Protocol of the Session on February 24, 2010

die Kooperation und Vernetzung zu diesem Komplex, kommt man genau zu dem gleichen Schluss: Es ist alles langfristig und jetzt wirkt gar nichts.

Die Kammern betreiben in dem Aktionsbündnis weiterhin Appellpolitik. Auch wenn sie 1130 zusätzliche Ausbildungsplätze einwerben, verbessern sie die Ausgangssituation zum Sommer 2010 nicht. Im Saldo können wir alle froh sein, wenn nicht wesentlich weniger Ausbildungsplätze angeboten werden als im vorigen Jahr. Das wird der Situation nicht gerecht, die Verantwortung kann man auch nicht nur auf die Kammern abschieben. Wenn es zu wenige Ausbildungsplätze im dualen System gibt, dann ist der Staat gefordert. Die Ausbildungsplatzkrise kann man nicht dem Markt allein überlassen, auch nicht den Eltern und auch nicht den Jugendlichen. Es ist doch absurd, erst die Schulzeit zu verkürzen, doppelt so viele Jugendliche aus der Schule zu entlassen und sie dann sich selbst zu überlassen.

Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt, um noch zu retten, was zu retten ist. Wir bitten die Bürgerschaft um Unterstützung, damit der Senat umfassende Informationen zu diesem Thema erstellt und sofortige Maßnahmen zur Milderung der schlimmsten Ungerechtigkeiten für den doppelten Abiturjahrgang auf den Weg bringt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort hat sodann Herr Freistedt.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Na, da sind wir gespannt!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen in der Bürgerschaft! Fehlendes Problembewusstsein werfen Sie dem Senat vor. Dann haben Sie aber mit Sicherheit nicht mitbekommen, was sich in den letzten Wochen und Tagen zum Beispiel im Schulbereich abgespielt hat, denn das war tatsächlich eine der Aufgaben, mit denen wir uns auf den Weg zur Primarschule gemacht haben. Sie haben es selbst erwähnt,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Aber doch nicht mit dem doppelten Abiturjahrgang!)

sagen aber gleichzeitig, der Senat habe kein Problembewusstsein. Es ist nicht richtig, das hier in einen Topf zu werfen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir sehen es im gemeinsamen Interesse unserer Schülerinnen und Schüler, der Lehrerschaft, aber auch der Eltern als Verpflichtung an, mit der Einführung der Primarschule künftig ein verbessertes Umfeld zu schaffen, denn unser Ziel ist es, eine

bessere und gerechtere Bildung für alle Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt zu gewährleisten.

Die heutige Debatte knüpft genau daran an; sie ist angestoßen worden von der Linkspartei und widmet sich ebenfalls der Bildungssituation, aber da muss man doch etwas differenzierter urteilen. Es war eine mutige Entscheidung vonseiten der CDU im Jahr 2002, in der ersten Regierung von Ole von Beust, ein achtjähriges Gymnasium zu fordern und die erste Gesetzesinitiative in der damaligen Dreierkoalition zu beschließen. Diese Verkürzung der gymnasialen Schulzeit in Hamburg und auch im Saarland war wegweisend für viele westdeutsche Bundesländer, die zunächst intensiv auf Hamburg geblickt haben und sich später erst zu solch einem Schritt entschließen konnten. Nicht zuletzt haben wir als CDU die Arbeitsmarktchancen der Abiturienten im internationalen Maßstab im Blick gehabt. Wir wollten diese insbesondere auch in der EU verbessern, denn schon damals zeichnete sich ab, dass viele Hochschülerinnen und -schüler unserer Nachbarstaaten wesentlich jünger waren als die deutschen Universitätsstudenten. Dieses galt und gilt teilweise heute auch noch, insbesondere für die Absolventen an den Hochschulen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Dann müssen Sie auch Plätze schaffen!)

