Protocol of the Session on August 25, 2010

In meinen Anträgen und Anfragen habe ich das Problem der Glücksspielsucht schon mehrfach erläutert. Die Glücksspielsucht ist eine der häufigsten nichtstofflichen Suchtformen in Deutschland. Die Schätzungen, wie viele Betroffene es gibt, gehen allerdings weit auseinander und schwanken zwischen 100 000 und 800 000 Betroffenen in der Bundesrepublik.

Aus dem Jahresbericht 2009 des Trägers Aktive Suchthilfe e.V. geht beispielsweise hervor, dass nach Cannabis mittlerweile das Glücksspiel die zweithäufigste Suchtform unter den von diesem Verein betreuten Klienten ist. Selbst unter den Klienten in der Jugendhilfeanstalt haben bereits 26 Prozent ein Glücksspielproblem und unter den erwachsenen Häftlingen, die der Verein betreut, sind es sogar 40 Prozent.

Wie bei vielen anderen Süchten sind die Folgen der Glücksspielsucht sehr bitter für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Wir haben es mit Überschuldung zu tun, Verarmung, Abgleiten in die Kriminalität oder auch sozialer Isolation.

Wie bei anderen Suchtformen ist es auch bei diesem Thema ganz wichtig, ein besonderes Augenmerk auf den Jugendschutz zu legen, um ein Abgleiten in die Sucht und eine frühe Verfestigung zu verhindern. Je früher Prävention einsetzt, desto besser.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Jugendschutzgesetz sieht für den Bereich des Glücksspiels bereits sinnvolle Beschränkungen vor, Glücksspiel um Geld ist erst ab 18 Jahren erlaubt. Und unser Antrag zielt nicht, das möchte ich noch einmal explizit betonen, auf neue, verschärfende Regelungen oder Gesetze, sondern er möchte darauf hinwirken, dass die bestehenden Regelungen in Zukunft besser eingehalten werden.

Probleme bei der Durchführung des Jugendschutzes gibt es momentan unter anderem, und da setzt der Antrag an, bei einzeln aufgestellten Glücksspielautomaten und beim Internetglücksspiel. Nach der SCHULBUS-Sondererhebung von 2009, die wir auch im Ausschuss diskutiert haben, gaben 9 Prozent der befragten Minderjährigen an, regel

(Dr. Eva Gümbel)

mäßig an Glücksspielen um Geld teilzunehmen. Von den männlichen Befragten waren es sogar 17 Prozent, die mehrmals monatlich um Geld spielten. Dabei scheinen Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker gefährdet zu sein. In dieser Gruppe gab es circa 15 Prozent regelmäßige Spielerinnen und Spieler gegenüber 7 Prozent ohne Migrationshintergrund. Poker, Sportwetten und auch die Spielautomaten waren dabei besonders verbreitet.

Ich möchte zunächst auf den Punkt der Spielautomaten eingehen. Nach Paragraf 3 der Spielverordnung muss erst bei drei öffentlich zugänglichen Spielautomaten, wie sie häufig in Kneipen oder Restaurants zu finden sind, mit einer technischen Alterssicherung gearbeitet werden. Sind nur ein oder zwei Geräte vorhanden, liegt die Kontrolle, ob der Jugendschutz auch wirklich eingehalten wird, beim Betreiber der jeweiligen Lokalität.

Damit ist fraglich, ob diese Kontrolle immer und jederzeit effektiv gewährleistet ist. Es wäre ein einfacher, aber sehr effektiver Schritt, wenn wir durch die Annahme unseres Antrags darauf hinwirken würden, dass der Jugendschutz in Zukunft durch eine elektronische Alterssicherung an allen frei zugänglichen Spielautomaten problemloser gesichert werden kann.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Mit dieser Maßnahme wären keine Einschränkungen für Erwachsene verbunden und es entstünde kein überhöhter Kontrollaufwand.

Ich möchte auf die besondere Suchtgefahr bei Automaten hinweisen und in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Jahresbericht von Aktive Suchthilfe e.V. zurückkommen. Danach haben rund 80 Prozent der Klienten des Vereins mit Glücksspielsucht ein Problem mit Glücksspielautomaten.

