Protocol of the Session on February 10, 2010

Trotzdem sollte es unsere Zielsetzung bleiben, dass wir, wenn die öffentlichen Haushalte wieder den Spielraum dafür haben, zur Debatte zurückkehren, was wir tun können, um die Freiheit des Bürgers in finanziellen Dingen auszuweiten – in einigen Bereichen muss man sogar sagen, sie wieder herzustellen.

Allerdings habe ich manchmal Schwierigkeiten damit, wenn aus der Opposition eine Generalschelte kommt. Denken wir doch einmal an den Ecofin-Rat, an den Rat der Finanzminister in Brüssel, wo über Steuererleichterungen für bestimmte Dienstleistungen, insbesondere im Mehrwertsteuerbereich, gesprochen wurde. Da hat auch Herr Steinbrück, seinerzeit SPD-Finanzminister, zugestimmt. So einfach kann man es sich nicht machen, hier nur zu schelten.

Ich habe mich auch sehr mit Herrn Dr. Bischoff und seinen Grundsätzen auseinandergesetzt. Da haben wir im Bundestagswahlprogramm 2009 – da kannten wir die Krise schon – noch einmal nachgesehen, was DIE LINKE sich vorstellt. Da sind natürlich viele Steuererhöhungsprogramme enthalten, aber es finden sich dort auch Steuersenkungsvorschläge, und zwar fordert dort DIE LINKE den ermäßigten Umsatzsteuersatz auch für den Bereich Hotellerie und Gastronomie. Das habe ich mit Freude gelesen, ich wusste gar nicht, Herr Dr. Bischoff, dass auch Sie der FDP so nahestehen. Das ist eine völlig neue Erkenntnis.

Um noch einmal auf das Thema Wirtschaftskrise zu kommen, Jens Kerstan: Die Steuerdebatte hat wirklich mit der Frage, ob wir zuviel oder zu wenig Regulierung haben und ob die Marktkräfte richtig funktionieren, relativ wenig zu tun. Aber am Ende des Tages muss man klar sehen, dass die Wirtschaftskrise vor allen Dingen etwas mit vorherigem Exekutivversagen zu tun hat und nicht mit dem Marktversagen, und zwar insbesondere in den USA. Es ist ein bisschen sehr gewagt, dies in die Steuerdebatte hineinzubringen, aber mit einem großen Rundumschlag kann man das mal mit einwerfen.

Wir sind auch der Auffassung, dass man im Moment Steuersenkungen, insbesondere zulasten der Kassen der Länder, nur schwer begleiten kann. Wir sind gut beraten, zunächst einmal zu überlegen, was wir tun können, um die öffentlichen Haushalte zu sanieren, bevor wir wieder Wohltaten unter das Volk verteilen. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

(Jens Kerstan)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Tschentscher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich gefragt, was uns die GAL mit dieser Themenanmeldung aktuell auf Hamburg bezogen eigentlich sagen will.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe jetzt gelernt, Sie wollen über die FDP reden, die zu Recht gar nicht Mitglied in diesem Hause ist.

(Beifall bei der SPD und bei Ekkehart Wer- sich CDU)

Beim Thema der Steuerakten werden Sie breite Zustimmung bekommen.

Sie haben uns mitgeteilt, Sie wollten jetzt die Steuereinnahmen schützen. Das ist einmal etwas Neues, denn bisher machen Sie 6 Milliarden Euro neue Schulden, ziehen den Kindern die Zinsen vom Mittagessen ab und lehnen konsequent alles ab, was wir hier beantragen,

(Beifall bei der SPD – Thies Goldberg CDU: Jetzt kommt die alte Tschentscher-Leier!)

um die Einnahmen der Stadt zu stabilisieren. Sie haben erstens abgelehnt, die nach dem Grundgesetz den Ländern zustehende Vermögensteuer wieder einzuführen. Sie haben zweitens hier im Hause abgelehnt, eine Einnahmesicherungsklausel im Grundgesetz vorzusehen, damit die Schuldenbremse nicht zu einem automatischen Gaspedal wird für Sozialabbau und Vermögensverkäufe.

Und Sie haben drittens abgelehnt, eine Börsenumsatzsteuer einzuführen, damit die Finanzbranche für die Folgen der Krise herangezogen wird, die sie selbst verursacht hat.

Dann haben Sie schließlich – ich will gar nicht über die FDP reden – nichts dazu gesagt, dass Ihr Koalitionspartner in Berlin beziehungsweise die Parteifreunde von Herrn Freytag in Berlin Steuergeschenke an Hoteliers machen, die uns in Hamburg über 60 Millionen Euro kosten, eine Mövenpick-Steuer für Lobbyisten. Und Schwarz-Grün hat im Bundestag wuchtig geschwiegen und sich enthalten; das ist die praktische Politik von CDU und GAL in ihrem Bündnis in Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt wollen Sie die Leistungsfähigkeit des Staates sichern. Das ist eine gute Sache. Aber wovon hängt die Handlungsfähigkeit des Staates ab? Sie hängt erstens ab von gesunden Finanzen, die Sie aber gerade durch schlechte Planungen, durch fehlende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und unkalkulierte Kostensteigerungen in zahlreichen Projekten ruinieren. Wir haben vorgestern einen

Rechnungshofsbericht bekommen. Er enthält 300 Seiten Beanstandungen zulasten der Steuerzahler.

