Protocol of the Session on August 25, 2010

Nur eines, Herr Böttger, fiel mir wieder auf. Ihre drogenfreie Kindheit und Jugend ist eine gute Sache, es gibt sie aber nicht. Es gibt Jugendliche, die in jedem Fall mit allem, was es an Drogen gibt, irgendwann und irgendwie einmal in Berührung kommen und dies auch möchten. Wir müssen es schaffen, sie in die Lage zu versetzen, damit richtig umzugehen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Der Ansatz, dass sie nie etwas damit zu tun haben, ist einfach naiv. Es geht nicht, sie probieren es aus, ob es Alkohol ist oder Poker, sie probieren es einfach aus.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Deswegen ist es völlig richtig, erst einmal zu sehen, wie es in Punkt 1 des Antrags der LINKEN steht, wie man die Prävention stärkt. Wenn wir im Ausschuss erfahren, dass die Gymnasien am meisten nach den Hilfestellungen nachfragen, dann muss man überlegen, wie man sich an diejenigen wendet, bei denen diese Hilfestellungen noch nicht so nachgefragt wurden, zum Beispiel die Berufsschulen. Dies sollte man verstärken. Es ist genauso richtig zu überlegen, wie man mit technischen Bedingungen die Möglichkeit für Jugendliche einschränkt, Dinge zu tun, die sie nicht tun sollten, zum Beispiel in Spielhallen abzuhängen und dort viel zu viel Geld auszugeben. Deswegen ist die Paysafecard für über und unter 18-Jährige und die Kontrolle, ob jemand über 18 ist, auch völlig richtig. Ebenso stimmt es, dass die Spielhallen das eigentliche Problem sind, aber auch das Internet, weil dort der Zugang zu einfach ist.

Dies ist alles völlig richtig, aber haben Sie bitte nicht die Naivität zu meinen, man könne das Problem völlig abstellen. Das geht nicht, man muss die Jugendlichen in die Lage versetzen, damit richtig umzugehen. Hier finden der Antrag der Grünen und der erste Punkt des Antrags der LINKEN auch

(Olaf Böttger)

unsere volle Zustimmung, wir werden deswegen auch zustimmen.

Zum zweiten Punkt der LINKEN: Mir würde auch einfallen, wo ich noch Stellen im Suchthilfesystem haben möchte, aber nicht nur in diesem, sondern auch in anderen Bereichen. Darüber nachzudenken sollten wir uns für die Haushaltsberatungen aufheben, dort gehört es hin. Man muss auch sehen, wo auf welche Weise um- und nachgesteuert werden kann. Deswegen möchten wir der Forderung nicht zustimmen, jetzt ad hoc wie aus der Hüfte geschossen zwei Stellen irgendwo zu schaffen, ohne gründlich darüber nachgedacht zu haben, wo sie genau hingehören.

Schade finde ich, dass der dritte Antrag zu diesem Bereich, nämlich der der CDU zu den Spielhallen, nicht einfach dazu gelegt wurde. Wir hätten ihn hier auch debattieren können, dies wäre sinnvoll gewesen, obwohl der Antrag selbst von den dreien am wenigsten sinnvoll ist. Aber dazu morgen mehr.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Artus.

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Herr Böttger, ich finde Sie immer ziemlich unentspannt bei diesen suchtund drogenpolitischen Debatten. Das mag damit zu tun haben, dass Sie eine drogenfreie Kindheit und Jugend zum idealen Ziel erhoben haben, aber das ist naiv. Angesichts der Tatsache, dass wir so oft das Thema Sucht und Drogen im Gesundheitsausschuss diskutieren und Sie dort auch als Fachsprecher sind, reden und denken Sie an den Realitäten vorbei. Aber ich freue mich trotzdem, dass Sie zur GAL ein so vertrauliches Verhältnis entwickeln.

Glücksspiel fasziniert die Menschen seit ewigen Zeiten und alle Regulationen, die es durch die Gewerbe- und Spielverordnung gibt, haben bislang nicht ausgereicht, um die Glücksspielsucht einzudämmen, ganz im Gegenteil. Die auch schon von der Kollegin Heitmann erwähnte SCHULBUS-Studie zeigt auf, dass bereits Minderjährige um Geld spielen, obwohl es erst ab 18 Jahren erlaubt ist. Sie sind nicht nur gefährdet, sie sind bereits in hohem Maß betroffen. Meine Fraktion findet daher auch, dass es nicht schaden kann, eine Alterskontrolle einzuführen.

Diese Studie hat aufgezeigt – es ging dort um Computerspiele und Glücksspielsucht im Internet –, dass die Glücksspielproblematik genau in diesem Bereich stattfindet. Genau dort halten sich die Jugendlichen heute auf, am Computer und im World Wide Web. Dort finden die Glücksspiele statt, die Spielhallen sind nicht so aktuell. Also müssen wir uns auf das Internet konzentrieren und

schauen, wie wir da Aufklärung betreiben können und Hilfestellungen geben.

