Protocol of the Session on September 29, 2010

Last but not least zeigt das Ganze – das ist besonders schockierend –, dass die Stadt heute mit diesen Vermietern, auch mit dem Vermieter Kuhlmann, nach wie vor Geschäfte macht. Nach wie vor ist es so, dass die Stadt für ALG-II-Empfänger Wohnungen von Kuhlmann anmietet. Warum ist das so? Der Mieterverein zu Hamburg, der von der

Behörde selber beauftragt worden ist, sich um diesen Bereich zu kümmern, spricht davon, dass die Stadt erpressbar geworden und dass es kein Wunder sei, wenn Herr Weise von der Arbeitsagentur sagt, er wäre froh gewesen, die Menschen überhaupt irgendwie unterbringen zu können.

Der Wohnungsbau in dieser Stadt ist jahrelang reduziert worden. Die öffentliche Unterbringung wurde um 7000 Plätze reduziert, öffentliche Förderungen und Bindungen sind weggefallen und die Leerstandsquote liegt bei einem Prozent. Das heißt natürlich, dass kaum noch Wohnraum für diese Menschen zur Verfügung steht. Wir als Parlament sind deswegen gefordert, uns nicht mit der Situation abzufinden, sondern zum einen gegen diese kriminellen Machenschaften von Vermietern vorzugehen und zum anderen dafür zu sorgen, neue Rahmenbedingungen festzulegen, die es ermöglichen, dass alle Menschen in Hamburg menschenwürdig wohnen können. Das muss unser Ziel sein im Parlament.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen freuen wir uns auf die Diskussion im Ausschuss – noch einmal unser Dank an GAL und CDU – und hoffen, dass wir diese gemeinsam und vielleicht auch mit dem einen oder anderen politisch Verantwortlichen führen können. Das sind wir der Stadt schuldig. Es wurde viel zu lange damit gewartet, dieses Problem wirksam anzupacken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr von Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine klare Aussage am Anfang: Wir dulden keinen Mietwucher und keinen Mietbetrug in dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Es wird von uns nicht geduldet, wenn sich Vermieter auf Kosten von Menschen in Not bereichern wollen – das geht nicht. Jedem Verdacht wird nachgegangen und nichts wird vertuscht, erst recht nicht, wenn ein Mitglied unserer Partei unter Verdacht gerät. Da schauen wir besonders genau hin, das ist doch klar.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der GAL)

Was Ihren Vorwurf betrifft, so ist das eine unseriöse Verquickung, um etwas zu skandalisieren, das so nicht stimmt.

(Michael Neumann SPD: Der Senat hat uns nicht die Wahrheit gesagt!)

Sie können auch nicht für jedes Mitglied Ihrer Partei die Hand ins Feuer legen. Es gehört wohl dazu,

(Dirk Kienscherf)

dass man auch einmal Leute dabei hat, die sich nicht so benehmen, wie man sich das vorstellt.

(Michael Neumann SPD: Absolut, aber dass der Senat nicht die Wahrheit sagt, das ge- hört nicht dazu!)

Wir haben einerseits Hamburg als wachsende Stadt mit einer steigenden Anzahl von Einwohnern, mehr Einpersonenhaushalten und mehr Quadratmetern pro Kopf; das ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Auf der anderen Seite haben wir das Wohnungsbauprogramm des Senats. Es ist in den letzten Jahren viel in die Sanierung von bestehendem Wohnraum investiert worden, auch das ist wichtig, damit der Wohnraum in der Stadt sich nicht verschlechtert. Wir haben im Bestand sehr viel verbessert. Das Problem liegt in meinen Augen darin, dass wir zu wenige kleine Wohneinheiten haben. Deswegen müssen wir darüber nachdenken, wie wir in diesem besonders nachgefragten Segment zusätzlich Wohnraum schaffen. Ich halte es zum Beispiel für eine gute Idee, geeignete Gebäude in Wohnheime für Lehrlinge umzuwandeln. Das würde auch dazu führen, dass sich die Situation in diesem Segment des Marktes entspannen würde.

Insgesamt haben wir 130 000 Haushalte, die Kosten der Unterkunft bezahlt bekommen. Das sind 193 000 Empfänger, für die 517 Millionen Euro werden aufgewendet werden. Diesen Hintergrund muss man sehen. Wir haben insgesamt ein vertrauensvolles Miteinander und sprechen hier über Einzelfälle, das muss man erst einmal klar machen. Es ist nicht zielführend, wenn wir alle Vermieter unter einen Pauschalverdacht stellen, die in einem bestimmten Bereich Wohnungen vermieten. Wir haben ein vertrauensvolles Miteinander und ich lege Wert darauf, das zu betonen. Man muss erst einmal vom Normalfall ausgehen und dann können wir über die Probleme sprechen.