Zweitens hängt die Leistungsfähigkeit der Stadt von starken öffentlichen Unternehmen ab und auch da sieht es in Hamburg düster aus. Die CDU hat Vermögen verkauft ohne Rücksicht auf Verluste: Hafen, Krankenhäuser und Immobilien. 2008 hat die Stadt in ihrer Konzernbilanz Eigenkapital von 2,1 Milliarden Euro verloren, das ist eine gigantische Summe. Das, liebe GAL-Abgeordnete, haben Sie ein Stück weit mit zu verantworten, weil Sie die alte Politik der CDU fortsetzen, weil Sie in Ihrer Finanzplanung nicht nur 6 Milliarden Euro neue Schulden machen, sondern auch weitere Vermögensverkäufe von 400 Millionen Euro planen. Das ist etwas, was nicht geht – die Schwachen belasten, Lobbyisten und Millionäre schonen, Schulden machen und Vermögen verkaufen. So wird die Handlungsfähigkeit der Stadt ruiniert.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Joachim Bi- schoff DIE LINKE)

Ich erwähne einen aktuellen Hamburger Punkt zu diesem Thema: Sie reden von der Leistungsfähigkeit des Staates und sind nicht einmal in der Lage, die Fußwege der Stadt im Winter von Eis zu befreien.

(Beifall bei der SPD)

Sie sehen wochenlang zu, wie sich Tausende Hamburger auf spiegelglatten Wegen alle Knochen brechen und dann sprechen Sie noch von Leistungsfähigkeit des Staates. Was sich seit Wochen auf den Straßen Hamburgs abspielt,

(Michael Neumann SPD: Nicht auf jeder Straße!)

ist ein Armutszeugnis für die Handlungsfähigkeit der Stadt.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Tschentscher, gestehen Sie ein, dass es auch andere Städte gibt wie zum Beispiel Berlin, wo Sie regieren, wo die Situation absolut nicht anders ist als in Hamburg?

– Es gibt sicher auch Städte, in denen es noch schlechter zugeht als das, was wir hier unter Schwarz-Grün in Hamburg erleben, aber es gibt doch Zeiten, in denen wurde konsequenter mit Wegewarten in den Bezirken vorgegangen, wenn im Winter solche Si

tuationen herrschten wie in Hamburg schon seit Wochen.

(Beifall bei der SPD)

Dieses Beispiel zeigt auch, wen es am härtesten trifft, wenn schlecht regiert wird. Es trifft nämlich diejenigen, die auf Leistungen des Staates angewiesen sind. In diesem Fall sind es Senioren, die auf den spiegelglatten Wegen keinen Fuß mehr vor den anderen setzen mögen, und das tolerieren Sie seit Wochen und fangen jetzt erst an, Krisensitzungen abzuhalten und neue Programme aufzulegen.

(Beifall bei der SPD)

Das hat mit einem starken, solidarischen, handlungskräftigen und leistungsfähigen Hamburg, wie wir uns das vorstellen, nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was Sie vorgetragen haben, Herr Kerstan, ist schon wirklich grenzwertig. Wir haben etliche Male über die Steuer und die Sanierung der öffentlichen Finanzen diskutiert. Sie haben alle Vorschläge, und es gab viele, in die Tonne getreten.

(Thies Goldberg CDU: Weil die untauglich waren!)

Gut, bei Ihnen sowieso.

Jetzt sagen Sie, Sie wollten die Sanierung der öffentlichen Finanzen voranbringen. Sie werden dabei noch nicht einmal rot und sagen, der einzige machbare Weg in Hamburg sei die Verbesserung des Steuervollzugs. Vielleicht war das die Botschaft, die Sie uns sagen wollten, dass Sie überhaupt keine Skrupel haben, Disketten anzukaufen. Vielleicht gilt dies demnächst auch für Hamburg, um Steuersünder heranzuziehen.

Ich finde dies alles erschütternd. Wir haben seit heute den Bericht der UBS über das letzte Quartal. Hier kann man einschätzen, das machen die großen Wirtschaftszeitungen auch, dass allein aus dem Bereich von Deutschland und Frankreich bei der UBS steuerhinterzogene Anlagen von 50 Milliarden Euro positioniert sind. Das ist genau der Punkt, um den es geht und hier hat Hamburg sicherlich eine herausragende Rolle, wenn Sie sich das genauer ansehen. Hier gibt es in puncto Vermögenssituation und dem Fehlen von Außenprüfungen und Millionärssteuerprüfungen eine erhebliche Kritik am Steuervollzug zu üben.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Es war eine unserer ersten Aufgaben, Sie darauf hinzuweisen, in Hamburg den Steuervollzug zu verbessern. Dann haben Sie aber zwei Jahre gebraucht, um das zu tun, was Sie eben erwähnten: Es gehe nicht von heute auf morgen und Sie würden ganz langsam mit dem Ausbildungsbereich anfangen. Natürlich hätten Sie gleich bei Beginn Ihrer Regierungsübernahme in Berlin vorstellig werden und sagen können, gestützt auf den Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe, dass man dringend in allen Bundesländern den Steuervollzug massiv verbessern müsse. Unabhängig von der Ausbildungsfrage, in der wir keine Differenz haben, gibt es reichliche Möglichkeiten, das zu tun.

All das machen Sie nicht, Sie starten auch keine grundsätzliche Initiative zur Verbesserung der Steuereinnahmen in diesem Land und dann versuchen Sie hier noch den Anschein zu erwecken, es ginge Ihnen wirklich um die Praxis und die Verbesserung der Konstellationen für die Ausgaben der öffentlichen Hand in Hamburg.

Sie sind nicht in der Lage, dies zu tun, Sie hinterlassen zudem ein desaströses Bild auch in der Ausgabenpolitik. Sie sind in jeder Hinsicht unfähig, eine Regierung zu übernehmen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Waldowsky.