Protocol of the Session on May 7, 2008

Damit belasse ich es erst einmal. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Jäger.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich im Namen der CDU-Fraktion allen Polizistinnen und Polizisten danken, die am 1. Mai Dienst getan haben und durch ihren Einsatz verhindert haben, dass dort noch Schlimmeres passiert ist.

(Beifall bei der CDU, der GAL, vereinzelt bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Es ist leider nicht zu bestreiten, dass es am 1. Mai zu Ausschreitungen und Gewaltexzessen gekommen ist, die zu den schlimmsten gehörten, die wir seit Jahren in Hamburg erleben mussten. Politik und Polizeiführung werden diese Ereignisse sehr genau analysieren müssen, um Wege zu finden, wie derartige Ereignisse in Zukunft verhindert werden können. Bei allen möglichen Konsequenzen aber bleibt es bei einem Grundsatz: Es gibt keine Toleranz gegenüber Gewalt und Gewalttätern.

(Beifall bei der CDU, der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die gab es in der Vergangenheit in Hamburg nicht und die wird es auch in Zukunft nicht geben.

(Michael Neumann SPD: 44 Jahre lang!)

Herr Neumann, an Ihren Zwischenrufen erkennt man, dass nicht überall, wo Kompetenzteam draufsteht, auch Kompetenz drin ist.

(Beifall bei der CDU – Klaus-Peter Hesse CDU: Inkompetenzteam! – Gegenruf von Mi- chael Neumann SPD: Sie sind noch immer drin und noch immer kein Staatsrat! – Ingo Egloff SPD: Da haben Sie lange gebraucht, um diesen Satz anzubringen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Demonstrationsrecht gehört neben der Meinungsäußerung zu den Grundrechten, die den Kern gelebter Demokratie ausmachen. Aber bei jeder Großdemonstration, insbesondere wenn auch Gegendemonstrationen angekündigt sind, befinden wir uns in einem Spannungsfeld. Das Recht auf friedli

che Demonstrationen muss durchgesetzt und geschützt werden. Gleichzeitig aber muss alles getan werden, um Gewalt und Ausschreitungen zu verhindern. Vor diesem Hintergrund stellt sich dann natürlich die Frage, ob und inwieweit man es zulässt, dass sich einzelne Demonstrationszüge begegnen oder gleiche Routen benutzen dürfen. Die Polizei ist in ihrer Gefahrenprognose zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht zu vertreten war, die beiden Demonstrationszüge auf der gleichen Streckenführung zuzulassen. Hierin ist der Polizei das Verwaltungsgericht gefolgt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Gefahrenlage anders beurteilt und, wenn auch eine zeitversetzte, zumindest teilweise gleiche Streckenführung erlaubt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will keine Gerichtsschelte betreiben. Die Gewaltenteilung zwischen Parlamenten, Verwaltung und Gerichten ist eine der tragenden Säulen unseres Staates. Auch die Unabhängigkeit der Gerichte gehört zu diesen tragenden Säulen. Aber es muss die Feststellung erlaubt sein, dass im Nachhinein die Gefahrenprognose der Polizei richtig und die des Oberverwaltungsgerichts falsch war.

(Beifall bei der CDU)

Richterinnen und Richter sind nicht sakrosankt. Sie treffen ihre Entscheidungen im Namen des Volkes. Sie müssen es sich dann auch gefallen lassen, dass diese Entscheidungen in der Öffentlichkeit diskutiert und kommentiert werden. Die Politik wird nun die Ereignisse aufarbeiten müssen und erst nach einer gründlichen Analyse werden wir genau wissen, welche konkreten Konsequenzen wir ziehen müssen. Aber lassen Sie mich eines zum Schluss sagen: Die schwarz-grüne Koalition wird sich dabei von zwei Maximen leiten lassen: Das Demonstrationsrecht ist im Rahmen, den Gesetze und Rechtsprechung vorgeben, soweit wie möglich zu schützen. Gleichzeitig werden wir alles dafür tun, uns gegen Gewalt und Gewalttäter zur Wehr zu setzen. Das ist übrigens auch im Sinne der friedlichen Demonstranten, denn es kann nicht angehen, dass jemand aus Angst vor Ausschreitungen einer Demonstration fernbleibt.

(Beifall bei der CDU, der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Deshalb sind alle Befürchtungen, Hamburg werde unter einer schwarz-grünen Regierung zum Dorado für reisende Politchaoten aus ganz Deutschland abwegig.

