Protocol of the Session on June 2, 2010

In der derzeitigen Haushaltslage haben wir keine Zeit mehr dafür, sich hinter Populismus zu verschanzen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sie tricksen bei Ihren Sparvorschlägen. Da wird gesagt, man könne mit den Intendanzbereichen im Personalhaushalt sparen – was totaler Unsinn ist, denn die Intendanzbereiche machen bei rund 70 000 Beschäftigten im öffentlichen Sektor sicherlich keinen nennenswerten Bestandteil aus – und dann kommt der populistische Trick mit der Vermögensteuer. Man macht keine strukturellen Sparvorschläge, sondern spielt populistisch Umwelt gegen Kinder aus. Das ist keine strukturelle Haushaltspolitik.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Ingo Egloff SPD: Wo sind denn Ihre Vorschläge?)

Unsere Vorschläge kommen in der Regierungserklärung.

Es wird dann noch einmal eine ernsthafte Debatte geführt werden. Damit bekommt die Opposition noch einmal eine Chance, sich hier einzufinden. Die Zeit ist zu knapp geworden, um populistische Debatten zu führen. Der Bürgermeister hat als erster Mut bewiesen und gesagt,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Lachhaft! – Ingo Egloff SPD: Der Bürgermeister hat einge- räumt, dass er die Unwahrheit gesagt hat!)

dass wir ein Problem haben, an dem wir alle schuld sind. Jetzt ist es Zeit, dass die Opposition diesem Beispiel folgt und auch einmal Mut beweist.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Herr Dr. Tschentscher.

Ich glaube, Herr Heintze hat die aktuelle Diskussionslage noch nicht mitbekommen. Herrn Freytag hätte die Rede gefallen, Herr Heintze. Das ist der Stil bis vor Donnerstag letzter Woche.

Wenn Sie den Schuldenstand aufsummieren und uns erklären, dass das alles zu sozialdemokratischen Zeiten aufgelaufen sei, dann stimmt das erstens rein von den Zahlen her nicht und zweitens machen Sie den gleichen Fehler, den auch Herr Freytag immer begangen hat: Sie beziehen die kompletten Vermögensverkäufe – Krankenhäuser, Hafen und was alles an Grundstücken und Vermögen verkauft worden ist – in Ihre Betrachtung nicht mit ein. Damit haben Sie Ihr strukturelles Defizit all die Jahre versteckt. Herr von Beust hat das am Donnerstag zugegeben, Sie bleiben bei dieser alten Täuschung.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Außerdem haben Sie und auch Herr Kerstan – ich muss es leider sagen – bei der Liste nicht richtig hingehört. Ich habe unter anderem folgende Punkte benannt, die unter die Betriebsausgaben fallen: Polizei-Orchester, Pressesprecher, Reiterstaffel, Personal in den Intendanzbereichen, Büroflächenanmietung. Selbst die Wissenschaftsstiftung finanzieren Sie komplett aus dem Betriebshaushalt, auf Dauer und strukturell. Es stimmt nicht, dass unsere Sparvorschläge hier nur Show sind. Das sind Punkt für Punkt Millionenbeträge und die addieren sich.

Diese Werbekampagne, die ich eben angesprochen habe und die Herr Heintze jetzt auf einmal Demonstration von Tatsachen nennt, nenne ich PR-Kampagne.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Natürlich! – Bei- fall bei der SPD und der LINKEN)

Das sind reine Betriebsausgaben, keine Investitionen, schon gar nicht Investitionen in die Zukunft.

Da sind wir dann auch bei dem Stichwort Investitionsprojekte, bei denen man angeblich nicht sparen darf. Herr Senator Frigge, da werden Sie mit Herrn Kerstan noch eine anstrengende Diskussion führen müssen, denn Sie haben doch gesagt, es gäbe 94 Investitionsprojekte, die auf den Prüfstand gehören. Genau das ist richtig, Herr Kerstan. Jedes Investitionsprojekt zieht dauerhafte Kosten nach sich, da sind die Zinskosten nur das eine. Natürlich zieht jede Investition auch Betriebskosten nach sich. Deswegen dürfen nur die richtigen Investitionen erfolgen: in Schulen, in Universitäten und in den Straßenbau. Es darf jetzt nicht in Dinge investiert werden, die wir Ihnen seit mindestens zwei Jahren zur Streichung vorschlagen.

