Protocol of the Session on September 29, 2010

Wenn wir uns darauf in Zukunft verlassen würden, dann kämen wir mit der Haushaltssanierung durchaus nicht voran. Mich erinnern die Beiträge von Herrn Kerstan und Herrn Goldberg heute an zwei Jahre Haushaltsdebatten,

(Ingo Egloff SPD: Das ist kreative Buchfüh- rung!)

in denen ein Finanzsenator mit großen Worten einen ausgeglichenen Haushalt lobt, während die Haushaltsunterlagen schwarz auf weiß Milliardendefizite aufweisen. So ist es auch heute mit dem angeblichen Konsolidierungsprogramm. Herr Kerstan, wenn Kürzungen nicht zu einer Absenkung der Ausgaben führen, dann ist das keine Konsolidierung, sondern eine millionenschwere Umverteilung. Ihre Kürzungen bei Beschäftigten und Studierenden, bei Museen, Theatern und Bücherhallen sollen unter dem Vorwand des Sparens durchgesetzt werden, um Schwarz-Grün neue Spielräume zu geben für Projekte, die die Stadt nicht braucht und die wir im November erfahren, wenn Sie uns mit monatelanger Verspätung Ihre Haushaltspläne endlich vorlegen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Genau!)

Mit Konsolidierung und verantwortungsvollem Sparen hat das nichts zu tun. Der Senat hat einen Haushaltsplan 2011 beschlossen, in dem die Gesamtausgaben im Vergleich zur bisherigen Finanzplanung um keinen Euro gesenkt wurden. Die CDU behauptet nun, die Opposition habe sich auch da verrechnet. Deshalb nenne ich Ihnen noch mal die Zahlen. In der Finanzplanung vom vergangenen Jahr, das ist die Drucksache 19/4919, waren Gesamtausgaben von 10,99 Milliarden Euro für das Jahr 2011 geplant. Der Senat hat am vergangenen Mittwoch Gesamtausgaben für das Jahr 2011 in Höhe von 10,99 Milliarden Euro beschlossen. Die Zahlen sind identisch, da kann man sich gar nicht verrechnen, weil man gar nicht rechnen muss. Verrechnet haben wir uns an einer anderen Stelle. Wir haben nicht damit gerechnet, dass Sie einen Finanzsenator entlassen, mit wichtiger Miene verkünden, dass es nun ein Ende habe mit Buchungstricks und Defiziten und dann nach wochenlangen Sparkommissionen und drei Tagen Haushaltsklausur beschließen, die Kassenführung genauso fortzusetzen, wie es der vorherige Finanzsenator Freytag geplant hat. Herzlichen Glückwunsch, das ist historisch wirklich einmalig.

(Beifall bei der SPD)

(Präsident Dr. Lutz Mohaupt)

Das mag eine gute Politikshow gewesen sein, aber für die Entwicklung des Gesamthaushaltes ist es fatal. Sie haben im vergangenen Jahr 1 Milliarde Euro Schulden gemacht, Sie werden im laufenden Haushaltsjahr 2 Milliarden Euro zusätzliche Kredite aufnehmen und planen für die kommenden zwei Jahre noch einmal ein Defizit von 2,5 Milliarden Euro. Das bedeutet, wenn Schwarz-Grün 2012 abgewählt werden sollte, haben Sie vier Jahre regiert und werden 5,5 Milliarden Euro Schulden hinterlassen.

(Rolf Harlinghausen CDU: Keine Angst, das passiert nicht!)

Nur ein Teil davon ist von der Konjunktur verursacht, der Rest ist das Ergebnis einer unsoliden Finanzpolitik der CDU, die von Schwarz-Grün verschärft fortgeführt wird.

Wenn wir schon über Konsolidierung und Haushaltssanierung reden, dann sollten wir die Aktuelle Stunde auch nutzen, um ein paar Zahlen nachzutragen, die der Senat auf seiner bühnenreifen Pressekonferenz vergessen hat zu erwähnen. Welche bereinigten Betriebsausgaben plant der Senat für die kommenden zwei Jahre, Herr Frigge, denn darauf bezieht sich der Begriff Konsolidierung, und wie hoch ist das geplante Finanzierungsdefizit in diesem Jahr? Vielleicht kann uns der Herr Finanzsenator mit diesen Zahlen aushelfen, damit wir noch besser beurteilen können, ob es sich hier um eine Konsolidierung handelt oder um eine millionenschwere Umverteilung zulasten der Beschäftigten, der Kultur und der Studenten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie haben wieder einen genialen Aufschlag versucht, indem Sie das völlig umdrehen und sagen,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

die Opposition sei für Ihr Chaos verantwortlich. Das finde ich angesichts der letzten Monate schäbig.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Herr Kerstan, das ist einfach unter Ihrem Niveau, um es einmal deutlich zu formulieren.