Auch Abiturienten, die nicht den Weg zu Wissenschaft und Forschung antreten wollten, sahen sich als Auszubildende häufig jüngeren Menschen gegenüber. Wir haben den nicht leichten Weg der Verkürzung gewählt, um jungen Erwachsenen den Berufseinstieg zu erleichtern. Dieses hatten wir uns als Verpflichtung vorgenommen. Damit sind wir auch dem Drängen der Wirtschaft nachgekommen. Dies sage ich nicht einfach so, sondern ich verweise auf die Vorleistungen und unsere Reformanstrengungen, die wir im Interesse der Arbeitsplatzsicherheit, im Interesse der Universitäten und in der Hoffnung auf weitere notwendige schulische Reformen damals durchgesetzt haben. Wir sind jetzt, wenige Tage nach dem schriftlichen Abitur des doppelten Abiturjahrgangs 2009/2010, ein knappes halbes Jahr vor dem Beginn des neuen Ausbildungsjahres und weniger als acht Monate vor dem Beginn des Studiums an deutschen und ausländischen Hochschulen, Akademien und Fachhochschulen, in einer Situation, wo wir zum wiederholten Male über die Chancen und Vorteile, die Bedingungen und Konsequenzen der G8-Einführung debattieren. Dieses ist nicht unsere erste Debatte.

Die jetzigen Abiturienten haben an ihren Schulen in den letzten Jahren sicherlich einige Veränderungen miterleben müssen. Den G8-Schülerinnen und -schülern haben wir zusätzliche Kurse angeboten, um mit ihren ein Jahr älteren Mitschülern ohne Nachteile mithalten zu können. Ihnen, aber insbesondere auch den vielen Lehrkräften und beson

(Dora Heyenn)

ders den Mittel- und Oberstufenkoordinatoren sowie den übrigen Schulleitungsmitgliedern sei von dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt für diese Riesenaufgabe, der sie sich in den letzten Jahren gestellt haben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Eltern haben sich vielfach für die Belange ihrer Kinder eingesetzt und die damalige Behördenleitung hat ebenso wie die jetzige Behördenleitung einen großen Strauß von Fragen und Antworten bewältigen müssen. Ich danke beiden Behördenleitungen für diesen nicht immer leichten Einsatz.

Seit 2002 bereiten sich Staat, Wirtschaft und Wissenschaft auf den in diesem und wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren noch anhaltenden stärkeren Zugang zu Ausbildungs- und Studienplätzen gewissenhaft vor. Das vom Ersten Bürgermeister mitinitiierte Aktionsbündnis Bildung und Beschäftigung umfasst die Agentur für Arbeit, die Kammern, also auch Handwerkskammer und Handelskammer, die Sie eben indirekt gescholten haben, den Unternehmensverband Nord, Gewerkschaften sowie drei Behörden, die BSB, die Behörde für Wissenschaft und Forschung sowie die Behörde für Wirtschaft und Arbeit. In vielen Gesprächen mit Vertretern der Behörden und insbesondere der Kammern konnten wir uns davon überzeugen, dass nicht nur das Problembewusstsein vorhanden war, sondern auch aktiv an der Bewältigung des Auftrags gearbeitet wurde, mehr Plätze in Studium und Ausbildung zu schaffen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das stimmt nicht!)

Die Freie und Hansestadt Hamburg geht mit gutem Beispiel voran. 250 zusätzliche Ausbildungsplätze stehen im öffentlichen Dienst zur Verfügung. 1000 zusätzliche Plätze werden in der Hamburger Wirtschaft durch Aktivitäten der Handelskammer angeworben, 400 Plätze sind schon fest angeworben worden. Das erfolgreiche duale Bildungsangebot der Handwerkskammer stellt zusätzlich in diesem Jahr allein 100 duale Ausbildungsplätze zur Verfügung. Zum Beispiel ist ein Betriebswirtschaftsstudium in Verbindung mit einem attraktiven Berufsabschluss nach Handwerksordnung sicherlich für Hamburg eine zukunftssichere Sache. Über 2600 Ausbildungsplätze werden auf der Ausbildungsmesse EINSTIEG in dieser Woche angeboten. Gehen Sie doch da gerne hin und schauen sich die Angebote an.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ich brauche kei- nen Ausbildungsplatz!)

