Anja Domres
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im deutschen Gesundheitswesen wer
den medizinische Leistungen durch eine Vielzahl unabhängiger Einrichtungen erbracht. Diese Sektoralisierung geht auf historisch gewachsene Gliederungen der Leistungserbringer zurück und ist in Europa ziemlich einmalig. Es ist gesetzlich geregelt, dass nicht jede Organisationsform jede medizinische Dienstleistung anbieten darf. Diese institutionellen Regelungen führen zu vielfältigen Schnittstellen bei der Behandlung eines Patienten. Auffällig ist dabei insbesondere die starke Trennung zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung. Dies führt zu einer suboptimalen Arbeitsteilung und Verzahnung, zu Informationslücken sowie mangelhafter Kommunikation und Koordination zwischen den Versorgungssektoren. Daraus resultieren häufig medizinisch nicht begründbare Doppeluntersuchungen und auch eine unkoordinierte Medikamentierung mit unerwünschten Nebenwirkungen. Eine ganzheitliche Optimierung des Versorgungsprozesses wird somit nicht gewährleistet.
Es findet ebenfalls keine Orientierung an den Behandlungspräferenzen des Patienten statt, zum Beispiel bezüglich Wohnortnähe oder Qualifikation des Behandelnden. Auch beim Einsatz von Innovationen oder bei der Zulassung von neuen Verfahren bestehen erhebliche Unterschiede zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor. In der vertrauensärztlichen Versorgung können neue Versorgungsund Behandlungsstrukturen nur dann zulasten der Krankenkassen erbracht werden, wenn diese ausdrücklich durch den gemeinsamen Bundesausschuss erlaubt worden sind. Im Gegensatz dazu können in der stationären Versorgung alle neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden, solange dies nicht ausdrücklich verboten ist.
Im Ergebnis landet das deutsche Gesundheitssystem im Hinblick auf gesundheitsbezogene Ergebnisindikatoren wie Lebenserwartung, Gesundheitszustand der Bevölkerung und krankheitsspezifischer Sterblichkeitsraten häufig nur in den mittleren Rängen. Im internationalen Vergleich von grundlegenden Indikatoren des Gesundheitssystems gibt es einige Anhaltspunkte für einen übermäßigen Ressourceneinsatz und für Mängel in der Organisation ärztlicher Versorgung. Das genau ist das Problem. Dies wurde inzwischen zwar auch erkannt und mit dem gesundheitspolitischen Ziel der integrierten Versorgung wurde erstmals versucht, die historisch gewachsene Sektoralisierung zu überwinden, um damit die Qualität und Kosteneffizienz der medizinischen Versorgung zu verbessern. Die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren war sicherlich der erste Schritt, diese bisherige sektorale Trennung zu überwinden und die Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung in Deutschland aufzuheben. Leider hat die Gründung von medizinischen Versorgungszentren insbesondere in Hamburg nicht dazu geführt, dass
die wohnortnahe Versorgung von Menschen verbessert wurde, denn ihre Gründung hat verstärkt zur Aufgabe von Praxen in sogenannten Problemgebieten geführt. Diese Praxissitze wurden aufgekauft, um an anderer Stelle in der Regel in sogenannten eher privilegierten Stadtteilen in medizinischen Versorgungszentren wieder aufzuleben.
Krankenhäusern ist es bisher zwar nach Paragraf 116b des SGB V erlaubt, die ambulante Versorgung bestimmter seltener Erkrankungen, spezialisierter Leistungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen zu übernehmen. Inzwischen gibt es aber vermehrt Anträge von Krankenhäusern, die ambulante Behandlung nicht seltener Krankheiten ebenfalls übernehmen zu dürfen.
Auch die Hamburgische Krankenhausgesellschaft, die sich in diese Diskussion eingeschaltet hat, fördert eine weitere Öffnung der Kliniken für eine ambulante Versorgung. Dies ist meines Erachtens der richtige Weg, wie die Gewerkschaft ver.di sagt, deren Worte ich nur wiederholen kann: Wer eine gute Medizin für alle zu bezahlbaren Preisen haben will, muss die Leistungskraft der Krankenhäuser auch verstärkt für ambulante Diagnostik und Therapie einsetzen. Nur so können kostentreibende und zeitraubende Doppeluntersuchungen eines Leidens vermieden werden.
Die Kritik der Kassenärztlichen Vereinigung, es könne dadurch weder eine wohnortnahe Basisvorsorge noch ein Notfalldienst gewährleistet werden, kann ich in diesem Punkt nicht teilen. Die Kassenärztliche Vereinigung kann leider auch heute mit den bisherigen ambulanten Strukturen von Arztpraxen eine wohnortnahe Versorgung in den Stadtteilen nicht gewährleisten. Wir haben schon häufig darüber debattiert, dass es immer mehr Stadtteile gibt, die keine Haus- und Kinderärzte mehr haben. Die Kassenärztliche Vereinigung sieht sich außerstande, darauf zu reagieren.
Dieses Problem hat inzwischen fast alle Großstädte Deutschlands erreicht und ist darin begründet, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen in den letzten Jahren die sogenannten Planungsbezirke von einzelnen Stadtgebieten auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt haben. Da auch in den ländlichen Gebieten der Flächenstaaten Landärzte fehlen, kann die Kassenärztliche Vereinigung die Versorgung dort ebenfalls nicht garantieren. Das heißt, dass die bisherige Form der Versorgung mit Ärzten nicht für eine gerechte Verteilung sorgt, keine wohnortnahe Versorgung bietet und daher dringend reformiert werden muss.
Es ist unerträglich, dass es der Kassenärztlichen Vereinigung einerseits nicht gelingt, eine flächendeckende Versorgung zu schaffen, andererseits aber auch eine weitere Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Behandlung ablehnt. Wir von der SPD-Fraktion stimmen daher dem Antrag der
LINKEN grundsätzlich zu, insbesondere dem Punkt 1. Es ist richtig, dass eine sektorenübergreifende bürgernahe Versorgung der Bürgerinnen und Bürger erfolgen und dies auch in den Krankenhausplan mit aufgenommen werden muss. Dies ist nicht nur wichtig für eine gute Versorgung der hamburgischen Bevölkerung, sondern trägt auch zu weiterer Kosteneffizienz bei.
Ich sagte eben, dass wir dem Antrag grundsätzlich zustimmen, denn Punkt 2 des Antrags hat sich, wie Herr Stemmann schon gesagt hat, dadurch erledigt, dass die Übersicht der Plankrankenhäuser mit medizinisch-technischen Großgeräten im Krankenhausplan in der Anlage 6.1 bereits enthalten ist. Wichtig ist dabei aber, dass sie aktuell fortgeschrieben wird.
Auch zu Punkt 3 des Antrags der LINKEN ist zu sagen, dass der Senat grundsätzlich versprochen hat, die Verabschiedung des neuen Krankenhausplans 2015 zum Herbst 2010 anzustreben. Insofern bin ich gespannt, ob der Senat sein vollmundiges Versprechen halten kann und ob sich bewahrheitet, was Herr Stemmann gesagt hat, nämlich dass wir diesen Krankenhausplan auch tatsächlich im Herbst dieses Jahres in der Bürgerschaft sehen werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Krüger, wenn hier irgendjemand am Thema vorbeigeredet hat, dann sind das eher Sie als Frau Artus.
Zum Thema Kopfpauschale das Hamburger Gesundheitssystem zu loben, das kann man machen, das hat aber wirklich überhaupt nichts mit dem
Thema, das zur Debatte angemeldet wurde, zu tun.
Auch wenn Sie sagen, es sei keine Kopfpauschale, sondern eine Gesundheitsprämie – das ist ein schönes Wort, Kopfpauschale ist inzwischen schon so negativ belegt –, dann ist es trotz allem ein bisschen zu wenig, was von der CDU-Fraktion kommt. Zurzeit ist die Lage im Gesundheitssystem doch so, dass Gutverdiener viel, Geringverdiener wenig zahlen und künftig sollen Arme und Reiche genau mit der gleichen Summe zur Kasse gebeten werden.
Das ist keine Phrase, das ist so. Eine Pauschale für jeden Kopf, das ist genau der Plan der schwarz-gelben Bundesregierung, sie will die Kopfpauschale einführen. Wenn Kassenpatienten derzeit 7,9 Prozent ihres Bruttolohns für die Gesundheit und den Gesundheitsschutz investieren – exklusive möglicher Zusatzbeiträge, von denen es im Augenblick schon einige bei den Krankenkassen gibt – und Geringverdiener mit 1000 Euro damit 79 Euro im Monat zahlen und wer monatlich 3500 Euro Gehalt bekommt, rund 276 Euro aufwenden muss, dann ist das schon gerechter, aber die Kopfpauschale soll genau dem ein Ende machen.
Nach dem Motto: gleiches Geld für gleiche Leistung würden Putzfrau und Bankdirektor – und das hat übrigens nicht nur die SPD gesagt, auch da sollten Sie einmal die überregionale Presse ein bisschen mehr verfolgen – die gleiche Summe für den Gesundheitsschutz zahlen, obwohl ihre Gehälter unterschiedlicher nicht sein können. Ein noch nicht näher definierter Sozialausgleich soll das Ganze abmildern, das ist richtig, aber wie das finanziert werden soll, ist zurzeit völlig unklar, genauso wie die praktische Seite, denn es wird bedeuten, dass man ein Antragsverfahren einführen muss, einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Und wie genau dieses Ganze konzipiert werden soll, ist völlig unklar.
Für die Anwesenden – fast alle oder doch sehr viele –, die über ein Einkommen von mehr als 3000 Euro verfügen, ist die Kopfpauschale eigentlich ein Fortschritt. Sie werden damit besser gestellt, aber es kann nicht sein, dass wir als Politiker einer Kopfpauschale zustimmen, bei der wir selber vielleicht besser wegkommen können, aber all diejenigen vergessen, die dadurch weitaus schlechter gestellt werden.
Hier werden nämlich wieder diejenigen hinunterfallen, die keine oder nur wenige Steuern zahlen. Es
sind die Geringverdiener oder auch die Rentner und das kann es doch nicht sein. An die Stelle der solidarischen und gerechten Finanzierung tritt ein Finanzierungsmodell, das den bisherigen gesellschaftlichen Konsens – die Jungen stehen für die Alten, die Gesunden für die Schwachen und die Stärkeren für die Schwächeren ein – ohne Wenn und Aber aufkündigt.
Es ist auch egal, in welcher Höhe diese Kopfpauschale eingeführt werden soll, ob es eine totale Kopfpauschale in Höhe von 140 oder 170 Euro ist, ob es eine teilweise Kopfpauschale von 29 Euro neben den Beiträgen sein wird, die zurzeit diskutiert wird und die zurzeit auch deswegen diskutiert wird, weil die CDU genau weiß, dass sie die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen verlieren wird, wenn sie sich jetzt schon bereit erklärt, eine totale Kopfpauschale einzuführen.