In einem, Herr Senator Frigge, muss ich Ihnen völlig recht geben. Anlass zur Selbstkritik gibt es immer und für jeden, sicher auch für das eine oder andere Haushaltsjahr in 44 Jahren SPD-Senat. Das ist doch gar nicht der Punkt. Letztlich geht es darum – das haben Sie richtig vorgerechnet in Ihrer Pressekonferenz –, dass wir ermitteln müssen, wie der mittlere Verlauf der Betriebsausgaben und der Einnahmen ist und wo da eigentlich die Lücke ist. Genau diese Rechnung hat Rot-Grün 1997, also vor mittlerweile nahezu 15 Jahren, gemacht. Damals entstand die Erkenntnis, dass wir die Steigerung im Betriebshaushalt begrenzen müssen und Rot-Grün hat – Herr Maier war dabei, ich weiß nicht, ob Sie schon dabei waren, Herr Kerstan – es mit Bürgermeister Ortwin Runde hinbekommen, den Ausgabenanstieg auf durchschnittlich 50 Millionen Euro im Jahr zu begrenzen. Das hört sich viel an, war aber weniger als die Inflationsrate – 50-Millionen-Schritte Jahr für Jahr. Als Herr Peiner das Ruder übernommen hatte, wurden aus diesen 50 Millionen Euro jährlich 100 Millionen Euro bis zum Jahr 2008. Schwarz-Grün hat einen Haushaltsplan vorgelegt, wonach die Betriebsausgaben Jahr für Jahr um 250 Millionen Euro gesteigert werden sollten. Das geht nicht, ganz gleich, wie die Konjunktur verläuft und schon gar nicht, wenn die Wirtschaft wie jetzt einbricht. Und diese Finanzplanung haben Sie noch im Dezember 2009, also vor noch nicht einmal einem halben Jahr, bestätigt. Deshalb ist diese Kehrtwende jetzt richtig.

Aber, Herr Frigge, Sie müssen uns noch verraten, was Sie denn Neues vorgefunden haben, als Sie in die Finanzbehörde eingezogen sind. Die Steuerschätzung im Mai kann es nicht gewesen sein. Sie haben gerade noch einmal betont, dass es eigentlich nur eine Korrektur nach unten in Höhe von 100 Millionen Euro war. Selbst diese Summe hatten wir Ihnen schon zwei Wochen vorher ausgerechnet, als Ihr Pressesprecher noch sagte, das sei ein Blick in die Glaskugel. 100 Millionen Euro nehmen Sie zum Anlass, um ein Defizit in Höhe von mehreren Milliarden Euro zu rechtfertigen, das spätestens seit November letzten Jahres bekannt ist. Das passt nicht zusammen und deswegen kann ich Sie nur bitten, uns doch einmal zu sagen, was Sie Neues vorgefunden haben.

Abschließend komme ich zu dem Punkt, der mehrfach angesprochen wurde: Wir müssen hart sparen, aber wir brauchen auch eine solide Einnahmebasis.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ja!)

Darüber werden wir morgen reden und auch über das Zitat von Herrn Freytag, dass das Wirtschaftsstabilisierungsgesetz, das Sie mit einer wuchtigen Enthaltung im Bundesrat haben passieren lassen, gar nicht in Frage komme und der Bund nicht mit dem Fett der Länder sein Kotelett braten könne. Das waren gute Worte und er hat das im Haus

haltsausschuss noch einmal bestätigt. Wir warten bis heute auf eine Kompensation der 600 Millionen Euro, die uns in der Finanzplanung verloren gehen. Das kann so nicht bleiben, wir brauchen die Vermögensteuer, wir brauchen die Finanztransaktionssteuer und wir brauchen einen Ausgleich für die unverschämten Steuersenkungen, die die Bundesregierung zulasten der Hamburgerinnen und Hamburger durchsetzt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind jetzt wirklich in einer spannenden Debatte, in der man erkennt, wer zu Ende denkt und wer leider viel zu früh mit dem Nachdenken aufhört. Herr Tschentscher, Sie haben vorhin gesagt, man müsse sparen, aber an der richtigen Stelle. Wir dürften überall dort nicht sparen, wo wirtschaftliche Kräfte geweckt werden sollen, weil wir auch Steuereinnahmen und Ähnliches brauchten. Dann haben Sie den schönen Satz geprägt, bei Bildung und Wissenschaft dürfe man nicht sparen. Und im nächsten Satz haben Sie die Wissenschaftsstiftung kritisiert, die wir eingerichtet haben und über die jedes Jahr Millionenbeträge in Forschung und Entwicklung fließen,

(Michael Neumann SPD: Auf Pump!)

die auch gut für die Wirtschaft sind, auch wenn das den Betriebshaushalt belastet, da haben Sie recht. Wenn Sie Ihren ersten Satz ernst gemeint haben, dann haben Sie nicht zu Ende gedacht, denn dann kann man dort nicht sparen, Herr Tschentscher.

