Protocol of the Session on June 2, 2010

Wir haben die volle Wahrheit, wie wir sie in aller Deutlichkeit gesehen haben, auf den Tisch gelegt. Wir werden die Suche nach Lösungen in den Haushaltsberatungen vom 14. bis zum 16. dieses Monats aufnehmen und der Bürgermeister wird sich dazu – das hat er bereits in den Medien erklärt – am 16. Juni mit einer Regierungserklärung an das Parlament wenden. Der Blick nach vorn ist auch der richtige Weg.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Den Blick zu- rück, den wollen Sie lieber nicht!)

Auch wenn es in der Vergangenheit vielleicht eine ganze Reihe von guten Ideen aus den verschiedensten Perspektiven gegeben hat,

(Michael Neumann SPD: Von Herrn Freytag kenne ich keine einzige!)

was zum Haushalt alles hätte beitragen können, dann muss man doch sagen, dass uns dieser Blick zurück nicht hilft.

(Michael Neumann SPD: Ihnen hilft er be- stimmt nicht!)

Denn eines gilt auch: Im Nachhinein ist man immer klüger. Hätten wir 2007 oder 2008 bereits diesen wirtschaftlichen Einbruch vorhergesehen – den im Übrigen niemand, auch Sie nicht, vorhergesehen hat –, dann möchte ich doch deutlich darauf hinweisen, dass vor diesem Hintergrund …

(Michael Neumann SPD: Jens Kerstan hat bei den Koalitionsverhandlungen gesagt, ihm sei schlecht geworden, als Freytag die Zahlen genannt hat! Erzählen Sie doch kei- ne Märchen hier!)

Jens Kerstan hat darauf hingewiesen, dass die Weltwirtschaftskrise kommt? Das ist mir ganz neu, das finde ich außerordentlich …

(Michael Neumann SPD: Dass ihm schlecht geworden ist, als er die Zahlen gehört hat, die Freytag in den Koalitionsverhandlungen genannt hat! Nun erzählen Sie uns keine Märchen hier! – Glocke)

Meine Damen und Herren! Herr Neumann, bitte. – Herr Senator, fahren Sie fort.

Ich bin gerne bereit, das mit Ihnen an anderer Stelle zu diskutieren. Sie wissen, ich war nicht dabei; ich kann nicht wissen, wann wem wie schlecht geworden ist. Mich interessiert auch mehr, wie die Situation heute ist.

Bereits 2007 und schon vorher haben wir einen Weg eingeschlagen, bei dem wir fest davon über

(Senator Carsten Frigge)

zeugt waren, dass er dazu beitragen würde, den Haushalt zu konsolidieren. Mit wir meine ich ausdrücklich meine Vorgänger. Aus der heutigen Perspektive muss man sagen, dass wir dieses Ziel nicht erreicht haben. Die Umstände haben sich deutlich geändert, das ist nicht nur in Hamburg so, das ist in allen Bundesländern so und in nahezu allen europäischen Ländern und sogar darüber hinaus. Diesen veränderten Rahmenbedingungen werden wir jetzt Rechnung tragen und ich glaube, damit sind wir auf dem richtigen Weg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Frau Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist heute schon öfter angeklungen: Mit Sparen allein kommen wir nicht aus der Krise und auch nicht mit ständig neuem Schuldenmachen. Genauso falsch ist es aber, nur die Ausgabenseite zu betrachten. Wir haben auf der Einnahmeseite sehr viel Potenzial, gerade was die soziale Gerechtigkeit und hier speziell die Steuergerechtigkeit betrifft. Es ist richtig, wir sind immer noch dafür, die Vermögensteuer wieder einzuführen und es werden täglich mehr Stimmen laut, die das auch fordern. Wir werden es noch erleben; es führt kein Weg daran vorbei, davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anja Dom- res SPD)

Ich melde mich in dieser Debatte aber in einem ganz anderen Zusammenhang zu Wort. Wir haben vorhin gehört, dass bei Bildung und Forschung nicht gespart werden dürfe, im Gegenteil. Dies wurde auch im Zusammenhang mit der Hamburger Schulpolitik diskutiert und Frau Senatorin Goetsch hat da den Begriff Wahrhaftigkeit benutzt.

