Protocol of the Session on June 3, 2010

Der Fall, den wir jetzt zu beklagen haben, ist in der Tat tragisch und es ist jedes Mal furchtbar, wenn ein Mensch stirbt, egal aus welchem Grund. Die Dame im vorliegenden Fall war eine verurteilte Straftäterin, das steht objektiv fest. Sie hatte sich ihre früheren Aufenthaltstitel erschlichen, lebte hier unter verschiedenen falschen Identitäten, war schließlich vollziehbar ausreisepflichtig und war untergetaucht; auch das steht fest. Sämtliche gesetzliche Voraussetzungen für die Abschiebehaft lagen also in diesem Fall eindeutig vor.

Wie Sie wissen, haben wir sowohl die Exekutive als auch die Legislative, die in diesem Fall beide zu derselben Auffassung gekommen sind, nämlich dass sie in Haft zu nehmen ist.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie meinen Judi- kative!)

Entschuldigung, ich meinte selbstverständlich Judikative.

Sie kamen soeben noch einmal auf den Tod von David M. zu sprechen und haben gesagt, er hätte in die Obhut des Jugendamts genommen werden müssen. Auch in diesem Punkt vertreten wir völlig unterschiedliche Rechtsauffassungen, nicht nur deshalb, weil er nicht minderjährig war, sondern weil das Völkerrecht, das in diesem Punkt eine andere Regelung vorsieht, Vorrang hat. Schließlich haben Sie behauptet – und das ist schlichtweg nicht richtig –, die Behörde hätte einen Spielraum gehabt. Von einem Spielraum kann aber überhaupt nicht die Rede sein, denn laut Gesetz ist er in Haft zu nehmen.

Das Schlimme ist, dass wir im vorliegenden Fall den Tod einer Frau zu bedauern haben. Ebenso wie Sie frage ich mich, wie verzweifelt ein Mensch sein muss, um sich umzubringen. Das können wir heute nicht mehr beurteilen und werden es wahrscheinlich auch nicht anhand der Auswertungen der Abschiedsbriefe dieser Frau durch Fachleute – sie hatte ja mehrere Briefe geschrieben – herausfinden.

Fakt ist aber auch, dass Suizide nicht nur in der Abschiebehaft vorkommen. Auch in anderen Haftformen bringen sich Menschen um, das heißt, wir haben in der Haft generell das Problem, dass Menschen unter Depressionen und dem Druck der Freiheitsentziehung leiden. Das ist natürlich furchtbar und wir müssen überlegen, was wir generell tun können, um den Aufenthalt und die Eingriffe in der Haft so gering wie möglich zu halten. In diesem Punkt gebe ich Ihnen Recht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Zumindest bisher hat die SPD anerkannt, dass in dieser Hinsicht bereits viel geschehen ist. Wir haben die Containerunterbringung abgeschafft, die entsprechende Abschiebehaft ist inzwischen in Billwerder untergebracht, nachdem sie sich zwischenzeitlich in Fuhlsbüttel befand. Wir haben Einzelunterbringung, getrennte Unterbringung, also losgelöst von den sonstigen Häftlingen, mehr Freigang ist erlaubt, Zugang zu Telefon und, soviel ich weiß, auch zum Internet ist möglich, mehr Besuch ist gestattet, es gibt Freizeitmöglichkeiten und zu guter Letzt hat der Senat ein Qualitätsmanagement eingeführt, was ich für eine gute Sache halte. Auch wenn man weiter an einer Verbesserung der Situation arbeiten muss, ist schon sehr viel passiert und ich wage zu bezweifeln, dass in diesem konkreten Fall der Suizid hätte verhindert werden können, denn ich bin mir sicher, dass keiner auch nur irgendeinen Anhaltspunkt dafür hatte, dass sich diese Dame umbringen wollte.

Dieser Tod ist tragisch und furchtbar, aber eines ist trotzdem klarzustellen: Illegale Ausländer, die strafrechtlich verurteilt wurden und ihrer Ausreisepflicht nachweislich nicht freiwillig nachkommen, müssen in Abschiebehaft genommen werden, sonst werden sie das Land nicht verlassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach den tragischen Selbstmorden von David M. und Yeni P. steht der Abschiebehaftvollzug in Hamburg und auch über Hamburgs Grenzen hinweg unter besonderer öffentlicher Beobachtung. Es ist gut, dass wir uns im Ausschuss mit diesem Thema befasst haben und noch einmal Akteneinsicht beantragt haben, um uns ein genaues Bild von den Vorgängen zu machen.