Egal, in welcher Höhe diese Kopfpauschale diskutiert werden soll, es ist die Abkehr vom bisherigen Solidarsystem und das müssen wir an dieser Stelle einfach einmal festhalten.
Auch wenn der 2005 eingeführte Zusatzbeitrag der Arbeitnehmer in Höhe von 0,9 Prozent, den sie allein tragen, wieder wegfallen soll, um den Arbeitgeber zu schonen, wird deren Beitrag eingefroren und soll nur noch 7 Prozent des Lohns ihrer Mitarbeiter betragen, egal wie hoch die Beiträge steigen. Das heißt, dass die Versicherten in Zukunft sämtliche Ausgabensteigerungen allein tragen. Den medizinischen Fortschritt, die demografische Entwicklung oder auch eine weitere Entwicklung in Form von Geschenken an die CDU- oder FDP-Klientel, all das, was auf Leistungserbringerseite anfallen würde, würden die Arbeitnehmer alleine zahlen. Die Arbeitgeber würden sich komplett zurückziehen, es gäbe überhaupt keine Finanzierung, keine Kostendeckelung mehr, der Arbeitgeber wäre nicht mehr bei den Verhandlungen dabei und die Arbeitnehmer hätten die gesamten Kosten allein zu tragen.
Hat die CDU vor der Bundestagswahl noch behauptet, sie würde sich den Wünschen der FDP widersetzen, das Sozialsystem weiter zu privatisieren, weiter auf die Menschen herunterzubrechen und auch den Gesundheitsfonds, zu dem man stehen kann wie man will, abzuschaffen, wirbt sie jetzt direkt für die Kopfpauschale – so jedenfalls die Äußerung der Bundeskanzlerin Angela Merkel – und bricht damit ihr Wahlversprechen.
Sie, Herr Sozialsenator, begrüßen die Einführung der Kopfpauschale, auch das war den Medien zu entnehmen. Auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion zu dem Thema kam nur die lakonische Antwort: Damit hat sich der Senat befasst. Man kann sich jetzt fragen, ob der Senator sich zu Dingen
äußert, mit denen er sich inhaltlich überhaupt noch nicht befasst hat oder der Senat bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vielleicht gelogen hat, aber ganz egal.
Der Senator ist für die Kopfpauschale und das wundert uns nach den Ereignissen der letzten Wochen...
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Domres, Sie sollten diese Formulierung wirklich stark überdenken.
– Gut, das werde ich.
Egal wie, der Senator ist für die Kopfpauschale und das wundert uns nach den Ereignissen der letzten Wochen überhaupt nicht mehr. Die Erhöhung der Kita-Beiträge, die Einstellung der einkommensabhängigen Einzelförderung für die Investitionskosten in den Alten- und Pflegeheimen, die Politik nach der Prämisse, die im Dunkeln sieht man nicht, wird fortgesetzt.
Der Einstieg in die Drei-Klassen-Medizin ist perfekt. Besser verdienende Gesunde können sich erster Klasse in privaten Krankenversicherungen versichern, für sie wird sich erst einmal nicht viel ändern. Die Versicherten in den gesetzlichen Krankenversicherungen werden deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen und diejenigen, die die geplanten höheren Zuzahlungen und die einkommensunabhängige Pauschale nicht zahlen können, werden vom medizinischen Fortschritt abgeschnitten. Nach den Plänen von Schwarz-Gelb müssen Millionen von Menschen mehr zahlen, als sie sich leisten können. Sie müssen dann den Sozialausgleich beantragen und werden somit zu Bittstellern, weil sie ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen.
Gesundheit ist ein wertvolles Gut. Jeder Mensch muss Zugang zur bestmöglichen medizinischen Versorgung haben. Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle solidarisch füreinander einstehen. Die Kopfpauschale ist ungerecht, weil sie unabhängig vom Einkommen erhoben wird, die Kosten für Geringverdiener steigen und Bezieher hoher Einkommen weniger zahlen. Sie macht einen sozialen Ausgleich nur noch durch Bittstellerei beim Staat möglich und führt dazu, dass gute medizinische Leistungen nur noch über private Zusatzversicherungen abgedeckt werden können. Wir, die SPD, wir wollen ein solidarisches Gesundheitssystem, in dem die Kosten für die Gesundheit gerecht auf alle Schultern verteilt werden. Wir sagen Nein zur Kopfpauschale.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine vom Diakonischen Werk in Hamburg in Kooperation mit der Nordelbischen Kirche und der Gewerkschaft ver.di in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in Hamburg zwischen 6000 und 22 000 Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere leben. Zwar hat es im September bereits eine Verbesserung für diese Menschen gegeben, da eine allgemeine Verwaltungsvorschrift in Kraft getreten ist, die die sogenannte Übermittlungssperre, die bisher nur für Ärzte galt, beispielsweise auch auf die Krankenhausverwaltungen ausgedehnt hat. Diese waren zuvor verpflichtet, Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, an die Ausländerbehörden zu melden. Mit der geänderten Verwaltungsvorschrift wurde eine wesentliche Barriere beseitigt, den im Asylbewerberleistungsgesetz verankerten Rechtsanspruch auf Gesundheitsleistungen für Menschen ohne Papiere in Anspruch nehmen zu können. Dennoch existieren weitere finanzielle, rechtliche und andere Hindernisse, die Ärzte und Krankenhauspersonal auf der einen Seite und Menschen ohne Papiere auf der anderen Seite verunsichern
und den tatsächlichen Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu Gesundheitsleistungen praktisch verweigern.
In Artikel 12 des UN-Sozialpakts ist das Recht auf höchstmögliche, körperliche und geistige Gesundheit sowie das Recht auf medizinische Versorgung für jeden Menschen festgeschrieben. Es gehört zu den grundlegenden Menschenrechten, die für alle in Deutschland lebenden Menschen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, gelten. Der für die Einhaltung dieser Konvention zuständige UN-Ausschuss hat ausdrücklich betont, dass medizinische Einrichtungen und ärztliche Betreuung für alle, insbesondere für die besonders Schutzbedürftigen und an den Rand gedrängten Gruppen der Bevölkerung, der Zugang de jure und auch de facto ohne Verletzung des Diskriminierungsverbots zugänglich sein müssen. Hamburg muss klären, wie dieses Recht auf Gesundheit für Menschen ohne Papiere tatsächlich umgesetzt werden kann. Die Gesundheitsleistungen müssen für Menschen ohne Papiere ohne die Gefahr der Entdeckung zugänglich gemacht werden.
Dabei geht es überhaupt nicht darum, diesen Menschen eine bessere Gesundheitsversorgung zu geben als den Menschen, die in einer privaten oder gesetzlichen Krankenkasse versichert sind und dafür ihre Beiträge zahlen. Es geht darum, diesen Menschen überhaupt die Möglichkeit einer gesundheitlichen Versorgung zu geben.
Bisher gab es in Hamburg Angebote wie zum Beispiel die medizinische Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migranten, das Medibüro in Altona, in der Ärztinnen und Ärzte ehrenamtlich eine Vermittlung in medizinische Behandlung angeboten haben, und auch das Angebot der Malteser Migranten Medizin, das sogenannte MMM, auf dem Gelände des Marienkrankenhauses, das Menschen ohne Krankenversicherung Beratung und Unterstützung durch ehrenamtliche, meist pensionierte Ärzte und Ärztinnen angeboten hat. Aber eine funktionierende Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere kann nicht allein auf Ehrenamtlichkeit, Spenden und Vergütungsverzicht gegründet sein.
Dieses ist unangemessen. Die Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere muss aus der Parallelwelt der Ehrenamtlichkeit und der Freiwilligkeit herausgeholt und in die Regelversorgung des Gesundheitssystems integriert werden.
Herr Senator Wersich, Sie haben gestern schon in der Aktuellen Stunde, als es um die Menschen ohne Papiere ging, in der Debatte gesagt, dass Sie der Meinung sind, dass diese Menschen durch private Einrichtungen gut versorgt würden, dass die humanitäre, private Zivilgesellschaft dafür eintreten könne und der Staat nicht die Aufgabe habe, für Il
legale zu sorgen. Dies sehe ich anders und wir als SPD-Fraktion möchten den Senat auffordern,
gemeinsam mit den bisherigen und den potenziellen Trägern und möglichen Kostenträgern der Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere die verschiedenen in Deutschland zurzeit praktizierten Finanzierungsmodelle zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Als Finanzierungspartner kommen Stiftungen, Fonds, staatliche Teilfinanzierung oder auch die Beteiligung der Krankenkassen infrage, wobei auch Mischmodelle möglich sein werden. Dabei ist auch der Vorschlag des Diakonischen Werks zu diskutieren, in Hamburg das Konzept des anonymisierten Krankenscheins zu erproben.
Natürlich ist dabei auch zu überlegen, ob es Menschen ohne Papiere möglich gemacht werden kann und ob es ihnen möglich sein wird, einen angemessenen finanziellen Eigenbeitrag zu leisten. Es muss aber geklärt werden, welche Stelle für den einzelnen Patienten ohne Papiere entscheiden soll, welche Gesundheitsleistungen jeweils bereitgestellt werden und für die nötigen formalen Abläufe gestaltet werden müssen. Diese Aufgabe kann nur von einer Stelle übernommen werden, die bei den Betroffenen und auch von öffentlicher Seite her volles Vertreten genießt, zugleich aber die volle medizinische Fachkompetenz hat und die Kompetenz im Umgang mit der Zielgruppe aufweist.
Wir fordern den Senat daher auf, einen Runden Tisch Gesundheitsversorgung für Papierlose mit Vertretern der zuständigen Behörden, der Wohlfahrtsverbände, der Ärztekammer, der Krankenkassen und möglichen anderen Kostenträgern sowie der Kirchen einzurichten und auf Basis des Asylbewerberleistungsgesetzes die Verbesserungsmöglichkeiten der medizinischen Versorgung für Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus zu erörtern und gegebenenfalls umzusetzen.
Es ist kurzfristig zu prüfen, ob bei den Gesundheitsämtern, den Bezirksämtern oder bei Freien Trägern sogenannte humanitäre Sprechstunden eingerichtet werden können, die die gesundheitliche Primärversorgung von Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, also Menschen ohne Papiere, sicherstellen können. Eine solche humanitäre Sprechstunde, zuerst für Roma, später dann auch für Migrantinnen und Migranten aus Afrika, gibt es seit 1997 beim Gesundheitsamt in Frankfurt. Eine internationale Sprechstunde findet dort seit 2009 statt. Diese Sprechstunde bietet Besucherinnen und Besuchern kostenlose und anonyme Beratung, medizinische Betreuung im Sinne einer hausärztlichen Sprechstunde und die Nutzung der gemeinsamen und gesamten fachärztlichen Infrastruktur des Gesundheitsamtes. Dabei steht in
Frankfurt die humanitäre Sprechstunde als Angebot nicht allein da, sondern sie ist mit allen anderen möglichen Angeboten vernetzt, wie zum Beispiel der kommunalen Ausländerinnenvertretung und Migrantenvereinen in Frankfurt. Es wäre schön, wenn der Senat in Hamburg ebenfalls ein solches Angebot konzipieren könnte.
