Protocol of the Session on April 22, 2010

(Beifall bei der SPD, der GAL und der LIN- KEN)

Während die Betreiber der Atomkraftwerke darauf warten, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung grünes Licht für Laufzeitverlängerungen gibt, ist am 12. März dieses Jahres in Krümmel ein Leck am Gehäuse der Kühlwasserpumpe festgestellt worden. In Brunsbüttel hat es am 25. März erneut gebrannt. Diesmal war es ein Maschinentrafo, der die Anlage auch bei Stillstand mit Strom versorgt. Die Pannenserie reißt selbst dann nicht ab, wenn die Atomkraftwerke nicht am Netz sind. Sicherheit, wie wir sie verlangen, sieht anders aus und Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Betreiber wird durch solche Vorkommnisse auch nicht geweckt. Beide Reaktoren, Brunsbüttel und Krümmel, müssen vom Netz.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der LIN- KEN)

Der über zwei Jahre andauernde Stillstand beider Atomkraftwerke hat die Stromversorgung nicht beeinträchtigt. Das ist der beste Beweis dafür, dass diese Kraftwerke überflüssig sind. Die von den Atomkraftwerken immer wieder beschworene Stromlücke ist ein Ammenmärchen, ebenso die Behauptung, dass Atomstrom billiger sei. Hamburger Verbraucherinnen und Verbraucher jedenfalls haben davon noch nichts gemerkt.

Atomenergie als Brücke in das Zeitalter erneuerbarer Energien – ein Bild, das der CDU-Umweltminister Röttgen gern malt – brauchen wir nicht. Der Weg in das atomfreie Zeitalter erneuerbarer Energien ist bereits längst beschritten; er darf durch Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke nur nicht versperrt werden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN und vereinzelt bei der GAL)

Wir fordern daher die Mitglieder der CDU-Fraktion in diesem Hause auf: Machen Sie Druck auf Ihre Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundes

(Präsident Dr. Lutz Mohaupt)

tag und auf den Bundesumweltminister. Der heißt übrigens Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

(Ingo Egloff SPD: Und ist in der CDU!)

Üben Sie entsprechenden Einfluss aus, dass das Atomgesetz nicht angerührt wird. Setzen Sie auch hier ein Zeichen und rufen Sie zur Teilnahme an der Aktions- und Menschenkette gegen die Laufzeitverlängerung auf.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN und vereinzelt bei der GAL)

Bisher hat sich die Hamburger CDU immer zurückgehalten, wenn es um Atomenergie ging, ganz nach dem Motto: Hier gibt es keine Atomkraftwerke und wir haben nichts mit ihnen zu tun. Damit ist jetzt Schluss. Die Änderung des Atomgesetzes ist zustimmungspflichtig, das ist vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags gerade bestätigt worden. Nun muss sich auch der schwarz-grüne Senat mit der Laufzeitverlängerung befassen und der Bürgermeister kann sich nicht länger wegducken. Die Hamburger GAL muss von ihrem Koalitionspartner eine klare Aussage verlangen. Eine Enthaltung, wie es bei unterschiedlichen Auffassungen in Koalitionen sonst üblich ist, reicht bei dieser Frage nicht.

Hier steht auch die Frage im Raum: Wie grün ist die CDU eigentlich in Wirklichkeit?

(Michael Neumann SPD: Gar nicht!)

Auch die GAL muss sich im Sinne Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit, Herr Kerstan, fragen, wie sich der Koalitionspartner CDU in Sachen Atomkraft verhält. Machen Sie deutlich, meine Damen und Herren von der Koalition, dass Hamburg einem Antrag auf Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke im Bundesrat nicht zustimmen wird. Stimmen Sie unserem Antrag zu und lassen Sie uns gemeinsam zur "Kettenreaktion" in Hamburg aufrufen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN und vereinzelt bei der GAL)

Frau Stöver hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Dr. Schaal, zunächst vielen Dank für Ihre Ausführungen. Die Bevölkerung hat allerdings eine viel positivere Einstellung zur Kernenergie, als es bislang vermutet wurde.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Der Forsa-Chef Manfred Güllner kommentiert im "FOCUS" die neueste Umfrage zu diesem Themenkomplex – ich zitiere:

"Erneuerbare Energien könnten herkömmliche Energiearten nicht so schnell ersetzen, wie dies die Umwelt-Lobby glauben machen will. Deswegen müsse die traditionelle Energieerzeugung noch eine ganze Weile genutzt werden."

Dies meinen die meisten Bundesbürger. Meine Damen und Herren, Sie haben es gehört. Das meinen die meisten Bundesbürger. Das sind nicht meine Worte und sie stammen auch nicht aus einem CDU- oder FDP-Parteiprogramm, sondern sie sind das Ergebnis einer Forsa-Umfrage vom 7. bis zum 13. April, die der "FOCUS" veröffentlicht hat.

(Karin Timmermann SPD: Haben Sie sie be- stellt?)

Ich habe Sie nicht gestellt, absolut nicht,

(Karin Timmermann SPD: Bestellt, nicht ge- stellt!)

das ist keine Statistik von mir.

Die Überschrift dieses Artikels lautet nicht etwa "Atomkraft? – Nein danke", sondern "Atomkraft? – Ja bitte". Die große Mehrheit der Bürger bewertet die Nutzung der Kernenergie eher gelassen und pragmatisch. Ohne Atomstrom gehe es nicht meinen 81 Prozent der Bundesbürger. Frau Dr. Schaal, Sie haben das gerade genau andersherum gesagt. Natürlich, mit Umfragen ist das immer so eine Sache. Das ist die neueste Umfrage und auf diese beziehe ich mich.