Es ist noch gar nicht so lange her ist, dass das Antifolterkomitee Hamburg besucht und die hiesigen Abschiebebedingungen gerügt hat. Ich gestehe gerne zu, dass seitdem etwas passiert ist. Vor dem Hintergrund dessen, was damals – und das war nicht vor zehn oder zwanzig Jahren, sondern 2005/2006 – kritisiert wurde, stehen wir in einer besonderen Verantwortung, diese Zustände sehr genau im Blick zu behalten und darauf zu achten, was verändert und verbessert werden kann.

Lenken wir den Blick etwas weiter in die Vergangenheit, so haben wir auch den Selbstmord von Mike S. zu beklagen, bei dem es zwar nicht um Abschiebehaft, aber ebenfalls um einen Suizid im Vollzug ging. Wir haben es also mit drei Suizidfällen innerhalb kurzer Zeit zu tun, sodass wir das Thema Suizidprävention in den Ausschusssitzungen ausführlich debattierten und in der nächsten Ausschusssitzung die bisherigen Maßnahmen zur Prävention noch einmal im Einzelnen durchgehen wollen.

Da die Suizidprävention auch in diesem konkreten Fall nicht funktioniert hat, müssen wir sie hinterfragen. Wir wollen wissen, was bei der Suizidkonferenz, die sich mit diesem Thema auseinandersetzt, herausgekommen ist. Auch wenn die Fälle ganz unterschiedlich sind, treibt uns die Frage um, ob die Mitarbeiter der Behörde dieses Worst-CaseSzenario tatsächlich immer schon beim ersten Anhaltspunkt für einen Suizid durchspielen. Wird bei einem suizidgefährdeten Häftling tatsächlich das Maximum getan, um seinen Suizid zu verhindern, zum Beispiel durch Verkürzung der Überwachungsintervalle? Dass auch am Wochenende Psychologen anwesend sind, ist immerhin schon ein Schritt, reicht aber noch nicht aus. Nach drei Suizidfällen innerhalb einer so kurzen Zeit können

wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und gerade Sie als grüner Justizsenator sind in der Pflicht, etwas vorzulegen und auf diese drängenden Fragen Antworten zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Wir begrüßen zwar, dass Sie inzwischen keine Abschiebehaft mehr bei straffälligen Minderjährigen beantragen, müssen sich aber trotzdem der Frage stellen, warum sie bei David M. beantragt wurde. Sie sind von Rechts wegen verpflichtet, eine sehr genaue Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen, zumal die Abschiebehaft gerade bei Minderjährigen – zum damaligen Zeitpunkt ging man davon aus, dass David M. minderjährig ist – erst recht Ultima Ratio ist.

In Paragraf 42 SGB VIII steht, dass in solchen Fällen das Jugendamt zwingend einzuschalten und in den gesamten Prozess mit einzubeziehen ist. Ich möchte schon sehr genau wissen, ob ein Dubliner Übereinkommen fundamentale Normen unseres Kinder- und Jugendhilferechts einfach über Bord werfen kann. Das kann es aus Sicht der SPD nicht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

All diese Fragen werden wir aufarbeiten müssen und uns darum zu kümmern haben, wie es weitergeht. Wir als SPD haben bereits Ende März vorgeschlagen, einen Punkt aufzugreifen, den das Antifolterkomitee bereits 2005/2006 gefordert hat, nämlich unterschiedliche Abschiebehaftrichtlinien für Hamburg. Diese sind in Schleswig-Holstein 2003 eingeführt worden und führten dort in der Tat teilweise zu Verbesserungen für die Betroffenen. Anders als die Linkspartei sagen wir als SPD ganz klar, dass die Abschiebehaft weiterhin Ultima Ratio sein muss. Allerdings muss ihre konkrete Ausgestaltung so human wie möglich sein, so human, wie es die Situation im Vollzug erlaubt. Abschiebehaft ist keine Strafhaft; dieser Tatsache muss der Vollzug Rechnung tragen und alles tun, damit sich solche schrecklichen Fälle nicht wiederholen.

Ich möchte ein paar konkrete Punkte nennen, die im Fall von Yeni P. deutlich geworden sind. Im Ausschuss haben wir unter anderem gehört, dass sie sich offenbar sehr darüber beklagt hatte, keine klare Auskunft über ihr weiteres Schicksal bekommen zu haben. In den schleswig-holsteinischen Richtlinien, die ich mir noch einmal angesehen habe, ist Vorschrift, dass das Landesamt für Ausländerangelegenheiten über die Voraussetzungen und den Zeitpunkt der Ausreise unverzüglich und verlässlich informiert und berät, damit die Isolationssituation des Abschiebehäftlings, also nicht zu wissen, was wann mit ihm passiert, trotz Durchsetzung des Ausländerrechts – bei dem machen wir keine Abstriche, aber bitte vernünftige Bedingungen und vernünftige Begleitung und Unterstützung – verkürzt wird. Das würden wir uns auch für Hamburg wünschen.