(Ingo Egloff SPD: Nur weil es immer Ihre Lieblingsprojekte betrifft!)

Und wenn Sie – und das erschreckt mich wirklich zutiefst – die Umwelthauptstadt Hamburg als ein überflüssiges Marketingprogramm bezeichnen, dann haben Sie die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht begriffen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Im Stern-Report der Weltbank wird festgestellt: Wer glaubt, auf Klimaschutz und Umweltschutz verzichten zu können und damit Geld zu sparen,

(Wolfgang Rose SPD: Das ist doch peinlich!)

wird das Gegenteil erreichen, nämlich viel höhere Kosten zu einem späteren Zeitpunkt.

(Zurufe von der SPD)

Die Umwelthauptstadt Hamburg löst auch wirtschaftspolitische Effekte aus, wenn der SPD der Umwelt- und Klimaschutz wieder einmal völlig egal ist und es zum Schwur kommt. Das war beim Hafen so und ist auch jetzt wieder so, das ist wirklich

ein Trauerspiel. Aber, Herr Tschentscher, wenn bei der SPD im Zweifelsfall, wenn es um Ökologie oder Ökonomie geht, immer die Ökonomie zu gewinnen scheint,

(Ingo Egloff SPD: Wir sind die ersten Um- weltschützer gewesen! Da gab es Sie noch gar nicht!)

dann sehen Sie sich doch einmal an, wie neue Investoren im Bereich Umwelttechnologie begründen, warum sie nach Hamburg kommen.

(Michael Neumann SPD: Weil der Zug durch Hamburg fährt!)

Fragen Sie, warum General Electric in Hamburg ein Forschungszentrum für Offshore-Windenergie eröffnet hat, weil man sich dort gesagt hat, an der Umwelthauptstadt Europas kommt niemand mehr vorbei. Auch Siemens hat seine Europazentrale für den Bereich Windenergie nach Hamburg verlegt und der dänische Windenergieanlagen-Produzent Vestas hat hier eine Niederlassung gegründet. Wenn Sie das als ein überflüssiges Marketingprogramm bezeichnen, Herr Tschentscher, dann beweisen Sie damit nur, dass Sie nicht in der Lage sind, den Haushalt zu konsolidieren.

(Glocke)

Lassen Sie Herrn Kerstan bitte ausreden.

(Ingo Egloff SPD: Das ist doch Unsinn, was er da erzählt!)

Sie sind nicht in der Lage, diese Stadt strukturell und wirtschaftlich voranzubringen. Sie begreifen nicht einmal, was im 21. Jahrhundert notwendig ist, und im Grunde genommen ist es ein Armutszeugnis, was Sie zu diesen beiden Punkten vorgetragen haben, Herr Tschentscher.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Glauben Sie, die Unternehmen kommen, weil der Zug durch Hamburg fährt?)

Frau Heyenn, Behauptungen zu wiederholen und zu glauben, dadurch würden sie wahrer, ist auch nicht der richtige Weg. In der Krise, in der wir uns befinden, haben wir immer wieder das Problem, dass der Bund Ausgabenerhöhungen beschließt, die von den Ländern, die teilweise die Ausgaben auch richtig finden, finanziert werden müssen, ohne dass auch nur ein Gedanke darüber verloren wird, wie die Länder das finanzieren sollen. So ist es auch bei der Erhöhung des BAföG. Und damit Sie nicht immer wieder Unausgegorenes und Unwahres wiederholen: Hamburg wird im Bundesrat nicht gegen die Erhöhung des BAföG stimmen,

(Dr. Peter Tschentscher)

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ist doch wunder- bar!)

sondern wir werden einem Antrag zustimmen, der vorsieht, bei der Erhöhung des BAföG andererseits auch die Finanzierung zu klären. Und wenn sich die Bundesregierung an diesem Punkt nicht bewegt, dann werden wir den Vermittlungsausschuss anrufen.