Im Rahmen des Bildungsstreiks, an dem sich rund 85 000 Schülerinnen, Schüler und Studierende auf Veranstaltungen in 50 Städten beteiligten, war eine der Hauptforderungen, das BAföG zu erhöhen. Als Reaktion auf die Proteste dieser Studierenden im November letzten Jahres hat die Bundesbildungsministerin Schavan eine solche Erhöhung in Aussicht gestellt. Sie sagte:

"Ich halte eine Bafög-Erhöhung für richtig und werde sie den Ländern und dem Bundeskabinett vorschlagen."

Das hat sie getan. Der Finanzausschuss des Bundesrats beriet darüber und wieder wurde ein Versprechen gebrochen. Elf Bundesländer lehnten eine BAföG-Erhöhung ab, darunter Herr Frigge für Hamburg. Das ist aus unserer Sicht ein Schlag ins Gesicht für alle Studierenden und Schulabgänger

und verstärkt die soziale Barriere, ein Studium aufzunehmen.

Bei der Diskussion um den doppelten Abiturjahrgang war es Ole von Beust, der gesagt hat, jungen Leuten werde kein Zacken aus der Krone brechen, wenn sie in Greifswald studieren würden. Das ist zwar richtig, aber auf den Vorschlag des Vorsitzenden der Elternkammer, dann auch eine finanzielle Unterstützung durch die Stadt zu leisten, hat er nie geantwortet. Stattdessen wurde jetzt, klammheimlich, sogar gegen eine dringend notwendige BAföG-Erhöhung gestimmt. Hinzu kommt, dass die CDU in Hamburg nicht alleine regiert. Das Mindeste, was man hätte erwarten können, wäre eine Enthaltung gewesen. Vorhin wurde von der sozialen Schere gesprochen und davon, dass auch sozial schwächeren Schichten ein Studium ermöglicht werden müsse. Ich kann die GAL nicht verstehen, warum sie da nicht ihr Veto eingelegt hat.

Wir von der LINKEN erwarten eine Erklärung für dieses Abstimmungsverhalten von Herrn Frigge und dem Senat. Wir fordern, dass Hamburg im Bundesrat einer BAföG-Erhöhung zustimmt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Andreas Dressel und Dr. Dorothee Stapelfeldt, beide SPD)

Sie können nicht immer in Sonntagsreden davon reden, dass Bildung Vorfahrt hat, und dann finden solche Sachen statt.

Mal abgesehen davon, dass auch BAföG etwas mit Bildungsgerechtigkeit zu tun hat und auch eine Maßnahme ist, die Bildung in der Breite zu fördern, kann das Argument, es sei kein Geld dafür da, nur bedingt herhalten. Wir erleben täglich – Herr Tschentscher hat eine ganze Liste aufgeführt –, dass Geld für Dinge ausgegeben wird, die zurzeit nicht oben auf der Prioritätenliste stehen sollten. Wir haben in dieser Stadt wirklich mehr als genug Beispiele dafür.

