Rolf-Dieter Klooß
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mich drängt es, zu den einleitenden Worten von Herrn Hamann noch etwas zu sagen.
Die können nicht so stehen bleiben. Herr Hamann hat hier ein Zerrbild geboten von der Arbeit, die der Ausschuss geleistet hat, und von den Ergebnissen, die erzielt worden sind. Es handelt sich dabei, Herr Hamann, um Ihre höchstpersönliche Draufschau, die Sie in Ihrer Wadenbeißermentalität, die Sie auch im Ausschuss dauernd gezeigt haben, hier vorgetragen haben.
Sie beleidigen die Kompetenz des Arbeitsstabs, der mit den Stimmen aller Fraktionen zusammengesetzt worden ist und der seine Ergebnisse einvernehmlich gefunden hat. Es sind darin ein Richter vom Oberlandesgericht, ein Richter am Zivilgericht für Baurechtssachen, eine Staatsanwältin und mehrere andere Sachverständige, die zu den Dingen, die für den Ausschuss wichtig waren, etwas zu sagen hatten und auch gesagt haben. Ich finde es äußerst betrüblich, um nicht andere Worte zu gebrauchen, dass Sie hier für sich in Anspruch
nehmen, die allein selig machende Wahrheit zu vertreten. Das ist ein Anflug von Hochmut und Hochmut kommt vor dem Fall.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die durch Thilo Sarrazins Buch ausgelöste Debatte über die Integration der in Deutschland lebenden Migranten war sicherlich in ihrem Ton und in ihrer Polemik kein Glanzpunkt des abgelaufenen politischen Jahres.
Die Diskussion über die Abschaffung des sogenannten Optionszwangs, welche im vergangenen Jahr im Rechts- und Gleichstellungsausschuss geführt wurde, hob sich hiervon dankenswerterweise ab. Die Anhörung im Ausschuss hat noch einmal deutlich gemacht, dass der Zwang für junge Leute, sich bis zum 23. Lebensjahr für eine von zwei Staatsangehörigkeiten zu entscheiden, nicht nur aus verwaltungstechnischer, sondern vor allem aus integrationspolitischer Sicht kontraproduktiv ist. Die Anhörung im Ausschuss hat ergeben, dass der Zwang, sich für eine von zwei Staatsangehörigkeiten zu entscheiden, bei den Betroffenen zu einem inneren Konflikt führt, den wir nicht gewollt haben und der der Sache nicht dienlich ist. Der Verzicht auf die ausländische Staatsangehörigkeit hat für die Betroffenen im Übrigen in vielen Fällen rechtlich negative Folgen; es geht da um Einreisebestimmungen, erbrechtliche, eigentumsrechtliche und andere Fragen. Hinzu kommt ein erheblicher Verwaltungsaufwand bei der Bearbeitung dieser Optionszwangsfälle durch die zuständige Behörde.
Dieser ist keineswegs zu unterschätzen, wie uns von allen Seiten versichert wurde. Gerade angesichts der vielen anderen Aufgaben, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden in diesem Bereich haben, ist es geradezu fahrlässig, hier nicht für Erleichterung zu sorgen.
All dies ist Grund genug, den Optionszwang so schnell wie möglich abzuschaffen.
Meine Damen und Herren! Es ist aus heutiger Sicht kaum noch nachzuvollziehen, dass die Vermeidung doppelter Staatsangehörigkeit bei der Verabschiedung des damaligen Gesetzes als ein erstrebenswertes Ziel angesehen wurde. Seitdem ist viel passiert und diese Plattitüde kann man sich kaum verkneifen. In einer globalisierten Welt erscheint dieses Ziel reichlich gestrig.
Ich kann den Damen und Herren von der CDUFraktion allerdings nicht ersparen, daran zu erinnern, dass es ein Roland Koch war, der im damaligen hessischen Landtagswahlkampf
mit einer unseligen und, wie ich es empfand, infamen Unterschriftensammelaktion das Debattenklima anheizte und vergiftete.
Gut, dass wir in Hamburg eine sachlichere Art der politischen Auseinandersetzung haben.
Es ist natürlich bedauerlich, dass der jüngste Vorstoß aus Berlin und Bremen, über den Bundesrat die Regelung in Paragraf 29 Staatsangehörigkeitsgesetz zu kippen, keine Mehrheit gefunden hat. Da es sich um eine bundesgesetzliche Regelung handelt, besteht auch keine andere Möglichkeit, als es weiter über diesen Weg zu versuchen. Diejenigen, die am Optionszwang festhalten, müssen immer wieder gezwungen werden, sich mit diesem gesetzlichen Missstand auseinanderzusetzen. Ich halte wenig davon, hier aus angeblichen taktischen Erwägungen heraus zurückzustecken und auf weitere Initiativen zu verzichten. Im Übrigen dürfen wir den Ausgang von sieben Landtagswahlen in diesem Jahr doch einmal gespannt abwarten und uns dann die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat noch einmal ansehen.
