Protocol of the Session on May 7, 2008

Damit komme ich zum zweiten Problem. Die politischen Verantwortlichen haben, als diese Fehleinschätzung unübersehbar war, nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen. Warum haben sie die Versammlung nicht aufgelöst? Warum haben sie entschieden, den Neonaziaufmarsch mit Wasserwerfern und Räumpanzern den Weg zu bahnen, obwohl die Straßen voll von Gegendemonstranten und fassungslosen Anwohnern waren, die überwiegend friedlich demonstrierten? Warum haben sie so entschieden, obwohl doch völlig klar war, dass dieses nur unter unverhältnismäßig hohem Einsatz von polizeilicher Gewalt gehen würde in einer Situation, in der die Polizei die Nazis nicht unter Kontrolle hatte?

Es gab nach Angaben der Polizei eine Situation des polizeilichen Notstandes. Da wäre es dringend geboten gewesen, die Naziansammlung aufzulösen und ihre Teilnehmer auf dem schnellsten Weg abzutransportieren.

Ein dritter Punkt. Die Naziparolen und ihre Transparente enthielten mehr oder weniger offene Drohungen. Es gab Hasstiraden gegen Migrantinnen und Migranten. In der Auftaktrede wurde – ich zitiere –die „weiße Rasse“ beschworen, deren

"Herrschaft über Europa wieder hergestellt werden müsse."

Es gab Parolen wie "Nie wieder Israel". Es gab ein Transparent, das eine deutsche Intifada beschwor und ein anderes, das zum Krieg gegen ein "Scheißsystem" aufrief. Soll sich solcher Hass, der zu Gewalt anstachelt und die Menschenwürde Dritter verletzt, wirklich ungehindert ausbreiten dürfen? Gebietet es nicht die gesellschaftliche Solidarität, Drohungen, die das friedliche Zusammenleben zerstören, zu unterbinden? Fehlt den Verantwortlichen wirklich jegliche Sensibilität für die Angst, die Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten, jüdische Bürgerinnen und Bürger empfinden müssen, wenn ein solcher hass- und gewaltverbreitender Marsch ausgerechnet auch noch durch den Arbeiter- und Migrantenstadtteil Barmbek geführt wird?

Der gesamte Neonaziaufmarsch war durch provokatives und aggressives Verhalten gekennzeichnet. Von ihm ging ein Klima der Einschüchterung, der Gewaltdemonstration und der Gewaltbereitschaft aus. Er hat die öffentliche Sicherheit verletzt. Die Konsequenz aus diesen Erfahrungen muss nach unserer Auffassung sein – hier befinden wir uns durchaus in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts –, Neonaziaufmärsche, die zu Hass und Gewalt aufstacheln, zukünftig zu verbieten. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und Dr. Mathias Pe- tersen SPD)

Das Wort bekommt Senator Ahlhaus.

(Christiane Schneider)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Senator Udo Nagel ist vorhin persönlich angesprochen worden. Deswegen erlauben Sie mir vorweg auch eine persönliche Bemerkung.

Hamburg hat, auch mit Blick auf den 1. Mai und den 30. April der vergangenen Woche, diesem Senator Udo Nagel viel zu verdanken. Wenn Sie schon, was unfair ist, jemanden angreifen, der sich hier nicht mehr wehren kann, dann sollten Sie dieses zur Kenntnis nehmen und wir tun gut daran, dies auch von dieser Stelle aus zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Am 30. April und 1. Mai hat es Ausschreitungen in Barmbek und Krawalle im Schanzenviertel gegeben, die nicht akzeptabel sind und da gibt es auch nichts zu beschönigen. Die Diskussion, die wir jetzt darüber führen, ist notwendig. Dabei muss es allerdings auch erlaubt sein, die Mitverantwortlichkeit aller zur Diskussion zu stellen. Die Unabhängigkeit der Justiz, die wir alle zu Recht hochhalten, darf nicht zum Maulkorb für andere werden. Auf der anderen Seite – da gebe ich Ihnen völlig Recht, Frau Möller – helfen uns auch Schwarze-Peter-Spiele nicht weiter. Deshalb zunächst noch einmal zu den Fakten.