(Richard Seelmaecker)

Auch Landesbeirat und NGOs sollten jederzeit vernünftig in die Beratungssituation mit eingebunden werden, da sie eine ganz wichtige Hilfestellung leisten können. Mit Ihrem Runden Tisch, an dem die Opposition nicht beteiligt ist – was wenig sinnvoll ist, da man bei diesem sensiblen Thema doch eigentlich einen breiten überparteilichen Konsens herbeiführen sollte –, liegen Sie hinter SchleswigHolstein noch ein bisschen zurück, denn in Schleswig-Holstein gibt es zum Beispiel einen dauerhaften Landesbeirat für Abschiebehaftvollzug, in dem sich auch die Flüchtlingsorganisationen engagieren und der mit einer Art Regelverfahren den Abschiebehaftvollzug begleitet und evaluiert.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das hat da- mit doch gar nichts zu tun!)

Ein einmaliger Runder Tisch, an dem allerdings auch die Opposition teilnehmen sollte, ist ein Anfang, aber noch besser wäre es, wenn der Abschiebehaftvollzug zukünftig von einem Regelverfahren und einem Landesbeirat begleitet werden würde. Dies haben wir mit unserem Antrag im März vorgeschlagen. Unsere Vorschläge liegen also auf dem Tisch und wir sollten uns dem Thema weiterhin gemeinsam widmen, was wir auch nächste Woche im Rechtsausschuss tun werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Menschen, die sich in staatlicher Obhut befinden, keinen anderen Ausweg wissen, als sich selbst zu töten, dann bleibt uns als Parlament, aber auch als Regierung, nichts anderes übrig, als bis ins letzte Detail aufzuarbeiten, was da geschehen ist, was versäumt wurde und wie es zu dieser Situation kommen konnte.

Die beiden Ausschusssitzungen – das ist den Wortprotokollen zu entnehmen und so verstehe ich auch meine Vorrednerinnen und Vorredner – haben versucht, das zu leisten und sie haben es auch gut geleistet. So schräg es in diesem Zusammenhang auch klingt, bin ich froh darüber, dass diese Suizide ein bundesweites Echo in den Medien gefunden haben, weil wir keineswegs das einzige Bundesland sind, das Abschiebehaft vollzieht. Eine bundesweite Umfrage von vor zwei Jahren hat ergeben, dass es – anders als in Hamburg – in Deutschland durchaus üblich ist, neben Jugendlichen und teilweise sogar Kindern auch schwangere Frauen in Abschiebehaft zu nehmen.

Der Frage, was versäumt wurde und geändert werden muss, nimmt sich der Senat an. Auch wir haben uns ihrer angenommen und sind uns einig, dass wir damit noch nicht fertig sind. Diese Frage

hat tatsächlich zu einem äußerst ungewöhnlichen Vorgang geführt, den ich noch einmal kurz skizzieren möchte, um auf Frau Schneiders Vorwurf einzugehen.

Tatsache ist, dass wir uns als Koalitionsfraktionen darauf verständigt haben, den Senat an einen Runden Tisch zu bitten, um gemeinsam über die beiden Fälle und ihre Konsequenzen, die zukünftigen Perspektiven für die Abschiebehaft und das Verhalten der Ausländer- und der Justizbehörde zu sprechen, und zwar nicht in einem "inner circle", sondern in einem Kreis von Expertinnen und Experten, die wir bundesweit ausfindig gemacht haben. Wir werden hoffentlich in den ersten Julitagen diesen Termin umsetzen können, bei dem es nicht darum geht, die Opposition auszugrenzen, sondern darum, dass wir als Koalitionsfraktionen dem Senat ganz deutlich signalisieren, dass er etwas unternehmen muss. Auch wenn Sie bedauern, nicht mit dabei zu sein, ist dieses Signal tatsächlich so ungewöhnlich, dass ich mir wünschen würde, Sie würden dieses Vorgehen akzeptieren und erst einmal abwarten. Wir haben zugesagt, dass wir die Ergebnisse dieses Runden Tisches dem Ausschuss vorlegen werden.