Habe ich das gerade richtig gehört? Sie wollten keine Ausbildungsplätze haben? Gehen Sie dahin und überzeugen sich, dass diese Angebote tatsächlich gemacht werden, anstatt sich hier hinzu

stellen und zu sagen, es gebe keine. Das stimmt doch nicht.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der GAL – Dora Heyenn DIE LINKE: Das reicht doch nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Hochschulpakt I haben sich die Universitäten Hamburgs verpflichtet, 1200 zusätzliche Studienplätze einzurichten. Ebenfalls werden Hochschulen benachbarter Bundesländer infolge dieses Hochschulpaktes I ihr Studienangebot vergrößern. Dort wird erst in späteren Jahren mit einem Anwachsen des Studentenberges gerechnet. Damit steigen in diesem Jahr die Chancen, einen Studienplatz nicht nur in Hamburg, sondern auch in den anderen Bundesländern zu finden. Allerdings möchte ich es hier nicht versäumen, auch das Engagement der Hochschulen zu loben und sie nachdrücklich zu ermuntern, weiterhin Studienplätze, übrigens natürlich auch insbesondere im Bachelor-Bereich, zu schaffen. Dieses gilt, lassen Sie mich das auch offen bekennen, für das Lehramtsstudium. Auch hier haben wir jetzt gehört, dass es positive Ansätze geben wird.

Ich darf noch etwas sagen zu Ihrer Bemerkung eben, dass nur in Hamburg zu wenig Plätze für die ansässigen Studenten bereitständen. Wir hatten in den Flächenländern Deutschlands schon immer das Problem, dass dort Studienplätze gesucht wurden. Und die Leute in den entsprechenden Flächenländern haben sich aufgemacht und sind zu den Universitäten hingezogen. Warum soll das für Hamburg nicht gelten?

(Glocke)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Heyenn?

Herr Freistedt, im Jahre 2010 werden zusätzlich 4500 Abiturienten aus der Schule entlassen. Glauben Sie, dass diese 250 Ausbildungsplätze in der Behörde und die 1200 zusätzlichen Studienplätze an der Universität, die Sie aufgezählt haben, wirklich reichen, um die Jugendlichen mit einem Studienplatz oder einem Ausbildungsplatz zu versorgen?

Frau Heyenn, darf ich Ihnen mitteilen, dass die bisherige durchschnittliche Quote der Abiturienten, die direkt nach dem Abitur studieren, nicht 100 Prozent beträgt,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das habe ich auch nicht gesagt! – Mehmet Yildiz DIE LIN- KE: Sie haben die Frage nicht verstanden!)

sondern bei 30 bis 40 Prozent liegt. Insofern gibt es in Hamburg und den benachbarten Bundesländern sicherlich genügend Studienplätze. Ich stehe auch zu dem Wort des Ersten Bürgermeisters, dass es natürlich auch Situationen geben wird, dass Hamburger Studenten in benachbarte Länder gehen müssen. Aber das machen die in den Flächenländern, in Rheinland-Pfalz oder in Bayern, auch; die haben doch nicht in jedem Dorf eine Universität. Also das ist für Studenten, für Anfänger, durchaus zumutbar.

(Zuruf von Dora Heyenn DIE LINKE)

Vielleicht können Sie sich gleich noch einmal melden, dann können wir eine angeregte Diskussion führen und wir werden sicherlich auch an anderer Stelle noch einmal diskutieren.

Die medizinischen Fakultäten, um darauf noch einmal zurückzukommen, werden sehr gut von Hamburg unterstützt. Ärztliche Studiengänge werden ebenfalls benötigt, daneben aber auch die Ausbildung im Kranken- und Pflegebereich. Auch private Anbieter im Pflegebereich sollten sich an den Anstrengungen der Kliniken, die in der öffentlichen Hand sind, ein Beispiel nehmen und jetzt und in den nächsten Jahren Ausbildungsplätze einrichten. Denn hier schaffen wir für Berufseinsteiger, also auch für unsere Schülerinnen und Schüler, die einen mittleren Bildungsabschluss haben oder zunächst keinen Hochschulabschluss anstreben, Plätze. Uns sind diese Jugendlichen ebenso wichtig wie diejenigen, die direkt ein Studium aufnehmen.

Lassen Sie mich noch einen Blick auf die Jugendlichen werfen, denen unsere ganze Aufmerksamkeit gehören muss: benachteiligte Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Diesen Jugendlichen bieten wir, obwohl sie keinen oder nur einen schwachen Schulabschluss haben und bisher nicht vermittelt werden konnten, in einem Extraprogramm 500 außerbetriebliche Ausbildungsplätze bei Bildungsträgern an. Weitere 100 werden zusätzlich ganz bewusst in der Altenpflege geschaffen. Kein Abschluss ohne Anschluss, mit dieser Devise startete vor einigen Jahren die Schulbehörde die grundlegende Erneuerung der beruflichen und der allgemeinen Bildung. Die jetzige Regierung setzt diesen Gedanken um.