(Andy Grote SPD: Das haben Sie gesagt!)

Wir werden unseren konsequenten Weg bei der Bekämpfung der Gewalt fortsetzen.

(Beifall bei der CDU, der GAL und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Naziaufmarsch in Barmbek am Tag der Arbeit war eine Kampfansage an alle demokratisch gesinnten Bürger dieser Stadt und insbesondere auch an die Gewerkschaften.

(Beifall bei der SPD, der GAL, der LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Leider ist dieser Kampfansage auch ein beispielloser Straßenkampf gefolgt. Das, wofür der 1. Mai stand, ist buchstäblich mit Füßen getreten worden. Die vielen richtigen und wichtigen Anliegen sind im Rauch der brennenden Barrikaden fast untergegangen.

Leider hat es massive Gewalt gegeben. Es ist nicht gelungen zu verhindern, dass rechte Schläger und linke Chaoten Gewalt ausüben. Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden. Allen muss klar sein, dass linke Gewalt keine Antwort auf die Bedrohung von rechts ist. Gewalt ist von keiner Seite zu akzeptieren.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der GAL)

Wir müssen den Kampf gegen Neonazis noch entschiedener führen: Gewaltfrei, friedlich und mit rechtsstaatlichen Mitteln. NPD-Verbot, Verbote gegen rechtsextremistische Organisationen, Austrocknen der finanziellen Basis, gesamtgesellschaftliche Aktivitäten und Initiativen sind die Stichworte. Die Ereignisse vom 1. Mai und auch dieses Erstarken der sogenannten Autonomen Nationalisten müssen für uns alle Mahnung sein, den Kampf gegen Rechts zu verstärken.

Aber es muss auch an anderer Stelle nachgearbeitet werden. Das Oberverwaltungsgericht hat die polizeilich verfügte Demonstrationsroute nicht akzeptiert. Wer sagt, das OVG hätte nur bei der Route anders urteilen müssen und alles wäre glatt gelaufen, macht es sich zu einfach. Das sage ich auch an die Adresse des ehemaligen Innensenators. Keine Frage: Die Annahmen des OVG haben sich im Ergebnis als falsch herausgestellt, aber die Gerichte urteilen nicht im luftleeren Raum. Wenn das Gericht von erheblichen Verfahrensverzögerungen und von unzureichenden Gefahreneinschätzungen spricht, dann ist wohl auch seitens der Innenbehörde in der Vorbereitung nicht alles glatt gelaufen. Deshalb hätten Sie sich mit einseitiger Justizschelte zurückhalten müssen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Und es stellen sich weitere Fragen. Wieso wurde dieser Gesamtansatz mit so wenig Polizisten gefahren? Hat die Innenbehörde tatsächlich alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit mehr Kräfte

auch aus anderen Ländern – ausgeliehen werden?

(Viviane Spethmann CDU: Ja, hat sie!)

Gab es einen Plan B beim Kräfteeinsatz, wenn das OVG – wie es dann auch geschehen ist – der Polizei nicht folgt? Wenn es stimmt, was ein Polizeibeamter durch die Blume in der "Bild"-Zeitung behauptet hat, dass aus Kostengründen gar nicht mehr Kräfte geordert worden seien, dann wäre das ein Skandal.

(Beifall bei der SPD – Viviane Spethmann CDU: Glauben Sie doch nicht alles, was in der Zeitung steht!)

Was mussten die Barmbeker an diesem Tag erleben? Ihr Stadtteil war über Stunden ein rechtsfreier Raum. Angst und Schrecken haben sich breitgemacht. Die zu wenigen Polizisten konnten nur die schlimmsten Straftaten verhindern oder verfolgen, Feuerwehrleute konnten Brände nicht löschen. Brandstiftungen, Zerstörungen und so weiter sind passiert, ohne dass die staatliche Seite eingeschritten ist. Den Einsatzkräften, die Schlimmeres verhindert haben – da stimme ich Herrn Jäger zu –, und denen wir auch zu Dank verpflichtet sind, ist kein Vorwurf zu machen, aber es muss doch die Frage auch in Richtung der Innenbehörde gestellt werden, ob hier in der Vorbereitung Fehler gemacht worden sind. Das müssen wir im Innenausschuss lückenlos und rückhaltlos aufarbeiten. Das erwarten die Menschen in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD)

Es geht darum, Lehren aus diesem Einsatz zu ziehen, damit sich solche Gewalteskalationen nicht wiederholen. Schwarze und Grüne haben bei diesem Thema – das können Sie noch so sehr mit Koalitionsvertragsprosa zukleistern, das haben auch viele Äußerungen der letzten Tage gezeigt – keinen gemeinsamen Kompass. Das könnte manche verleiten, diese neue Lage einmal auszutesten und die einschlägigen Internetforen verheißen nichts Gutes.

