsamkeiten zwischen uns vorgebracht; jetzt komme ich zu den zwei gravierenden Unterschieden.

(Glocke)

(unterbre- chend) : Etwas Ruhe bitte für die Rednerin.

– Sie haben gehört, die Präsidentin bittet um Ruhe.

Ich komme schon auf die zwei gravierenden Unterschiede, die Sie so gern diskutieren wollen. Einmal ist es der Zeitplan. Wir sehen unseren Zeitplan als realistisch an. Den Zeitplan, den die Opposition vertritt, sehen wir als visionär an.

(Wolfgang Beuß CDU: Unrealistisch!)

Die Bundesregierung hat aus dem Gutachten zum Energiekonzept geschlossen, dass der Weg zu den erneuerbaren Energien nicht in der Zeit des geplanten Atomausstiegs bewältigt werden kann, sondern dass wir noch mehr Zeit für den Strukturausbau brauchen und auch weitere finanzielle Mittel erforderlich sind.

Der zweite eklatante Unterschied liegt in der Finanzierung des Umbaus.

(Zuruf von Michael Neumann SPD)

Herr Neumann, Sie können sich nachher auch noch einmal melden.

(Michael Neumann SPD: Mach' ich gerne!)

Das habe ich mir gedacht.

Union und FDP wollen die Finanzierung über die Gewinnabschöpfung während der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke sicherstellen. Sie, Herr Neumann, und die SPD kritisieren, dies behindere den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ist eine starke Behauptung, die nicht nachgewiesen werden kann. Im Gegenteil, der Ausbau der erneuerbaren Energien ist der Bundesregierung ebenso wichtig wie Ihnen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ja, natürlich!)

Die Bundesregierung hat sich für den Ausbau des Anteils erneuerbarer Energiequellen am Stromverbrauch hohe Ziele gesteckt. Bis zum Jahr 2030 soll er auf 50 Prozent steigen, bis zum Jahr 2050 sogar auf 80 Prozent. Für diesen Ausbau sollen zum einen die Erlöse aus den CO2-Zertifikaten genutzt werden, zum anderen sollen dazu Gewinne aus den längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke beitragen. Und es werden über 60 Prozent der zusätzlichen Gewinne abgeschöpft.

Vielleicht stellt sich auch die Frage, inwieweit sich die SPD an Halbwissen aus der Presse orientiert

(Zurufe von der SPD: Oh!)

oder aber an einem neuen grünen Profil arbeitet.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Unterirdisch! – Michael Neumann SPD: Sie sind so ein net- ter Mensch, was reden Sie da?)

Wenn Sie das Energiekonzept richtig gelesen hätten, dann wäre der Antrag, den Sie diskutieren, relativ unnötig. Im Energiekonzept steht ausdrücklich, dass zum Sofortprogramm der Bundesregierung auch ein Kreditprogramm der staatseigenen KfW-Förderbank zum Ausbau der Offshore-Windenergie über 5 Milliarden Euro gehört. Weiter soll

das CO2-Sanierungsprogramm im Jahr 2011 um satte 500 Millionen Euro aufgestockt werden. Drittens legt die Bundesregierung aus dem Sondervermögen beim BMWI in Abstimmung mit dem BMU ab 2011 einen Energieeffizienzfonds auf, aus dem besondere Maßnahmen, wie zum Beispiel Energieund Stromspar-Checks für private Haushalte, aussagekräftige Energieausweise und vieles andere finanziert werden sollen.

Die Anträge der SPD und der LINKEN werden wir an den Umweltausschuss überweisen,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das wollen wir gar nicht!)