Der Polizei ist es weitestgehend gelungen, die rechtsextremistischen Versammlungsteilnehmer und die gegen sie gerichteten Gewalttäter – die gab es auch, Frau Schneider – auseinanderzuhalten und ein Aufeinanderprallen beider Lager zu verhindern. Damit hat die Polizei noch schlimmere Gewaltexzesse abgewehrt. Angesichts des enormen Gewaltpotenzials, das sichtbar wurde und das auch die Polizisten vor Ort zu spüren bekamen, ist das eine gewaltige Leistung. Die Polizei hat alle Kräfte aufgeboten, Herr Dr. Dressel,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das waren aber zu wenig, Herr Ahlhaus!)

die ihr auch aus anderen Bundesländern zusätzlich zur Verfügung standen. Wir machen keine Kostenbetrachtung, wenn es um die Sicherheit dieser Stadt geht, sondern wir haben alle Kräfte aus anderen Bundesländern angefordert, die wir bekommen konnten. Aber wie Ihnen vielleicht nicht entgangen sein dürfte, lieber Herr Dr. Dressel, gab es auch in Berlin und Nürnberg am 1. Mai Ausschreitungen. Auch da waren Polizeikräfte gebunden und man muss vielleicht einmal darüber nachdenken – das ist eine Diskussion, die wir nicht nur in Hamburg führen können –, wie wir künftig die Verteilung unserer bundesweit zur Verfügung stehenden Polizeikräfte besser organisieren.

Die Polizeibeamten haben – ich darf das noch einmal wiederholen – starke persönliche Risiken bei ihrer Arbeit in Kauf nehmen müssen; Frau Schneider, das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen. Ich sage es deshalb ganz deutlich: 30 verletzte Beam

tinnen und Beamte sind 30 zuviel. Es ist nicht akzeptabel, dass Polizeibeamte und übrigens auch Feuerwehrbeamte beim Schützen friedlicher Demonstrationsteilnehmer, beim Löschen von Bränden, bei Hilfeleistungen für Verletzte von gewalttätigen Chaoten angegriffen werden.

(Beifall bei der CDU, der GAL und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Es ist auch nicht akzeptabel, dass den Anwohnern ein verwüsteter Stadtteil hinterlassen wird. Wer bei diesen Bildern aus politischer Motivation nur eine partielle Wahrnehmung hat und die Ausschreitungen auch nur im Ansatz relativiert, verhöhnt diejenigen, die sich für unsere Gesellschaft in Gefahr begeben.

(Beifall bei der CDU und bei Christian Maaß GAL)

Und wem, wie den LINKEN, nichts anderes einfällt, als – ich darf Ihre Pressemitteilung zitieren –

"… den brutalen Polizeieinsatz gegen couragierte Antifaschistinnen …"

zu verurteilen, der hat sich für eine seriöse Auseinandersetzung mit diesem Thema vollständig disqualifiziert.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Dass Sie der Polizei vorwerfen, sie habe den Grundsatz der Deeskalation nicht beachtet, zeigt eine völlig verquere Sicht auf die Realitäten. Die Gewalttaten sind von Personen ausgegangen, die von vornherein Gewalt wollten. Niemand wird einen vernünftigen Grund dafür nennen können, ein Reifenlager anzuzünden oder die Autos Unbeteiligter abzubrennen. Welche politische Aussage sollen solche Handlungen haben? Und wer meint, die Polizei hätte doch den Demonstrationszug der Rechtsextremisten einfach verbieten können, der kennt entweder die Rechtslage nicht oder ignoriert sie. Es gab keine rechtliche Grundlage für ein Verbot dieser Versammlung, ob uns das nun gefällt oder nicht. Das Handeln der Polizei ist an Gesetz und Recht gebunden und das Versammlungsrecht ist durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinlänglich präzisiert. Auch wenn die Ergebnisse nicht immer wünschenswert sein mögen, so hat sich die Polizei nach Recht und Gesetz zu richten.

Die Polizei hat 59 Personen festgenommen und 227 Personen in Gewahrsam genommen. Die Polizei ist konsequent und entschlossen gegen Gewalttäter von rechts und von links vorgegangen. Auch das wird sich in Zukunft nicht ändern. Wer immer das infrage stellen will und wer immer glaubt, wir hätten keinen gemeinsamen Kompass oder so etwas, der irrt,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, den haben Sie auch nicht!)

denn hier sind sich die Koalitionspartner völlig einig. Jeder gewaltbereite Chaot, egal ob rechtsoder linksextremistisch, der nach Hamburg kommt, um hier Randale zu machen, wird auf eine entschlossene Polizei treffen, die konsequent und kraftvoll gegen jede Form der Gewalt vorgehen wird.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Straßenschlachten mit verletzten Polizei- und Feuerwehrbeamten, brennenden Autos und zerstörten öffentlichen Anlagen werden wir niemals als unabänderlich akzeptieren und Barmbek – lassen Sie mich das deutlich sagen – wird auch künftig am 1. Mai kein zweites Kreuzberg werden. Dafür werden wir sorgen und dafür werden wir auch weiterhin auf die bewährte Strategie Deeskalation durch Stärke setzen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Die Grünen jetzt aber nicht, Herr Ahl- haus!)