Sehr viel Geld fließt in diese schulischen und außerschulischen sowie betrieblichen und wissenschaftsorientierten Bildungsgänge. Die aktuelle Diskussion ist ein beredtes Zeugnis für den Einsatz im Sinne einer guten Allgemeinbildung. Wir lassen unsere Abiturienten nicht allein. Engagement ist gefragt, es wird eingefordert und die Absolventen unserer Gymnasien sind bereit, mit ihrem Wissen und Können, mit ihren Hoffnungen und Möglichkeiten, einen guten Start in ein neues Leben zu beginnen. Hamburg gestaltet dieses aktiv mit. Die Regierung aus CDU und GAL ist auch in dieser

Frage gut aufgestellt. Reden wir die Situation nicht schlecht, sondern setzen wir uns alle dafür ein, in einen intensiven Dialog mit der Wirtschaft einzutreten, verteufeln wir diese nicht. Die Arbeitsplätze für Migranten, für Schulabgänger aus schwierigen sozialen Verhältnissen sind uns wichtig und die können nur dort geschaffen werden. Legen wir im Interesse unserer Jugendlichen ideologische Scheuklappen ab und arbeiten wir gemeinsam mit der Wirtschaft, der Wissenschaft und dem Senat an der Förderung von Arbeits- und Studienplätzen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Rabe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte zeigt eigentlich, wo das Problem der Schulpolitik liegt. Wir hören eine große Absicht und einen großen Gedanken, Beschleunigung und so weiter, aber die Antwort, die Frau Heyenn auf ihre einfache Nachfrage erhielt, wie das funktioniere, war beschämend. Da waren fast alle Darstellungen von Marino Freistedt zum Glück im Futur formuliert: wir werden, wir wollen, wir sollten und wir könnten. Aber was passiert wirklich?

(Zuruf von Dr. Eva Gümbel GAL)

Genau diese Verkürzung der Schulzeit an den Gymnasien ist ein Musterbeispiel für die Probleme der Schulpolitik und sie zeigt, warum Eltern misstrauisch werden, wenn sie nur das Wort Schulreform hören, und sie haben recht. Da beginnen wir eine Reform und arbeiten eigentlich nach dem Motto "learning by doing". Erst einmal fängt man an und dann wird während des Prozesses gemerkt, dass da etwas nicht funktioniere, man habe keine Kantinen, die müssten irgendwie gebaut werden. Das mit den Stundeplänen klappe nicht, da müsse etwas getan werden. Dann kommt 2007 ein Brief hinterher, man hätte jetzt – Klammer auf: nach fünf Jahren – festgestellt, dass es doch sehr anstrengend sei an den Schulen. Es wird empfohlen, die Pausen etwas zu verlängern. Dazu kam noch der Ratschlag, Doppelstunden einzuführen. Ein typisches Gebastel: Man beginnt mit großen Worten, dann klappt nichts, keiner kümmert sich darum und dann wird erst im Prozess nachgesteuert.

Eigentlich war schon 2002 klar: Irgendwann werden diese Kinder alle aus der Schule kommen. Wer hätte das gedacht? Vermutlich sind es 20 000 Schülerinnen und Schüler, die in diesem Sommer die Schule verlassen, davon vermutlich bis zu 13 000 Abiturienten. Glauben Sie nicht die Zahl, Frau Heyenn, von 12 100, die die Schulbehörde geschrieben hat. Drei weitere Kleine Anfragen haben die Zahl schon auf 13 000 hochgetrieben und wenn wir weitermachen, werden wir noch mehr fin

(Marino Freistedt)

den, die Schulbehörde muss nur suchen. Das wissen diese 20 000 Schülerinnen und Schüler vermutlich schon seit acht Jahren und ihre 40 000 Eltern auch. Wer das nicht wusste, waren offensichtlich die Schulbehörde und die Schulsenatoren, denen fiel das nicht von selbst auf.

Im letzten Jahr begann eine Debatte, die auch die SPD mit angeschoben hat.