Protocol of the Session on June 16, 2010

Was die Sparvorschläge, die heute in groben Umrissen vorgestellt wurden, für die Stadt insgesamt bedeuten, können wir heute überhaupt noch nicht abschätzen, weil es noch nicht nachvollziehbar und viel zu vage ist. Die, die am wenigsten Einkommen haben in dieser reichen Stadt, werden am stärksten belastet. Dies ist als Eindruck entstanden, das hat der Bürgermeister noch einmal bestätigt. Er hat darauf hingewiesen, dass diese Befürchtung in der Bevölkerung vorhanden ist und sie besteht auch nicht zu Unrecht. Ich möchte nur an diese Wahnsinnsidee der Bundesregierung erinnern, dass Hartz-IV-Bezieher, die Eltern werden, keinen Anspruch mehr auf Elterngeld erhalten sollen. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man das ganz stringent zu Ende denkt, muss man sagen, dass an diesem Punkt Kinder schon pränatal sozial benachteiligt werden.

Die Einkommensstarken und Reichen in dieser Stadt wollen Sie jetzt stärker beteiligen; das begrüßen wir sehr und auf dieses Signal haben wir lange gewartet. Es ist aber für uns erst einmal nur der Schritt in die richtige Richtung. Sie haben eben selbst gesagt, das sei noch lange nicht gegessen. Wir warten darauf, dass hier wirklich etwas in dieser Richtung passiert.

Was mich nicht überzeugt hat, sind die genannten Einsparungen im öffentlichen Dienst. Ich weiß nicht, wie man auf eine Einsparhöhe von 100 Millionen Euro kommt, wenn man beim Weihnachtsgeld einspart bis hin zur Gehaltsstufe A13, ab der es gar kein Weihnachtsgeld mehr gibt. Das müssen Sie uns noch einmal vorrechnen, aber Sie werden uns hoffentlich auch alle Zahlen zur Verfügung stellen.

Wir haben sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass Sie da einen Widerspruch zum Bürgermeister haben. Der Bürgermeister hat ganz klar gesagt, dass der Investitionshaushalt zurückgefahren werden müsse. Das haben wir auch immer wieder gefordert. Projekte wie die Elbphilharmonie haben sehr deutlich gezeigt, dass man, wenn man das nicht macht, letztendlich auch den Betriebshaushalt belastet und das geht nicht. Es sind einige Projekte genannt worden. In den Zeitungen kursierten viele Informationen über die HCU, die 66 Millionen Euro kosten soll. Wir haben heute nichts darüber gehört, ob sie auch auf der Streichliste steht. Wir müssen natürlich unbedingt wissen müssen, ob die Idee realistisch ist, die noch nicht gebaute, sondern nur geplante HCU auch tatsächlich an eine private Universität zu verkaufen. Hierzu brauchen wir Ihre Informationen, Sie müssen

das Parlament umfassend informieren; das haben Sie heute von keiner Seite aus getan.

Es gibt auch Positionen, bei denen die Freie und Hansestadt Hamburg nicht sparen kann. Wir haben zum Beispiel die Vorschläge gehört, Museen zu schließen; auch dazu wurde heute nichts gesagt, aber die Vorschläge scheinen zu kursieren. Bei diesem Punkt können wir nicht mitgehen. Insbesondere kann nicht akzeptiert werden, dass ausgerechnet das Museum für Arbeit auf der Streichliste stehen soll.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Monika Schaal SPD)

Wir freuen uns auch, dass der Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst vom Tisch ist. Wir freuen uns, dass Ausbildungsplätze weiter im öffentlichen Dienst zur Verfügung gestellt werden und wir haben auch wohlwollend vernommen, dass junge Leute, die im öffentlichen Dienst ausgebildet werden, übernommen werden.

Ich habe mit Freude gehört, dass sich heute, fünf Tage vor Ablauf der Frist, der Senat dazu entschlossen hat, weder eine Vollverlagerung noch eine Teilverlagerung der Universität auf den Kleinen Grasbrook vorzunehmen. Diese Entscheidung war lange überfällig. Schade, dass die Stadt zwei Jahre mit einem solchen Gruselthema beschäftigt wurde und 1 Million Euro für ein Gutachten aus dem Fenster geworfen wurde, die man wirklich für etwas Besseres hätte verwenden können, zum Beispiel für die Erziehungswissenschaften in Hamburg.

