[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Auswirkungen der Videoüberwachung, insbesondere der Reeperbahn – Drs 19/102 (Neufassung) –]
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch im zweiten Jahr der Videoüberwachung auf dem Kiez ist die Kriminalität im überwachten Bereich auf St. Pauli angestiegen. Wir haben die Zahlen aus der Großen Anfrage vorliegen. Steigerungen gehen insbesondere auf das Konto von Gewalt- und Körperverletzungsstraftaten. Diese – und auch das zeigt die Anfrage – nehmen in St. Pauli insgesamt zu, im überwachten Bereich aber auch im nicht videoüberwachten Bereich. Die Zahlen zeigen damit – und das ist auch unsere Interpretation und unsere Auswertung –, dass die Gewalt auf dem Kiez trotz Videoüberwachung und Messerverbots immer noch auf dem Vormarsch ist. An der Stelle ist es vielleicht einmal ganz interessant, ein bisschen zu schauen, was dazu vorher von dem Herrn Innensenator prophezeit wurde, als er noch innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion war und hier vorne neben Herrn Warnholz saß. Da kann man einmal ein bisschen in die Archive schauen. Am 5. Dezember 2005 sagte Herr Ahlhaus:
"Ich gehe jedoch davon aus, dass mit dem präventiven Einsatz der Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten eine Vielzahl von Straftaten verhindert werden kann …"
"Es hat nie jemand behauptet, dass durch den Einsatz von Videoüberwachung die Gewalttaten zurückgehen."
Siehe da, das ist doch ein bemerkenswerter Wandel. Herr Ahlhaus, den sollten Sie an dieser Stelle vielleicht doch einmal erklären.
Ohne wirklich sichtbare Polizeipräsenz können die eingeleiteten Maßnahmen nicht greifen. Diese Präsenz muss gehalten und durchaus an einigen Stellen auch noch ergänzt werden. Leider ist zu befürchten, dass aufgrund der wieder schrumpfenden Polizei, die wir in Hamburg leider haben, der Hamburger Polizei schlichtweg das Personal dafür fehlt. Auch deswegen ist es interessant, Herr Ahlhaus, was Sie neulich gerade im "Hamburger Abendblatt" gesagt haben. Sie haben gesagt, die Haushaltslage sei ganz schwierig und Sie hätten ehrgeizige Haushaltsziele und deshalb gebe es kein zu
sätzliches Polizeipersonal. Der interessante Punkt ist doch: Es geht nicht nur darum, dass es nichts zusätzlich gibt, sondern es geht die ganze Zeit bergab mit den Polizeistellen. Die Zahlen bis 2012: Fast 300 Polizeivollzugsstellen weniger in dieser Stadt. Das wird auf dem Kiez und an anderen Stellen dieser Stadt fehlen. Auch das müssen Sie der Öffentlichkeit erklären, Herr Ahlhaus.
Dazu kommen auch noch Sachen, die nicht unmittelbar mit den Polizeivollzugsstellen zusammenhängen, nämlich die Personalengpässe im Objektschutz. 68 Polizeivollzugsbeamte müssen jeden Tag aus den Kommissariaten abgezogen werden, um im Objektschutz auszuhelfen, den eigentlich Angestellte im Polizeidienst durchführen sollen, 68 Beamte, während die Schichtstärke im Bereich der Davidwache selbst 15 Beamte beträgt. Das allein macht die Dimension deutlich und Sie sollten an der Stelle, wenn Sie schon nicht auf uns hören, jedenfalls auf das hören, was die Polizeigewerkschaften Ihnen zu diesem Punkt ins Stammbuch geschrieben haben.
Andere Zahlen machen stutzig: Die Zahl der ausgelösten Einsätze durch die Videoüberwachung ist von 271 im ersten Jahr auf 162 abgesunken. Das sollte doch eigentlich immer Ihr Erfolgskriterium sein, was die Videoüberwachung bewirkt. Da ist unser Motto: Es reicht eben nicht, Kriminalität zu beobachten, sie muss auch bekämpft werden. Deshalb ist auch dieser Rückgang, der in Ihrem Verantwortungsbereich liegt, absolut erklärungsbedürftig. Auch dazu erwarten wir eine deutliche Ansage von Ihnen.
Zu der Frage, wie es weitergeht und an welchen Stellen auch wir der Meinung sind, dass das Konzept weiter ergänzt werden muss, wird der Kollege Grote, der selber aus St. Pauli kommt, gleich noch etwas sagen: Stichwort Alkoholmissbrauch, aber auch weitere polizeiliche Instrumente: Hannover macht zum Beispiel mit dem Aufenthaltsverbot für aktenkundige Gewalttäter in bestimmten Innenstadtbereichen gerade neue Erfahrungen. Dazu muss es sicherlich Ergänzungen geben.