Schließlich fordern wir den Senat auf, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu unterstützen und einzubringen, den Abschiebeschutz bei Schwangerschaft und Geburt auf drei Monate vor und drei Monate nach der Geburt auszudehnen. Dies ist insbesondere wichtig, um die Ausstellung einer Geburtsurkunde für das geborene Kind zu gewährleisten. Bisher gelten die allgemeinen Mutterschutzfristen, die eine Abschiebung sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt vorsehen, aber eine Verlängerung würde für die Mütter einfach sicherstellen, dass sie tatsächlich eine Geburtsurkunde für das Kind erhalten können.
Herr Senator, es ist einfach unzureichend, wenn Sie, wie gestern geschehen, diese gesamte Versorgung auf private Träger und Wohlfahrtsverbände abschieben wollen.
Der Staat ist durchaus in der Pflicht und so wird es auch in anderen Bundesländern gehandhabt. Ich frage mich, wieso immer Hamburg eine Ausnahme sein muss bei Dingen, die andere Bundesländer schon längst als ihre Pflicht begreifen. In Hamburg ziehen sich Staat und Regierung aus vielen Angelegenheiten heraus und verlassen sich auf das gute Funktionieren der Ehrenamtlichkeit; das kann es nicht sein. Sie haben vorhin noch davon gesprochen, dass es keine Denkverbote geben dürfe. Wenn Sie von Denkverboten sprechen, müssen Sie aber auch davon ausgehen, dass es diese in keinem Bereich geben darf. Sie müssten sich daher überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt, dass Sie als Senat dafür sorgen, dass es eine staatliche Unterstützung, einen staatlich geförderten Zugang dieser Menschen ohne Papiere in die Gesundheitsversorgung dieser Stadt gibt. Ich habe heute erfahren, dass die ursprünglich beantragte und auch einvernehmlich getragene Überweisung des Antrags der SPD-Fraktion an den Gesundheitsausschuss inzwischen von der GALund der CDU-Fraktion abgelehnt wurde. Ich finde das sehr schade, weil ich denke, dass man kritische Themen oder Themen, für die man ad hoc keine Lösungen hat – es gibt viele solcher Themen und es erwartet auch niemand, dass man sie gleich lösen kann –, nicht einfach totschweigen kann, indem man sie nicht an die zuständigen Sach- und Fachausschüsse zur fachlichen Diskussion überweist. Ich halte diesen Schritt für falsch.
Er ist aber auch nur ein erneutes Beispiel, wie der Senat versucht, sich von unliebsamen Themen zu trennen, indem er diese überhaupt nicht erst an die Ausschüsse zur Diskussion überweist.
Wir fordern den Senat auf, bis zum 31. März 2010 einen Bericht zu erstellen hinsichtlich der Anstrengungen, die der Senat bis dahin unternommen hat, die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne gültige Papiere zu verbessern, einen Bericht auch darüber, welche Ergebnisse es bis dahin geben wird oder ob der Senat dann feststellen wird, dass er sich weiter auf der ehrenamtlichen Arbeit engagierter Menschen ausruhen wird und das Problem weiter ignoriert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Redebeiträge der CDU- und der GAL-Fraktion anhöre, dann stellen die einen den Missbrauchstatbestand in den Vordergrund, verweisen auf den Koalitionsvertrag und sagen, es habe Gespräche mit den Trägern gegeben, es sei aber alles schwierig, während die anderen darlegen, sie hätten die Modelle geprüft, verschiedene Gespräche geführt und wüssten eigentlich schon, wofür sie sich entscheiden. Da gehen die beiden Meinungen doch sehr weit auseinander und ich hoffe, dass wir auf ein gemeinsames Ergebnis der Koalition zur Versorgung von Menschen ohne Papiere nicht so lange warten müssen wie auf den Gesetzentwurf für den Nichtraucherschutz, der uns auch seit mehreren Monaten verfolgt.
Trotz alledem möchte ich insbesondere die GAL-Fraktion noch einmal auffordern, der Überweisung unseres Antrags an den Ausschuss zuzustimmen. Sie sagen selbst, Sie hätten die Gespräche geführt und seien eigentlich schon sehr weit. Dann frage ich mich natürlich, warum man es nicht gemeinsam im zuständigen Ausschuss diskutieren kann.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Gienow, diese Anfrage hat es also verdient. Das ist sehr schön, darüber freut sich auch die SPD-Fraktion. Leider hat es der Antrag der SPD-Fraktion zu den papierlosen Menschen nicht verdient. Das kann man werten, das erspare ich mir jetzt aber.
Es ist in der Debatte um Frauengesundheit schon mehrfach gesagt worden: Männer und Frauen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Krankheiten und gesundheitlichen Einschränkungen, der Arbeitsund Lebensbedingungen, die Gesundheit und Krankheit beeinflussen, ihres Umgangs mit gesundheitlichen Belastungen sowie der Inanspruchnahme von gesundheitlichen Versorgungsleistungen. Die Gesundheitsprobleme und Ressourcen von Frauen sind bisher nur unzureichend untersucht worden. Dies stellte die Bundesregierung im Jahre 1996 fest.
Um einen Überblick über die gesundheitliche Situation von Frauen in Deutschland zu erhalten, gab das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 1996 einen Bericht in Auftrag, in dem die Aussagen zum Gesundheitsstatus von Frauen in Ost und West gebündelt werden sollten. Dieser Bericht geht auf die Initiative des Regionalbüros Europa der WHO zurück. In der Wiener Erklärung "Women's Health Counts" von 1994 wurden erstmals Grundsätze zur Weiterentwicklung der weiblichen Gesundheit in der europäischen Region der WHO formuliert. Alle Mitgliedsstaaten wurden damals aufgefordert, Frauengesundheitsberichte zu erstellen. Mit dem Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland lag 2001 die erste geschlechtersensible Berichterstattung in Deutschland vor. Im gleichen Jahr wurde in Hamburg das Aktionsprogramm Frauen und Gesundheit, das von der damaligen Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales zusammen mit Expertinnen erarbeitet wurde, veröffentlicht. Das Aktionsprogramm untersuchte verschiedene Handlungsfelder, wie "Frauengesundheit braucht unabhängige Forschung" oder "Frauengesundheit braucht geschultes Fachpersonal", befasste sich mit Qualität, Leitbildern und der Frauengesundheitsberichterstattung.
In diesem Aktionsprogramm wurde dargestellt, dass sich medizinische und pharmakologische Forschung, Beratung und Behandlung vorwiegend an den Bedürfnissen des Mannes und seiner gesellschaftlichen Identität orientierten. Dies hatte gravierende Folgen für die Frauengesundheit und konnte zu Fehldiagnosen, zu Über- oder Unterversorgung führen. Die Gesundheitsversorgung nahm spezifisch weibliche Bedürfnisse nicht wahr. Frauen haben oft andersartige Beschwerden und Krankheiten als Männer, auch im Verlauf von Er
krankungen und in den Wirkungen von Arzneimitteln können sich geschlechtsspezifische Besonderheiten zeigen. Leistungen und Angebote im Gesundheitsbereich müssen sich deshalb daran messen lassen, ob und wie sie diese Unterschiede erkennen und berücksichtigen.
Krankheitsbilder, die früher klassische Männererkrankungen waren wie beispielsweise Herzinfarkte und nur Männern zugeordnet wurden, erstrecken sich heute geschlechtsneutral auf Männer und Frauen. Heute ist der Herzinfarkt bei Frauen die Todesursache Nummer eins und sie erleiden ihn in immer jüngerem Alter.
Eine differenzierte Betrachtung der Frauengesundheit braucht aber auch geschultes Personal im Bereich der Mediziner, der Pflegenden und der Beratungsstellen. Insbesondere Frauen müssen gleichberechtigt in diesen Bereichen arbeiten. So gab es beispielsweise in den Neunzigerjahren keine einzige Kardiologin in Deutschlands Universitäten. Im erweiterten Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Herz-Kreislauf-Forschung mit über 50 Menschen saß nur eine Frau. Gleichzeitig waren nur etwa 20 Prozent der im Herzzentrum Berlin behandelten Patienten Frauen. Dieser Umstand führte natürlich zu der Frage, ob es vielleicht einen Zusammenhang gäbe zwischen der rein männlichen Besetzung der leitenden Positionen und der Tatsache, dass offensichtlich weniger Frauen behandelt wurden. Diese Fragestellung führte zu ersten Forschungen und Bewertungen beim Thema Frauengesundheit und letztendlich auch zu der Gründung des bisher einzigen Instituts für Geschlechterforschung in der Medizin in Berlin.
Trotzdem muss man sich fragen, was sich in diesem Bereich bis heute verändert hat. Aus der Großen Anfrage der LINKEN ergibt sich, dass zurzeit nur 10 Prozent der Professorenstellen am UKE mit Frauen besetzt sind. Zwar gibt es Ziel- und Leistungsvereinbarungen und andere Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils, aber diese scheinen nicht sehr wirkungsvoll zu sein, wenn man bedenkt, dass sich seit Anfang der Neunzigerjahre kaum etwas verändert hat. Auch die Zahl der in den Krankenhäusern beschäftigten Chefärztinnen liegt mit 0 bis 20 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt. An dieser Stelle ist die Freie und Hansestadt Hamburg aufgefordert, das bisherige Engagement deutlich zu verstärken und den Anteil von Frauen in Professorinnenstellen und auch bei Chefärztinnen deutlich zu erhöhen.
Der Senat ist ebenfalls aufgefordert, entsprechende Studienschwerpunkte zum Thema Frauengesundheit an den Hamburger Universitäten auszubauen. Das Aktionsprogramm Frauen und Gesundheit aus dem Jahre 2001 gibt verschiedene Handlungsempfehlungen, von denen einige umgesetzt sind. Meine Vorrednerinnen haben bereits
Beispiele genannt, ich will eines hinzufügen. Die Ausweitung der Familienhebammenprojekte, die damals noch gefordert wurde, ist inzwischen realisiert. Vieles wurde aber nicht umgesetzt, wie die Erhöhung des Frauenanteils in Wissenschaft und Forschung oder die geforderte Frauengesundheitsberichterstattung in Hamburg.
