Es muss drittens ein Ende haben mit einem Finanzsenator, der immer sagt, dass alles geht, ein Senator, der ständig gute Zeiten für Hamburg erkennt. Wenn ein Finanzsenator die Zügel locker lässt, darf man sich nicht wundern, dass die Ausgaben der Behörden ins Galoppieren kommen. Haushaltsdisziplin bedeutet, Behörden zu stoppen, die mit jeder Umorganisation Dutzende neue Stellen schaffen, höhere Mietkosten und laufende Ausgaben verursachen.
Die Neuorganisation der Kulturbehörde bedeutet zwölf neue Stellen und 1 Million Euro zusätzlich an laufenden Kosten. Weitere Beispiele: 40 neue Stellen für das Sondervermögen Schule, Reiterstaffel und Polizeiorchester, vier Pressesprecher in der Innenbehörde, Umzug des Planungsstabs des Bürgermeisters in die Europa Passage, Anmietung von 50 000 Quadratmetern teuerster Bürofläche im Überseequartier – Drucksache für Drucksache erhöhen Sie die laufenden Ausgaben. Die Steigerungen im Betriebshaushalt belaufen sich auf über 1 Milliarde Euro in vier Jahren. Das ist der strukturelle Anteil an der Haushaltskrise und darum, Herr Frigge, machen Sie ein Ende mit schwarz-grünen Extratouren auf Kosten der Steuerzahler.
Noch etwas erwarten wir von Ihnen, CDU und GAL werden das nicht gern hören, aber es hilft nichts. Ein guter Senat vertritt die Interessen Hamburgs wirksam auch außerhalb unserer Stadt, zum Beispiel in Berlin. Da beschließt der Bundesrat eine Woche vor Weihnachten Steuergeschenke für Leute, die es nicht nötig haben, und über Nacht verliert Hamburg in der Finanzplanung bis 2013 474 Millionen Euro, fast eine halbe Milliarde Euro. Von einem Ausgleich für die Länder ist nichts erkennbar. Stattdessen werden in Berlin weitere Steuersenkungen angekündigt, für die Hamburg am Ende teuer wird bezahlen müssen. Mit anderen Worten: Über einen wesentlichen Teil des Hamburger Haushalts wird in Berlin entschieden. Damit Hamburg eine handlungsfähige Metropole bleibt, dürfen Einnahmen nicht durch Steuergeschenke für Lobbyisten untergraben, sondern müssen gestärkt werden, zum Beispiel durch eine gerechte Vermögensteuer, die nach dem Grundgesetz den Ländern zusteht.
Ein guter Finanzsenator sollte sich auch bei Fragen engagieren, die nicht von Hamburg allein entschieden werden, die aber unsere Stadt und ihre Bürger unmittelbar betreffen, Fehlberatungen und mangelnder Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen etwa oder das Unwesen der Ratingagenturen, die die Bankenaufsicht erheblich beeinflussen und zur Finanzmarktkrise beigetragen haben. Es gibt viel zu tun, Herr Senator Frigge, bei Ihren Parteifreunden in Hamburg und in Berlin.
Ich komme zu meiner letzten Erwartung, die allerdings einer Forderung gleichkommt, und zwar einer Forderung der Verfassung: Lösen Sie die Manipulation Ihres Nachtraghaushalts auf, die uns heute noch einmal in der Vorlage Ihrer Finanzplanung begegnet. Es geht um eine schwarze Wahlkampfkasse oder, finanztechnisch präziser ausgedrückt, um den überjährigen Kredittransfer von 847 Millionen Euro, die nicht wahrheitsgemäß veranschlagt, sondern zur Umgehung der verfas
sungsgemäßen Schuldengrenze in die Haushaltsjahre 2011 und 2012 verschoben werden. Sie haben 847 Millionen Euro Schulden gemacht und das Geld in eine Kasse gelegt, die "Allgemeine Rücklage" heißt. Kredite aufnehmen und das Geld als Rücklage bezeichnen, das ist Betrug am Steuerzahler. Die Stadt wird jährlich 30 bis 40 Millionen Euro allein an Zinsen zu tragen haben, nur damit Schwarz-Grün noch einmal so richtig Geld ausgeben kann, wenn der Wahltermin droht. Diese Manipulation haben die Finanzsenatoren Peiner und Freytag eingefädelt. Das ist haushaltspolitische Bilanzfälschung; in der Finanzbehörde geht es zu wie bei der HSH Nordbank.
Sie haben das nicht zu verantworten, Herr Senator Frigge, aber Sie haben die Pflicht, diese Manipulation rückgängig zu machen. Sie müssen einen Haushalt vorlegen, der 850 Millionen Euro Schulden weniger enthält. Die eingesparten Zinsen, ziemlich genau 30 bis 40 Millionen Euro jedes Jahr, können Sie den Eltern der Kita-Kinder zugutekommen lassen.
