Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mit dem letzten Wort von Herrn Dr. Dressel anfangen. Peinlich war ein bisschen das, was Sie gerade vorgetragen haben, verehrter Herr Kollege,
insbesondere, wenn Sie denn beginnen, aus diesem Papier des Datenschutzbeauftragten aus Zürich zu zitieren. Übrigens: Diese Checkliste hat acht Seiten. Offensichtlich reicht es bei Herrn Dr. Dressel nur zum Lesen der ersten Seite.
Da kommt nämlich eine ganze Reihe von sehr interessanten Dingen, die jenseits dessen liegen, was man als Checkliste vor einer Videoüberwachung machen kann. Wir haben uns in der Tat, Herr Dr. Dressel, darauf geeinigt, dass wir für die Videoüberwachung eine Evaluierung vornehmen werden. Und das werden wir auch tun, so steht es im Koalitionsvertrag. Das hat nichts damit zu tun, dass irgendjemand – wie sagten Sie so schön – besoffen war. Das schafft man bei Apfelsaft auch relativ selten. Es geht darum, dass wir mit der Videoüberwachung ein Stilmittel und eine polizeilichtaktische Maßnahme haben, das ein wichtiger Baustein und ein wichtiger Bestandteil der Inneren Sicherheit ist, nicht mehr und nicht weniger.
Wenn Herr Dr. Dressel davon spricht, wir hätten einen faulen Kompromiss geschlossen: Ich glaube, Herr Dr. Dressel, Sie hätten auch einmal eine kurze Ausführung zu der Koalitionsvereinbarung Ihrer Partei in Hamburg-Mitte machen sollen und dazu,
was darin zur Videoüberwachung steht. Denn dort haben Sozialdemokraten gerade vereinbart, dass die Videoüberwachung auf dem Hansaplatz abgeschafft werden soll. Ich finde interessant, dass das darin steht. Dazu hätten Sie sich heute auch einmal erklären können, statt große Worte über Videoüberwachung in dieser Stadt zu machen.
Ich will aber noch einmal eins ganz deutlich machen: Videoüberwachung ist ein Baustein der inneren Sicherheit, nicht mehr und nicht weniger. Videoüberwachung wird niemals Polizeibeamte ersetzen. Das war nicht so geplant und wird auch nicht so sein. Wenn sich hier ein Sozialdemokrat wie Herr Dr. Dressel hinstellt und den vermeintlichen Abbau von Polizeistellen in Hamburg geißelt, dann hat das schon einen sehr faden Geschmack. Ein Vertreter einer Partei, die für den größten Personalabbau in der Hamburger Polizei seit Jahrzehnten verantwortlich gewesen ist, hat wahrlich kaum das Recht, solche Sachen zu behaupten.
Haben Sie denn Kenntnis davon, dass der Rückgang der Polizeivollzugsstellen bis 2012 fast 300 betragen wird?
– Ich habe davon Kenntnis, verehrter Kollege, Herr Dr. Dressel, dass die Sozialdemokratie in dieser Stadt Polizeistellen in mehrfach deutlich höherer Zahl abgebaut hat. Insofern hätten Sie sich dazu einmal bekennen sollen. Das, was dieser Senat an Innerer Sicherheit in Hamburg geschaffen hat, ist vorbildlich und für Sozialdemokraten in dieser Art und Weise bisher unerreichbar gewesen.
(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Jetzt fehlt nur noch die Haupt- stadt des Verbrechens!)
Wir werden die Videoüberwachung weiterhin in Hamburg einsetzen. Darüber ist sich die Koalition grundsätzlich einig. Wir werden aber in jedem einzelnen Fall zu prüfen haben, ob das erstens aus rein polizeitaktischer Sicht sinnvoll und angemessen ist. Und wir werden natürlich, weil das in jedem Rechtsstaat so üblich ist, die rechtsstaatlichen Gebote für eine solche Videoüberwachung einzuhalten haben. Wir wollen und werden keine Verhält
nisse haben wollen wie in London, wo wir, glaube ich, derweilen bei 30 000 Kameras und einer Flut von Bildern liegen. Das ist nicht sinnvoll und es ist auch nicht das, was wir in Hamburg wollen. Wir werden Videoüberwachung nach der gesetzlichen Lage dort einsetzen, wo wir Schwerpunkte haben und wo wir der Auffassung sind, dass wir diesen Schwerpunkten zum Teil auch mit der Videoüberwachung besser Herr werden können. Wer meint, er könne Zahlenmaterial heranziehen und sagen, die ganze Videoüberwachung sei ein Flop und das bringe alles gar nichts, der irrt ganz gewaltig. Denn alles, was wir in diesen polizeilichen Fallzahlen nicht erfassen können, ist natürlich allein schon einmal der präventive Charakter einer solchen Videoüberwachung. Wer auf St. Pauli – auf dem Kiez – ist, wird überall die Schilder sehen. Jeder weiß inzwischen, dass dort videoüberwacht wird. Glücklicherweise können wir noch nicht die Straftaten zählen, die nicht begangen worden sind, weil sie eben durch eine Videoüberwachung im präventiven Bereich verhindert worden sind. Das, glaube ich, ist auch ganz wichtig.