Eine Maßnahme, mit der die Weltgesundheitsorganisation das Thema Gesundheit voranbringen will, ist der Weltfrauengesundheitsbericht, der am 9. November dieses Jahres vorgelegt wurde. Mit diesem Bericht zur Gesundheit von Frauen legt die WHO erstmals eine weltweite Bestandsaufnahme des gesundheitlichen Status und der gesundheitlichen Situation von Frauen und Mädchen vor. Obwohl die Datenlage in einigen Bereichen nicht vollständig ist, werden insbesondere Gesundheitsrisiken bei Frauen aufgrund sozialer, kultureller und geschlechtsbedingter Benachteiligungen deutlich. Viele Erkrankungen, Behinderungen und Todesfälle wären vermeidbar, wenn auch für Frauen der Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung sichergestellt würde.
Der Bericht zeigt auf, dass sich seit den ersten Ansätzen einer Frauengesundheitsberichterstattung im Jahre 2001 insgesamt bis heute nicht viel verändert hat. Dabei hat auch Ban Ki-Moon, der Generalsekretär der Weltgesundheitsorganisation, zur Bedeutung der Frauengesundheit festgestellt:
"Wenn es darum geht, gemeinsame Zusammenhänge zu finden, gibt es wohl kein Einzelthema, das stärker mit der Sicherheit, dem Wohlergehen und dem Fortschritt unserer Welt verknüpft ist als die Frauengesundheit. Sie reicht in den Kern jedes Themas und berührt die Seele jeder Gesellschaft."
In diesem Sinne fordere ich den Senat auf, die im Rahmen des Aktionsplans Frauengesundheit bereits im Jahre 2001 festgelegten Handlungsempfehlungen und Vorschläge endlich umfassend umzusetzen. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Stemmann, erst einmal vielen Dank für diesen mitreißenden Vortrag.
Ich weiß gar nicht, wie oft die CDU in dieser Legislaturperiode bereits das Thema Gesundheitswirtschaft zur Debatte angemeldet hat, vier- oder fünfmal, ich glaube, Sie wissen es selbst nicht.
Es ist wirklich interessant, dass der CDU-Fraktion beim Thema Gesundheit nur das Thema Gesundheitswirtschaft einfällt. Es gibt für Sie scheinbar kein anderes Thema in diesem Bereich. Dabei gibt es so viele wichtige Gesundheitsthemen in dieser Stadt, wie beispielsweise die ambulante Versorgung oder auch die Situation in den Krankenhäusern.
Heute dürfen wir uns also mit einer 16-seitigen Senatsdrucksache zur Stärkung der Gesundheitswirtschaft in Hamburg beschäftigen. Auf den ersten Seiten erfolgt ein reiner Statusbericht, altbekannte Zahlen, leider nichts Neues. Wir erfahren unter anderem, dass die Zahl der älteren Menschen in der Bevölkerung zunimmt und dies natürlich Auswirkungen auf Pflege und die gesundheitliche Versorgung in Hamburg haben wird. Für den Senat ist das offensichtlich eine neue Erkenntnis, für die Mehrheit der hier Anwesenden ist es eher nichts Neues. Wer jetzt glaubt, wenigstens auf Seite 9 konkrete Handlungsansätze zu finden, Hinweise darauf, was mit welchen Akteuren in welcher Zeit umgesetzt werden soll, wird leider bitter enttäuscht. Es folgen weitere acht Seiten mit Absichtserklärungen. Da heißt es, der Zugang zu Beratungsangeboten und das Angebot haushaltsnaher Dienstleistungen solle ausgebaut werden. Das klingt irgendwie einleuchtend. Aber was ist daran innovativ? Der Senat will den mündigen beziehungsweise informierten Versicherten, die Bürgerinnen und Bürger sollen informiert werden; das ist das sogenannte Empowerment. Informierte Versicherte wollen wir alle sein. Aber wie soll das umge
setzt werden, durch mehr Transparenz? Ein guter Ansatz. Dies soll besonders für benachteiligte Gruppen gelten und für diese verbraucherorientiert aufbereitet werden. Aber wie das geschehen soll, wird mit keinem Wort erwähnt.
Konkret wird die Drucksache leider nur an wenigen Stellen. Die Gesundheitswirtschaft wird als wichtiger Wirtschaftsfaktor bezeichnet und dies ist sicherlich richtig. Aber die Frage ist, ist die Gesundheitswirtschaft auch der wachsende Markt, wie er in der Drucksache beschrieben wird. Mittel- und langfristige Wachstums- und auch Beschäftigungseffekte in der Gesundheitswirtschaft sind nicht erkennbar. Die Krankenhäuser haben bis heute, soweit bekannt, keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass sie dies zu tun gedenken. Diese Einschätzung wird durch Angaben des Statistischen Bundesamtes gestützt. In der "Financial Times" erschien im September dieses Jahres ein Artikel, der sich mit den Beschäftigtenzahlen in der Gesundheitswirtschaft befasste. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Beschäftigtenzahlen seit dem Jahre 2000 bundesweit um mehr als 40 000 gestiegen. Das klingt gut, sieht aber anders aus, wenn man bedenkt, dass das Arbeitsvolumen von 1997 bis 2007 mit rund 3,3 Millionen rechnerisch Vollzeitbeschäftigten relativ konstant geblieben ist. Das Wachstum der Beschäftigtenzahlen ist nur der Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen geschuldet und bedeutet keineswegs eine Zunahme der Stellen insgesamt.
Mit keiner Zeile wird in der Drucksache auf die wirklichen Probleme beim Thema Gesundheit Bezug genommen. Da wird zwar erwähnt, Hamburg sei bei den Krankenhausinvestitionen Spitzenreiter und gebe rund 9000 Euro im Jahr für ein Krankenhausbett aus im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die nur 5700 Euro im Jahr ausgäben. Das, lieber Senat, heißt aber nicht, dass Hamburg besonders gut ist, sondern nur, dass Hamburg besonders viel Geld ausgibt. Wenn die Tatsache, dass man besonders teuer baut, einen gleich in die Spitzengruppe katapultieren würde, dann wären wir, wenn wir die explodierenden Kosten der Elbphilharmonie betrachten, auf dem besten Weg, Kulturhauptstadt Europas zu werden.
In der Drucksache wird leider auch nichts dazu gesagt, dass Hamburg den Landesbetrieb Krankenhäuser trotz eines anderslautenden Volksentscheids verscherbelt hat und rund 1000 Beschäftigte von Asklepios
Ihr Wahlrecht wahrgenommen haben und zur Freien und Hansestadt Hamburg zurückgekehrt sind. Sie konnten die Arbeitsbedingungen ihres neuen
Arbeitgebers Asklepios nicht ertragen, hatten Angst vor Jobverlust und haben lieber in Kauf genommen, an irgendeinem Arbeitsplatz der Stadt Hamburg zu landen. Dabei haben viele bis heute keinen festen Arbeitsplatz, sondern dümpeln in irgendwelchen Projekten vor sich hin. Was soll mit diesen Menschen eigentlich auf lange Sicht passieren? Gibt es irgendein Konzept des Senats? Ich kenne keines.
Eine Folge des Verkaufs ist, dass sich der Pflegenotstand verschärft hat. Es herrscht in den Krankenhäusern eine dramatische Pflegesituation. Besser als sich damit zu brüsten, viel Geld in Krankenhausbetten zu stecken, sollten Sie überlegen, in die Menschen, in die Köpfe zu investieren.
Zum Thema ambulante Versorgung wird in der Drucksache zwar gesagt, dass die Versorgungsstrukturen für Patientinnen und Patienten optimiert werden sollen, es wird aber mit keinem Wort erwähnt, wie die ambulante Versorgung in den besonders sozial schwachen Stadtteilen zukünftig sichergestellt werden soll. Wir haben in Hamburg ein dramatisches Versorgungsproblem, ein großes Angebot in Stadtteilen wie beispielsweise Eppendorf, ein schlechtes beziehungsweise gar kein Angebot in den sogenannten sozial schwachen Stadtteilen. Da nützt die vielbeschworene Facharztdichte und die Versorgung von Hamburg zu insgesamt 100 Prozent auch nichts.
Stattdessen wird stolz auf das Umsatzvolumen der Individuellen Gesundheitsleistungen, der sogenannten IGeL hingewiesen, Leistungen, die Versicherte als Selbstzahler in Anspruch nehmen können. Leider wird dabei vergessen, dass es sehr viele Menschen gibt, die sich solche Extraleistungen gar nicht leisten können.
Klammheimlich haben die Freie und Hansestadt und die Handelskammer im März dieses Jahres eine Gesellschaft gegründet, um die Gesundheitswirtschaft zu bündeln und bei einem Wettbewerb des Bundesforschungsministeriums Geld locker zu machen. Hamburg hat sich beworben, um zu den fünf Gesundheitsregionen der Zukunft zu gehören. Dies hätte 10 Millionen Euro aus dem Fördertopf gebracht. Leider ist es dem Senat nicht gelungen. Statt der erhofften Millionen gewann er in der ersten Runde 100 000 Euro und muss nun auf die dritte Runde hoffen. Ich hoffe, dies deckt wenigstens die bisher entstandenen Kosten.
Trotzdem stellt der Senat für diese Gesellschaft Gelder bereit, für andere Gesundheitsprojekte aber wenig oder gar kein Geld. Neben der Gesellschaft soll ein Beirat gebildet werden. Ein Beirat ist immer gut und wenn man nicht weiter weiß, bildet man einen Arbeitskreis, vermittelt er doch den Anschein von demokratischen Strukturen und ist nichts weiter als ein Element ohne Mitbestimmung. Wie im
mer fehlt der Umsetzungszeitpunkt in der Drucksache. Was soll denn bis wann geschafft werden? Wann darf die Bürgerschaft damit rechnen, informiert zu werden? Dies alles fehlt und abschließend lässt sich nur sagen: 16 Seiten heiße Luft statt einer Seite mit konkreten Vorschlägen. – Schade.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde diese Diskussion heute um den Lärmschutz ja sehr fruchtbar, aber auch an manchen Stellen sehr erstaunlich. Die Regierungsfraktionen betonen beide, wie wichtig gesetzliche Regelungen sind, weil es doch eine sehr große gesundheitliche Beeinträchtigung ist und der Lärm zu Hörschädigungen führt, die nicht mehr heilbar sind und auf ewig die Krankenkassen, aber natürlich auch die Betroffenen belasten; es sei doch ein sehr besorgniserregendes Problem, dem dringend entgegengetreten werden müsse. So schön, so gut, das ist ja auch richtig. Was ich nicht verstehe bei der ganzen Diskussion, ist, dass es einen ähnlichen Bereich gibt, und zwar den Nichtraucherschutz, in dem ähnliche Voraussetzungen herrschen, es gibt kleine und große Gaststätten, und wir warten seit Monaten auf eine Vorlage der Regierungsfraktionen für einen Gesetzentwurf, in dem wir den Nichtraucherschutz in dieser Stadt neu regeln und den Gesundheitsanforderungen Rechnung tragen. Diese Vorlage kommt und kommt nicht, stattdessen wird der Gesundheitsschutz beim Lärmschutz vorgetragen. Das ist sicherlich nicht unwichtig, aber ich frage mich natürlich, wann kommt endlich ein Vorschlag zur Neuregelung des Passivraucherschutzgesetzes.