Um es mit Ovid zu sagen: Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas – wenn auch die Kräfte fehlen, der Wille ist dennoch zu loben. Und das wollen wir hier einmal tun.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass meine Fraktion mir noch einmal die Gelegenheit gegeben hat, vor diesem Hohen Haus zu sprechen. Mit dem Ende dieser 19. Legislaturperiode scheide ich aus der Hamburgischen Bürgerschaft aus. Es war mir zu vielen Zeiten eine Freude, zu manchen Zeiten auch ein Ärgernis, stets aber eine Ehre, mit Ihnen, werte Damen und Herren, zu arbeiten, zu streiten und zu gestalten. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen alles Gute und der neuen Bürgerschaft die Weisheit und Schaffenskraft, die diese Stadt verdient. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, so lautet jetzt sein vollständiger Titel, Professor Caspar, hat uns seinen ersten Tätigkeitsbericht vorgelegt. Insgesamt ist dies der 22. Bericht zum Datenschutz in Hamburg und er beweist: Es ist gut, dass wir einen senatsunabhängigen Datenschutzbeauftragten haben, der dem Senat einen Spiegel vorhält.
Der Tätigkeitsbericht zeigt uns deutlich, dass dem Thema Datenschutz eine wachsende Bedeutung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zukommt. Die persönlichen Daten der Bürgerinnen
und Bürger sind zu einem wirtschaftlichen Gut geworden. Das kann man bedauern und kritisieren, aber man muss dies zunächst einmal nüchtern feststellen, um dann einen angemessenen Schutz und Umgang mit diesen Daten zu organisieren.
Datenschutz ist längst nicht mehr nur eine Frage des Schutzes der persönlichen Daten vor dem Staat und seinen Behörden, sondern auch des Schutzes der Daten gegenüber der privaten Wirtschaft und sonstigen Dritten. Datenschutz ist Bürgerrechts- und Verbraucherrechtsschutz im besten Sinne. Ich begrüße daher ganz ausdrücklich – insofern stehe ich im Einklang mit meinem Vorredner – das Projekt "Meine Daten kriegt ihr nicht!", das vom Hamburgischen Datenschutzbeauftragten durchgeführt wird und in dem es darum geht, Schülerinnen und Schülern Datenschutzkompetenz zu vermitteln. Dass es notwendig ist, auch und gerade bei jungen Menschen diese Kompetenz zu fördern, steht für mich außer Frage, denn gerade die Selbstverständlichkeit, mit der junge Menschen die neuen Kommunikationswege des Internets und des Mobiltelefons benutzen, lässt sie sorglos – zu sorglos – mit ihren eigenen Daten umgehen.
Ich möchte auch das Engagement des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten und des Düsseldorfer Kreises im Hinblick auf Google Street View loben. Dass es gelungen ist, Google zu einer ganzen Reihe von wichtigen Zugeständnissen zu bewegen, ist ein Erfolg für den Datenschutz. Ich nenne als wichtige Punkte die Möglichkeit, Gesichter und Kfz-Kennzeichen verschleiern zu lassen, das Widerspruchsrecht für Mieter und Gebäudeeigentümer und vor allem das Löschen der entsprechenden Rohdaten.
Es ist aber die zentrale Aufgabe des Datenschutzbeauftragten, Missstände auf dem Gebiet des Datenschutzes aufzuzeigen. Und hier muss ich meine Vorredner kritisieren. Es hätte Ihnen gut angestanden, auch diese Missstände, die nach wie vor bestehen und die die in den Vorgängerberichten aufgezeigten Missstände sogar überragen, auch zu benennen.
Ich möchte einige dieser Missstände aufführen. Bereits der Vorbericht 2006/2007 kritisiert, dass es keine gesetzliche Verpflichtung für öffentliche Stellen gibt, einen eigenen Datenschutzbeauftragten zu bestellen. Trotz einer entsprechenden Anregung hat der Senat hier nicht gehandelt und das, obwohl es eine entsprechende Verpflichtung für die private Wirtschaft sehr wohl gibt. Bedeutende Fachbehörden und Bezirksämter haben weiterhin keinen eigenen Datenschutzbeauftragten und das ist blamabel.
Es ist nun endlich an der Zeit, dass der Senat hier tätig wird, zumal er sich dies selbst in seinem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt hat. Davon war jetzt kein Wort zu hören.
