Protocol of the Session on November 4, 2009

Wenn Sie jetzt fragen, warum wir nicht endlich unser Sparprogramm vorlegen, dann ist das genau die gleiche Debatte, die Herr Bischoff immer so gerne in Bezug auf den letzten Doppelhaushalt führt. Beim letzten Doppelhaushalt haben wir die neuesten Steuerschätzungen noch nicht gehabt. Wir wussten nicht, in welcher Höhe die Steuern wegbrechen, darum konnten wir den Haushalt noch nicht anpassen. Das haben wir in dem Moment gemacht, als wir das wussten. Jetzt befinden wir uns in der gleichen Situation. Wenn wir an diesen beiden Tagen nur das hätten erbringen müssen, was wir uns vorgenommen haben, nämlich die Zinsen für die Schulden, die wir aufgrund der wegbrechenden Steuereinnahmen aufnehmen, dann wären wir halbwegs fertig geworden.

Aber jetzt haben wir eine neue Bundesregierung. Zumindest meine Partei und auch ein paar andere Parteien hier im Saal haben dafür gekämpft, dass es die nicht geben soll, damit diese unverantwortliche Politik nicht gemacht wird, die unseren Haushalt jetzt belastet. Herr Bischoff, wenn Sie sagen, in dieser Situation sei Unsicherheit doch der Tod, dann stimme ich Ihnen durchaus zu. Aber meinen Sie wirklich, es wäre psychologisch geschickt, wenn man Anfang November eine Sparrunde verkündet, sich dann noch einmal durchrechnet, was die Bundesregierung an Zumutungen einfordert, und in vier Wochen mit der nächsten Runde kommt? Ich glaube nicht, dass das eine Debatte wäre, die uns in dieser Stadt guttut. Das ist der einzige Grund. Wir warten jetzt die nächste Steuerschätzung ab, da werden wir am Donnerstag die Nachrichten bekommen. Obwohl die wirtschaftliche Lage nicht so dramatisch ist, wie wir Anfang des Jahres noch gedacht haben, wird leider die Steuereinnahmensituation wahrscheinlich nicht besser sein, sondern eher schlechter. Das heißt, dort kommen weitere Belastungen zusätzlich zu dem, was die Bundesregierung beschlossen hat, auf uns zu.

Zum anderen haben wir noch einmal kalkuliert, was im Rahmen der Krise im Bereich der gesetzlichen Leistungen zusätzlich dazukommt. Dieses ganze Paket wollen wir gerne in einem präsentieren. Das hat nichts mit Geheimlisten zu tun oder damit, dass wir es nicht verkünden wollen. Ende

(Dr. Peter Tschentscher)

November wird es eine Klausurtagung geben, wo wir das Paket schnüren wollen. Bis dahin laufen noch Arbeiten. Aber ich halte in der Tat überhaupt nichts davon, halbgare Pläne in der Öffentlichkeit zu verkünden. Sie nennen in diesem Zusammenhang immer gerne ein paar Vorschläge, die in der Presse ruchbar geworden sind, von einem Kollegen, der mittlerweile nicht mehr Mitglied dieses Hauses ist. Herr Kruse war bei diesen Beratungen nicht dabei und das sind auch keine Vorschläge, die wir dort besprochen haben. Insofern brauchen Sie sich da gar nicht so sehr aufzuregen.

Wir werden uns über die Vorschläge schon noch aufregen, weil Sparen nicht leichtfällt und nicht guttut. Es ist aber trotzdem notwendig. Warten Sie insofern das Konzept ab, das wir erarbeiten wollen, und im Moment laufen einfach noch Gespräche. Es gibt jeden Tag noch Gespräche in den Behörden, zwischen den Fraktionen, zwischen den Behördenleitungen und auch im Senat. Wir sind noch nicht fertig, weil die Aufgabe, die wir erbringen müssen, einfach größer geworden ist.

Herr Bischoff und Herr Tschentscher, Sie haben ein paar Einsparbeispiele gebracht, die in dieser Stadt immer sehr populär sind. Die Investitionen der HafenCity Universität solle man jetzt lassen oder die Elbphilharmonie sei so teuer. Dazu möchte ich Ihnen eines sagen: Das ist in der jetzigen Situation nichts, was uns hilft, denn es gibt die Verschuldungsgrenze, dass man nur so viele Schulden aufnehmen darf, wie man investiert. Das werden Sie dieses Mal rechnerisch nachvollziehen können, Herr Tschentscher. Wenn man nur so viele Schulden aufnehmen kann, wie Investitionen vorhanden sind, und man diese senkt, dann darf man auch weniger Schulden aufnehmen. Das ist ein Nullsummenspiel, das hilft uns im Moment leider überhaupt nicht. Es tut mir leid, aber darum können Sie auch die Stadtbahn nicht mehr infrage stellen. Das kann man einsparen, aber dann haben wir das gleiche finanzielle Problem wie vorher.

Das zweite Problem ist, dass wir diese Investitionen doch im Moment tätigen, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Wir haben 500 Millionen Euro vom Bund bekommen und da gibt es eine Ansage.