Bleiben wir aber noch einmal beim Bundesrat. In der gleichen Sitzung soll darüber entschieden werden, ob es eine steuerliche Förderung für forschende Unternehmen geben soll. Die vorgesehenen Steuerrabatte für diese Maßnahme kosten 1,5 Milliarden Euro. Die Mehrkosten für die BAföG-Erhöhung belaufen sich auf 373,4 Millionen Euro. Es wurde gegen die BAföG-Erhöhung gestimmt, bei der anderen Abstimmung gab es keine Gegenstimme. Wir erwarten, dass Sie uns erklären, warum Sie dafür sind und wie Sie sich das vorstellen. Wir hoffen im Sinne der Hamburger Schüler und Studenten, dass das BAföG erhöht wird.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

(Senator Carsten Frigge)

Das Wort hat Herr Heintze.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es zeichnet sich hier etwas ab – deswegen kann ich die Wortbeiträge von Herrn Tschentscher, Frau Heyenn und Herrn Bischoff nicht so stehen lassen –, was uns in dieser Spardebatte nicht hilft, auch wenn es der Opposition populistische Pluspunkte einbringen mag. Wir fangen damit an, Umwelt gegen Kinder auszuspielen. Es könne nicht angehen, Geld für PR-Maßnahmen für die Umwelthauptstadt auszugeben. Wer den Antrag gelesen hat und bei den Beratungen dabei war weiß, dass es nicht um PR für die Umwelthauptstadt geht. Diese Millionen werden ausgegeben, um Hamburgs Verantwortung in der Umweltpolitik zu demonstrieren und wahrzunehmen und das Bewusstsein hierfür zu fördern.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wenn Sie jetzt anfangen, jede Drucksache, die beschlossen wird, gegen soziale Belange auszuspielen, dann ist das sicherlich der falsche Weg, wenn man strukturell sparen möchte.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Dora Heyenn DIE LINKE: Sie haben es nicht be- griffen!)

Kurios wird es, wenn die Kassenführung des Senats als Ursache für die schwere Haushaltslage benannt wird. Das ist falsch. Es haben alle festgestellt, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt haben. Nur habe ich das Gefühl, Herr Tschentscher, dass Ihnen die Bedeutung des Wortes "wir" nicht recht bekannt ist

(Wolfgang Rose SPD: Aber Ihnen nicht!)

und dass wir für Sie immer die anderen sind und deswegen sind die anderen schuld. So kann es nicht laufen.

(Beifall bei der CDU)

In den Jahren von 1989 bis 2001 wurden die Schulden auf 16,6 Milliarden Euro nahezu verdoppelt, bis 2010 folgte ein weiterer Anstieg auf 25 Milliarden Euro. Das zeigt deutlich, dass es um ein "wir" geht. Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt und nicht irgendwelche CDU-Senate der letzten zehn Jahre. Auch das gehört zur Ehrlichkeit und Offenheit und Wahrheit dazu.

(Beifall bei CDU und der GAL – Michael Neumann SPD: Das ist das Ergebnis von zehn Jahren CDU!)

Nun äußert sich auch der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion zur Haushaltspolitik, wie überraschend. Es ist schön, Sie auch einmal zu diesem Thema zu hören. Ich hätte da eine Bitte an Sie. Herr Tschentscher hat eine ganze Menge Dinge benannt, bei denen man sparen könne, es kam

auch wieder die Mär von den 500 Millionen Euro, die bei Investitionsprojekten einzusparen seien. Was fehlt, ist auch nur ein einziger Vorschlag, der in diesem Haushalt strukturell sparen helfen würde. Das erwarte ich sowohl vom Fraktionsvorsitzenden der SPD als auch von seinem haushaltspolitischen Sprecher.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sie verschanzen sich hier hinter der 500-Millionen-Euro-Mär für Investitionsprojekte und hinter populistischen Forderungen nach Steuererhöhungen, deren Auswirkungen wir nicht absehen können.

(Ingo Egloff SPD: Sie haben uns jahrelang die Unwahrheit gesagt!)

Das ist keine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik, Herr Fraktionsvorsitzender und Herr Tschentscher, das ist Populismus.

(Ingo Egloff SPD: Ausgeglichener Haushalt haben Sie gesagt! Der Bürgermeister spricht von kreativer Haushaltsführung!)

In der derzeitigen Haushaltslage haben wir keine Zeit mehr dafür, sich hinter Populismus zu verschanzen.