Ich räume der Bundesratsinitiative, die ich anstoßen möchte und für deren Unterstützung ich werbe, gute Chancen ein, weil ich eigentlich außer den Ängsten der Automatenverbandslobby keine überzeugenden Argumente gegen eine Gleichstellung von Spiel- und Zigarettenautomaten sehe. Insgesamt beträfe die Umrüstung, die damit verbunden wäre, deutschlandweit 90 000 Spielautomaten in 60 000 Gaststätten. Diese Zahl zeigt, dass in jeder Gaststätte momentan im Schnitt 1,5 Automaten aufgestellt sind. Das zeigt auch, die derzeitige Regelung, dass erst ab dem dritten Gerät eine Sicherung notwendig ist, betrifft bisher vermutlich kaum eine Gaststätte. Fast alle Automaten in den Gaststätten sind momentan frei zugänglich und es hängt allein vom Betreiber ab zu kontrollieren, ob auch wirklich nur Volljährige daran spielen. Ich möchte den Gaststättenbetreibern nicht unterstellen, dass sie ihrer Aufsichtspflicht hier nicht nachkommen, aber eine verpflichtende Alterskontrolle durch diese elektronische Vorrichtung wäre

wirklich einfach umzusetzen und bietet deutlich höhere Sicherheit als allein die Aufsichtspflicht. Deshalb sollten wir diese Chance heute auch nutzen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Deutlich schwieriger durchzusetzen ist der Jugendschutz beim Thema Glücksspiel im Internet, weil sich hier vieles im privaten Raum abspielt und wenig kontrollierbar ist. Zudem gibt es sehr viele verschiedene Formen und Anbieter, die vielfach ihren Sitz im Ausland haben. Ich glaube trotzdem, dass wir auch im Internet, soweit es uns möglich ist, darauf hinwirken sollten, dass Kinder und Jugendliche die bestehenden Schutzbestimmungen nicht so einfach umgehen können. Problematisch sind hier, wie wir es auch von der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. im Ausschuss erfahren haben, besonders die sogenannten Paysafecards, mit denen Jugendliche auf einfache Weise bei Internetpoker und Ähnlichem bezahlen und dann um Geld spielen können. Jugendliche verspielen bei solchen Gelegenheiten relativ hohe Summen für ihr Alter, es war die Rede von durchschnittlich 50 Euro pro Monat.

Wir wollen mit unserem Antrag jetzt prüfen lassen, ob es in Zukunft Möglichkeiten gibt, die sogenannten Paysafecards in Karten für über 18-Jährige und Karten für unter 18-Jährige zu splitten und dann nur noch die Karten für über 18-Jährige nur an diese auszugeben. Die Karten für unter 18-Jährige sollen dagegen für Spiele im Internet gesperrt werden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Wenn das gelänge, würde auch mit diesem Schritt der Jugendschutz gestärkt, ohne dass Erwachsene irgendwelche Einschränkungen hätten. Es gibt sicher noch Klärungsbedarf, wie diese Idee technisch und rechtlich genau umgesetzt werden kann. Daher ist dieser Punkt ein Prüfauftrag, um die bestehenden Möglichkeiten auszuloten. Wir halten es aber dennoch für sehr notwendig, hier aktiv zu werden, um den Suchtgefahren im Netz wirksam entgegenzuwirken. Dies ist sicher nicht die umfassende Lösung, um die Benutzung von Glücksspielen im Internet durch Jugendliche letztlich zu verhindern, aber es ist ein möglicher Baustein, um einen besseren Jugendschutz künftig im Netz gewährleisten zu können.

Zum Schluss komme ich kurz auf den gestern noch eingegangenen Zusatzantrag der LINKEN, der sich auch mit dem Thema des jugendlichen Umgangs mit Glücks- und Computerspielen befasst. Wir werden heute diesen Antrag ablehnen, und zwar aus folgenden Gründen. Beim ersten Punkt ist mir unklar, was genau aktualisiert werden soll. Ich gehe davon aus, dass die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. auch jetzt ihre

Materialien regelmäßig aktualisiert und anpasst. Letzte Woche haben Vertreter des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung im Ausschuss erläutert, dass es bereits jetzt viele Angebote für Schulen und Lehrer zum Thema Glücksspielprävention gibt. Die beinhalten auch die Zielgruppe der Berufsschüler. Wir haben gehört, dass die Nachfrage bisher insbesondere von den Gymnasien kommt; also muss man überlegen, wie man die Berufsschulen besser erreicht und ermuntert, die bestehenden Angebote in Anspruch zu nehmen. Aber es ist nicht nötig, Angebote neu zu gestalten oder ganz neue zu schaffen.