Es gibt in Hamburg eine Fachanweisung zu den Kosten der Unterkunft, insofern sind Höchstwerte festgelegt. Außerdem beabsichtigt die Bundesregierung, den Bundesländern im Rahmen einer Verordnungsermächtigung lokale Regelungen zu ermöglichen. Hamburg ist entschlossen, diese rechtliche Möglichkeit zu nutzen, sodass wir dadurch wirksam überhöhten Mieten in kleinen Wohnungen entgegenwirken können. Das wird im Übrigen auch der Preissteigerung entgegenwirken. Wenn wir das im nächsten Jahr umsetzen, dann haben wir schon einmal ein wirkungsvolles Mittel.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Es ist mir wichtig, noch einmal den rechtlichen Rahmen zu betonen. Es gilt die Privatautonomie. Das heißt, der Berechtigte entscheidet selber, was er für eine Wohnung haben möchte. Er entscheidet, wo er wohnen möchte und er kann auch über

legen, welchen Standard er bevorzugt, ob er also eine etwas größere Wohnung mit einem etwas niedrigerem Standard wählt oder eine kleinere mit höherem Standard. Im Rahmen der Privatautonomie hat der Mieter eine Wahlfreiheit und keine staatliche Zuweisung. Das ist von uns ausdrücklich erwünscht – ich vermute, von Ihnen auch – und das ist auch sinnvoll. Wir wollen dort keine staatliche Bevormundung mit Zuweisungen oder Ähnlichem.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL)

Wenn Mängel auftreten, gibt es ein geordnetes Verfahren. Verdachtsfällen wird konsequent nachgegangen und es gibt gegebenenfalls Nachmessungen. Im Übrigen gibt es auch eine enge Zusammenarbeit mit den Mietervereinen. Es kommt zu Mietminderungen und zivilrechtlichen Verfahren, wobei in meinen Augen auch ein Vergleich Sinn machen kann, weil man dann relativ schnell zu einem Ergebnis kommt. Wenn wirklich Anhaltspunkte für einen Betrug vorliegen – wir haben über diesen Fall gesprochen –, kann es auch zu einem strafrechtlichen Verfahren kommen.

Der Senat hat die Vorkommnisse genutzt, Aufklärung zu betreiben und die Betroffenen zu informieren. Die Kooperationen mit dem Mieterverein zu Hamburg von 1890 und mit MIETER HELFEN MIETERN wurden intensiviert. Wenn ein Mieter Mängel feststellt, können die Kosten für das Verfahren durch die Mietervereine übernommen werden. Ich will insofern ausdrücklich dem Vorwurf entgegentreten, es sei ein Jahr vergangen und nicht gehandelt worden. So ist es nicht gewesen. In einem geordneten Verfahren ist allen Verdachtsfällen nachgegangen worden und sie sind auch abgearbeitet worden; das will ich ausdrücklich festhalten.

Zum Fall Kuhlmann. Auch in diesem Fall ist den Vorwürfen selbstverständlich nachgegangen worden. Zu dem freischwebenden Vorwurf, bei einem Parteimitglied werde nicht so genau hingeschaut, Stichwort Filz, ist natürlich genau das Gegenteil der Fall – man schaut besonders genau hin. Herr Kuhlmann ist kein Deputierter mehr, er hat das Mandat zurückgegeben. Es ist ein Strafverfahren eingeleitet worden und wir überwachen sehr genau, was dort weiter passiert. Auch in diesem Fall wurden die Mieter, von denen man angenommen hat, dass sie betroffen sind, angeschrieben, es gab Hausbesuche und Nachmessungen und dann ist Anzeige erstattet worden. Anschließend gab es die allgemeine Informationskampagne. Sie können also wirklich nicht den Vorwurf erheben, hier sei ein Jahr lang nicht gehandelt worden; das ist schlichtweg falsch.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Die Behörde, team.arbeit.hamburg und die betroffenen Bezirksämter, in denen auch der eine oder andere Sozialdemokrat ein Wörtchen mitzureden hat, haben richtig und angemessen gehandelt. Insofern sind die erhobenen Vorwürfe wirklich völlig haltlos. Im Übrigen hat es mit Herrn Kuhlmann nach einer genauen Überprüfung eine Übereinkunft gegeben. 110 000 Euro werden zurückbezahlt und Mängel werden beseitigt. Noch eines ist wichtig. Es wurde vorwurfsvoll gefragt, wie denn mit diesem Mann noch Geschäfte gemacht werden könnten. Dabei geht es um die Mieter, die in einer von ihm gemieteten Wohnung leben. Wollen Sie, dass die alle auf der Straße sitzen? Das geht doch gar nicht.