Und wenn Sie schon eine gesetzliche Regelung fordern, dann verstehe ich nicht, warum Sie auf einen Wert von 99 Dezibel setzen. Wenn Ärzte sagen und wenn es bewiesen ist, dass ab 95 Dezibel eine gesundheitliche Schädigung einsetzt, dann nützen uns gesetzliche Regelungen, die ab 99 Dezibel einsetzen, überhaupt nichts.
Auch wenn die Schweiz und Österreich eine Regelung haben, die von 100 oder 105 Dezibel spricht, sehe ich es eher als eine Scheingesetzgebung an, wenn ab 95 Dezibel bekanntermaßen die gesundheitliche Schädigung einsetzt.
Zum Schluss, Frau Heitmann, lassen Sie mich noch ein Wort zu Ihnen sagen. Ich kann es bald nicht mehr hören, wenn es heißt, gesetzliche Regelungen könne man eigentlich nur da treffen und sie könnten nur da funktionieren, wo die entsprechende Akzeptanz in der Bevölkerung vorhanden ist. Es mag ja sein, dass dies die Durchsetzung von Gesetzen erleichtert, aber mit der Diskussion hätten Sie die Steuergesetzgebung in diesem Land schon vor Jahrhunderten abschaffen müssen,
die hat auch keine große Akzeptanz in der Bevölkerung. Es kann nicht sein, dass mangelnde gesetzliche Regelungen damit begründet werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns in den letzten Monaten in der Bürgerschaft häufiger mit Themen wie Gesundheitswirtschaft beschäftigt. Jetzt gibt es erneut das Thema in der Aktuellen Stunde mit der Überschrift "Hamburg – starker Gesundheits- und Medienstandort". Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was dieses Thema in der Aktuellen Stunde zu suchen hat, aber lassen wir es trotzdem bewegen.
Es lässt sich nicht leugnen, dass in Hamburg über 100 000 Menschen im Gesundheitsbereich beschäftigt sind und dass die Gesundheitsbranche auch für Hamburg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Große Krankenkassen haben hier ihren Sitz genauso wie führende Unternehmen in der Medizintechnik, auch das lässt sich nicht leugnen. Wir haben in Hamburg einen wichtigen Krankenhausmarkt, natürlich werden in Hamburg auch Medizinstudiengänge angeboten; so weit, so gut zum Medizin- und Gesundheitsstandort Hamburg.
Was Sie aber immer wieder vergessen und was Sie auch nicht hören wollen bei dem Thema, ist, dass Sie den Standort nicht nur wirtschaftlich betrachten können, sondern dass Sie die Menschen im Blick haben müssen und die Menschen in dieser Stadt vergessen Sie in diesem Zusammenhang bei Ihren Gesundheitsthemen immer wieder.
Ich möchte Sie daran erinnern und werde es gerne immer wieder tun, wenn wir dieses Thema auf der Tagesordnung haben, dass Sie trotz eines anders lautenden Volksentscheids der Hamburger Bürgerinnen und Bürger den Landesbetrieb Krankenhaus verscherbelt haben an den Privatinvestor Asklepios. Sie haben damit überhaupt keinen Zugriff und keine Steuerungsmöglichkeit mehr auf große Teile des Krankenhaussektors in dieser Stadt. Von 11 000 Beschäftigten bei Asklepios haben rund 1000 von ihrem Rückkehrrecht zur Stadt Gebrauch gemacht und ich habe mit einigen von diesen Rückkehrern gesprochen. Sie haben es eigentlich nicht gemacht, weil sie gerne kündigen wollten oder zurückkehren wollten, sondern weil sie große Angst hatten, zukünftig keinen Arbeitsplatz mehr bei Asklepios zu haben oder Arbeitsbedingungen vorzufinden, mit denen sie sich überhaupt nicht abfinden können.
Die weitere Folge des Verkaufs ist, dass der Pflegenotstand sich verschärft, ein Problem, das zwar nicht nur Asklepios, sondern auch andere Kran
kenhäuser dieser Stadt betrifft, das aber bei Asklepios scheinbar besonders gravierend auftritt, wenn man den Medienberichterstattungen der letzten Monate Glauben schenken darf. Patienten, die in den Krankenhäusern von Asklepios behandelt wurden, berichten, wie sie dort gepflegt beziehungsweise wie sie dort nicht gepflegt wurden.
Sie haben den Träger pflegen & wohnen privatisiert, wie heißt er zurzeit, fördern & wohnen oder doch wieder pflegen & wohnen, aber es ist auch egal. Auch hier haben Sie die Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand gegeben. Sie vergessen – auch das ist eines der Themen, die ich immer wieder gerne anspreche in diesem Zusammenhang – die Menschen dieser Stadt, wenn es um die fehlende und unzureichende ambulante ärztliche Versorgung geht.
Herr Stemmann, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass die Weiterführung der Kompetenzen im Rahmen der Gesundheitswirtschaft, die Sie weiter ausbauen wollen, auch im Koalitionsvertrag niedergelegt sei. Im Koalitionsvertrag steht aber auch, dass in allen Stadtteilen beziehungsweise Bezirken in dieser Stadt eine ausreichende ambulante ärztliche Versorgung vorgehalten werden soll. Es ist interessant, wie dieses eine Thema immer wieder wegfällt. Ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass wir in Hamburg zurzeit die Problematik haben, dass immer mehr Kassenarztpraxen in sogenannten sozial benachteiligten Stadtteilen aufgekauft werden, dass es in diesen Stadtteilen keine Kinder- und Hausarztpraxen mehr gibt. Ich möchte an dieser Stelle auch nochmals darauf hinweisen, dass wir immer noch die Problematik der Medizinischen Versorgungszentren haben, die sich immer weiter ausbreiten. An dieser Stelle auch noch einmal der Hinweis, dass ich nicht grundsätzlich gegen diese medizinischen Versorgungszentren bin. Es ist nur die Problematik, dass sie in Hamburg nur dann entstehen können, wenn sie Kassenarztsitze aufkaufen und auch diese werden wieder in den sogenannten benachteiligten Stadtteilen aufgekauft.
Da hilft es auch nichts, zu erklären, dass Hamburg mit 110 Prozent eigentlich überversorgt sei, denn wenn es Stadtteile gibt, wo kein Hausarzt und kein Kinderarzt mehr erreicht werden kann, hilft es den Menschen dort gar nichts. Da muss dringend gegengesteuert werden, da hilft es auch nichts zu sagen, das sei Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung, denn die Gesundheitsbehörde hat die Aufsicht über die Kassenärztliche Vereinigung. Es ist Ihre Aufgabe, diese angemessen ambulante Versorgung der Menschen in dieser Stadt zu ermöglichen.
Solange Sie das Thema Gesundheit immer nur vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachten und die Menschen dieser Stadt vergessen, werde ich immer wieder auf diese Probleme hinweisen.
Es kann nicht sein, dass Sie sich damit brüsten, was für ein toller Medizin- und Gesundheitsstandort Hamburg sei, aber nichts dagegen tun wollen, was die dargestellten Probleme der Menschen dieser Stadt betrifft.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zurzeit gibt es Entwicklungen in Hamburg, die zu gravierenden Änderungen in der ambulanten ärztlichen Versorgung führen können. Sehen wir dabei tatenlos zu, wird die flächendeckende ärztliche Versorgung in Hamburg nicht mehr sichergestellt werden können.
Was ist passiert? Es gibt zum einen die Entwicklung, dass kassenärztliche Praxen in Stadtteilen wie Wilhelmsburg, Billstedt, Finkenwerder oder auch Steilshoop aufgegeben werden. Die ärztliche Versorgung in diesen Stadtteilen ist nicht mehr sichergestellt und dies betrifft insbesondere Hausund Kinderärzte. Es gibt ebenfalls die Entwicklung in Hamburg, dass es immer mehr Medizinische Versorgungszentren, sogenannte MVZs, gibt, immer mehr werden gegründet, Zentren also, in denen medizinische Angebote unterschiedlicher Fachrichtungen vorgehalten werden. Diese Medizinischen Versorgungszentren sind nicht grundsätzlich als negativ anzusehen. Medizinische Versorgungszentren, die von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen gegründet und aufgebaut werden und gewissermaßen das alte Polyklinik-Prinzip der ehemaligen DDR wiederbeleben, sind als durchaus positiv zu sehen.
Problematisch wird es dann, wenn Medizinische Versorgungszentren in großem Stil von Krankenkassen und auch von Krankenhäusern aufgebaut werden. In Hamburg gibt es zurzeit 28 Medizinische Versorgungszentren, davon befindet sich die Mehrheit in der Hand von großen, kapitalstarken Anbietern. So gibt es ein Medizinisches Versorgungszentrum in Winterhude, in der Jarrestadt, das von einer Krankenkasse betrieben wird und für
das unter anderem eine Hausarztpraxis aus Finkenwerder und eine Internistenpraxis aus Billstedt abgezogen wurden. Diese Sitze mussten durch Sonderbedarfszulassungen nachbesetzt werden. Die Kosten dieser Sonderbedarfszulassungen werden übrigens von allen Ärzten in Hamburg getragen.
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Domres, Entschuldigung. Ich kann vieles nachvollziehen, aber wir alle haben jetzt die Aufgabe, der Rednerin zu lauschen. Wer das nicht mehr mag, gehe bitte vor die Tür und die anderen hören still zu.
Das ist wie in der Schule, wenn Sie sich wie in der Schule benehmen.
Frau Domres, Sie haben das Wort.
– Genau, gleich gibt es einen Tadel.
Es gibt auch Medizinische Versorgungszentren, die von Krankenhäusern wie insbesondere Asklepios betrieben werden und für deren Gründung Kassenarztsitze in großem Stil aufgekauft werden. Asklepios hat gerade angekündigt, zehn weitere Medizinische Versorgungszentren in Hamburg zu gründen und dafür 50 weitere Kassenarztsitze aufzukaufen.
Wir haben also die Situation, dass zum einen in sogenannten sozial schwächeren Stadtteilen Kassenarztpraxen aufgegeben werden und zum anderen zusätzlich Kassenarztsitze, insbesondere aus diesen Stadtteilen, für die Gründung Medizinischer Versorgungszentren abgezogen werden, eine Entwicklung, die jetzt schon zu einer medizinischen Unterversorgung in verschiedenen Stadtteilen führt, die, sollte sie ungebremst weitergehen, zu einer Zweiteilung der ambulanten medizinischen Versorgung dieser Stadt führen kann.