(Ingo Egloff SPD: Sagen Sie doch mal, wie es wirklich ist!)

Auch 79 Prozent Ihrer Anhänger, liebe SPD-Kollegen, sind dieser Meinung. Insgesamt vertreten nur 15 Prozent der Befragten die Position, man könne gänzlich auf Atomstrom verzichten. Für Laufzeitverlängerungen, auch das belichtet die Umfrage, plädieren 44 Prozent der Bundesbürger, davon 35 Prozent SPD-Anhänger.

Zu dem Antrag der SPD-Fraktion ist inhaltlich eigentlich schon alles gesagt, Frau Dr. Schaal, und auch vor dem Hintergrund Ihrer gut gelungenen Recherche über den zeitlichen Ablauf kann ich nur noch einmal darauf hinweisen, dass wir immer noch keine Regelungskompetenz haben. Brunsbüttel und Krümmel liegen nach wie vor in Schleswig-Holstein. Wir können nicht mehr tun, als zum Ausdruck zu bringen, dass auch wir uns wünschen, Brunsbüttel und Krümmel abzuschalten. Wir haben nicht die Möglichkeit, einen derartigen Druck auf den Betreiber auszuüben, wie Sie sich das wünschen.

Übrigens erschließt sich mir die Verknüpfung der Störfälle in Brunsbüttel und Krümmel mit der allgemeinen Laufzeitverlängerung nicht, wie Sie sie in Ihrem Antrag vornehmen und wie dies auch die "Kettenreaktion" tut.

(Dr. Monika Schaal)

Hinsichtlich der Kernenergie herrscht bei allen Parteien Einigkeit, dass keine neuen Kraftwerke gebaut und die bestehenden abgeschaltet werden sollen.

(Ingo Egloff SPD: Fragt sich nur wann, aber nicht nach 60 Jahren!)

Dissens – Herr Egloff, sicherlich auch größerer Dissens – besteht allerdings über das Wann und Wie. Die unterschiedlichen Positionen der GAL und der CDU sind bekannt und im Hamburger Koalitionsvertrag festgehalten. Die Union betrachtet das Thema differenzierter als lediglich: "Atomkraft? – Nein danke".

Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Der Koalitionsvertrag hat auf Bundesebene festgeschrieben, die Nutzung erneuerbarer Energien konsequent auszubauen. In der Übergangszeit, bis die Speicherung technologisch geklärt ist und erneuerbare Energien einen ausreichenden Anteil der Versorgung bestreiten, soll die Laufzeit der Kernkraftwerke verlängert werden. Dieses soll dem Ausbau erneuerbarer Energien finanziell zugute kommen.

Die CDU geht weiterhin davon aus, dass wir einen Energiemix aus grundlastfähigen und regenerativen Energien brauchen. Die Kernenergie gehört als Brückentechnologie dazu, aber sie ist degressiv und ihre Bedeutung wird abnehmen. Die erneuerbaren Energien hingegen stellen eine unendliche Ressource dar und sind in ihrer Nutzung progressiv. Kernenergie soll als Technologie sobald als möglich entfallen, aber dafür müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein.

Erstens: Eine sichere und zuverlässige Energieversorgung muss auch ohne Kernenergie entstehen.

Zweitens: Die Energiepreise müssen bezahlbar bleiben, sonst wird der Bürger eine Umstellung nicht mittragen.

Drittens: Es muss eine notwendige Netzanpassung erfolgen, denn erneuerbare Energien funktionieren nicht nach dem alten Konzept Grund-, Mittel- und Spitzenlast.

(Dr. Monika Schaal SPD: Oh, Sie haben was gelernt!)

Der Wind weht nicht immer und die Sonne scheint nicht immer. Um die erneuerbaren Energien in das bestehende Energienetz zu integrieren, bedarf es regulierbarer Kraftwerke, einer intelligenten Steuerung der Nachfrage und eben einer Anpassung der Netze selber. Mit dem Aufbau dieser intelligenten Stromnetze sollten wir schleunigst beginnen.

Mit Punkt 2 des Petitums im SPD-Antrag habe ich so meine Schwierigkeiten. Stadt und Presse sind voll von Ankündigungen und Werbung für die "Kettenreaktion" von Brunsbüttel nach Krümmel. Ich

halte diese Gemeinschaftsaktion für eine gute Aktion.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Wo ste- hen Sie denn? – Ingo Egloff SPD: Kommen Sie auch mit! Wir haben noch einen Platz im Bus frei!)

Sie haben noch einen Platz frei? Dann muss ich mir das noch einmal überlegen. Aber das Wochenende gehört eigentlich immer der Familie

(Ingo Egloff SPD: Die können sie auch mit- bringen!)

und wir haben einen Geburtstag. Schauen wir mal.

Ich halte diese Gemeinschaftsaktion für eine gute Sache und sie wird ihre Symbolwirkung nicht verfehlen, da bin ich mir sicher. Ich halte es aber für eine Frage des Stils, das Parlament nicht für Werbezwecke zu nutzen; das ist meines Erachtens nicht der richtige Ort dafür.

(Beifall bei der CDU)