(Beifall bei der LINKEN – Jörn Frommann CDU: Die Idee bleibt trotzdem gut!)

Wir begrüßen es, dass die Pläne der Gesamt- und Teilverlagerung beerdigt wurden. Vielleicht hat der neue Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler dies gemeint, als er davon sprach, dass in der dramatischen Haushaltslage der Hansestadt auch eine große Chance liege. Für DIE LINKE steht jedenfalls fest, dass die Universität in Eimsbüttel bleiben muss. Das haben wir immer gesagt, unabhängig davon, ob Geld in der Stadtkasse ist oder nicht. Wir freuen uns, dass Sie jetzt auch zu dieser Einsicht gekommen sind.

Aus unserer Sicht ist es politisch unverantwortlich, nicht alles zu unternehmen, um die Steuereinnahmen nachhaltig zu verbessern. Herr Kerstan hat eben sehr deutlich gesagt, das Problem sei, dass weniger Steuereinnahmen da seien, als von der Stadt an Ausgaben getätigt werden müsse. Dies ist das Grundproblem. Dann sagte der Bürgermeister, er möchte gern den Spitzensteuersatz und die Reichensteuer jeweils um 2 Prozent erhöhen, das wären 85 Millionen Euro pro Jahr für die Stadt. Das ist natürlich bei einem Defizit von 556 Millionen Euro viel zu wenig, hier muss viel mehr passieren. Selbst der Ex-Finanzsenator Michael Frey

tag hat als Hauptgrund für die derzeitige dramatische Haushaltslage die wegbrechenden Steuereinnahmen genannt. Deshalb begrüßen wir es, dass an dieser Stelle etwas passiert.

Wir können jedoch nicht nachvollziehen, dass die Vorschläge aus der Opposition für einen besseren Steuervollzug offenkundig immer noch nicht aufgenommen wurden. Wir haben die Anträge mehrfach gestellt, CDU und GAL haben sie immer wieder abgelehnt und stets mit dem Argument, dies würde nur dreistellige Millionenbeträge für die Stadt bringen. Ich bitte Sie, dreistellige Millionenbeträge sind für Hamburg eine Menge Geld und darauf können wir überhaupt nicht verzichten, dies muss auf den Weg gebracht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Für uns spielt bei dieser Frage die Steuergerechtigkeit eine ganz besondere Rolle. Der Steuerzahlerbund nennt dies politische Hygiene und meint damit eine Vermögensabgabe für die sehr hohen Einkommen, die er auf drei Jahre befristen will. Danach soll laut Steuerzahlerbund alles wieder unhygienisch werden; das unterstützen wir in keiner Weise. Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen – das kann man jetzt auch überall hören –, dass kein Weg an einer Erhöhung der Steuereinnahmen vorbeiführt. Es führt auch auf keinen Fall ein Weg an der Erhebung der Vermögensteuer vorbeiführt. Täglich werden es mehr, die eine stärkere Beteiligung fordern, von Millionären über den Steuerzahlerbund bis hin zum christdemokratischen Lager. Wir würden uns freuen, wenn auch der Bürgermeister sich dort einreiht und hier europäische Normalität hineinbringt.

Der Landesverband der Grünen in Hamburg hat jetzt die Haushaltsdiskussion bereichert, indem auch hier eine Vermögensteuer gefordert wurde. Ohne Steuergerechtigkeit ist der soziale Friede gefährdet, das weiß jeder. Unser Appell an die GAL-Fraktion: Wirken Sie auf Ihren Koalitionspartner ein und nehmen Sie den Bürgermeister ernst mit dem genannten Neuanfang. Sehen Sie zu, dass die CDU zur Vernunft kommt und setzen Sie sich für eine Bundesratsinitiative für eine Vermögensteuer ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern vom Senat einen schnellen, ehrlichen Kassensturz und vor allem fordern wir eine uneingeschränkte Information, die es heute leider nicht gegeben hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt der Herr Finanzsenator.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu der aktuellen Situation, vor

(Dora Heyenn)

der wir stehen, ist schon beinahe alles gesagt worden. Aber es haben sich in diese Debatte doch einige Missverständnisse eingeschlichen und deswegen möchte ich gern noch einmal auf das eine oder andere eingehen.

