Protocol of the Session on July 2, 2010

Wer möchte nun den am 16. Juni 2010 in erster Lesung gefassten Beschluss zu Ziffer 3 des Petitums aus der Drucksache 19/5901 in zweiter Lesung fassen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist somit auch in zweiter Lesung endgültig beschlossen worden.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 20, Drucksache 19/6505, Bericht des Schulausschusses: Altenpflegeausbildung in Hamburg fördern – Fachkräftemangel endlich begegnen.

[Bericht des Schulausschusses über die Drucksache 19/3089: Altenpflegeausbildung in Hamburg fördern – Fachkräftemangel endlich begegnen (Antrag der Fraktion der SPD) – Drs 19/6505 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Kienscherf, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine kurze Anmerkung zur vorangegangenen Debatte.

(Zuruf von Karl-Heinz Warnholz CDU)

Herr Warnholz, nun halten Sie sich zurück.

Dies ist ein Sozialthema, das wir diskutieren, und das vorherige war auch ein Sozialthema. Ich finde es bezeichnend, dass sich bei solch einem wichtigen Thema der Sozialsenator nicht zu Wort meldet. Diese Stadt hat etwas anderes verdient.

(Frank Schira CDU: Der muss hier doch nicht zu jedem Quatsch reden! – Michael Neumann SPD: Herr Präsident, es wird mehrfach vom Fraktionsvorsitzenden als Quatsch bezeichnet, was der Redner sagt!)

Kommen wir jetzt zu einem weiteren Zukunftsthema, Herr Schira.

(Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass vonseiten der CDU und vonseiten des Fraktionsvorsitzenden mehrmals "Quatsch" gesagt wurde. Ich bitte Sie, zum parlamentarischen Sprachgebrauch zurückzukommen. – Führen Sie Ihre Rede bitte fort, Herr Kienscherf.

Herr Schira ist auch aufgewacht, das ist schön.

Wir reden in dieser Debatte über den Kita-Bereich und über wichtige Themen für die Zukunft unserer Stadt, die Bereiche Pflege, Altenpflege und Altenpflegeausbildung.

(Egbert von Frankenberg CDU: Kommen Sie mal zum Thema!)

Herr von Frankenberg, bevor Sie nachher nach vorn kommen und Frau Blömeke Ihnen wahrscheinlich assistieren wird, indem sie sagen wird, wie toll alles sei, was Sie gemacht haben, und wir als Opposition das alles nur nicht verständen, stelle ich einleitend fest, dass wir sehr wohl sehen, dass Sie das eine oder andere erreicht haben. Es gibt auch den einen oder anderen Fortschritt. Gleichwohl müssen wir feststellen, dass es aktuell 400 offene Stellen im Bereich der Altenpflege gibt und dass dies zeigt, dass bisher zu wenig passiert ist. Da müssen wir ansetzen.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Fachkräftemangel von 400 Personen kommt nicht von ungefähr. Viele Experten haben jahrelang gewarnt, haben an den Sozialsenator appelliert, dass er dort mehr tun müsste, dass wir

(Carola Veit)

mehr und intensiver über neue Konzepte diskutieren müssen und dass wir vor allen Dingen dafür sorgen müssen, dass es mehr Menschen gibt, die sich für den Bereich der Pflege und der Pflegeausbildung interessieren.

(Wolfgang Rose SPD: Wo ist er denn?)

Wo er ist? Das ist eine gute Frage. Daran sieht man – Herr Rose, vielen Dank –, welchen Stellenwert Pflege für einen Sozialsenator in dieser Stadt hat.

(Beifall bei der SPD – Viviane Spethmann CDU: Das ist reiner Populismus!)

Die Ausbildungszahlen sind ein wenig angestiegen, das finden wir alle gut. Aber man muss den Beruf weiterhin attraktiver gestalten. Nachdem wir im Sozialausschuss und im Schulausschuss viele Diskussionen geführt haben, möchte ich auf einige Punkte hinweisen.

Beim ersten Punkt geht es darum, inwieweit wir als Gesellschaft bereit sind, dafür zu sorgen, dass diese Menschen eine ordentliche Bezahlung erhalten. Da gibt es das Thema Mindestlohn, das für die Assistenzkräfte ein wichtiger Baustein ist, damit sich eventuell mehr Menschen für diesen Beruf interessieren. Es wird insgesamt darum gehen, ob wir als Gesellschaft bereit sind, auch über den Bereich Pflegeversicherung mehr Geld in das System zu investieren, um die Kräfte besser zu bezahlen.