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal sagen: Sie haben zum vierten oder fünften Mal versucht, darzustellen, die schwarz-grüne Koalition könnte ein solches Problem nicht lösen. Ich verspreche Ihnen, Herr Dr. Dressel: Wir werden das in aller Ruhe und in aller Gelassenheit miteinander besprechen und wir werden gute Lösungen für Hamburg, für die Innere Sicherheit in dieser Stadt und aber auch für die Bedürfnisse, die eine rechtsstaatliche Ordnung in einer solchen Stadt erfordert, finden. Wir werden auch weiterhin die Videoüberwachung dort einsetzen, wo es rechtsstaatlich und polizeitaktisch geboten ist, nicht mehr und nicht weniger. Darüber dürfen Sie sich gerne aufregen. Aber seien Sie sicher: Die Probleme, die vorhanden sind, lösen wir gemeinsam.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Dressel, wissen Sie, was in Ihrer Innenpolitik noch nie eine Rolle gespielt hat, sind die Grundrechte, die Privatsphäre und die Freiheit, die wir in diesem Land haben, weder bei der Debatte um das Polizeigesetz noch bei der nicht zum ersten Mal stattfindenden Debatte um das Thema Videoüberwachung. Jetzt habe ich gedacht, wir könnten an dieser Stelle tatsächlich noch einmal, sagen wir einmal, in die gleiche Richtung argumentieren, nämlich uns darüber einig sein, dass präventive Videoüberwachung keine Wirkung hat und die Grundrechte eingeschränkt werden. Aber an der Stelle – der erste Satz hat noch gestimmt – sind Sie dann abgewichen und waren plötzlich schon wieder bei den Stellen der
Polizei. Ich sage noch einmal das, was ich gestern schon gesagt habe. Sie haben in dem Koalitionsvertrag Ihre politischen Punkte gesucht und wir haben unsere politischen Punkte hineingeschrieben. Das ist der Unterschied. Deswegen kommt es im Bereich Videoüberwachung auch zu einer Formulierung, an der sich tatsächlich Schwarz und Grün getroffen haben, nämlich an der Erkenntnis,
dass sie so, wie sie jetzt eingesetzt wird, einerseits die Grundrechte tangiert und andererseits nicht den Erfolg hat, den sich – das haben Sie auch schön dargestellt – die CDU immer davon versprochen hat. Im Übrigen, das Thema Züricher Modell: Es war ein bisschen schwach, dass Sie es googeln mussten. Wir haben in der letzten Legislaturperiode diesen Antrag eingebracht und zu diesem Züricher Modell hatten wir auch schon eine Debatte im Parlament.
Da haben Sie lange und ausführlich – ich hätte doch das Protokoll mitbringen sollen – auch mit uns darüber gestritten. Da ist Ihnen die Idee mit den Bewegungsmeldern noch gar nicht gekommen. Ich gebe zu: Das war jetzt ein bisschen lustiger als damals. Aber bei der Auseinandersetzung darüber, inwieweit eigentlich die Einschränkung der Grundrechte – und die geschieht durch Videoüberwachung – dann erstens evaluiert werden muss, zweitens Kriterien unterliegen muss und drittens auch geprüft werden muss, ob es alternative Maßnahmen gibt, waren wir uns damals schon nicht einig. Das sind wir uns heute auch nicht, aber es gibt den politischen Konsens in diesem Haus, dass genau nach diesem Verfahren vorgegangen wird, und wir werden sehen, was das Ergebnis ist. Das ist weder eine Bestandsgarantie für das, was jetzt überwacht wird, noch ist es ein tatsächliches Nein zu neuen Maßnahmen. Es geht schlicht und einfach um Kriterien, um Evaluation und um Sinnhaftigkeit.
Damit sind wir dann aus Ihrer Sicht bei den Polizeistellen – aus meiner Sicht noch lange nicht, weil ich nämlich glaube – auch das ist Teil des Koalitionsvertrags –, dass sich Prävention nicht nur durch Polizei, sondern auch durch andere Maßnahmen gestalten lässt, und zwar auch ganz dringlich gestaltet werden muss. Das heißt also, wir sprechen hier über mehr Sozialarbeit und über Angebote gegen Obdachlosigkeit – Alkoholverkaufseinschränkungen sind Ihnen auch eingefallen. Denn, wenn Sie sich die Straftaten anschauen, die weiterhin auf der Reeperbahn und im Umfeld stattfinden, dann hat ein Großteil dieser Straftaten genau mit den Punkten zu tun, die ich eben genannt habe – mit Obdachlosigkeit, mit Rangeleien unter Alkoholeinfluss, mit Diebstahl unter Alko
holeinfluss und so weiter. Also, es geht beim Thema Reeperbahn weder nur um Videoüberwachung noch nur um Polizei. Es geht um ein Maßnahmenpaket, das insgesamt die Situation dort verbessert und die Zahl der Straftaten verringert.