Herr Neumann hat beispielsweise angesprochen, dass der Bürgermeister und der Senat keine Visionen haben. Ich glaube, es war ein bedeutender SPD-Politiker, Helmut Schmidt, der den berühmten Satz von den Visionen und dem Arzt geprägt hat.

(Michael Neumann SPD: Der hat, glaube ich, widerrufen!)

Es ist auch nicht die Zeit für Visionen. Wer jetzt glaubt, wir befänden uns in dieser Stadt in einer Situation, in der wir ein visionäres Füllhorn ausschütten könnten, der hat die Zeichen der Zeit in der Tat nicht erkannt.

Dann wurde gesagt, der Bürgermeister sei nicht tatendurstig. Ich glaube, dass der Senat und der Bürgermeister sich vorgenommen haben, 510 Millionen Euro strukturell einzusparen, ist mehr als tatendurstig.

Wir haben damals eine Situation vorgefunden, die in der Tat mit 18 Milliarden Euro Schulden keine einfache war. Wenn Sie darauf hinweisen, dass mit unserer Finanzplanung 78 Prozent Steigerung dieser Schulden einhergehen, dann möchte ich deutlich darauf hinweisen, dass wir in der Zeit von 1990 bis 2000, also unter SPD-geführten Senaten, eine Verdoppelung der damaligen Schulden erlebt haben. Es ist nicht nur diese Situation damals, sondern beides zusammen ist die Ursache dafür, dass wir jetzt vor diesem strukturellen Defizit stehen. Deswegen sagen wir, sagt der Bürgermeister, dass wir alle über unsere Verhältnisse gelebt haben. Wir sagen nicht, die Menschen in der Stadt haben über ihre Verhältnisse gelebt, sondern wir sagen, wir hatten über unsere Verhältnisse gelebt.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Genau!)

Und das bezieht diesen Senat genauso ein wie seine Vorgänger. Ich glaube nicht, dass wir weiterkommen, wenn wir uns dieser Verantwortung entziehen, sondern wir müssen uns ihr stellen und diese Verantwortung tragen wir gemeinsam.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Die Tatsache, einen ausgeglichenen Haushalt als Hinters-Licht-Führen zu bezeichnen, ist Augenwischerei. Ein ausgeglichener Haushalt ist ein ausgeglichener Haushalt. Wir haben uns strukturell mit der Frage beschäftigt, wie viel Vorsorge wir in einem solchen Haushalt treffen müssen, wenn wir ihn strukturell betrachtet hätten. Aber dass der Haushalt ausgeglichen war, da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Die umfassende Information des Parlaments über die Sparvorschläge ist genau das, was kommen wird, aber wir haben es jetzt noch nicht. Und warum haben wir es noch nicht? Weil wir es uns in dieser Situation von 510 Millionen Euro strukturellen Defizits nicht leicht machen. Wir geben keine schnellen Antworten, weil wir in der Vergangenheit auch unter den vielen Vorgänger-Senaten gelernt haben, dass schnelle Antworten in der Regel nicht die richtigen sind. Was wir jetzt brauchen, sind gründliche Überlegungen und die Zeit für diese gründlichen Überlegungen nehmen wir uns.

Die Rahmenbedingungen dieser gründlichen Überlegungen haben wir dargestellt, der Bürgermeister hat es gesagt, wir werden 100 Millionen Euro von diesen 510 Millionen Euro strukturellem Defizit dadurch erreichen, dass wir die Verwaltungseffizienz steigern. Da höre ich nun von Herrn Neumann, das sei eine Floskel. Er selbst schlage dafür vor, die Doppelstrukturen in der Verwaltung zu reduzieren. Da würde ich gerne darauf hinweisen, dass der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen marginal ist, gemeinhin sind sie identisch.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Michael Neumann SPD: Das ist in der Sache kein Widerspruch!)