Die richtigen Leitplanken für die Durchführung von Demonstrationen sind Recht und Gesetz, die Vorgaben des Grundgesetzes und des Bundesverfassungsgerichts und die fachlichen Einsatzmaßstäbe der Polizei und deren Erkenntnisse. Politische Vorabeinflussnahmen und ein politischer Koalitionsvertrag ist es nicht. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Das Wort bekommt Frau Schneider.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viele tausend Men

schen haben am 1. Mai gegen den Neonazi-Aufmarsch demonstriert. Die Demonstration war bunt und vielfältig. Ich habe auch viele Abgeordnete gesehen. Selten haben sich so viele Anwohner beteiligt wie dieses Jahr in Barmbek. Es gab eine große Entschlossenheit, den Neonazis entgegenzutreten, und zwar politisch. Von dieser Demonstration ging keine Gewalt aus. Gleichwohl gab es im Umfeld und danach gewalttätige Aktionen, die ich keinesfalls schönreden will. Ich betone die Aufgabe von uns als LINKER, wie überhaupt von allen demokratischen und antifaschistischen Kräften, den Widerstand gegen den Neonazismus in politischen Bahnen zu halten.

Was nun den Neonaziaufmarsch angeht, möchte ich auf drei Punkte eingehen.

Das erste große Problem bestand darin, dass der Innenbehörde und Polizei im Zusammenhang mit dieser Demonstration eine verhängnisvolle Fehlentscheidung unterlaufen ist. Herr Jantosch hat diese Fehlentscheidungen sowohl im Hinblick auf die Zahl der Neonazis als auch im Hinblick auf ihre Gewaltbereitschaft auf der Pressekonferenz zugegeben. Diese Fehleinschätzung war so schwerwiegend, dass man sie nicht auf sich beruhen lassen kann. Um nur die schlimmsten Ereignisse kurz in Erinnerung zu rufen: Rund 100 Neonazis haben den Regionalexpress von Kiel nach Hamburg besetzt, den Lautsprecher gekapert und Migrantinnen und Migranten mit der Ansage bedroht, die Bahn würde zukünftig Deutsche und Ausländer in getrennten Waggons transportieren und für Ausländer Güterwaggons bereitstellen. Wir alle wissen, was die Rede von Güterwaggons meint.

In der Nähe des Aufstellungsortes haben bis zu 400 Neonazis wie auf Kommando eine Gruppe von Antifaschisten angegriffen. Herr Born von der Einsatzleitung sprach von nackter Gewalt, die von der Rechten ausgegangen sei und zu Toten geführt hätte, wenn sich die Polizei nicht dazwischengeworfen hätte.

(Viviane Spethmann CDU: Da könnten Sie mal Danke sagen!)

Es gab mehrere gewalttätige Angriffe auf Journalisten. So zum Beispiel auf ein Journalistenteam von Panorama. Es gab auch einen gezielten Angriff – wie man im Internet nachlesen kann – auf einen Journalisten, der den Nazis namentlich bekannt war und ganz gezielt angegriffen wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, also noch vor dem Abmarsch, hätte die Polizei diese Versammlung, die das Gegenteil von friedlich war, auflösen müssen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Damit komme ich zum zweiten Problem. Die politischen Verantwortlichen haben, als diese Fehleinschätzung unübersehbar war, nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen. Warum haben sie die Versammlung nicht aufgelöst? Warum haben sie entschieden, den Neonaziaufmarsch mit Wasserwerfern und Räumpanzern den Weg zu bahnen, obwohl die Straßen voll von Gegendemonstranten und fassungslosen Anwohnern waren, die überwiegend friedlich demonstrierten? Warum haben sie so entschieden, obwohl doch völlig klar war, dass dieses nur unter unverhältnismäßig hohem Einsatz von polizeilicher Gewalt gehen würde in einer Situation, in der die Polizei die Nazis nicht unter Kontrolle hatte?