Es ist deswegen überlegenswert, die Paysafecard zu regulieren, wobei es die Cards bereits für über und unter 18-Jährige gibt. Aber wie beim Alkohol oder beim Rauchen, das sagte der Kollege Schäfer bereits, finden Jugendliche immer einen Weg, um zu konsumieren. Daher muss unbedingt bei den Jugendlichen selbst angesetzt werden, über den Weg der Aufklärung und der Hilfestellung.

Hamburg verfügt über ganz gute Einrichtungen. Wir haben zum Beispiel die Glücksspielberatung bei BOJE, die Schuldnerberatung bei der Aktiven Suchthilfe, Spielersprechstunden im UKE und eine Suchtambulanz bei der Asklepios Klinik Nord und im Lukas-Suchthilfezentrum. Es reicht aber deswegen nicht aus, weil es nicht genügt, nur Anlaufstellen zu haben. Deswegen haben wir uns entschieden, diesen Zusatzantrag zu stellen.

Suchtarbeit bedeutet einerseits, die Hürden für den Konsum hoch zu stellen, da sind wir uns einig. Dies ist aber nur bedingt tauglich, das sagt die Lebenserfahrung. Suchtarbeit wirkt aber auch auf die Verkürzung des Konsums hin. Wirksame Hilfe wäre, wenn die Suchtberaterinnen und Suchtberater in alle Hamburger Schulen ab Klasse 7 oder 8 und in ausbildende Betriebe gehen könnten, wenn Lehrerinnen und Lehrer, Ausbilderinnen und Ausbilder, natürlich auch Personalreferenten und Personalreferentinnen in Interventionsgesprächen geschult würden. Sie werden nämlich nicht ausreichend geschult. Hierfür muss Hamburg dringend Geld in die Hand nehmen. Dies wäre erfolgreicher als jede Plakataktion, die derzeit durchgeführt wird.

Die Folgen von Glücksspielsucht kommen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und natürlich auch die Krankenversicherungszahlerinnen weitaus teurer zu stehen als Suchtprävention und Suchthilfe. Verschuldung, das wurde schon erwähnt, kann zu prekären Lebensverhältnissen führen, zu Arbeitslosigkeit und Vereinsamung. Wenn Sie sich fragen, warum Jugendliche ihren Schulabschluss nicht schaffen oder auch in ihrer Ausbildung scheitern, dann können Sie in der exzessiven Teilnahme an Glücksspielen auch einen der Gründe dafür finden. Ein qualitativer und quantitativer Ausbau des Suchthilfesystems wäre deswegen mehr als sinnvoll und ein gesellschaftlicher Beitrag, der dann auf mittlere Sicht viele Kosten reduzieren würde. Kosten, die im Gesundheitssystem anfallen oder Kosten, die durch Sozialhilfeleistungen entstehen. Aber auch die Einnahmeseite würde verbessert werden, weil gesunde Menschen eher einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen können.

Daher haben wir diesen Zusatzantrag gestellt. Im Übrigen bedauere ich es genauso, dass der Spielhallenantrag der CDU nicht diskutiert wird, ich verstehe das überhaupt nicht. Sie, Herr Böttger, sind

(Dr. Martin Schäfer)

doch selbst auf Ihren eigenen Antrag eingegangen mit der Forderung, die kostenlosen Getränke zu entziehen, um das Umfeld nicht mehr so komfortabel zu gestalten. Warum debattieren wir dieses Thema nicht gemeinsam?

Unser Antrag stellt aus unserer Sicht die richtigen und auch die wirksameren Weichen. Die Expertinnen und Experten müssen an die Jugendlichen und an ihr Umfeld herankommen. Dafür sind die Schulen und auch die Betriebe am besten geeignet, die Betriebe deswegen, weil ein nicht unerheblicher Teil der jungen Glücksspieler Auszubildende sind und einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens dafür aufwenden. Lesen Sie unseren Antrag nach, ich habe es dort extra aufgeführt. Die Schulen müssen natürlich sowieso beteiligt werden. Wir sind hier noch lange nicht bei den Ursachen, aber darüber möchte ich heute nicht reden. Wir wissen nämlich heutzutage, dass es fast immer müßig ist, danach zu forschen. Wer hingegen akzeptiert, dass seit jeher Drogen in der Geschichte der Menschheit konsumiert wurden, der findet auch die besseren Lösungen, Herr Böttger. Wer wie die CDU-Fraktion ein unrealistisches und dogmatisches Ziel hat, nämlich dass Jugendliche drogenfrei leben müssten, tut sich natürlich schwer mit diesem Ansatz akzeptierender Drogenarbeit. Das mag damit zusammenhängen, dass die Debatte darüber in Hamburg jahrelang nicht mehr geführt wurde. Mir scheint aber, dass die Wiederaufnahme dringend erforderlich wäre. Wir werden übrigens unseren Teil dazu beitragen.