Es gibt Stadtteile, die keine ausreichende ambulante medizinische Versorgung mehr vorhalten und Stadtteile, in denen ein reichhaltiges Angebot von Ärzten jeder Fachrichtung besteht. Man muss sich dabei schon fragen, warum eine Krankenkasse ein Medizinisches Versorgungszentrum betreiben muss, ob da nicht die Gefahr einer Interessenkollision besteht.
Abgesehen davon wurde gerade für dieses MVZ in Winterhude, in der Jarrestadt, jetzt laut der Kassenärztlichen Vereinigung im ersten Quartal nachgewiesen, dass nur 40 Prozent der Patienten ver
sorgt wurden, die früher von den Kassenarztpraxen zu 100 Prozent versorgt wurden. Es wurden also nur 40 Prozent der Leistung erreicht, die früher in den Praxen selbst erreicht wurde.
Man muss sich natürlich auch fragen, ob Medizinische Versorgungszentren in Klinikhand ein originäres Interesse an einer guten, ambulanten Versorgung haben, die zu einer Vermeidung von stationären Aufenthalten führen, oder ob sie nicht vielmehr dazu dienen sollen, den Kliniken die notwendigen stationären Patienten zuzuführen und daher eher die Kosten im Gesundheitswesen steigern als zurückschrauben. Schließlich muss man sich auch fragen, wie das Ganze unter dem Aspekt einer fairen Konkurrenzsituation zu sehen ist. Eine normale Kassenarztpraxis kann mit der Ausstattung eines MVZ, eines Medizinischen Versorgungszentrums, nicht mithalten und Kassenarztpraxen werden dadurch immer weiter zurückgedrängt.
Mir geht es nicht darum, sämtliche ärztliche Fachrichtungen in jedem Stadtteil vorzuhalten. Es ist Menschen durchaus zumutbar, beispielsweise zu radiologischen Untersuchungen auch etwas weiter fahren zu müssen. Aber die medizinische Grundversorgung durch Hausärzte, durch Kinderärzte und auch durch Internisten muss soweit sichergestellt werden, dass beispielsweise – dieses berühmte Beispiel aus dem "Hamburger Abendblatt" der letzten Wochen – eine Mutter mit einem hoch fiebernden Kind nicht gezwungen ist, weit zu fahren beziehungsweise ihr Kind in einer Klinik abgeben zu müssen, weil in ihrem Stadtteil keine Kinderarztpraxis mehr existiert und die Kinderärzte in den angrenzenden Stadtteilen Aufnahmestopp bei den Patienten haben.
Der Senat hat hier als Aufsichtsbehörde eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber der Hamburger Bevölkerung, gleiche Lebensbedingungen zu schaffen in allen Stadtteilen und auch die ärztliche Versorgung in allen Stadtteilen flächendeckend sicherzustellen. Er kann sich nicht darauf zurückziehen, dass die ärztliche Versorgung grundsätzlich Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung ist und nicht des Senats. Abgesehen davon haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag selbst gesagt, dass Sie sich für eine flächendeckende Versorgung in jedem Bezirk, vor allem hinsichtlich der Haus- und Kinderärzte, einsetzen würden. Sie können sich hier nicht darauf zurückziehen, dass das eine Aufgabe der KV, der Kassenärztlichen Vereinigung, ist, denn diese untersteht letztendlich auch der Aufsicht der Gesundheitsbehörde.
Wie kann man versuchen, diese Problematik zu lösen? Wir haben das Problem, dass Hamburg ein Planungsgebiet ist, das heißt, ein Zulassungsgebiet für Praxen. Eine Lösung des Problems könnte daher ein Neuzuschnitt des Hamburger Planungsgebiets sein nach dem Vorbild von Berlin. In Berlin gab es bis zum Jahre 2003 kleinere Planungsbe
reiche für vertragsärztliche Versorgung. Diese Planungsbereiche waren die Bezirke in Berlin. Eine solche Lösung wäre für Hamburg grundsätzlich denkbar, wobei man natürlich auch sehen muss, dass ein Planungsbereich, der einen der sieben Bezirke beinhaltet, immer noch nicht für eine flächendeckende Versorgung der verschiedenen ärztlichen Angebote sorgen würde. Wenn man sich zum Beispiel den Bezirk Wandsbek herausgreift, hat man immer noch den Bereich Walddörfer, der natürlich viel lukrativer ist für Arztpraxen als ein Bereich wie Jenfeld.
Das heißt, man könnte in so einem großen Planungsbereich wie einem Bezirk immer noch nicht für die flächendeckende ärztliche Versorgung sorgen. Man müsste prüfen, ob eine Aufteilung in Hamburg nach Stadtteilen oder auch in vorher definierten kleineren Sozialräumen möglich wäre. Dies ist eine der Möglichkeiten.
Eine weitere Lösung, die in anderen Bundesländern, in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, praktiziert wurde, ist die Zahlung von Sicherstellungszuschlägen durch Kassen, die einer möglichen Unterversorgung durch Haus- und Fachärzte in bestimmten Gebieten entgegengewirkt, oder die Schaffung von finanziellen Anreizen für die Gründung von Praxen in solchen Gebieten, damit es für Ärzte auch interessanter wird, sich in diesen Brennpunkten niederzulassen.
Diese Lösungen würden natürlich bedeuten, dass zusätzliche Gelder in das System gepumpt würden und man sich fragen muss, was die Kassenärztliche Vereinigung macht. Insofern können beide der zuletzt genannten Lösungen eigentlich nur die Ultima Ratio sein. Grundsätzlich kann man die Kassenärztliche Vereinigung nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Es ist ihre Aufgabe, für die flächendeckende ärztliche Versorgung zu sorgen. Hier sind die Kassenärztlichen Vereinigungen aufgerufen, durch eine sinnvolle Budgetsteuerung die ärztliche Grundversorgung in allen Hamburger Stadtteilen sicherzustellen.
Ich fordere den Senat auf, die dargestellten Lösungsmöglichkeiten zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass die ärztliche Versorgung in allen Hamburger Stadtteilen sichergestellt ist.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die letzte Debatte an einem Tag zu führen, ist immer etwas undankbar. Ich bin umso froher, dass sich die Reihen in diesem Hause noch nicht ganz gelichtet haben.
Kommen wir zu dem Haushaltsplan-Entwurf im Bereich Gesundheit. Hier liegt uns ein HaushaltsplanEntwurf des schwarz-grünen Senats für die Jahre 2009 und 2010 zum Einzelplan 4 vor und erklärt uns, was dieser Senat denn alles scheinbar Gutes im Bereich Gesundheit plane.
Dazu gibt es Haushaltsanträge der GAL, die wahrlich nicht neu sind, sondern Forderungen enthalten, die auch von der SPD-Fraktion in den letzten Jahren immer wieder erhoben wurden, wie zum Beispiel den Antrag zur Verbraucherzentrale – wir haben in den letzten Jahren mehrfach auf die Notwendigkeit der Stärkung der Verbraucherzentrale hingewiesen – oder den Antrag, mehr Lebensmittelkontrolleurinnen in den Betrieben einzusetzen.
Wenn auch keine neue, so ist das doch immer noch eine gute Idee.
Nun zu Ihrem Haushaltsplan-Entwurf. Da heißt es, das Gesundheitswesen stelle neben der zentralen Aufgabe der Daseinsvorsorge einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor für die Metropole Hamburg dar.
Das sind schöne Worte und hehre Ziele. Es wird zwar vom Ziel der Daseinsvorsorge gesprochen, aber im gleichen Atemzug vom Wirtschaftsfaktor, den das Gesundheitswesen für Hamburg darstellt. Hier wird auch gleich die Wertigkeit für den Senat deutlich oder vielmehr die mangelnde Priorität zugunsten der Daseinsvorsorge. Der Wirtschaftsfaktor ist auch uns Sozialdemokraten wichtig, die Daseinsvorsorge muss aber Vorrang haben.
Gesundheitswirtschaft, darum geht es dem Senat. Da heißt es, Ziel sei die Vernetzung aller bedeutenden Akteure der Gesundheitswirtschaft in Hamburg. Dies aber, Herr Senator, wäre Ihnen viel leichter gefallen, wenn Sie nicht die Hauptakteure der Gesundheitswirtschaft dieser Stadt, den Landesbetrieb Krankenhäuser, sowie PFLEGEN UND WOHNEN aus staatlicher Hand gegeben und für wenig Geld verscherbelt hätten.
Dann hätten Sie vielleicht auch einen Überblick über den Pflegenotstand, vor allem in den Asklepios-Kliniken dieser Stadt.
Sie antworten auf meine Kleine Anfrage zu diesem Thema: Die Stellenbesetzungen der letzten fünf Jahre können nur summarisch für alle Hamburger Kliniken ausgewiesen werden. Das klingt nicht so, als würde sich jemand ernsthaft mit der Situation der Krankenhäuser in dieser Stadt auseinandersetzen.
Auch die ambulante ärztliche Versorgung in Hamburg haben Sie nicht im Fokus. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu noch, wir setzen uns ein für flächendeckende Ärzteversorgung im Bezirk, vor allem hinsichtlich der Haus- und Kinderärzte. Wo war denn Ihr Einsatz, als kürzlich in Steilshoop auch der letzte niedergelassene Kinderarzt abwanderte? Da wurde im Falle des fehlenden Kinderarztes laut "Hamburger Abendblatt" die Empfehlung ausgesprochen, man könne mit einem hoch fiebernden Kind doch auch drei Stationen mit der UBahn fahren.
Abgesehen davon, dass der Senat offensichtlich gar nicht weiß, dass es in Steilshoop keine U-Bahn
gibt, finde ich es menschenverachtend zu erklären, man solle ruhig mit einem hoch fiebernden Kind etwas weiter zum Arzt fahren.
Was tun Sie denn gegen die Abwanderung von Haus- und Kinderärzten aus Stadtteilen wie Billstedt, Finkenwerder oder Wilhelmsburg? Wie stehen Sie zu dem Problem, dass immer mehr Kassenarztpraxen in nicht so begüterten Stadtteilen aufgekauft werden, um sie dann im medizinischen Versorgungszentrum wiederzubeleben? Da wird von einer Schwerpunktsetzung in der Gesundheitswirtschaft gesprochen, aber die grundlegenden Voraussetzungen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung in dieser Stadt gehen den Bach runter.