Es ist doch einmal interessant, was die Koalition sich in diesem Bereich vorgenommen hat. Wir machen alle im Moment Erfahrungen damit, dass wir schauen, was dazu eigentlich im Koalitionsvertrag steht und was Sie sich dazu vorgenommen haben. Sie haben dazu ein Evaluationsjunktim hineinformuliert. Wir sind doch sehr gespannt, was dabei angesichts der doch sehr durchwachsenen Zahlen eigentlich herauskommen wird, wenn Sie das mit der Wirklichkeit vergleichen und versuchen, zwischen dem einen und dem anderen an dieser Stelle auch irgendwie zu einer Einigung zu kommen, und wie das weitergehen soll. Denn die CDU hat
gesagt, sie stehe uneingeschränkt zu dem Konzept. Da sei nichts mehr nachzubessern. Die GAL hat dazu Nein gesagt. Dann ist natürlich die Frage, wie an dieser Stelle die Lösung aussehen soll. Ich möchte dazu am besten Ihre Erinnerungen, Frau Möller, auch noch einmal ein bisschen wachrütteln, was sie in der letzten Wahlperiode alles gesagt haben, etwa zum Thema "Alle stehen unter Tatverdacht":
Dann hat Herr Dr. Steffen gesagt – auch das ist eine interessante Äußerung –, die Reeperbahn halte eine Zone vor, wo die Leute unbefangen sein könnten und nicht beobachtet werden sollten. Hamburg fahre gut damit, dieses Bedürfnis nicht zu verschrecken.
"Statt in teure und nutzlose Technik hätte das Geld lieber für eine Verstärkung des Personals an Schwerpunkten der Kriminalität eingesetzt werden sollen."
Hört, hört. Davon ist an der Stelle jetzt nichts mehr zu hören. So viel zu dem Thema, wie vorher die Ansage war. Frau Möller, wir sind doch sehr gespannt, was Sie dazu sagen wollen. Die Frage ist: Wie soll ein Kompromiss zwischen dem Ja von der einen Seite und dem Nein von der anderen Seite, das ich noch einmal deutlich gemacht habe, aussehen? Offenbar – das mit den faulen Kompromissen und den Formelkompromissen hatten wir an anderer Stelle auch schon – sind Sie an dieser Stelle so vorgegangen: Wenn der eine Ja sagt und der andere Nein, dann googelt man nach einer Kompromisslösung. Man schaut einmal und gibt bei Google Videoüberwachung ein und siehe da, da kommt irgendetwas aus Zürich heraus. Ich habe das einmal nachgeschaut: Da schreibt der Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich über Alternativen. Das hatte Eingang in Ihren Koalitionsvertrag gefunden. Sie können das gleich gerne einmal näher erläutern.
(Antje Möller GAL: Das war schon ein An- trag in der letzten Legislaturperiode! Das hätten Sie schneller finden können als bei Google!)
Jetzt geht es darum, Frau Möller, was Sie hier konkret als Regierungsfraktion machen, was Sie hier mit einbringen und was Sie an der Stelle in
den Koalitionsvertrag hineinschrieben haben. Ich nehme nicht an, dass diese Zürich-Variante von Herrn Voet van Vormizeele oder Herrn Ahlhaus kommt. Das kommt von Ihnen und wir wollen dann schon einmal sehr genau schauen, was an der Stelle drinsteht. Insofern lohnt es sich: Videoüberwachung durch öffentliche Organe, Empfehlungen und Checkliste, Datenschutzbeauftragter Kanton Zürich.
Darin werden Alternativen zur Videoüberwachung genannt, also was man sonst so machen könnte. Einige sind doch sehr interessant:
Da fragt man sich – die Reeperbahn ist vermutlich eine der am hellsten ausgeleuchteten Straßen, die wir auch nachts in Hamburg haben. Insofern: Zusätzliche Lampen werden es an der Stelle vermutlich nicht tun.
Sie haben an anderer Stelle noch gesagt, 25 Millionen Leute seien dort unterwegs. Da fragt man sich: Werden Bewegungsmelder an der Stelle die Kriminalität reduzieren? Das weiß ich nicht. Dann kommt noch:
Das ist auch interessant, weil Sie sonst beim öffentlichen Gewaltmonopol immer der Meinung waren – und da sind wir mit Ihnen total einer Meinung –, das sollten gefälligst Polizisten und Polizeibeamte machen und nicht irgendwelche Leute von privaten Sicherheitsdiensten. Das kann es wohl auch nicht sein. Dann kommt noch:
Herr Grote, da haben Sie örtliche Kenntnis. Ich glaube, ein paar Notrufsäulen oder zumindest Telefone sind dort vorhanden. Das ist es auch nicht. Dann ist der beste Punkt als Alternative:
Ja, das ist doch sehr interessant. Ich glaube, an der Belebung liegt es auf der Reeperbahn nicht. Deswegen müssen Sie schon einmal sehr deutlich sagen, was Zürich in diesem Zusammenhang soll. Das ist Ihnen in den Koalitionsverhandlungen irgendwie ein bisschen durch die Lappen gegangen. Da waren Sie so besoffen davon,
dass es jetzt gemeinsam ins Koalitionsbett geht, dass Ihnen an der Stelle solche Sachen schlicht durchgerutscht sind.
Deshalb ist unsere Erwartung, dass Sie neben den Varianten, die Sie bisher zwischen den vorherigen Erklärungen genannt haben, hier einmal etwas dazu vorlegen, wie das angesichts der durchwachsenen Zahlen weitergehen soll. Für uns ist klar: Faule Kompromisse zulasten der Sicherheit der Hamburgerinnen und Hamburger und der vielen Besucher auf dem Kiez werden wir sehr deutlich ansprechen. Darauf können Sie sich verlassen. Bisher ist das eher peinlich, was Sie zu dem Punkt aufgeschrieben haben. Deshalb erwarten wir jetzt Ihre Antwort und Ihre Vorschläge. – Vielen Dank.