Ohne die Herstellung besserer Arbeitsbedingungen und ohne bessere Bezahlung werden wir es nie erreichen, dass wir mehr Auszubildende in diesem Bereich bekommen. Deshalb muss es unser aller Ziel sein, an dieser Diskussion weiterzuarbeiten und uns alle dafür auf Bundesebene einzusetzen.

Wir müssen uns auch mit dem Thema Durchlässigkeit und Transparenz in der Ausbildung beschäftigen. Es ist interessant, dass der Senat auf unsere Große Anfrage, Drucksache 19/5599, antwortet, dass er sich in diesem Sinne auf Bundesebene dafür eingesetzt hätte und es einen entsprechenden Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz aus dem November 2009 gäbe, die eindeutig festgestellt hätte, dass eine Durchlässigkeit im Bereich der Weiterbildung sehr wichtig wäre, um in diesem Bereich voranzukommen. Man müsse es schaffen, ein transparentes Ausbildungssystem von den Assistenzkräften bis zur akademischen Ausbildung zu erreichen. Das ist gut und wir Sozialdemokraten unterstützen das. Wir wollen, dass jeder Mensch von der Assistenzkraft bis zur akademischen Ausbildung in der Pflege tätig sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Man muss sich natürlich vor diesem Hintergrund fragen, was Hamburg getan hat, wie es in Hamburg mit dieser Durchlässigkeit aussieht. Hier kann man feststellen, dass bis zum Jahre 2003 alle

Schüler der Altenpflegeschulen die Möglichkeit hatten, während ihrer Ausbildung beispielsweise die Fachhochschulreife zu erwerben. Das ist eine Notwendigkeit, wenn man letztendlich Auszubildende oder junge Menschen davon überzeugen will, dass dieser Beruf auch dazu dienen kann, beruflich weiterzukommen, dass er auch dazu dienen kann, eine akademische Laufbahn zu beschreiten. Das war bis 2003. 2004 hat dieser Senat die beruflichen Schulen privatisiert. Wie ist nun die Situation im Jahre 2010? 2010 ist es mittlerweile so, dass weniger als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit hat, während ihrer Ausbildung die Fachhochschulreife zu erreichen. Das heißt, innerhalb dieser sechs Jahre haben wir, obwohl wir diesen Beschluss der Arbeits- und Sozialminister aus dem November 2009 haben und obwohl der Senator sich eigentlich rühmt, dass er das erreichen will, einen deutlichen Rückstand und verweigern damit 50 Prozent der Jugendlichen die Zukunftschancen. Das ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben im Schulausschuss, aber auch in der letzten Sitzung des Sozialausschusses den Einwand gehört, es sei alles nicht ganz einfach, man fände nicht die geeigneten Lehrer, außerdem seien es so kleine Schulen, es sei alles sehr schwierig und würde auch noch etwas kosten. Diese Schulen mussten nicht privatisiert werden, das haben Sie gemacht, Sie haben die Spielregeln festgelegt. Im Jahre 2011 wird Hamburg rund 85 Prozent der Kosten dieser Schulen tragen. Da wird es doch wohl möglich sein, dass sich ein Sozialsenator mit den Altenpflegeschulen zusammensetzt und ein System überlegt, wie allen Schülern diese Fachhochschulreife ermöglicht werden kann. Das muss möglich sein und wir Sozialdemokraten wollen das.

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere Anmerkung betrifft das Thema Schulgeld. Es ist aus unserer Sicht überhaupt nicht akzeptabel, dass in einem Bereich, von dem wir wissen, dass wir dort nach wie vor einen riesigen Personalbedarf haben, diesen Auszubildenden zwischen 50 und 150 Euro monatlich von ihrem Ausbildungseinkommen abgezogen wird. Das kann nicht Sinn einer zukunftsweisenden Ausbildungspolitik gerade in diesem Bereich sein. Deswegen noch einmal der Appell: Es reicht nicht, wenn Sie erklären, dass die eine oder andere Altenpflegeschule darüber nachdenkt, das Schulgeld zu reduzieren, sondern es muss konkrete Vorgaben geben, es muss konkrete Verhandlungen mit den Altenpflegeschulen geben. Wir wollen runter vom Schulgeld, das ist unser Ziel.