Auch im Bereich der HIV-Aids-Prävention halten Ihre Äußerungen leider nicht das, was sie versprechen. Jetzt soll der Bereich der Prävention mit sage und schreibe 112 000 Euro für die HIV- und Aids-Prävention sowie die aufsuchende Straßenarbeit von Hein & Fiete aufgestockt werden. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das als Mogelpackung. Tatsächlich hat der Senat in den letzten Jahren Einsparungen bei der Aids-Prävention vorgenommen, obwohl die Zahl der HIV-Aids-Neuinfektionen in Hamburg weiter ansteigt. Auf diese Kürzungen haben wir immer wieder hingewiesen und den Senat aufgefordert, die Kürzungen zurückzunehmen, insbesondere bei der Aids-Hilfe und auch bei Hein & Fiete.
Was uns mit dem Haushaltsplan-Entwurf jetzt vorgelegt wird, beinhaltet daher keineswegs eine zusätzliche Förderung, sondern eine Rücknahme von Kürzungen. Das ist keine Akzentsetzung, das ist Reparaturbetrieb.
Die von Ihnen im Haushaltsplan-Entwurf vollmundig dargestellte Förderung der Drogen- und Suchtberatungsstellen entpuppt sich ebenfalls als leere Versprechung. Da werden die 400 000 Euro des Trägers Subway auf andere Träger verteilt und dies als großer Erfolg verkauft. In diesem Haushaltsplan-Entwurf taucht der Träger Subway gar nicht mehr auf, obwohl er immer noch als Träger anerkannt ist. So werden anderen Trägern für die Übernahme der Klienten von Subway zusätzliche Gelder zur Verfügung gestellt, ohne dass bis heute klar ist, ob und in welcher Größenordnung die Klienten von Subway überhaupt bei einem anderen Träger gelandet sind.
Insgesamt ist festzuhalten: Ihr Haushaltsplan-Entwurf ist reiner Reparaturbetrieb. Was die CDU vorher genommen hat, packt die GAL jetzt wieder drauf.
Wir dagegen möchten tatsächlich eine Weiterentwicklung des Hamburger Gesundheitssystems. Wir fordern daher die Einrichtung eines psychiatrischen Krisendienstes nach Berliner Modell. In Hamburg ist es zurzeit so, dass qualifizierte Hilfe bei psychosozialen und auch bei psychiatrischen Krisen außerhalb stationärer Einrichtungen kaum zu bekommen ist, wenn sie benötigt wird. Insbesondere nachts, an Wochenenden und an Feiertagen, wenn die üblichen Dienste keine Angebote erbringen, erfolgen häufig deshalb gerichtliche Einweisungen.
Ausgehend von dieser Erkenntnis wurden in mehreren Bundesländern Krisendienste ins Leben gerufen, die diese Versorgungslücke schließen sollen, in Hamburg jedoch nicht. Doch auch in der Hansestadt muss diese Lücke geschlossen werden. Ziel ist ein regionales Angebot mit mehreren Anlaufstellen in Hamburg. Dafür soll zunächst modellhaft eine Anlaufstelle des Krisendienstes pilothaft eingerichtet werden.
Wir freuen uns auf die Gelegenheit, diesen Antrag im Gesundheitsausschuss mit Ihnen debattieren zu können.
Ferner fordern auch wir den Erhalt des Therapiezentrums für Suizidgefährdete
lassen Sie mich einmal ausreden, danke – am Universitätsklinikum in Eppendorf. Wir haben es heute schon einmal besprochen, noch einmal vielleicht zur Verstärkung: Wir haben eine Förderung dieses Therapiezentrums von 250 000 Euro gefordert. Wir haben uns jetzt auf diesen Antrag der CDU-Fraktion geeinigt, damit wenigstens eine Sockelbetragsversorgung feststeht. Und wir erhoffen uns, dass neben dieser Sockelförderung auch langfristig die Finanzierung dieses Therapiezentrums gesichert werden kann, und bauen auf das Wort der CDU-Fraktion. Wir erhoffen uns auch, dass der Senat sich dieser Entscheidung anschließt. Leider hat sich die Gesundheitsbehörde weiter aus der Förderung dieses Therapiezentrums zurückgezogen. Das ist eigentlich ein Gesundheitsthema, das aber immer noch bei der Wissenschaftsbehörde angesiedelt ist. Trotz alledem ist sicherlich der Antrag mit den 130 000 Euro Förderung ein kleiner Erfolg.
Wie gesagt, wir erhoffen uns, dass dieses Zentrum weiterhin gesichert werden kann. – Vielen Dank.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Krüger.
Jetzt wollen plötzlich alle nach vorne. Lassen Sie mich drei Anmerkungen machen.
Zum einen finde ich es erstaunlich, dass der SPDFraktion insbesondere vorgeworfen wird, sie hätte so wenig Anträge gestellt. Das mag sein, aber es ist ein Markenzeichen unserer Fraktion, lieber auf Qualität statt auf Quantität zu setzen.
Insofern sind wir mit zwei guten Anträgen besser bedient als mit einer Menge alter, immer wieder gestellter Anträge, die wir alle gerne noch einmal hätten aufrufen können, worauf wir aber dieses Mal verzichtet haben.
Zum Zweiten finde ich es ganz erstaunlich, dass Sie gerade im Bereich der Prävention, der Drogenund Suchthilfe jahrelange Einsparungen, die jetzt teilweise zurückgenommen wurden, als Erfolg verkaufen.
Das heißt, jahrelang wird eingespart, dann plötzlich wieder etwas darauf gelegt und das ist dann der große Erfolg, die große Förderung, die große Fortentwicklung in diesem Bereich.
Auch bei dem Thema Prävention im Rauschmittelund Suchtmittelbereich für Jugendliche muss man feststellen, dass es überhaupt keine Veränderung im Haushaltsplan-Entwurf gibt. Auch das wird als Erfolg verkauft, als neue Ausweitung der Prävention, aber es gibt überhaupt keine Veränderung.
Worauf Sie leider überhaupt nicht eingegangen sind in Ihren Beiträgen, ist die ambulante ärztliche Versorgung in dieser Stadt. Es mag richtig sein, dass der Staat nicht in der Finanzierung steht und kein Lückenbüßer für die Finanzierung sein kann. Er ist aber zuständig für die ärztliche Versorgung in Hamburg und die ist in manchen Stadtteilen nicht mehr gesichert.
Auf diese Problematik sind Sie nicht eingegangen. Diese Problematik hat nicht nur Hamburg, dass es sozial schwache Stadtteile gibt, wo die ärztliche Versorgung mit Kinder- und Hausärzten nicht mehr
gegeben ist. Es gab in Berlin, ein vergleichbarer Stadtstaat, eine ähnliche Situation. Natürlich hat sich damals die Gesundheitssenatorin Berlins eingeschaltet, weil sie es als ihren Auftrag ansah, die ärztliche Versorgung in Berlin insgesamt sicherzustellen. Es wurde nicht darauf gepocht, dass man 110 Prozent habe und dies völlig ausreichend sei, ohne überhaupt darauf einzugehen, dass es Stadtteile gibt, wo überhaupt keine ärztliche Versorgung mehr stattfindet.
Im Fall Steilshoop ist es, abgesehen davon, dass die Eltern weiter fahren müssen, doch so, dass die Kinderärzte in den umliegenden Stadtteilen teilweise einen Aufnahmestopp haben, weil zurzeit alle Eltern aus Steilshoop da hinfahren und die Arztpraxen dieses Volumen nicht mehr bewältigen können.
Kein Wort zu diesem Thema, kein Wort auch zu der Zunahme der medizinischen Versorgungszentren
ganz ruhig, Herr Krüger –, kein Wort von der Zunahme der medizinischen Nachversorgungszentren. Die sind nicht grundsätzlich schlecht, aber dann schon, wenn sie nicht mehr von natürlichen Personen geführt werden, sondern von großen Klinikkonzernen
und wenn sie dadurch finanziert werden, dass andere Kassenarztpraxen in der Stadt in rapiden und großen Mengen aufgekauft werden, die dann auch nicht mehr zurückverwandelt werden können, die einfach weg sind und als medizinische Versorgungszentren weiter existieren, und zwar nicht in sozial schwachen Stadtteilen, sondern in Stadtteilen wie Winterhude oder anderen wieder aufleben.
Ich möchte abschließend das Thema Bundespolitik ansprechen. Es ist äußerst interessant, dass beim Thema Gesundheit Frau Schmidt immer ins Gespräch gebracht wird. Dann ist es ja nicht mehr die Große Koalition in Berlin, sondern immer die SPDGesundheitspolitik. Die Bundeskanzlerin Deutschlands ist bei der CDU und sie hat immer noch eine Richtlinienkompetenz.
Wenn ihr bestimmte Sachen nicht zusagen würden, dann müsste sie die Zielrichtung verändern. Es ist immer sehr einfach, bei einigen Themen dar
auf zu verweisen, dass das eine Ministerin der SPD sei und keine der CDU. Das ist ein bisschen einfach, sich aus dem Staub zu machen. – Vielen Dank.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Frau Gienow.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur noch wenige Wochen, dann werden rund 200 drogenkranke Menschen in dieser Stadt nicht mehr wissen, wohin sie sollen, Menschen, die willig sind, von ihren Drogen wegzukommen, die aussteigen wollen aus Drogenszene und Elend.
Der Träger Subway betreibt genau diese Substitutionsbegleitung. Zielgruppe sind seelisch behinderte Abhängigkeitserkrankte, von Isolation und Obdachlosigkeit bedroht, mit zum Teil chronisch aggressiven Erkrankungen oder Erkrankungen wie Hepatitis oder HIV. Über das Modul Subwork hält die Einrichtung den Klienten 1-Euro-Jobs vor und versucht, sie wieder an die Anforderungen des Arbeitslebens heranzuführen.
Über das Modul Sublife hält die Einrichtung für ihre Klienten knapp 60 Wohnungen vor, weil sie weiß, dass in Obdachlosigkeit nachhaltig wirkende Rehabilitation nicht möglich ist. All dies will der Senat nun den Menschen wegnehmen. Allen voran der Sozialsenator, Herr Wersich. Dieser wurde noch im April 2002, als das Subway bereits schon einmal vor dem Aus stand, im "Hamburger Abendblatt" zitiert:
"Die Dealer müssten verfolgt, den Süchtigen eine echte Alternative geboten werden."
Damals haben Sie sich, Herr Senator Wersich, als gesundheitspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion zusammen mit Ihren Sprecherkollegen von FDP und Schill-Partei für den Erhalt des Subway stark gemacht.
Aus den drei Regierungsfraktionen hieß es damals:
"Im Subway wird wichtige erfolgreiche Arbeit geleistet. Davon haben wir uns bei einem Besuch selbst überzeugen können."
