Protocol of the Session on November 19, 2009

Im Rahmen einer Parlamentsdebatte ist es überhaupt nicht möglich, eine so umfangreiche Große Anfrage seriös zu beantworten und sich damit auseinanderzusetzen. An dieser Stelle, und zum Teil im Unterschied zu Ihren Ausführungen, seien nur einige Highlights im Versorgungssystem der Frauengesundheit genannt. In Hamburg haben wir eine Spitzenmedizin im Bereich der Gynäkologie und der Geburtshilfe. Zu diesem Thema wird im nächsten Jahr der Gesundheitsbericht "Gesundheit rund um die Geburt" veröffentlicht. Es gibt Angebote im Bereich der Vor- und der Nachsorge und bei der Behandlung von Brustkrebs. Das Thema Mammographie-Screening sollten wir noch einmal ausführlich im Gesundheitsausschuss bewegen, damit wir vielleicht auf einen Konsens kommen.

Um den durchaus wichtigen Fragen zur Frauengesundheit gerecht zu werden und vielleicht auch, weil dieses Thema es wirklich verdient, möchten wir die Anfrage an den Gesundheitsausschuss überweisen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Domres.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Gienow, diese Anfrage hat es also verdient. Das ist sehr schön, darüber freut sich auch die SPD-Fraktion. Leider hat es der Antrag der SPD-Fraktion zu den papierlosen Menschen nicht verdient. Das kann man werten, das erspare ich mir jetzt aber.

(Jörn Frommann CDU: Das liegt an der Qualität des Antrags!)

Es ist in der Debatte um Frauengesundheit schon mehrfach gesagt worden: Männer und Frauen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Krankheiten und gesundheitlichen Einschränkungen, der Arbeitsund Lebensbedingungen, die Gesundheit und Krankheit beeinflussen, ihres Umgangs mit gesundheitlichen Belastungen sowie der Inanspruchnahme von gesundheitlichen Versorgungsleistungen. Die Gesundheitsprobleme und Ressourcen von Frauen sind bisher nur unzureichend untersucht worden. Dies stellte die Bundesregierung im Jahre 1996 fest.

Um einen Überblick über die gesundheitliche Situation von Frauen in Deutschland zu erhalten, gab das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 1996 einen Bericht in Auftrag, in dem die Aussagen zum Gesundheitsstatus von Frauen in Ost und West gebündelt werden sollten. Dieser Bericht geht auf die Initiative des Regionalbüros Europa der WHO zurück. In der Wiener Erklärung "Women's Health Counts" von 1994 wurden erstmals Grundsätze zur Weiterentwicklung der weiblichen Gesundheit in der europäischen Region der WHO formuliert. Alle Mitgliedsstaaten wurden damals aufgefordert, Frauengesundheitsberichte zu erstellen. Mit dem Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland lag 2001 die erste geschlechtersensible Berichterstattung in Deutschland vor. Im gleichen Jahr wurde in Hamburg das Aktionsprogramm Frauen und Gesundheit, das von der damaligen Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales zusammen mit Expertinnen erarbeitet wurde, veröffentlicht. Das Aktionsprogramm untersuchte verschiedene Handlungsfelder, wie "Frauengesundheit braucht unabhängige Forschung" oder "Frauengesundheit braucht geschultes Fachpersonal", befasste sich mit Qualität, Leitbildern und der Frauengesundheitsberichterstattung.

In diesem Aktionsprogramm wurde dargestellt, dass sich medizinische und pharmakologische Forschung, Beratung und Behandlung vorwiegend an den Bedürfnissen des Mannes und seiner gesellschaftlichen Identität orientierten. Dies hatte gravierende Folgen für die Frauengesundheit und konnte zu Fehldiagnosen, zu Über- oder Unterversorgung führen. Die Gesundheitsversorgung nahm spezifisch weibliche Bedürfnisse nicht wahr. Frauen haben oft andersartige Beschwerden und Krankheiten als Männer, auch im Verlauf von Er

(Hanna Gienow)

krankungen und in den Wirkungen von Arzneimitteln können sich geschlechtsspezifische Besonderheiten zeigen. Leistungen und Angebote im Gesundheitsbereich müssen sich deshalb daran messen lassen, ob und wie sie diese Unterschiede erkennen und berücksichtigen.