Zum Thema Polizei: Im Koalitionsvertrag steht nicht, dass mehr Stellen für Polizei geschaffen werden. Aber es steht im Koalitionsvertrag, dass es eine Organisationsstrukturuntersuchung geben wird. Wenn man sich ein bisschen im wirtschaftlichen Bereich oder auch bei den Behörden bewegt, dann müsste einem doch klar sein, dass das inzwischen ein gängiges Mittel ist, um zu klären, ob eigentlich jeder und jede an seinem und ihrem richtigen Platz mit der genügenden Stundenzahl und der genügenden Kapazität sitzt für das, was dort gearbeitet und erreicht werden muss. Also andersherum ausgedrückt: Sind immer dort, wo die Leute gebraucht werden, genügend Leute, Beamtinnen und Beamte vor Ort und an anderer Stelle vielleicht nicht? Das ist Ziel dieser Organisationsstrukturuntersuchung. Wenn dabei herauskommt, dass tatsächlich insgesamt zu wenige Polizistinnen und Polizisten in dieser Stadt vor Ort arbeiten, dann stehen wir wieder an dieser Stelle und diskutieren darüber. Aber erst einmal geht es darum sicherzustellen, dass die Leute auch dort hinkommen, wo sie gebraucht werden. Das, glaube ich, tut jeder Behörde gut. Ich habe das gestern schon gesagt: Auch bei der Polizei darf man Dinge strukturell verändern wollen und dies ist ein Element davon.
(Harald Krüger CDU: So läuft das bei den Maoisten! – Karl-Heinz Warnholz CDU: Was läuft denn jetzt?)
… – so könnte die Überschrift der Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen der Videoüberwachung lauten. Ein völliges Fiasko – so bezeichnete übrigens nach Meldungen vom 6. Mai der Leiter der Scotland Yard-Abteilung für Videoüberwachung das britische Netz mit seinen mehr als 4 Millionen Videokameras. Dass der Umfang der Videoüberwachung in Hamburg bei Weitem geringer ist als der in London, ändert an der Bewertung nichts.
(Kai Voet van Vormizeele CDU: Wissen Sie wie viel? – Karl-Heinz Warnholz CDU: Wie ist das denn in Moskau?)
Wir reden hier über Hamburg und es wäre ganz gut, wenn Sie sich mit der Videoüberwachung in Hamburg tatsächlich einmal befassen würden.
Als im März 2006 die Kameras zur Überwachung der Reeperbahn angebracht wurden, versprach man sich – es wurde eben Herr Ahlhaus zitiert und das sagte damals auch der Polizeipräsident Jantosch – vor allem präventive Wirkung. Schaut man sich die Zahlen an, die der Senat jetzt vorgelegt hat, lässt sich beim besten Willen keinerlei entsprechende Entwicklung hineininterpretieren. Es gibt keine signifikante Verringerung von Straftaten. Man kann sogar sagen: Im Gegenteil. Der Skandal besteht nun darin, dass man das auch schon vor dem März 2006, also bevor man die Videokameras auf der Reeperbahn installierte, durchaus hätte wissen können. Aus Großbritannien, dem Mutterland der Videoüberwachung, lag zu diesem Zeitpunkt eine Reihe von Studien vor, die zu dem Schluss kamen, dass Videoüberwachung insbesondere keine Auswirkungen auf die Häufigkeit von Raub oder Gewaltverbrechen hat. Ich beziehe mich hier ausdrücklich auf eine gründliche und unabhängige Studie von 2005, die 13 Überwachungssysteme an unterschiedlichen Orten in Großbritannien evaluierte.
Demzufolge ließ sich lediglich ein leichter Rückgang von Autodiebstählen auf videoüberwachten Parkplätzen feststellen. Aber auch aus diesem leichten Rückgang ließ sich für die Begründung von Videoüberwachung kein Honig saugen. Legt man nämlich die durchschnittliche Schadenshöhe in Fällen von Diebstahl von und aus Kraftfahrzeugen zugrunde, dann übertrafen die Kosten der Videoüberwachung die verhinderten Schäden um 50 Prozent. Ganz eindeutig wäre die Versicherung billiger gewesen.
Und das auf dem einzigen Feld, auf dem Videoüberwachung überhaupt präventive Wirkung zeigte. Auf anderen Feldern zeigte sie überhaupt keine Wirkung. Die hier genannte Studie ergab ebenso wie viele andere insbesondere keinerlei Anzeichen dafür, dass Videoüberwachung Straftaten gegen Personen verhindert.
Sie hätten damals übrigens nicht einmal ins EU-Ausland schauen müssen, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU. In praktisch keiner der 27 deutschen Städte, die im Jahr 2003 Videoüberwachung betrieben, ist belegt, dass die laufende Kamera Straftaten verhindert hat, so jedenfalls die Untersuchungsergebnisse, die eine Referentin der Universität Bielefeld auf einer Konferenz der