Ebenfalls bereits im letzten Bericht angesprochen ist die Übernahme des IuK-Netzes der Polizei durch Dataport. Noch immer sind die Bedenken des Datenschutzbeauftragten nicht vollständig von der Polizei ausgeräumt worden. Wir werden bei unseren noch anstehenden Beratungen im Unterausschuss Datenschutz darauf drängen, dass das Thema nun abschließend bearbeitet wird.
Der Bericht stellt fest, dass es noch immer an einer rechtlichen Grundlage für die Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen Räumen fehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits Anfang 2007 entschieden, dass es dafür einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage bedarf. In Hamburg ist aber nichts in dieser Richtung geschehen, weder unter dem alten CDU-Senat noch unter Schwarz-Grün. Das ist ein Skandal. Die VogelStrauß-Taktik des Senats muss jetzt ein Ende haben. Kommen Sie – das geht an den Senat – endlich zu Potte und legen Sie uns ein Gesetz vor, dass diesen hochsensiblen Bereich vernünftig regelt.
Die schon genannte Steigerung der Eingabenanzahl an den Datenschutzbeauftragten um 50 Prozent zeigt eine erhöhte Aufmerksamkeit für den Datenschutz. Es ist aber erschreckend, dass sich immer noch keine spürbare Verbesserung des Datenschutzes bei den anlassunabhängigen Betriebsüberprüfungen feststellen lässt. Keine dieser Überprüfungen verlief beanstandungsfrei. Hier besteht dringender Handlungs- und Aufklärungsbedarf.
Neu im Bericht und nunmehr den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich erweiternd ist der Bereich Informationsfreiheit. Der Bericht spricht davon, dass es notwendig sei, in Hamburg eine "informationsfreiheitsfreundliche Verwaltungskultur" zu etablieren, ein schönes Wortungetüm, mit dem der Bericht aber den Finger in die Wunde legt. Das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu den bei den Behörden vorgehaltenen Informationen muss etwas Selbstverständliches werden. Ziel ist eine transparente und im Ergebnis bessere Verwaltung. Dazu muss man freilich auch die Bürgerinnen und Bürger ermuntern, von diesem neuen Recht Gebrauch zu machen. Die immer noch geringen Fallzahlen zeigen uns, dass nur wenige von ihren neuen Rechten wissen. Es stünde dieser Stadt und ihrem Senat gut an, wenn sie sich durch
eine Kampagne für die Bekanntmachung des Rechts auf Informationsfreiheit einsetzte.
Ich freue mich auf die Beratung im Rechtsausschuss und im Unterausschuss Datenschutz und darf etwas spitz anmerken, dass ich es auch begrüßen würde, wenn eine gelegentlich festzustellende Zurückhaltung bei der Vereinbarung und Wahrnehmung von Sitzungsterminen aufgegeben würde. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heute zur Beratung vorliegenden Entwurf für ein Untersuchungshaftgesetz findet eine gut zwei Jahre dauernde Welle von Gesetzesvorhaben im Bereich des Strafvollzugs einen Abschluss. Wenn wir heute über das Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft beraten, so ist dies auch eine gute Gelegenheit, sich noch einmal vor Augen zu führen, was seit 2001 an Änderungen im Strafvollzug über uns hereingebrochen ist.
Da gab es die Abkehr vom Prinzip der Resozialisierung unter Roger Kusch oder die Umfunktionierung der Anstalt Billwerder von einer Anstalt des offenen Vollzugs in eine geschlossene Anstalt und dies alles bei gleichzeitiger Maximierung der Haftplätze in der Erwartung von steigenden Gefangenenzahlen. Es war eine so katastrophale Fehlentscheidung, dass sie noch dem heutigen Justizse
nator Dr. Steffen Kopfzerbrechen bei der Organisation und Planung des hamburgischen Vollzugs bereitet.
Da gab es den Hamburger Sonderweg mit einem eigenen Strafvollzugsgesetz, welches von uns, aber auch von der GAL wegen seiner rückwärtsgewandten und nur auf Repressionen setzenden Vollzugsgestaltung heftig kritisiert wurde.
Heute sind wir alle klüger. Manche waren es schon damals und wissen, dass all dies eine hanebüchene Law-and-order-Politik war, die an den Vollzugsrealitäten vorbeiging. Wir hatten bereits die Ehre, das von der CDU vorgelegte Strafvollzugsgesetz in diesem Hohen Hause einem angemessenen Ende, nämlich auf dem Gesetzesfriedhof, zuzuführen und das alles mit den Stimmen der CDU; wie bemerkenswert.