Wir haben 100 Millionen Euro aus dem Beitrag der Beschäftigten, indem wir das Weihnachtsgeld in einem sozial abgefederten Verfahren streichen und die unteren Einkommensstufen davon ausnehmen. Wir werden dafür auf Dinge wie eine Ausdehnung der Arbeitszeit, die in diesem Zusammenhang immer wieder gefordert wird, verzichten. Die 50 Millionen Euro der öffentlichen Unternehmen und die Quote von 260 Millionen Euro sind bereits genannt worden. Ich darf noch einmal zusammenfassen: 100 Millionen Euro Verwaltungseffizienz, 100 Millionen Euro als Beitrag der Beschäftigten, 50 Millionen Euro bei den öffentlichen Unternehmen und 260 Millionen Euro Quote ergeben zusammen 510 Millionen Euro. Das ist die Lücke, die es zu schließen gilt.

Wenn darüber hinaus davon gesprochen wird – und der Bürgermeister hat das getan –, dass wir uns darum bemühen wollen, Einnahmesteigerungen über den Bund, Steuererhöhungen in den Spitzenbereichen durchzusetzen, dann sind das Bemühungen, die darüber hinausgehen. Es soll eine additive Verbesserung der finanziellen Lage der Stadt geben und keine ungedeckten Schecks. Die Dinge, die wir tatsächlich vorhaben, haben wir klar benannt; ungedeckte Schecks gibt es nicht. Es gibt darüber hinaus weitere Aktivitäten, die wir ergreifen werden und die, wenn es uns gelingt, sie erfolgreich zu entfalten, den Handlungsspielraum der Freien und Hansestadt deutlich erhöhen werden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

(Senator Carsten Frigge)

Von der SPD und auch von der LINKEN wurde gesagt, die heute konkret genannten Vorschläge gingen im Wesentlichen auf die SPD oder DIE LINKE zurück.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das hat keiner gesagt!)

Dazu kann ich nur sagen: Es freut mich, das zu hören, denn es heißt doch gemeinhin, der Erfolg hat viele Väter. Darum freue ich mich sehr, dass Sie die hier genannten konkreten Vorschläge als einen Erfolg ansehen. Sie sehen also selbst, dass wir die richtigen Dinge tun. Die Wahrheit ist, lieber Herr Neumann, dass sich kein Bürgermeister mit mehr Wahrheit den strukturellen Erfordernissen des Haushalts gestellt hat. Kein Bürgermeister hat hier mehr Tatkraft entfaltet und kein Bürgermeister hat mehr Mut zu unpopulären Entscheidungen an dieser Stelle bewiesen, zum Wohle unserer Stadt. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tschentscher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Bürgermeister hat heute wieder große Worte gewählt, bis hin zu Europa. Aber wenn man es genau bedenkt, Herr Schira, hat er uns eigentlich erklärt, was er in den letzten zehn Jahren alles falsch gemacht hat. Dann hat er auch noch viele falsche Dinge gesagt, sodass die Redezeit zu knapp ist, das alles richtig darzustellen.

Aber eines ist klar, Herr Senator Frigge. Bevor Sie ins Amt gekommen sind, bis vor wenigen Wochen noch, hat Schwarz-Grün trotz massiver Steuereinbrüche erklärt, alles sei ausgeglichen, es gäbe überhaupt keinen Grund zum Sparen. Sie haben Ausgabensteigerungen in Milliardenhöhe in allen Bereichen des Haushalts beschlossen und das Defizit, das wir und auch der Rechnungshof Ihnen vorgetragen haben, einfach ignoriert.

Und dann tritt der Bürgermeister über Nacht in einer Pressekonferenz auf und erklärt den Haushaltsnotstand. Er begründet dies heute mit einer Mai-Steuerschätzung; hier komme ich zu der ersten unwahren Behauptung. Die Mai-Steuerschätzung hat keine neue Zahl gebracht und dieses Ergebnis hat niemanden überrascht, außer offensichtlich den Bürgermeister.