Ich komme zu einem anderen Punkt des Antrags: Zusätzliche Stellen zur Beratung von Glücksspielabhängigen scheinen aus der Luft gegriffen. Sie können keine validen Daten dazu vorlegen, wie die bestehenden Angebote bereits genutzt werden und wie hoch der Bedarf und die Nachfrage wirklich sind. Auf dieser wackeligen Grundlage zum jetzigen Zeitpunkt haushaltsrelevante Entscheidungen zu treffen und dabei nicht einmal eine Gegenfinanzierung vorzuschlagen, halte ich nicht nur für falsch, sondern für einen grob fahrlässigen Schnellschuss. Daher werden wir diesen Zusatzantrag ablehnen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Ich habe bereits erläutert, dass bei dem Thema Glücksspiel und Glücksspielsucht noch viel politische Musik enthalten ist und es lässt sich sicherlich auch in Zukunft noch einiges bewegen. Ich würde mich freuen, wenn unser Antrag heute den Anfang macht und fraktionsübergreifend Zustimmung findet, damit wir die Möglichkeiten zur frühzeitigen Prävention wirklich gemeinsam und mit der ganzen Stärke dieses Parlaments angehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat Herr Böttger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Debattenthema lautet: Jugendliche besser vor den Gefahren des Glücksspiels schützen. Diese Forderung passt genau zu unserem Leitbild, das wir schon in der vorletzten Legislaturperiode aufgestellt haben, nämlich die nach einer möglichst sucht- und drogenfreien Jugend und Kindheit in Hamburg.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ist das Ihr Leit- bild oder das des Senats?)

Das kommt Ihnen völlig neu vor, das habe ich mir gedacht.

Bevor ich in die Debatte einsteige, möchte ich für meine Person ganz klar eines feststellen: Ich bin

ein erklärter Gegner jeglicher Ausweitung des Glücksspielmarktes. Ich unterscheide nicht zwischen guten, staatlich konzessionierten, und bösen illegalen Glücksspielangeboten. Mir liegt allein das Schicksal der Kinder und Jugendlichen sowie der Spieler und deren Familien am Herzen.

(Gerhard Lein SPD: Das ist aber eine Ein- zelmeinung in der CDU!)

Wir beobachten speziell in den letzten vier Jahren eine massive Expansion des Marktes der Spielhallen und der Geldspielgeräte. Die Anzahl der Spielautomaten ist gewaltig gestiegen. Wir beobachten erhebliche Konzentrationsprozesse auf dem Spielhallenmarkt. Die Kasseninhalte pro Geldspielautomat weisen mittlerweile zweistellige Steigerungsraten auf. Ein Ansteigen der Spielsucht geht leider damit einher. Diese Sucht hat bekanntlich – Linda Heitmann sagte es eben schon – gravierende Folgen im persönlichen, familiären und beruflichen Umfeld. Männliche Personen sind häufiger spielsüchtig, Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet. In Deutschland gibt es derzeit 100 000 Betroffene mit einer steigenden Tendenz.

Was sind die Ursachen für diesen, aus meiner Sicht negativen Trend? Am 1. Januar 2006 wurde die Spielverordnung novelliert. Die Mindestspieldauer wurde seinerzeit reduziert von zwölf auf fünf Sekunden. Der maximale Stundenverlust wurde von 60 Euro auf 80 Euro erhöht. Der maximale Stundengewinn wurde auf 500 Euro festgeschrieben. Die Quadratmeterzahl pro Automat wurde reduziert von 15 auf zwölf Quadratmeter. Die Anzahl der zugelassenen Geräte pro Konzession wurde von zehn auf zwölf erhöht. In Gaststätten – auch das sagte Linda bereits – gibt es nicht mehr zwei zugelassene Automaten pro Konzession, sondern mittlerweile drei Automaten. Dies sind alles Indizien dafür, dass man sich seinerzeit seitens der Politik im Jahre 2006 mehr wirtschaftlichen Interessen verschrieben hat und damit die rechtlichen Voraussetzungen für die heutige Situation am Markt geschaffen hat.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Was ist aus meiner Sicht zu tun? Mit der Spielverordnung und dem Glücksspielstaatsvertrag für das staatlich konzessionierte Glücksspiel haben wir aber trotz aller inhaltlichen Mängel, die ich eben aufzeigte, geeignete Grundlagen, mit denen wir auf den deutschen Glücksspielmarkt einwirken können.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Was sagt Linda denn dazu?)