Im Ergebnis haben die Hamburger Polizei – da wird mir Herr Dr. Dressel bestimmt zustimmen – und die Feuerwehr eine schwierige Aufgabe unter den gegebenen Rahmenbedingungen sehr gut bewältigt. Dafür gebührt allen eingesetzten Beamten von Polizei und Feuerwehr auch der Dank dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Wir dürfen eines allerdings auch nicht außer Acht lassen. Nicht nur Polizei- und Feuerwehrbeamte sowie Anwohner sind Leidtragende gewaltbereiter Randalierer, auch die überwiegende Zahl der friedlich demonstrierenden Versammlungsteilnehmer sind Opfer gewalttätiger Ausschreitungen, da ihr politisches Engagement diskreditiert wird. Sie und ihr Demonstrationsrecht zu schützen ist ebenfalls Aufgabe des Rechtsstaats und damit auch von Polizei und Justiz; das nehmen wir außerordentlich ernst. Gewaltausübungen bei Versammlungen sind der größte Feind des Demonstrationsrechts.

Deshalb sollten wir nun nach vorne schauen: Politik, Polizei und Justiz sind gemeinsam in der Verantwortung, damit sich Ereignisse, wie wir sie letzte Woche in Hamburg erleben mussten, nicht wiederholen. Dieser Aufgabe werden sich Innenbehörde und Polizei mit Stärke und Selbstbewusstsein stellen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Meine Damen und Herren! Wer, wann, wie, ob überzeugt oder nicht überzeugt klatscht, ist zwar auch interessant, aber ich finde es interessanter, dass wir in allen Beiträgen eine Debatte mit großer Bandbreite geführt haben. Die Sitzung im Innenausschuss ist sicherlich der richtige Ort, um uns darüber im Detail zu streiten. Fünf Minuten sind zu kurz, das durfte ich eben selbst am eigenen Leibe erfahren.

Ich möchte zwei Punkte aufgreifen. Was wir hier diskutiert haben, ist einerseits mit der Notwendigkeit verbunden, die Menschen, die in dieser Stadt Zivilcourage zeigen, die in ihre Fenster offen Plakate hängen, dass sie gegen die Nazis sind oder die ihre Geschäfte öffnen, obwohl sie das Zerschlagen der Scheiben befürchten müssen, wieder dahin zu bringen, dass sie sich das auch ein zweites Mal trauen. Das ist eine der wichtigen Aufgaben, die wir gemeinsam zu lösen haben.

Der zweite Punkt ist natürlich nicht nur für uns, sondern auch für andere ein wirklich wichtiger Punkt. Wir müssen weiterhin als Stadt gewährleisten, dass das Demonstrationsrecht, so wie es Karlsruhe unter anderem vorsieht – darüber habe ich gestern mit Herrn Dressel und Herrn Jäger schon lange diskutiert –, eingehalten wird und wir dürfen nicht vorauseilend Rechte einschränken, die allen Menschen in dieser Stadt zustehen, sondern müssen uns politisch mit der Gewalt von rechts auseinandersetzen. Gewalt überhaupt ist in dieser Stadt kein Mittel von Politik und ich glaube, da sind wir uns einig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Warnholz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vieles Richtige und Wichtige haben meine Abgeordnetenkollegen aus den Regierungsfraktionen

(Dr. Michael Naumann SPD: Gestern Abend aufgeschrieben!)

sowie unser neuer Innensenator bereits ausgeführt.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Ich möchte mich daher an dieser Stelle auf die Kernpunkte konzentrieren. Unzweifelhaft ist das Recht auf Versammlungsfreiheit in all seinen Facetten ein hoch einzuschätzendes Gut. Dieses Grundrecht steht jedem zu, der sich an die geforderten Bedingungen hält.

Ebenso finden aber nach dem Motto "und jährlich grüßt das Murmeltier" am 1. Mai Krawalle und gewalttätige Auseinandersetzungen in unserer schö

(Senator Christoph Ahlhaus)

nen Stadt statt. Dieses Jahr kam noch dazu, dass der Krawallfaktor um den Faktor Aufeinandertreffen von Rechten und Linken verstärkt wurde, die beide eine Demonstration angemeldet hatten. Für mich ist nicht entscheidend, ob die Gewalt von rechts oder von links ausging, ich verurteile jede Gewalt, durch die Menschen schwer geschädigt oder verletzt oder hohe Sachwerte Dritter beschädigt werden,