Krankheitsbilder, die früher klassische Männererkrankungen waren wie beispielsweise Herzinfarkte und nur Männern zugeordnet wurden, erstrecken sich heute geschlechtsneutral auf Männer und Frauen. Heute ist der Herzinfarkt bei Frauen die Todesursache Nummer eins und sie erleiden ihn in immer jüngerem Alter.

Eine differenzierte Betrachtung der Frauengesundheit braucht aber auch geschultes Personal im Bereich der Mediziner, der Pflegenden und der Beratungsstellen. Insbesondere Frauen müssen gleichberechtigt in diesen Bereichen arbeiten. So gab es beispielsweise in den Neunzigerjahren keine einzige Kardiologin in Deutschlands Universitäten. Im erweiterten Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Herz-Kreislauf-Forschung mit über 50 Menschen saß nur eine Frau. Gleichzeitig waren nur etwa 20 Prozent der im Herzzentrum Berlin behandelten Patienten Frauen. Dieser Umstand führte natürlich zu der Frage, ob es vielleicht einen Zusammenhang gäbe zwischen der rein männlichen Besetzung der leitenden Positionen und der Tatsache, dass offensichtlich weniger Frauen behandelt wurden. Diese Fragestellung führte zu ersten Forschungen und Bewertungen beim Thema Frauengesundheit und letztendlich auch zu der Gründung des bisher einzigen Instituts für Geschlechterforschung in der Medizin in Berlin.

Trotzdem muss man sich fragen, was sich in diesem Bereich bis heute verändert hat. Aus der Großen Anfrage der LINKEN ergibt sich, dass zurzeit nur 10 Prozent der Professorenstellen am UKE mit Frauen besetzt sind. Zwar gibt es Ziel- und Leistungsvereinbarungen und andere Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils, aber diese scheinen nicht sehr wirkungsvoll zu sein, wenn man bedenkt, dass sich seit Anfang der Neunzigerjahre kaum etwas verändert hat. Auch die Zahl der in den Krankenhäusern beschäftigten Chefärztinnen liegt mit 0 bis 20 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt. An dieser Stelle ist die Freie und Hansestadt Hamburg aufgefordert, das bisherige Engagement deutlich zu verstärken und den Anteil von Frauen in Professorinnenstellen und auch bei Chefärztinnen deutlich zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der Senat ist ebenfalls aufgefordert, entsprechende Studienschwerpunkte zum Thema Frauengesundheit an den Hamburger Universitäten auszubauen. Das Aktionsprogramm Frauen und Gesundheit aus dem Jahre 2001 gibt verschiedene Handlungsempfehlungen, von denen einige umgesetzt sind. Meine Vorrednerinnen haben bereits

Beispiele genannt, ich will eines hinzufügen. Die Ausweitung der Familienhebammenprojekte, die damals noch gefordert wurde, ist inzwischen realisiert. Vieles wurde aber nicht umgesetzt, wie die Erhöhung des Frauenanteils in Wissenschaft und Forschung oder die geforderte Frauengesundheitsberichterstattung in Hamburg.

Eine Maßnahme, mit der die Weltgesundheitsorganisation das Thema Gesundheit voranbringen will, ist der Weltfrauengesundheitsbericht, der am 9. November dieses Jahres vorgelegt wurde. Mit diesem Bericht zur Gesundheit von Frauen legt die WHO erstmals eine weltweite Bestandsaufnahme des gesundheitlichen Status und der gesundheitlichen Situation von Frauen und Mädchen vor. Obwohl die Datenlage in einigen Bereichen nicht vollständig ist, werden insbesondere Gesundheitsrisiken bei Frauen aufgrund sozialer, kultureller und geschlechtsbedingter Benachteiligungen deutlich. Viele Erkrankungen, Behinderungen und Todesfälle wären vermeidbar, wenn auch für Frauen der Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung sichergestellt würde.

Der Bericht zeigt auf, dass sich seit den ersten Ansätzen einer Frauengesundheitsberichterstattung im Jahre 2001 insgesamt bis heute nicht viel verändert hat. Dabei hat auch Ban Ki-Moon, der Generalsekretär der Weltgesundheitsorganisation, zur Bedeutung der Frauengesundheit festgestellt:

"Wenn es darum geht, gemeinsame Zusammenhänge zu finden, gibt es wohl kein Einzelthema, das stärker mit der Sicherheit, dem Wohlergehen und dem Fortschritt unserer Welt verknüpft ist als die Frauengesundheit. Sie reicht in den Kern jedes Themas und berührt die Seele jeder Gesellschaft."