Dem Antrag der GAL stimmen wir ebenfalls zu. Wir appellieren dennoch an die Koalitionsfraktionen und auch an die SPD, unserem Antrag ebenfalls zuzustimmen, weil das Geld, das hier ausgegeben würde, mittelfristig wieder hereinkommt. Wir werden das sicher auch in der Haushaltsdebatte diskutieren, aber wir haben uns das Thema im Gesundheitsausschuss wirklich schon sehr intensiv erschlossen. Wir waren uns gemeinsam einig, dass das Suchthilfesystem in Hamburg unzureichend ausgestattet ist.

Wenn Sie heute nicht wissen, woher Sie das Geld dafür nehmen sollen, glaube ich Ihnen das nicht. Es könnte auch auf die nächste Plakataktion verzichtet werden, dann wäre ein Teil des Geldes schon wieder drin.

(Beifall bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen dann zur Abstimmung.

Die Abgeordnete Frau Gabriele Dobusch hat mir mitgeteilt, dass sie an der Abstimmung nicht teilnehmen werde.

Zunächst zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 19/7059. Die SPD-Fraktion möchte diesen Antrag ziffernweise abstimmen lassen.

Wer die Ziffer 1 des Antrags der Fraktion DIE LINKE annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Dies ist mehrheitlich abgelehnt.

Wer sich der Ziffer 2 des Antrags anschließen möchte, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Dies ist mit sehr großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wer nun dem Antrag der GAL-Fraktion aus der Drucksache 19/6670 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Dies ist dann einstimmig so angenommen.

Wir kommen zu Punkt 92 der Tagesordnung, Drucksache 19/6971, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Auf Ankündigungen müssen Taten folgen – Anhebung der Spitzensteuersätze und der Reichensteuer.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Auf Ankündigungen müssen Taten folgen – Anhebung der Spitzensteuersätze und der Reichensteuer – Drs 19/6971 –]

Das Wort wird gewünscht von Frau Heyenn. – Sie haben das Wort, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! DIE LINKE hat unter anderem diesen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, weil wir es nicht länger schweigend hinnehmen wollen, dass der schwarz-grüne Senat Versprechungen macht, die hinterher nicht eingehalten werden, oder medienwirksame Ankündigungen abgibt, die nicht einmal ansatzweise umgesetzt werden. Die Regierungserklärung des inzwischen ausgeschiedenen Bürgermeisters Ole von Beust ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Am 16. Juni erklärte er – ich zitiere:

"Gerecht ist es nur, wenn diejenigen, die viel verdienen, auch ihren angemessenen Teil dazu beitragen. Das ist notwendig. Darum werden Sie mich an Ihrer Seite und auch als Streiter dafür haben, im Zuge der Diskussion die Erhöhung des Spitzensteuersatzes um zwei Punkte von 42 Prozent auf 44 Prozent und auch die Erhöhung der sogenannten Reichensteuer […] von 45 Prozent auf 47 Prozent hinzukriegen. […] Da müssen wir ran und für eine Mehrheit streiten. Das ist meine Aufgabe und das werde ich tun."

Zitatende.

(Kersten Artus)

(Rolf Harlinghausen CDU: Wenn Sie jetzt weiterzitieren, wird die Rede richtig gut!)

Der Bürgermeister gibt nicht als Privatperson eine Regierungserklärung ab, er spricht für den gesamten Senat. Auf Nachfrage hat DIE LINKE fünf Wochen später erfahren, dass diesen vollmundigen Ankündigungen keine Taten gefolgt sind. Sie mögen das normal finden, ich nicht.

Wörtlich heißt es in einer Antwort des Senats in seiner Regierungserklärung vom 16. Juni…

(Jörn Frommann CDU: Wenn das Ihr einzi- ges Problem ist!)

Das ist ein großes Problem. Es ist traurig, dass es für Sie kein Problem ist, Versprechungen zu machen und nichts einzuhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

In seiner Regierungserklärung vom 16. Juni 2010 hat er seine Absicht bekundet, sich für eine Erhöhung einzusetzen. Konkrete Entscheidungen wurden noch nicht getroffen. Das kommt mir bekannt vor, das hatten wir heute schon einmal. Auf die Frage, ob der Senat die Möglichkeit sieht, im Bundesrat eine Mehrheit für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und für eine Erhöhung der sogenannten Reichensteuer zu erreichen, wurde lapidar vom Senat geantwortet, der Senat vermöge noch nicht abzuschätzen, wie andere Landesregierungen zu einem noch nicht vorliegenden Bundesratsantrag abstimmen würden.

Das schlägt dem Fass den Boden aus, hier zu verkünden, man wolle sich dafür einsetzen und dann nichts zu tun. Das finden Sie ganz normal, wie ich eben gerade hörte.

(Jörn Frommann CDU: Sie haben ja immer noch nicht begriffen, worum es geht!)

Es wäre doch die vornehmlichste Aufgabe des Hamburger Senats gewesen, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, wenn es ernst gemeint ist, was gesagt wurde.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)