(Jens Kerstan GAL: Das habe ich nicht ge- sagt, ich habe von Ihnen doch gar nicht ge- redet! – Arno Münster SPD: Nee, das stimmt nicht! – Ingo Egloff SPD: Das ist genau sein Niveau!)

Sie haben seit der Regierungserklärung im Juni immer wieder gesagt, Sie würden Schluss machen

mit "Wünsch dir was" und zum Notwendigen übergehen. Sie haben bis heute und auch auf dieser bühnenreifen Pressekonferenz nicht einen einzigen Punkt genannt, was denn das "Wünsch dir was" war in der Vergangenheit, von dem Sie sich distanzieren wollen. Nichts haben wir in dieser Hinsicht gehört. Stattdessen präsentieren Sie uns über 300 kleine Sparprogramme und alles sei, wie Sie gesagt haben, notwendig und im Prinzip könnten Sie kaum auf irgendetwas verzichten. Aber – und das werfe ich Ihnen vor – es ist nicht nur so, dass Sie das nicht erklären, sondern Sie wissen es besser. Wenn Sie sich Ihren Stabilitätsbericht anschauen, den auch dieses Bundesland zum 15. September in Berlin einreichen muss, dann wissen Sie natürlich, was das Problem in dieser Stadt ist. Sie haben weniger Steuereinnahmen, und zwar zu zwei Dritteln durch die Steuersenkungspolitik in Berlin und zu einem Drittel aufgrund der großen, schweren Wirtschaftskrise.

(Thies Goldberg CDU: Sie wissen, dass das Quatsch ist!)

Genau darüber müssten Sie reden und dann können Sie hier nicht sagen, wir werden das alles umsetzen, denn was hat der vorige Finanzsenator gesagt, als er mit diesem letzten Steuersenkungsvorgang, dem Wachstumsstabilisierungsgesetz, konfrontiert war? Mit dem Fett der Länder würden nicht die Koteletts des Bundes gebraten. Und was machen Sie jetzt? Sie braten am laufenden Meter und das Fett holen Sie sich aus der Bevölkerung, die das eigentlich nicht abgeben kann.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Über die zweite Seite, Herr Goldberg, müssten wir auch einmal reden, aber das verweigern Sie. Die zweite Seite neben dieser unsäglichen Steuersenkungspolitik ist, dass der Bund immer Vorreiter darin ist, Aufgaben auf die Bundesländer und Kommunen abzuwälzen. Auch da hat Herr Freytag ganz eindeutig gesagt, man werde darauf achten, dass sich die vom Bund beschlossenen Gesetze nicht überproportional zulasten der Länderhaushalte auswirken. An beiden Punkten haben Sie nichts gemacht. Sie haben keine Initiative unternommen, obwohl die Opposition Ihnen immer wieder gesagt hat, dass Sie über den Bundesrat vorstellig werden müssten. Sie haben das verweigert und insofern können Sie auch künftig Steuersenkungspolitik und Aufgabendelegation an die Länder dann hier versuchen, über solche sogenannten Konsolidierungsprogramme umzusetzen. Haben Sie überhaupt Alternativen? Und das finde ich nun das Größte an diesem Sparpaket. Seit Beginn der Legislaturperiode rechnen wir Ihnen vor, dass durch Steuerfahndung ein Steuermehraufkommen von über 800 Millionen Euro möglich wäre, was Sie nicht ausschöpfen. Sie machen jetzt den Vorschlag, nachdem Sie in dem Bereich fast 100 Beschäftigte abgebaut haben, sechs Steuerfahnder

(Dr. Peter Tschentscher)

mehr einzustellen, und mit sechs Steuerfahndern wollen Sie in zwei Jahren 6,2 Millionen Euro Mehreinnahmen haben. Wir haben immer gesagt, dass das ein Riesendefizit ist. Da brauchen Sie nicht nach Berlin zu gehen, das können Sie hier vor Ort wirklich verändern.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Letzte Bemerkung zu den Beamten und dem öffentlichen Dienst. Ich finde es wirklich ärgerlich, Herr Kerstan, dass Sie sich billig populistisch dranhängen und sagen, der öffentliche Dienst und die Beschäftigten seien im Grunde die Made im Speck. Was hat denn gerade diese Regierungskoalition zu verantworten? Sie hat vorweggreifend einen Pensionsfonds, einen Versorgungsfonds, eingerichtet und ihn mit Aktien der HSH Nordbank ausgestattet. Und was ist nun? Sie müssen 1 Milliarde Euro abschreiben und stehen jetzt vor der Notwendigkeit, den Beamten auch noch zu verkünden, dass Sie ihnen irgendwann auch die Altersversorgung anknabbern werden. Das ist Ihre soziale Ader, das ist Chaos, was Sie hier machen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Sie sollten endlich den Mut finden, die Stadt von dieser Regierung zu befreien. Das können Sie eigentlich nur durch Neuwahlen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Senator Frigge.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bischoff, ich freue mich, dass Sie sich so engagieren in dieser Frage.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Er ist Beamter!)