(Dirk Kienscherf SPD und Michael Neumann SPD: Neue, zusätzliche, Herr von Franken- berg!)

Insofern machen Ihre Vorwürfe keinen Sinn.

Ich sage ganz klar: Wir schauen genau hin, was passiert. Was das weitere Verfahren angeht, so haben wir einen Antrag und eine Große Anfrage von Ihnen vorliegen. Den Antrag finde ich nicht wirklich zielführend und die Große Anfrage ist ausreichend beantwortet. Ich will aber deutlich sagen, dass wir auf volle Transparenz setzen, damit nicht der Vorwurf im Raum stehen bleibt, es werde etwas vertuscht. Dieses Thema ist wichtig und wir sollten uns darüber austauschen, keine Frage. Deswegen sind wir für eine Überweisung. Wir haben keine Angst, diese Diskussion zu führen. Ich habe dargestellt, dass vernünftig gehandelt worden ist. Abschließend möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen: Hamburg duldet keinen Mietwucher und keinen Betrug. Verdachtsfällen wird sofort und unverzüglich nachgegangen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Lieven.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es darf keinen Mietwucher auf Kosten sozial Schwacher geben;

(Michael Neumann SPD: Überhaupt gar nicht!)

es muss alles getan werden, um dies zu verhindern. Ich denke, dass sieht niemand in diesem Hause anders.

Herr von Frankenberg hat deutlich gemacht, welche Dimension die Kosten der Unterkunft für eine Stadt wie Hamburg haben: 130 000 Haushalte werden von der Stadt finanziert, dafür werden 517 Millionen Euro aufgewendet. Das ist ein erheblicher Batzen im Hamburger Haushalt und diese Kosten steigen immer weiter an. Das ist auch eine

strukturelle Frage, wir haben eine Situation, in der kleine Wohnungen Mangelware sind.

Die Rahmenbedingungen sind bekannt: eine wachsende Zahl von Haushalten, Zuzug nach Hamburg und stagnierende Einkommen in den unteren Lohnsegmenten. Das Ergebnis ist ein erheblicher Nachfrageüberhang nach günstigen Wohnungen. Das führt dazu, dass die Anbieter die Preise und zunehmend auch die Konditionen bestimmen. Vor allem bei den Nachfragegruppen, die die schwächste Position haben, nutzen das einige schamlos aus und dem muss man einen Riegel vorschieben.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

In Hamburg gab es zu dieser speziellen Problemlage im Oktober 2009 erste Berichte. Damals vertrat man bei t.a.h. und den Behörden offensichtlich die Auffassung, dass es sich im Wesentlichen um Einzelfälle handele und nicht um eine systematische "Abzocke". Im Februar 2010 war man da schon deutlich weiter. t.a.h. und BSG sind gemeinsam zu der Einschätzung gekommen, dass dies ein größeres Problem sei, und haben wichtige, entschlossene und tiefgreifende Gegenmaßnahmen eingeleitet, nämlich eine großangelegte Überprüfungsaktion durch die t.a.h., die bis Mai 2010 107 Verdachtsfälle auf Mietwucher und Mietbetrug ergeben hat. Gegen drei Vermieter wurde Strafanzeige erstattet. Es wurden drei Zivilklagen eingereicht. Herr Kuhlmann, der schon früh in der Kritik stand, hat im Februar sein Mandat niedergelegt und Anfang März wurde Strafanzeige gegen ihn eingereicht. Auch die Bezirke sind tätig geworden und haben Mieter befragt, Bauakten verglichen und Kontrollmessungen durchgeführt und so über 20 Fälle aufgeklärt. Losgegangen ist dies mit ein wenig zeitlicher Verzögerung, um die Anzahl der Fälle und die Strukturen wirklich aufdecken und klar benennen zu können, welche Vermieter beteiligt sind. Das ist der Status, an dem wir heute angelangt sind. Herr Kuhlmann hat eine Sicherungsleistung von zunächst 110 000 Euro zugesagt. Wenn die Überprüfung ergibt, dass höhere Rückzahlungsforderungen an ihn zu richten sind, dann sind – so verstehe ich das – diese 110 000 Euro möglicherweise auch nicht auskömmlich.