In diesem Sinne fordere ich den Senat auf, die im Rahmen des Aktionsplans Frauengesundheit bereits im Jahre 2001 festgelegten Handlungsempfehlungen und Vorschläge endlich umfassend umzusetzen. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Heitmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist vielleicht aus unserer Position heraus etwas ungewöhnlich, aber ich möchte zu Beginn meiner Rede erst einmal der LINKEN für diese Anfrage danken, denn sie gibt einen sehr guten Überblick darüber, welche gesundheits- und suchtpolitischen Projekte in Hamburg vorhanden sind.

(Beifall bei Antje Möller GAL und Christiane Schneider DIE LINKE)

(Anja Domres)

Dabei tauchen nicht nur Projekte und Faltblätter von der Behörde, der HAG oder der HLS auf, sondern auch Maßnahmen und Initiativen, die von Krankenkassen, Krankenhäusern, einzelnen Ärzten und anderen ausgehen. Es ist wichtig, dass wir auch diese Initiativen in der Stadt haben, denn das sind die Fachleute mit Know-how, die in den einzelnen Fachgebieten sicher sehr viel kompetenter sind als wir als Politiker. Gerade die Krankenkassen profitieren, das haben mehrere Studien bewiesen, von Präventionsprojekten. Diese zahlen sich speziell für Krankenkassen häufig doppelt aus.

Es gibt noch einen anderen Punkt, der in Ihrer Anfrage sehr deutlich wird, nämlich der, dass Gesundheit ein Querschnittsthema ist, das die Bereiche Justiz, Inneres, Soziales und auch Wissenschaft berührt. Gleichzeitig möchte ich aber auch meine Kritik loswerden, denn beim Lesen dieser Anfrage hat mir ein bisschen der rote Faden gefehlt. Sie geben in der Einleitung den Hinweis, dass Medizin sehr häufig zu sehr auf den männlichen Körper fixiert ist, dass die spezifischen Ansprüche und Bedürfnisse, die Frauen an das medizinische System haben, häufig nur unzureichend berücksichtigt werden. Damit haben Sie ein sehr wichtiges Problem am Anfang angesprochen, das auch an einigen Stellen in der Anfrage wieder auftaucht. Es wird sehr deutlich, dass Forschung an Projekten und Einrichtungen, die speziell auf Frauen ausgerichtet sind, noch ausgebaut werden kann. Zudem muss es stärkere Überlegungen geben, in welchen Bereichen – gerade neben der psychotherapeutischen Behandlung, die in der Anfrage auch angesprochen ist – andere Behandlungsmöglichkeiten speziell für Frauen eventuell noch sinnvoll wären.

Andererseits tauchen in der Anfrage sehr viele auf Gesundheitsthemen bezogene Bereiche auf, die sowieso nur Frauen betreffen. Gerade das Thema Brustkrebs, Informationen rund um Schwangerschaft, Geburt und Hebammen, sind solche Bereiche, in denen die medizinische Versorgung speziell auf Frauen ausgerichtet ist, weil nur diese auch die Patientinnen sind. An anderer Stelle wird in der Anfrage zudem das Thema Frauen und Gewalt aufgegriffen, das in anderen Anfragen in der Vergangenheit schon deutlich ausführlicher und differenzierter beleuchtet wurde. Wenn Sie dem Senat vorwerfen, er würde sich in dieser Anfrage nicht deutlich positionieren, dann muss ich doch sagen, dass das in der Vergangenheit schon häufiger geschehen ist und auch dadurch geschieht, dass es eine Reihe von Projekten und Angeboten gibt, wie meine Kollegin Nebahat Güclü und ich schon häufiger betont haben.

Insgesamt fehlte mir der rote Faden in der Anfrage, die fehlende übergeordnete Fragestellung und daher gibt es auch leider keine Gesamterkenntnis. Ich habe circa drei bis vier Stunden zum Lesen gebraucht, das heißt, ich kann dem Senat keinen

mangelnden Fleiß unterstellen und ich sehe auch in der Anfrage durchaus viele Ansatzpunkte zur Diskussion.