(Ingo Egloff SPD: Machen Sie doch noch mehr Investitionen, dann können Sie noch mehr Schulden machen!)

Wenn wir Ihren Vorschlägen in dem Punkt folgen würden, dann müssten wir 500 Millionen Euro zurückzahlen, denn der Bund hat gesagt, ihr bekommt das Geld nur dann, wenn ihr nicht jetzt schon geplante Investitionen streicht. In dem Moment, wo an einer anderen Stelle Investitionen gestrichen werden, fordern wir das Geld zurück.

Auch daran wird deutlich, dass Sie hier ganz klar Punkte benennen, die in der Öffentlichkeit Aufregung erzeugen. Das würde ich als Opposition viel

leicht auch tun, aber das haushaltspolitische Problem, das Sie da benennen, lösen Sie mit Ihren Vorschlägen in keiner Weise. Darum wird uns diese Debatte noch erhalten bleiben. Wir werden leider Gottes noch viele Runden darüber reden müssen, weil die Situation schwierig ist. Aber ganz so einfach sollten Sie es sich bei der Debatte nicht machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Karl Schwinke SPD: Das machen Sie aber!)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht mehr der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Zunächst zum Antrag der SPD–Fraktion aus der Drucksache 19/4491. Wer möchte diesen Antrag annehmen? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Nun zum Bericht des Haushaltsausschusses aus der Drucksache 19/4327. Wer möchte sich der Ausschussempfehlung anschließen und das Gesetz über das "Sondervermögen Konjunkturstabilisierungs-Fonds Hamburg" aus der Drucksache 19/3921 beschließen? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist in erster Lesung so angenommen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Den sehe ich nicht.

Wer will das soeben in erster Lesung beschlossene Gesetz in zweiter Lesung beschließen? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Dann ist das Gesetz damit auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Wer möchte sich darüber hinaus der Empfehlung des Haushaltsausschusses aus der Drucksache 19/4327 anschließen? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Dies ist mehrheitlich geschehen.

Auch hier bedarf es einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Der Senat stimmt einer sofortigen zweiten Lesung zu. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Den sehe ich nicht.

Wer will den soeben in erster Lesung gefassten Beschluss auch in zweiter Lesung fassen? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist mehrheitlich so geschehen. Damit ist er auch in zweiter Lesung und endgültig beschlossen worden.

(Jens Kerstan)

Ich rufe dann Punkt 51 der Tagesordnung auf, Drucksache 19/4404, Antrag der CDU-Fraktion: Lücken in der Forschungsförderung schließen – Vermarktung von Erfindungen stärken.

[Antrag der Fraktion der CDU: Lücken in der Forschungsförderung schließen – Vermarktung von Erfindungen stärken – Drs 19/4404 –]

Die Fraktionen sind übereingekommen, auf eine Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt zu verzichten. Wir kommen deshalb direkt zur Abstimmung.

Wer möchte dem Antrag der CDU–Fraktion aus der Drucksache 19/4404 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist bei großer Mehrheit und wenigen Gegenstimmen angenommen.

Ich rufe den Punkt 52 der Tagesordnung auf, Drucksache 19/4405, Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Subsidiaritätskontrolle und Mitwirkungsmöglichkeiten.

[Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Subsidiaritätskontrolle und Mitwirkungsmöglichkeiten – Drs 19/4405 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Europaausschuss überweisen.

Wird das Wort gewünscht? – Frau Machaczek bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu Beginn unserer heutigen Debatte möchte ich deutlich sagen, dass ich mich freue, dass wir seit gestern tatsächlich den Lissabon-Vertrag ab dem 1. Dezember in Kraft setzen können. Das ist auch einen Applaus von allen Fraktionen wert.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Danke schön. Wir werden es nach Prag weitermelden, denn dieses ist natürlich die Grundlage für unseren Antrag, den wir heute eingebracht haben. Der Lissabon-Vertrag wird dazu führen, dass es ein neues Kapitel in der europäischen Integration gibt, welches uns im Inneren und Äußeren mehr Kraft und Stärke bringt. Eine Stärkung ist die Subsidiaritätskontrolle und ich werde Sie jetzt nicht mit einem Vortrag darüber nerven, was das denn bedeutet. Die meisten von uns haben es inzwischen verstanden.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Doch, bit- te!)

Nein, diesem Wunsch kann ich nicht nachkommen.

Die Subsidiaritätskontrolle soll sowohl bei den nationalen als auch bei den regionalen Parlamenten gestärkt werden, und zwar dadurch, dass wir frühzeitig in die Beratung von europäischen Gesetzen einbezogen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst ganz deutlich unsere Rolle in diesem Zusammenhang unterstrichen. Das Subsidiaritätsprinzip selbst ist schon seit 1992 in der Verfassung und im Vertrag von Maastricht formuliert, aber erst jetzt gibt es die Kontrolle darüber. Das Instrument hierzu ist ein förmliches Verfahren, das der endgültigen Gesetzgebung der Europäischen Kommission vorgeschaltet ist. Es soll im Rahmen eines Frühwarnsystems stattfinden und in diesem Rahmen sollen die nationalen und regionalen Parlamente konsultiert werden. Da die nach dem Lissabon-Vertrag vorgesehenen Aufgaben der nationalen Parlamente in Deutschland von Bundestag und Bundesrat wahrgenommen werden, können auch wir Einfluss auf die mögliche Wahrnehmung des Klagerechts beim Gerichtshof der Europäischen Union nehmen.