In diesem Sinne, Herr Senator, noch einmal: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl und herzliches Beileid zu dem, was Sie vorfinden und in Ordnung bringen müssen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Tschentscher, ich finde es außerordentlich begrüßenswert, dass Sie sich so intensiv mit dem Thema Haushalt und seiner Konsolidierung befassen. Schauen wir uns doch zunächst einmal die Fremdfinanzierungsquoten der letzten Jahre an: Wir hatten eine Kreditfinanzierungsquote von durchschnittlich 5,5 Prozent, zehn Jahre zuvor lag sie bei 8,5 Prozent.
Sicherlich haben wir in den Jahren vor der Wirtschaftskrise unser Ziel nicht erreicht, mit einem ernstzunehmenden Schuldenabbau zu beginnen, wir haben aber immerhin zwei Jahre ohne Nettoneuverschuldung zustande gebracht. Die Art und Weise, wie Sie das in Abrede stellen, finde ich nicht in Ordnung, Herr Tschentscher.
Sie beklagen, dass wir Sondervermögen bilden – das können Sie machen. Sie behaupten auch, dass Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit nicht gewahrt würden, und das stimmt nicht. Sie haben der Einführung der Doppik, der doppelten Buchführung, in Hamburg zugestimmt und wissen,
dass wir jedes Jahr eine Konzernbilanz vorlegen. Jeder Kredit, egal, unter welcher Bezeichnung er aufgenommen wird, wird in dieser Bilanz der Stadt ausgewiesen. Ihre Behauptung, das sei intransparent, ist ein großer Irrtum und eine Verschleierung und künstliche Skandalisierung von Sachverhalten, die keine Skandale sind, ganz abgesehen davon, dass Ihnen die Bildung von Sondervermögen nicht fremd ist. Ich werfe Ihnen das auch gar nicht vor. Was ich Ihnen aber vorwerfe, ist, dass Sie das, was in Einzelfällen haushalterisch üblich ist, skandalisieren; das ist unredlich.
Das Sondervermögen Schulbau wird dazu führen, dass die Schulbehörde, die eine Vielzahl von Aufgaben neben der Verwaltung ihrer Liegenschaften hat, den in 40 Jahren aufgelaufenen Sanierungsstau in einem Projekt gezielt in Angriff nehmen kann, um am Ende unseren Schülerinnen und Schülern bessere, sicherere Schulen zur Verfügung stellen zu können. Daran arbeitet ein hochprofessionelles Team, in dem man natürlich mehr Arbeitskräfte benötigt, als zu Zeiten, in der der Sanierungsstau entstand, der nun abzuarbeiten ist. Wir brauchen dafür neue Leute, das stimmt, und das schafft zusätzliche Stellen. Die sind auch nicht alle preisgünstig, weil man hoch qualifiziertes und erfahrenes Personal für diese Arbeit braucht. Sie haben recht, das kostet Geld. Wir haben uns aber ganz bewusst so entschieden, weil wir bessere Schulen haben wollen und keine, die mehr und mehr verrotten.
Für dieses Sondervermögen gibt es einen Wirtschaftsplan, den Sie kennen. Sie wissen genau, was da drin steht. Jeder, der sich dafür interessiert, kann nachlesen, wie viele Taler da hereinkommen und was damit gemacht wird. Hier zu sagen, das sei nicht transparent, ist ein bisschen albern.
Dann kommen Sie mit dem Thema Neuverschuldung, dem Sondervermögen zur Kompensation der zu erwartenden Steuerausfälle von 6 Milliarden Euro. Sie haben recht, wir mitteln die Kreditaufnahme, statt diese gemäß den heutigen Hochrechnungen für jedes einzelne Jahr aufzuteilen. Darüber kann man trefflich streiten. Die zu erwartenden Steuerausfälle haben übrigens nichts mit neuen Projekten zu tun. Sie kennen die Hochrechnungen, Sie können das relativ genau nachlesen. Zu behaupten, es würde etwas anderes gegenfinanziert als erwartete Steuermindereinnahmen, ist schlichtweg unwahr. Ich weiß nicht, warum Sie das tun. Sie wissen ganz genau, wie es ist, und behaupten trotzdem etwas anderes.
Sie wollen künstlich eine haushalterische Zwangslage schaffen, ohne benennen zu können, wo wir die daraus resultierende gewaltige Ausgabenreduzierung vornehmen müssten. Die paar Punkte, die Sie benannt haben und bei denen Sie dem Senat vorwerfen, Mehrausgaben zu verursachen, reichen
bei Weitem nicht aus, um mit ihnen die Steuermindereinnahmen zu kompensieren. Sie müssten da richtig ans Eingemachte, da kommen Sie auch mit irgendwelchen Investitionen nicht weiter. Sie müssten richtig ins Fleisch, und zwar in das soziale Fleisch, der Stadt schneiden. Das wollen Sie aber nicht zugeben und liefern deshalb auch keine Vorschläge. Wenn Sie uns das Sondervermögen vorwerfen, dann müssen Sie auch Vorschläge zur Gegenfinanzierung machen. Das unterlassen Sie aber.