Entscheidend ist, was jetzt weiter geschieht und wie künftig seitens t.a.h. und BSG mit Vermietern umgegangen wird, die Wohnungen an ALG-II-Empfänger vermieten, denn die angespannte Situation in diesem Marktsegment wird sich, egal, was man tut, kurzfristig sicherlich nicht auflösen lassen. Die BSG hat bekanntgegeben, dass von Vermietern die Einhaltung eines Verhaltenskodexes erwartet wird, nach dem Vermieter, bei denen Anzeichen darauf hindeuten, dass sie mietrechtliche, strafrechtliche oder KdU-Regularien verletzen, sich bereiterklären, vollständige Trans

(Egbert von Frankenberg)

parenz über die Größe der vermieteten Flächen herbeizuführen und die in Rede stehenden Flächen von der Behörde und einem durch den Vermieter beauftragten Architekten nachmessen zu lassen. Gemäß dem Kodex verpflichten sich Vermieter, die Bezirksämter und t.a.h. bei dieser Zustandsprüfung nach Kräften zu unterstützen und die Miete anzupassen, wenn die vom Mieterverein festgestellte Wohnfläche um mehr als 10 Prozent von der im Mietvertrag angegebenen Fläche abweicht, und die überzahlten Beträge sofort und vollständig zurückzuzahlen. Unabhängig von diesem Verhaltenskodex laufen bereits eingeleitete Strafverfahren weiter.

Damit leistet der Senat, was Sie in Punkt 1 Ihres Antrags fordern:

"…ein verbessertes Verfahren zum Schutz und zur Unterstützung von SGB-II-Leistungsempfängern bei Verdacht auf Mietbetrug".

Das ist aber nicht alles. Wenn sich Vermieter auf diesen Kodex verpflichten und es klare Regelungen gibt, wie mit festgestellten Abweichungen umzugehen ist, ist das nur der erste Schritt. Wichtig ist, dass es bereits seit 2003 eine Vereinbarung mit den Mietervereinen gibt, nach der jeder ALG-II-Bezieher den Mitgliedsbeitrag erstattet bekommt, wenn er Hinweise glaubhaft machen kann, dass es eine Mietpreisüberhöhung oder Mängel an seiner Wohnung gibt. Darüber ist aufgeklärt worden. Im Frühjahr sind 10 000 Plakate und Flyer in den Job-Centern und Sozialämtern aufgehängt beziehungsweise verteilt worden, um die Betroffenen darüber zu informieren, dass sie das Recht haben, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Herr Kienscherf, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Vermieter zum Teil mit Kündigungen reagieren, wenn Mieter Mietminderung geltend machen. Da ist natürlich das privatwirtschaftliche Vertragsverhältnis zu sehen, in dem Mieter und Vermieter stehen. Es ist eine unmögliche Reaktion, wenn Vermieter, denen Mängel an der Mietsache oder überhöhte Mieten nachgewiesen werden, ihre Mieter vor die Tür setzen, anstatt einzuschwenken und zu fairen Bedingungen zurückzukehren. Aber das kann vonseiten der Stadt zunächst nicht anders abgefangen werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt wird sein, zu einer besseren Vor-Ort-Kontrolle, einer Art aufsuchenden Überprüfung zu kommen. Im vergangenen Jahr hat das bereits stattgefunden. Der Betreuungsdienst der ARGE ist in Marsch gesetzt worden und hat Wohnungen kontrolliert, aber seine Kapazitäten sind begrenzt. Wenn man das in Zukunft ernsthaft und konsequent weiterführen und eine wirksame Kontrolldichte erreichen will, wird man zusätzlich etwas tun müssen. Die BSG erwägt offensichtlich, dies mit eigenen Kräften zu unterstützen. Das ist ein wichtiger Schritt. Hier sollte aber

auch die Wohnungspflege in den Bezirken eingebunden werden, schließlich ist dies zu einem guten Teil ihre Aufgabe. Wir sollten uns diesen Aspekt im Ausschuss noch einmal genau anschauen und erörtern, damit aus diesen drei Elementen – Vereinbarung mit den Vermietern, Unterstützungsangebot für Mieter und nachlaufende Kontrolle – ein wirksames Konzept wird. Damit kann man zuversichtlich sein, in Zukunft eine bessere Situation und eine Eindämmung zu erreichen. Dass sich die Probleme durch öffentliches Handeln komplett werden lösen lassen, erwarte ich nicht, und auch Sie werden realistischerweise nicht erwarten, dass nun alle Vermieter automatisch auf dem Pfad der Tugend wandeln. Wir müssen die Situation sehr genau im Auge behalten, weil sie strukturell so ist, wie ich es eingangs genannt habe.