Als zweiten Aspekt möchte ich hier noch einmal die grundsätzliche Frage der Abschiebehaft ansprechen. Weltweit ist – zumindest mir – kein Land bekannt, das auf Abschiebungen und die damit verbundene Haft verzichtet. Das soll keine Ausrede sein, hier auch so zu verfahren, so möchte ich es nicht verstanden wissen. Aus dieser Situation heraus liegt es aber an uns, Standards sicherzustellen und so wenig wie möglich – Ultima Ratio ist ein gutes Wort dafür – in den Einzelfällen, in denen es angesagt ist, auf Abschiebehaft zurückzugreifen. Wenn der gesellschaftliche Konsens zu erreichen wäre, in Deutschland darauf zu verzichten, wären wir froh. Ich sehe das nicht.

Ich sehe aber, dass wir gerade in Hamburg einiges deutlich verändert haben. Die erleichterten Abschiebungen nach dem Dublin-II-Abkommen beispielsweise, die in diesem Fall dann Rückführungen heißen, werden von Hamburg aus nach Griechenland nicht durchgeführt. Griechenland ist europaweit im zweifelhaften Sinne anerkannt als ein Land, das sich nicht an die verabredeten Standards hält, die für Menschen im Asylverfahren und für Menschen, deren Asylverfahren abgelehnt sind, gelten. Hamburg überführt nicht zurück nach Griechenland.

Gleichzeitig stellen sich aber hinsichtlich des Dublin-II-Verfahrens weitere Fragen, Herr Dressel hat einige genannt. Sind Menschen ab einem Alter von 16 Jahren, die nach dem deutschen Ausländerrecht ihr Asylverfahren eigentlich selbstständig durchlaufen könnten, wirklich als Erwachsene zu behandeln oder gilt hier die UN-Kinderrechtskon

(Dr. Andreas Dressel)

vention oder das Jugendrecht? Das ist eine der Fragen, die wir am Runden Tisch erörtern werden.

Wir werden aber sicherlich kein Einverständnis darüber herstellen können – und das muss man schon vorher sagen –, in Hamburg ganz auf Abschiebehaft zu verzichten. Um diese Idee weiter verfolgen zu können, ich sagte es bereits, bräuchte man zumindest europaweit einen gesellschaftlichen Konsens und dazu gehört andere Arbeit.

Noch einmal zurück zu der Tatsache, dass es ein bundesweites Interesse an der bitteren Erkenntnis gibt, dass Suizide in Abschiebehaft nicht zu verhindern sind. Wir haben genügend Punkte, über die wir bei der Umsetzung und den Standards von Abschiebehaft reden müssen. Vielleicht können wir mit dem Ergebnis unseres Runden Tisches einen Impuls an andere Bundesländer geben, der möglicherweise auch einmal in einer Innenministerkonferenz dazu führt, dass es einen grundsätzlichen bundesweiten Austausch über Verhältnismäßigkeit, Notwendigkeit und Sinn von Abschiebehaft gibt. Das würde ich als ein lohnenswertes Ziel ansehen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort erhält nunmehr der Justizsenator Dr. Steffen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Anlass unserer Beratungen ist ein Fall, der zutreffend als tragisch bezeichnet wurde und der auch mich persönlich sehr betroffen gemacht hat. Es ist nur eine schwache Beruhigung, dass der letzte Entschluss zum Suizid durch die Person selbst gesetzt wird und dass es Suizide und Suizidabsichten gibt, die vorher nicht zu erkennen sind. Es bleibt mein Wunsch und auch mein Anspruch, dass wir bei Menschen, die in der Obhut des Staates sind, jede Interventionsmöglichkeit nutzen, bevor es zu einem Suizid kommt, und auch stärker intervenieren, als es vielleicht in der Freiheit der Fall wäre. Wir haben da eine besondere Verantwortung und dies ist mitnichten eine Angelegenheit, über die man ohne Weiteres hinweggehen könnte. Deswegen finde ich es richtig, dass wir sowohl diesen Fall, als auch den Fall des jungen georgischen Abschiebegefangenen und den Suizid von Mike S. in der Untersuchungshaftanstalt zum Anlass genommen haben beziehungsweise zum Anlass nehmen werden, eine ausführliche Untersuchung in einem Ausschuss der Bürgerschaft durchzuführen. Es ist auch richtig, aufseiten des Senats jedes Detail genau anzusehen, das von Bedeutung gewesen sein könnte. Das ist wichtig und das schulden wir diesen Menschen, die vor Verzweifelung keinen anderen Ausweg wussten, als sich das Leben zu nehmen.