In einem gemeinsamen Antrag haben Sie das Subway damals als ein therapeutisches und ganzheitliches Angebot im Rahmen der psychosozialen Begleitung Methadon-substituierter Drogenabhängiger anerkannt und formuliert – ich zitiere aus der Drucksache 17/674 –:
"Eine Schließung dieser Einrichtung […] wäre mit dem Risiko verbunden, dass die Betroffenen wieder in die offene Szene abgleiten würden."
Auf einmal soll das alles nicht mehr gelten. Plötzlich erklären Sie uns, Herr Senator Wersich, der Träger sei insolvent, die ordnungsgemäße Geschäftsführung sei nicht mehr gewährleistet und deswegen könne das Subway nicht mehr gefördert werden, was einer Schließung der Einrichtung gleich kommt.
Der Senat hat die Zuwendungsfinanzierung des Trägers Subway zum 30. Juni 2007 eingestellt und für das zweite Halbjahr nur noch eine sogenannte Abwicklungsfinanzierung zur Verfügung gestellt. Aufgrund der zunehmend dramatischen Entwicklung, die ein sofortiges Handeln möglich und erforderlich machte, hat die SPD-Fraktion am 4. August dieses Jahres eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses einberufen. Dort hieß es aus Ihrem Hause, Sie seien bereit, den Träger und vor allem die Betroffenen weiterhin darin zu unterstützen, andere ortsnahe Hilfsangebote zu finden. Außerdem werde geprüft, ob ein anderer Träger das Leistungsspektrum von Subway übernehmen könne. Voraussetzung hierfür sei jedoch die Klärung der wirtschaftlichen und juristischen Situation des Trägers.
Meine Damen und Herren, genau diese wirtschaftliche und juristische Situation ist inzwischen geklärt. Dies geht aus einem Prüfbericht hervor, der dem Senat seit fünf Wochen vorliegt, den er aber erst gestern Abend dem Gesundheitsausschuss vorgelegt hat. Dieser Bericht hat circa 50 Seiten und wurde uns mit dem Hinweis übergeben, man könne heute darüber debattieren. Ich möchte nur am Rande anmerken, dass wir immer noch ein Teilzeitparlament sind und es nicht jedem möglich ist, tagsüber mal eben 50 Seiten durchzuarbeiten, um für eine Debatte debattenfähig zu sein. Das aber nur nebenbei.
Die Arbeit wurde vom Träger Subway seit Anfang 2008 bis heute ohne weitere Finanzierung mit ehrenamtlicher Arbeit fortgeführt. Auf Grundlage eines immensen Einsatzwillens der ehrenamtlich Tätigen und einer an Selbstausbeutung grenzenden Opferbereitschaft derjenigen, die das Projekt durchführen, konnte im ersten Halbjahr 2008 – und so wird es auch im Prüfbericht festgestellt – ein in der Summe feststehendes Angebot aufrechterhalten werden, das weitestgehend den Vorgaben der
ehemaligen Förderung als suchtmittelübergreifende Beratungseinrichtung entsprach. Es ist aber allen klar, dass dieses Modell auf keinen Fall eine Perspektive bietet, diese Arbeit auf Dauer, länger als vielleicht für die nächsten Wochen, aufrechterhalten zu können.
Auch der Prüfbericht kommt zwingend zu dem Ergebnis, es sei dringend erforderlich, dass die BSG zeitnah eine positive Entscheidung über die Wiederaufnahme der Förderung einer suchtmittelübergreifenden Beratungsstelle fälle, um das gesamte Angebotssetting vor Ort zu erhalten. Subway läuft also die Zeit weg. Es ist abzusehen, dass die Arbeit nicht mehr lange aufrechterhalten werden kann. Allerdings fragt sich, warum der Senat dann den Prüfbericht so lange unter Verschluss gehalten hat. Ist das Prüfungsergebnis in diesem Bericht vielleicht zu positiv für den Senat, für den Träger? Muss er jetzt mühsam nach einer Begründung suchen, warum er mit Subway nicht weiter zusammenarbeiten will? Hat er deswegen auf Zeit gespielt, damit sich das Problem von allein erledigt? Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Schließlich muss doch allen Beteiligten eine gute Lösung am Herzen liegen. Es kann doch nicht sein, dass der Senat persönliche Animositäten, die zwischen ihm und dem Träger bestehen mögen, über eine Lösung stellt.
Was genau sind die Vorwürfe des Senats gegen den Träger? Der Senat hat dem Träger zum einen vorgeworfen, er sei nicht kooperationsbereit gewesen und habe weder bei der Abwicklung mitgearbeitet, noch ansonsten Anstalten gemacht mitzuarbeiten, auch in der Aufarbeitung der Vorwürfe, die der Senat dem Träger gestellt hat. Dazu muss man sagen, dass in dem Prüfbericht festgehalten wird, dass das Verhalten von Subway während der gesamten Prüfung von hoher Kooperationsbereitschaft und Transparenzwilligkeit geprägt war. Alle Unterlagen wurden bereitgestellt und alle Auskünfte erteilt. Mit diesem Vorwurf ist es also nicht allzu weit her.
Der zweite Vorwurf. Der Träger – hören Sie gut zu – hat im Rahmen seiner Abwicklungsfinanzierung von 144 000 Euro im zweiten Halbjahr des letzten Jahres erklärt, es sei Aufgabe des Trägers, für die Überleitung seiner Klienten zu sorgen. Hier hat das Hamburger Verwaltungsgericht in einem Beschluss vom 27. Dezember letzten Jahres eindeutig festgestellt – ich zitiere –:
"Durch die getroffene Entscheidung der Antragsgegnerin,"
das ist die Sozialbehörde –
"den Antragsteller"
also Subway –
"nicht mehr zu fördern, dürfte es vielmehr zunächst im Verantwortungsbereich der An
tragsgegnerin liegen, sich darum zu kümmern, was gegebenenfalls mit den Klienten des Antragstellers geschehen soll."
Diese Verantwortung hat die Sozialbehörde bis heute nicht wahrgenommen.
Hinsichtlich der fachlichen Prüfung kann angeführt werden, dass Subway mit einem signifikant schwieriger und stärker zu bearbeitenden Klientenstamm behaftet ist als dies im Schnitt der Hamburger ambulanten Suchthilfe der Fall ist. Die Klienten Subways sind älter, kränker und mit deutlich erhöhten Verhaltens- und justiziellen Problemen belastet. Ein großer Teil der Klienten ist psychisch krank, besteht aus Schizophrenen, Borderline-Erkrankten und chronisch Aggressiven. Polyvalenter Drogenkonsum ist bei vielen Klienten vorhanden und was passiert mit diesen von Subway betreuten Menschen?
Ein weiterer Vorwurf des Senats sei, aus haushaltsrechtlichen Gründen könne ein Träger, der insolvent sei und schlecht gewirtschaftet habe, nicht weitergeführt werden. Auch hier kann man dem Prüfbericht entnehmen, dass es zurzeit ein Minus von 47 000 Euro bei diesem Träger gibt, der sich überwiegend aus nicht gezahlten Mieten, nicht gezahlten Gehältern für die Mitarbeiter zusammensetzt. Meines Erachtens keine große Summe, wenn man bedenkt, dass dieser Träger seit Anfang 2008 ehrenamtlich arbeitet und keinerlei Zuwendungen mehr bekommt.
In dem Prüfbericht wird ebenfalls festgestellt, dass die laufenden Kosten von 23 000 Euro im Monat durchweg vom Träger erwirtschaftet werden könnten. Man muss sehen, von welchen Summen wir hier sprechen. Zum einen ist der Träger keineswegs insolvent. Mit einem sofortigen Handeln der BSG wäre es durchaus möglich, diesen Träger zu retten. Wenn man die Summe von 47 000 Euro betrachtet, dann handelt es sich dabei eigentlich um Peanuts handelt, wenn man sieht, dass wir in den letzten Wochen in den Zeitungen lesen durften, dass die Elbphilharmonie mal eben um mindestens 100 Millionen Euro teurer werden wird als geplant. Das ist mehr als das 2000-fache der 47 000 Euro.
Aber genau das ist die Politik dieses Senats. Leucht- und Elfenbeintürme sind wichtiger als die Lösung der Probleme der Menschen dieser Stadt. Ich kann Sie herzlich dazu beglückwünschen, Sie haben wieder einen Träger geschafft, einen Träger, der nicht mehr weiterarbeiten kann. Nach wie vor gibt es keine Perspektive für die Klienten. Auch Ihr Angebot, dass zur Überleitung der Klienten jetzt zwischenzeitlich die Träger Jugend hilft Jugend beziehungsweise der Träger Jugendhilfe e.V. eingesetzt werden, hilft zu keiner weiteren Lösung, weil es nach wie vor keinen Träger gibt, der sich bereit
erklärt hat, die Klienten weiterhin auf Dauer zu betreuen.
Wie Sie mit den Hilfebedürftigen dieser Stadt umgehen, ist nicht mehr nachvollziehbar. Sie tragen aber Verantwortung für alle Menschen in dieser Stadt. Stehen Sie endlich zu dieser Verantwortung.
Meine Damen und Herren! Jetzt muss ich doch noch einmal ganz kurz nach vorne kommen, weil ich Frau Möller gern antworten möchte.
Ich bin ziemlich neu in dieser Bürgerschaft und ich habe die letzten Monate überwiegend damit zugebracht, den Debatten zu lauschen. Heute bin ich das erste Mal nach vorne gegangen. Ich habe fest
gestellt, dass insbesondere die Abgeordnete Möller gern ihre Reden damit beginnt, ihren Vorrednern zu sagen, sie haben wieder einmal nichts verstanden, sie haben wieder etwas vermischt.
Wenn man nicht festgestellt hat, welches die Ziele der SPD in der heutigen Debatte in Richtung Subway waren, dann haben Sie vielleicht heute irgendetwas nicht ganz verstanden.
Ich möchte aus dem vorliegenden Bericht zitieren. Das Fazit des Prüfers sagt:
"Zusammenfassend sind die Daten der Basisdokumentation Beleg dafür, dass Subway mit einem signifikant schwierigeren und stärker belasteten Klientenstamm arbeitet, als dies im Schnitt der Träger der Hamburger ambulanten Suchthilfe der Fall ist."
Das heißt, der Prüfer hat eindeutig festgelegt, dass es hier nicht um "normale" Abhängige geht, sondern um Abhängige mit schwereren Krankheiten, mit einer schwereren Drogenabhängigkeit und –vergangenheit. Das sind Klienten, die über Jahre – das ist heute schon mehrfach gesagt worden – ein Vertrauensverhältnis zu dem Träger aufgebaut haben, einem Träger, der zum einen eine einzigartige Lage hat – er liegt nämlich in der Neustädter Straße direkt neben dem Pik As –, um diese niedrig schwellige Beratung anzubieten, sowie zum anderen ein einzigartiges Angebot. Auch das wurde heue schon mehrfach gesagt.