Ich hätte mich noch mehr gefreut, wenn Sie sich auch in der Diskussion konstruktiv stärker eingebracht hätten und der Situation, dass wir eine Trendwende eingeleitet haben und einen neuen Weg in diesen Fragen beschreiten, mehr Rechnung getragen hätten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL – Dr. Monika Schaal SPD: Das Echo ist ja mager!)

Herr Tschentscher, Sie haben gesagt, Sie möchten Zahlen nachtragen. Dann will ich auch nicht verhehlen, dass es noch einige Zahlen gibt, die hier ausgesprochen werden müssen in dem Zusammenhang, und zwar insbesondere zur Frage der Verschuldung. Wir haben 1990 umgerechnet 10 Milliarden Euro Schulden gehabt, das war das Ergebnis einer langen Zeit der SPD-Regierung. Das sind 130 Prozent des Haushaltsvolumens. Wir haben im Jahr 2000 17 Milliarden Euro Schulden gehabt, das sind 185 Prozent des Haushaltsvolumens. Und wir haben heute 200 Prozent des

Haushaltsvolumens als Verschuldung. Natürlich ist das mehr, aber schauen Sie sich einmal diese 15 Prozent Aufwuchs in der Zeit, verglichen mit all dem, was wir geerbt haben, an. Wir haben eine sehr schwere Last zu tragen und stellen uns dem.

(Ingo Egloff SPD: Dann rechnen Sie einmal dagegen, was Sie verkauft haben!)

Wir haben Schulden in dieser Stadt, das ist gar keine Frage und davor verschließen wir auch nicht die Augen. Wir sind immer noch in einer Situation, in der wir 1,5 Millionen Euro pro Tag mehr ausgeben, als wir einnehmen. Aber ich darf darauf hinweisen, dass Bürgermeister Runde 2,2 Millionen Euro jeden einzelnen Tag mehr ausgegeben hat, als er eingenommen hat.

(Ingo Egloff SPD: Das ist schon traurig, dass man sich nach zehn Jahren noch auf so et- was beziehen muss! – Dr. Andreas Dressel SPD: Wen interessieren solche Zahlenspie- le?)

Das sind 42 Prozent mehr als heute. Und in der letzten Legislaturperiode von Herrn Voscherau waren es 2,8 Millionen Euro pro Tag mehr, also mehr als 80 Prozent gegenüber der heutigen Situation.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Wir haben 556 Millionen Euro mehr Anmeldungen zur Haushaltsaufstellung 2011/2012 gehabt, als wir in der Drucksache 19/4919 dargestellt haben. Wir haben uns im Mai dieses Jahres das Ziel gesetzt, diese Summe nicht zu überschreiten, sondern genau diesen Betrag einzusparen, und exakt das haben wir getan.

(Michael Neumann SPD: Das ist doch lä- cherlich!)

Wir haben einen Haushalt vorgelegt, der sich exakt in den Eckwerten unserer mittelfristigen Finanzplanung bewegt, und insofern, lieber Herr Tschentscher, ist es auch in der Tat keine so große Überraschung, dass die beiden Werte übereinstimmen.

(Ingo Egloff SPD: Gut, dass Sie noch einmal sagen, dass Sie eigentlich nicht sparen!)

Das war unser Ziel, das haben wir erreicht und das war ein schweres Stück Arbeit. Wir haben es in einer Art und Weise erreicht, in der wir sehr viele törichte Maßnahmen, die von den verschiedensten Seiten vorgeschlagen worden sind, eben gerade nicht verwirklicht haben, in der wir nicht in die sozialen Netze eingeschnitten haben, in der wir nicht in die Kita-Versorgung eingeschnitten haben, in der wir viele dieser Dinge nicht getan haben, sondern sehr ausgewogen agiert haben und auch viele Themen angegangen sind, die man nicht mit einem schnellen Fingerschnipsen in Hamburg umsetzen kann. Natürlich hätte es auch Konsolidierungsmaßnahmen gegeben, die man schneller hät

(Dr. Joachim Bischoff)

te umsetzen können, aber es ist eben so, dass die schnelle Haushaltswirkung alleine nicht unser Kriterium ist. Wer den Haushalt um große Summen verantwortlich konsolidieren will, der muss auch den Mut haben, dicke Bretter zu bohren und Maßnahmen in Angriff nehmen, für die Zeit und sicher auch eine Menge Schweiß investiert werden muss.