Da ist zum einen die Frage, wie wir in Zukunft Migrantinnen mit gesundheitlichen Angeboten besser erreichen können und wie wir gerade Suchtmittelprävention besser und spezieller auf Frauen ausrichten können. Wie können wir die Förderung von Frauen in Spitzenpositionen in Krankenhäusern und auch in Forschungseinrichtungen vorantreiben? Wie können wir in Zukunft die Teilnahmerate an Präventionsprogrammen erhöhen? Dies sind einige Vorschläge, um Ziele und Fragestellungen für den Ausschuss zu definieren, wo wir diese Große Anfrage ausführlich diskutieren werden. Wenn wir uns vorher nicht gewisse Fragestellungen überlegen, dann werden wir uns verzetteln. Deshalb plädiere ich dafür, dies zu tun und freue mich auf die Ausschussdiskussion. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Frau Artus.

(Olaf Ohlsen CDU: Es ist doch alles gesagt! – Harald Krüger CDU: Es geht doch in den Gesundheitsausschuss!)

– Da irren Sie sich, das ist es bei dem Thema nicht. Ich will aber auch keine lange Rede mehr halten, sondern nur auf ein paar Punkte eingehen. Ich freue mich auf die Diskussion im Gesundheitsausschuss und würde mir fast noch wünschen, dass der Sozialausschuss mitberatend dazukommt.

Zum Thema Brustkrebs möchte ich nur kurz erwähnen, dass es leider nicht ausschließlich ein Frauenthema ist. Es ist ein großes Tabu in der Gesundheit, dass Brustkrebs auch Männer bekommen können. Soweit zum Hinweis, dass es sich nicht immer als Entweder-Oder darstellen lässt, Frau Gienow.

Dies ist natürlich auch bei der Pflege so, wo ich das explizit herausgegriffen habe, weil es um überproportionale Situationen geht. Das Thema Frauengesundheit steckt – das zeigt zum Beispiel das Thema Gewalt – in einer Vielzahl von Anfragen, aber ausgehend von den Empfehlungen von 2001 fehlt eben der Gesamtüberblick und das ist das Problem. In der Anfrage sieht man auch, auf wie viele Kleine und Große Anfragen bis zurück in die 17. Legislaturperiode verwiesen wird. Wenn man sich das alles ausdruckt, dann hat man einen dicken Ordner. Insofern war das genau unser Ansatz und die Empfehlung ist der rote Faden. Ich stelle der GAL die Broschüre gerne noch einmal zur Verfügung, aber weil wir schon geahnt haben, dass es in einigen Bereichen vielleicht in Vergessenheit geraten ist, haben wir den Link zu diesen

(Linda Heitmann)

Empfehlungen auf den Hamburg-Seiten im Internet mit in die Große Anfrage hineingenommen.

Zu den Selbsthilfegruppen möchte ich kurz Folgendes anmerken: Frau Gienow, Frau Heitmann, Frau Schaal und ich sitzen in diesem Vergabeausschuss für den Selbsthilfegruppentopf und mein Eindruck von drei, vier Sitzungen ist, dass es wirklich der sehr großen und fürsorglichen Arbeit des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zu verdanken ist, der die Gelder verteilt, dass auch jeder irgendwie zu seinem Recht kommt. Das funktioniert sehr gut. Es ist aber trotzdem eine Mangelverwaltung, weil maximal 650 Euro pro Selbsthilfegruppe ausgeschüttet werden.

Zur Mammographie freue ich mich auch auf eine spezielle Anhörung. Ich gebe Ihnen recht, dass dieses Thema intensiv behandelt werden muss, weil damit wirklich Politik gemacht wird und, wie ich finde, nicht zugunsten der Frauen.

Es fehlt – das planen wir auch bereits, das hat sich bei uns bei der Ausarbeitung dieser Großen Anfrage ergeben – eine Große Anfrage zur Männergesundheit. Diese wird von uns demnächst kommen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Arno Mün- ster SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer einer Überweisung der Drucksache 19/4262 an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das Überweisungsbegehren einstimmig angenommen.

Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung, die Drucksachen 19/4425, 19/4426, 19/4427, Berichte des Eingabenausschusses.

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/4425 –]

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/4426 –]

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/4427 –]

Ich beginne mit dem Bericht 19/4425 und dort zunächst mit der Ziffer 1.