(Beifall bei der SPD)

Noch eine Anmerkung zum Thema Umschulung. Wir alle haben vor einigen Jahren bemerkt, dass man gerade im Bereich der Umschulung sehr viel Potenzial von Menschen erschließen kann, die später im Leben und dann langfristig in der Altenpflege tätig sind. Es war der damalige Bundesarbeitsminister, Olaf Scholz, der dafür gesorgt hat, dass wir es unter anderem im Konjunkturprogramm II ermöglicht haben, die Umschulung in drei Jahren durchgängig zu finanzieren. Das ist ein großer Erfolg. Wir glauben, dass man diesen Weg verstetigen muss. Das, was wir jetzt an Signalen vom Bund erhalten, was auch auf eine Anfrage der SPD-Fraktion hin im Bundestag deutlich wurde, dass nämlich die Bundesregierung diesen Bereich wieder zusammenstreichen will, dass sie dieses Modell der Umschulung beenden will, halten wir arbeitsmarktpolitisch für einen völlig falschen Weg.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sei insgesamt noch einmal festgehalten, dass es nichts bringt, immer kurze Maßnahmen zu machen wie beim Thema Umschulung oder beim Thema Sofortprogramm im Zusammenhang mit dem "Bündnis für Altenpflege", wo Sie letztendlich versucht haben, mehr Auszubildende in den ambulanten Bereich zu bekommen, und wo Sie ein Sonderprogramm im Umfang von 25 Auszubildenden gestartet haben. Man merkt, dass die Auswirkungen praktisch gleich null sind, denn Sie haben insgesamt nur acht Auszubildende mehr in dem Bereich.

Wenn wir den Personalbereich stärken und mehr Auszubildende im Sozialbereich wollen, dann brauchen wir erstens einen Sozialsenator, der bei den Debatten anwesend ist, der ernsthaft mit uns darüber diskutieren will und nicht hinausläuft. Und wir brauchen strukturelle Maßnahmen, die dazu dienen, dass Menschen die Fachhochschulreife erwerben können und dahin gehend, langfristig Umschulungen zu ermöglichen. Wir brauchen Maßnahmen wie zum Beispiel die Streichung des Schulgeldes, um junge Menschen nicht abzuschrecken, sondern ihnen Lust zu machen, in die Altenpflege zu gehen. Ich hoffe, dass wir uns irgendwann alle – vielleicht auch der Senator – dafür interessieren

(Michael Neumann SPD: Der nicht mehr!)

und gemeinsam dieses Ziel verfolgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Jürs.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu vorgerückter Stunde werden Sie mir nicht böse sein, wenn ich meine Rede zum Be

richt über den Antrag 19/3089 kurz und kompakt halte.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Doch!)

Zunächst bewegt mich die Frage, warum die SPD-Fraktion diesen Bericht überhaupt zur Debatte angemeldet hat. Im Schulausschuss wurde der Antrag gewürdigt und geprüft. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bildungsbehörde und der Sozialbehörde haben ausführlich zu den Punkten des Antrags Stellung genommen

(Ingo Egloff SPD: Und deswegen dürfen wir ihn heute nicht mehr diskutieren, oder was?)

und uns erläutert, welche Punkte bereits umgesetzt und welche nicht umsetzbar sind. Sie wollen heute den Bericht beziehungsweise Ihren Antrag erneut debattieren. Ich empfinde dieses als Respektlosigkeit erstens all denen gegenüber, die in den Behörden arbeiten und Ihre Fragen in einer langen Sitzung des Schulausschusses bereits beantwortet haben,

(Ingo Egloff SPD: Was ist denn das für ein parlamentarisches Verständnis!)

zweitens dem Steuerzahler gegenüber, der unsere Ausschusssitzungen bezahlt und drittens uns gegenüber, die trotz Klärung erneut dieses Thema besprechen. Das ist es, was im Kleinen wie im Großen Bürgerverdrossenheit erzeugt. Politik ist nicht sachorientiert, sondern Machtkalkül. Schade.