Und dann kommen Sie nach dem Motto "Und täglich grüßt das Murmeltier" mit der Vermögensteuer. Ich kann verstehen, dass Sie in die Vermögensteuer verliebt sind. Wir sind uns aber doch einig gewesen, dass das Bundesverfassungsgericht die Vermögensteuer aus guten Gründen abgeschafft hat. Nun sagen Sie, man könne diese Gründe beseitigen. Das kann man natürlich für den Bereich der Immobilienvermögen tun. Ist Ihnen aber bekannt, was das Bundesfinanzministerium in dieser Frage getan hat? Es hat nachgerechnet und festgestellt, dass man rund ein Drittel der Summe, die durch die Vermögensteuer eingebracht werden könnte, an Erhebungskosten aufwenden müsste. Wenn Sie Kosten von einem Drittel der Einnahmen haben, dann ist das nicht nur nicht wirtschaftlich, sondern auch den Bürgern nicht zuzumuten.
Ganz abgesehen davon, dass Sie eine weitere Verfassungswidrigkeit herstellen, es sei denn, dass Sie auch Renten- und Pensionsansprüche mit erfassen, denn der Barwert dieser Ansprüche entspricht in etwa dem, was von Selbstständigen an Vermögensbildung betrieben wird. Viele Unternehmer und Selbstständige haben keine Rentenversicherungs- oder Pensionsansprüche, sie müssen die Altersversorgung aus ihrem Barvermögen generieren, das Sie schon ab 1 Million Euro besteuern wollen.
Schauen Sie sich doch die Nettorenditen von Kapitalvermögen an. Sie werden feststellen, dass Sie bei einer sicheren Anlage mit 2,5 Prozent Rendite bei 1 Million Euro auf 25 000 Euro kommen. Ich glaube, Herr Neumann, auch Ihre Altersversorgungsansprüche sind deutlich höher als 25 000 Euro im Jahr. Sie können das ja einmal nachrechnen.
Was Sie verdient haben, kann ich nicht beurteilen, und auch nicht, was Sie bekommen haben. Warum soll ich mich da jetzt mit Ihnen auseinandersetzen.
Die Einführung einer Vermögensteuer von nur 1 Prozent würde mit einiger Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass der durchschnittliche Mietpreis in Deutschland um 1 Euro pro Quadratmeter steigt. Wollen Sie das, wollen Sie den Mietern in der Stadt erklären, dass jeder Quadratmeter Mietfläche um 1 Euro teurer wird? Ich glaube nicht, dass Sie das wollen.
Davon einmal abgesehen, haben wir Ihnen schon mehrfach erklärt – und darum finden Sie auch keine Mehrheit hier in diesem Hause –, dass wir Leistungsfähigkeit besteuern wollen und nicht Substanz. Das heißt, dass wir die Erträge, die die Menschen aus ihrem Vermögen generieren, besteuern wollen, und das ist auch richtig so. Wir haben gute Umverteilungsmaßstäbe allein durch die Progression und viele andere Dinge. Aber Substanz zu besteuern ist schädlich für den Wirtschaftsstandort und für das Vermögen der Menschen in diesem Lande, deshalb werden wir das nicht tun.
Herr Tschentscher, Sie setzen sich für eine Börsentransaktionssteuer und dergleichen ein. Das finde ich gut und richtig, die Bundeskanzlerin tut das auch. Allerdings wird darüber weder hier in Hamburg noch im Bund entschieden, sondern auf internationalem Parkett, insbesondere dem der G8. Ich finde es daher ein wenig albern, dass wir als parlamentarische Landtagsabgeordnete – bildlich gesprochen als Mäuse – versuchen sollen, eine Elefantenherde in ihrer Richtung zu beeinflussen.
Allein, dass wir uns hier aufgrund Ihres Antrags damit auseinandersetzen müssen, ist wenig hilfreich. Sie haben mit Ihrem Antrag zwar bewiesen, dass Sie sich für Haushaltspolitik interessieren – das finde ich toll und ich freue mich auf die weitere Auseinandersetzung –, aber zustimmen werden wir dem heute nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Zeiten der schlimmsten Finanz- und Wirtschaftskrise, die dieses Land jemals erlebt hat, ist der Job eines Finanzsenators nicht nur nicht der einfachste, sondern auch einer, den
sich viele in diesem Hause selber nicht wünschen würden – und das sicher zu Recht. Nicht nur in Hamburg, in ganz Deutschland werden Bundesregierung und Landesregierungen mit Herausforderungen konfrontiert, die sich in unserem Land seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gestellt haben. Insofern, Herr Tschentscher, finde ich es ermüdend, dass Sie angesichts dieser beispiellosen Ausnahmesituation immer aufs Neue suggerieren, die Haushaltsmisere Hamburgs sei einzig und allein in der Person des jeweiligen Finanzsenators begründet.
Wir haben die gleiche Situation in allen Bundesländern, egal, wer regiert und welche Koalition sich gebildet hat. Dass Sie nicht einmal anlässlich der Wahl eines neuen Finanzsenators von diesem Vorwurf abweichen, zeugt nicht gerade davon, dass Sie lernfähig sind und das bedauere ich zutiefst.