Deswegen ist es auch richtig, dass wir im Rahmen der Beratungen – zunächst am Runden Tisch und dann sicherlich auch in den Gremien der Bürgerschaft – alles auf den Prüfstand stellen, was Abschiebehaft ausmacht. Das beginnt bei den Aufgaben der Ausländerbehörde und schließt auch die Tätigkeit des Hamburger Vollzugs bei der Abschiebehaft mit ein. Der Senat ist ausdrücklich offen für Diskussionen über Veränderungen seiner Praxis. Es ist ganz wichtig, dass wir zu der gemeinsamen Haltung kommen, an Praktiken nicht deshalb festhalten zu wollen, weil wir es schon immer so gemacht haben. Wir müssen uns auf die Debatte einlassen, was wir anders machen und was wir tun können, um die Situation für Menschen in Abschiebehaft möglichst wenig einschneidend zu gestalten oder in möglichst vielen Fällen gar gleich auf Abschiebehaft verzichten zu können. Wir werden uns jeden Punkt ansehen, der im Gestaltungsspielraum von Hamburg liegt. Das Bundesrecht gibt hier einen ausgesprochen engen Rahmen für das Handeln der Hamburger Behörden, das wurde schon zutreffend gesagt.

Es ist aber nicht so, dass wir erst durch diese Vorfälle angefangen hätten, über Abschiebungen, Abschiebehaft und die Durchführung der Abschiebehaft nachzudenken; das ist falsch. Es wurde der Bericht des Anti-Folter-Komitees zitiert, der für Hamburg ein sehr unrühmliches Zeugnis ausstellte. Dieser Bericht war, wie diejenigen wissen, die sich mit dem Thema auskennen, zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung schon nicht mehr aktuell. Der Senat hatte schon damals mit der Containerunterbringung in Glasmoor einen Zustand abgeschafft, der in der Tat besonders augenfällig als menschenunwürdig auffallen musste. Er hatte auch bereits angegangen, die zwischenzeitliche Unterbringung in der Untersuchungshaftanstalt abzuschaffen und die Abschiebehaft in einer getrennten Einheit in Fuhlsbüttel unterzubringen. Dieser wichtige Schritt wurde schon veranlasst, bevor der Bericht auf dem Tisch lag. Es gab weitere Kritikpunkte; auch sie sind zwischenzeitlich in die Tat umgesetzt worden.

Wir hatten also damals schon die wichtige Forderung umgesetzt, Abschiebegefangene eindeutig von Strafgefangenen zu trennen. Das stand im Mittelpunkt der Kritik des Anti-Folter-Komitees. Mittlerweile sind wir einen wesentlichen Schritt weiter gegangen. Wir haben keine Saalbelegung für Abschiebegefangene mehr, sondern haben mit dem Umzug von Fuhlsbüttel nach Billwerder Einzelhafträume geschaffen, die wir den Abschiebegefangenen zur Verfügung stellen. Wir arbeiten auch hier daran, die Abschiebehaft so wenig einschneidend wie möglich zu machen.

Es ist eine Sache, immer zusätzliche Gremien zu fordern. Wichtig ist doch aber, dass wir im engen Dialog mit NGOs wie etwa der Flüchtlingsbeauftragten der Nordelbischen Kiche sind, um darüber

(Antje Möller)

zu sprechen, was wir im Rahmen unserer Möglichkeiten machen können, was zu tun bleibt und woran wir noch arbeiten sollten. Diese Diskussion, das möchte ich sehr deutlich sagen, hat nicht erst jetzt begonnen.

Das andere Thema, was hier berührt wird, ist die Suizidprophylaxe. Das ist ein Thema, was den Hamburger Strafvollzug auch nicht erst seit diesen drei Vorfällen, sondern seit geraumer Zeit intensiv beschäftigt. Es ist keine neue Erkenntnis, dass insbesondere in der Untersuchungshaft das Risiko für Suizide erhöht ist. Der Inhaftierungsschock ist für viele Menschen gravierend und deswegen muss der Vollzug wachsam sein, wenn es darum geht, Suizidabsichten zu erkennen. Es gibt ein sehr intensives, engmaschiges Konzept der Suizidprophylaxe, in dem alle Erkenntnisse, die bundesweit und auch international über die Früherkennung von Suiziden zu gewinnen sind, eingebunden wurden und werden. Es gibt auch seit Jahren eine enge Zusammenarbeit mit der Suizidambulanz am Universitätsklinikum, wo wirklich alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, die genutzt werden können, eingebunden werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit, aber es ist auch eine Leistung des Vollzugs, die man nicht zu gering schätzen sollte. Hier engagieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter außerordentlich und nicht erst seit diesen Vorfällen, sondern auch schon lange davor.