Das Lissabon- und das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben den Parlamenten in Deutschland neue Rechte, aber auch Pflichten aufgegeben, zum einen diese, sich sehr sorgfältig mit der Gesetzgebung auf europäischer Ebene auseinanderzusetzen, aber auch, aus Sicht der CDU-Fraktion, im Blick zu haben, dass die neuen Rechte nicht zu einer neuen Bürokratisierung in der Europäischen Union führen und es laufend Einsprüche gibt, die die Europäische Union dann wieder bearbeiten muss und die zu einem unendlichen Schwanz an Diskussionen und Bürokratie führen. Also müssen wir auch bei unserer Arbeit beachten, dass wir möglicherweise in einen Konflikt zwischen zwei Anforderungen geraten, nämlich auf der einen Seite, dass Europa gestalten und handeln soll, und auf der anderen Seite, dass die Politik Bodenhaftung haben soll und die Bürger das Gefühl haben sollen, dass nicht alles weit weg von ihnen über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Aber ich bin mir auch sicher, dass die Bürger letztendlich wollen, dass wir Probleme lösen und sie nicht unnötig verzögern.

Als Hamburger wissen wir auch, dass wir von der EU mit ihrem Binnenmarkt und der Währungsreform ganz besonders profitieren und auch unser Wohlstand davon abhängig ist. Deshalb wollen und werden wir nicht zu den Nörglern in der Europäischen Union werden. Im Einzelfall werden wir daher genau zu klären haben, wann die Subsidiarität im Vordergrund steht und wann die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Für Hamburg sind hier insbesondere Fragen des Hafens und der Infrastruktur sehr wichtig. Hierauf wollen wir natürlich in Zukunft verstärkt unser Augenmerk richten.

Mit unserem Antrag ersuchen wir nun als Regierungsfraktionen den Senat, Vorschläge zu erarbeiten, wie dieser neue Mechanismus der Subsidiari

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

tätskontrolle bestmöglich umgesetzt werden kann. Hier kommt es besonders darauf an, eine praktikable Lösung für ein Teilzeitparlament, wie wir es sind, zu finden und als kleines Bundesland gemeinsam mit dem Senat an einem Strang zu ziehen, denn es geht hier insbesondere darum, dass Hamburg insgesamt in der Lage ist, eigene hamburgische und Norddeutschland-orientierte Abwägungen zu den Themen zu treffen, die für uns besonders wichtig sind. Damit das alles gelingen kann, ersuchen wir den Senat ferner, uns früh über anstehende Gesetzgebungsverfahren zu unterrichten und uns auch sein Abstimmungsverhalten im Bundesrat und in der EU zu übermitteln.

Da der Vertrag in wenigen Wochen in Kraft tritt, wollen wir keine Zeit verschwenden, sondern den Senat sofort an die Arbeit gehen lassen. Das Ergebnis dieser Arbeit wollen wir allerdings im Ausschuss diskutieren; deshalb werden wir heute einer Überweisung nicht zustimmen.

Meine Damen und Herren! Wir haben neue Rechte erhalten, wir wollen sie im Sinne gesamteuropäischer Verantwortung, aber auch regionalpolitischer Mitbestimmung wahrnehmen. Daher bitten wir um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Gwosdz GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Herr Klooß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mehr als die Hälfte aller Gesetze, die von den nationalen Parlamenten beschlossen werden, werden inzwischen von der Europäischen Union vorgegeben. Beim Wirtschaftsrecht sind es sogar vier Fünftel. Vor diesem Hintergrund muss uns das Thema der Subsidiarität interessieren. Der Grundsatz der Subsidiarität, der, das wurde hier schon gesagt, mit dem Vertrag von Maastricht eingeführt wurde, ist einer der Grundpfeiler einer föderalen und bürgernahen Politik in der Europäischen Union. So schwer dieser Grundsatz im Einzelfall anzuwenden ist, beinhaltet er im Kern eine einfache, ja schlichte Regelung. Jede gesetzgeberische Entscheidung soll so weit wie möglich auf der bürgernahesten Ebene entschieden werden. Das ist in der Freien und Hansestadt Hamburg die Bürgerschaft.

Der Vertrag von Lissabon enthält eine neue Definition des Subsidiaritätsprinzips – ich will sie Ihnen doch geben – und danach wird die Union nur noch in den Bereichen tätig, die nicht ihrer ausschließlichen Zuständigkeit unterliegen, sofern und soweit die damit verfolgten Ziele von den Mitgliedsstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr auf Unionsebene besser zu ver