Hier noch ein weiteres Beispiel, das unser Problem verdeutlicht. Laut einer Studie soll der legale Anteil über staatlich lizenzierte Sportwettangebote nur noch 6 Prozent ausmachen. Über 7 Milliarden Euro fließen damit in nicht regulierte ausländische Märkte nur für dieses Segment. Das bedeutet für uns

(Linda Heitmann)

eine konsequente Umsetzung der Verbotsforderung des Glücksspielstaatsvertrags gegenüber privaten Anbietern, inklusive der Internetangebote. Das ist nicht einfach, aber sinnvoll. Wettannahmen ohne gültige Lizenz sind konsequent durch die Ordnungsbehörden zu schließen.

Bei PC-Onlinekasinos, den sogenannten 0900er Nummern, sollten wir konsequent den Geldtransfer blockieren. TV-Kasinos oder Call-in-Gewinnspiele sollten wir konsequent verbieten. Wir sollten auch über Werbeverbote nachdenken. Wenn sich beispielsweise ein berühmter Tennisspieler hinstellt, Werbung macht und sagt, wecke den Spieler in dir, dann finde ich das persönlich nicht mehr lustig.

Vor diesem Hintergrund wollen wir ferner erreichen, dass der Aufenthalt in Spielhallen nicht zu komfortabel gestaltet wird, zum Beispiel durch kostenlose Getränke oder zu lange Öffnungszeiten, speziell unter dem Fokus von Kindern und Jugendlichen. Ferner wollen wir die konsequente Umsetzung des Jugendschutzgesetzes vor Ort. Weiterhin wollen wir prüfen, ob und inwieweit Beratungen und Sperren von Spielsüchtigen, die für Spielbanken schon gelten, auch auf Spielhallen flächendeckend ausgeweitet werden können. Wir wollen auch prüfen – das sprach Linda Heitmann eben schon an –, ob wir nicht mit einer Bundesratsinitiative die Spielverordnung dahingehend ändern können, dass wir zum Schutz der Spieler mehr tun können. Entsprechende technische Identitätskontrollen wären in diesem Zusammenhang ebenfalls wünschenswert.

Planstellenaufstockungen im Hamburger Suchthilfesystem, liebe Frau Artus, klingen immer sehr schön. Aber leider setzen Sie nicht an den Wurzeln an. Das kritisiere ich und deswegen werden wir auch diesen Vorschlag ablehnen.

Man erlebt bei der Umgehung der Spielgeräteverordnung unschöne Dinge; beispielsweise werden Spielautomaten für potenzielle Spieler schon vorgemünzt, also am Abend schon mit Geld aufgefüllt, damit der Spieler gleich das volle Programm durchspielen kann. Mit Automatiktastaturen werden die Leute dazu gebracht, dass sie gleich mehrere Dinge auf einmal bedienen können. Wenn wir weiterhin nicht dafür sorgen, dass in Räumlichkeiten, zu denen Kinder und Jugendliche Zugang haben, nach wie vor mit unerlaubten Spielgeräten gearbeitet wird, dann versäumen wir auf diesem Gebiet etwas.

Ich bin auch der Meinung, dass man die maximale Anzahl der Geldspielgeräte pro Standort beschränken sollte. Wie man das im Einzelnen macht, inwieweit man dies in eine rechtliche Regelung fasst, bleibt einer entsprechenden Initiative vorbehalten. Linda sagte zu Recht, da sei noch viel Musik drin. – Ich bedanke mich für das Zuhören.

(Beifall bei der CDU und bei Andreas Wal- dowsky GAL)

Das Wort hat Herr Dr. Schäfer.

Vielen Dank, Herr Präsident. Es wurde jetzt sehr viel Richtiges gesagt. Ihr Antrag, Frau Heitmann, geht selbstverständlich völlig in Ordnung. Aber wir sind uns auch sicherlich einig, dass dies nicht alles ist, sondern dass es dann weitergehen wird und muss. Es ist völlig richtig, dort anzusetzen, wo es um Jugendliche geht, die dabei sind, irgendwo hineinzurutschen, wo sie besser nicht hineinrutschen sollten. Von daher ist auch der Präventionsansatz der eigentlich Wichtige.

Nur eines, Herr Böttger, fiel mir wieder auf. Ihre drogenfreie Kindheit und Jugend ist eine gute Sache, es gibt sie aber nicht. Es gibt Jugendliche, die in jedem Fall mit allem, was es an Drogen gibt, irgendwann und irgendwie einmal in Berührung kommen und dies auch möchten. Wir müssen es schaffen, sie in die Lage zu versetzen, damit richtig umzugehen.