Es hat sich einiges geändert.
Hierzu ein Zitat:
"Tempora mutantur, nos et mutamur in illis."
Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen. Das ist der neue Wahlspruch der CDU in Sachen Vollzugspolitik. Wobei sich eigentlich nicht die Zeiten geändert haben, sondern nur der Senator, aber manchmal reicht das schon.
Der nun vorliegende Gesetzesentwurf entspricht in weiten Teilen dem, was meine Fraktion als richtig und angemessen für die Durchführung der Untersuchungshaft ansieht. Ich werte dies wiederum auch als Verdienst grüner Rechtspolitik, will aber durchaus hoffen, dass sich am Ende auch bei der CDU die Einsicht durchgesetzt hat, dass man einige Jahre lang falschen Propheten wie Schill und Kusch angehangen hat.
Wir haben uns mit unserem Änderungsantrag auf einige wenige Punkte beschränkt, so hatten wir es auch im Rechtsausschuss angekündigt. Dass wir ihn damals noch nicht vorgelegt hatten, lag daran, dass es wieder im Schweinsgalopp behandelt wurde. Aber wir haben angekündigt, dass wir einen Änderungsantrag vorlegen würden, hier ist er nun.
Ausgangspunkt bei unserer Bewertung des Gesetzesentwurfs war der Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung, der uns allen aus dem Strafrecht bekannt ist, der aber gerade für den Vollzug der Untersuchungshaft zentrale Bedeutung hat. Er bedeutet nichts anderes, als dass alle vollzuglichen Maßnahmen daran gemessen werden müs
sen, ob sie einem Unschuldigen gegenüber – als solches sind die Untersuchungshaftgefangenen zu betrachten und zu behandeln – nach dem Zweck der Untersuchungshaft gerechtfertigt sind. Dieser Grundsatz ist in Paragraf 4 des Gesetzesentwurfs richtig erfasst und geregelt. Allerdings sind wir der Auffassung, dass er an manchen Stellen nicht konsequent eingehalten wird. So sind wir der Meinung, dass nicht jede mögliche Störung der Ordnung der Anstalt schon dazu führen darf, dass Schreiben der Gefangenen angehalten werden. Nur eine schwerwiegende Störung der Ordnung der Anstalt kann eine solche Maßnahme rechtfertigen.
Die Überwachung des Schriftwechsels soll ohnehin auch nur zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt erfolgen, sodass nicht einzusehen ist, warum hier unterschiedliche Voraussetzungen geschaffen werden sollen. Das ist für uns nach wie vor ein systematischer Bruch, den auch der Senat in seiner Anhörung nicht ausräumen konnte. Wir wollen, dass besondere Sicherungsmaßnahmen – dazu gehören Maßnahmen wie die Absonderung oder die Fesselung eines Gefangenen – grundsätzlich nur durch ein Gericht angeordnet werden können. Natürlich muss es bei Gefahr im Verzug auch die Möglichkeit geben, dass die Anstaltsleitung entsprechende Maßnahmen ergreift. Aber auch dann ist es erforderlich, dass unverzüglich eine richterliche Entscheidung nachgeholt wird. Eine solche Regelung, wie wir sie vorgeschlagen haben, entspricht der bewährten Systematik der Strafprozessordnung, die sich als überaus praxistauglich erwiesen hat. Auch die bisherige Praxis in der Untersuchungshaft zeigt, dass die Anordnungsbefugnis bei den Gerichten gut aufgehoben ist.
Auch für den Bereich der Disziplinarmaßnahmen soll die Anordnungsbefugnis beim zuständigen Gericht liegen. Die Disziplinarmaßnahme ist eine Strafmaßnahme, die gegenüber einem als unschuldig geltenden Gefangenen nicht durch die Anstaltsleitung, sondern nur durch das Gericht verhängt werden kann.
Schlussendlich fehlt es in dem Entwurf auch an Vorschriften zur kriminologischen Begleitforschung. Entsprechende Regelungen sind im Strafvollzugsgesetz bereits enthalten und müssen auch in einem Gesetz über die Untersuchungshaft enthalten sein. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mehr als die Hälfte aller Gesetze, die von den nationalen Parlamenten beschlossen werden, werden inzwischen von der Europäischen Union vorgegeben. Beim Wirtschaftsrecht sind es sogar vier Fünftel. Vor diesem Hintergrund muss uns das Thema der Subsidiarität interessieren. Der Grundsatz der Subsidiarität, der, das wurde hier schon gesagt, mit dem Vertrag von Maastricht eingeführt wurde, ist einer der Grundpfeiler einer föderalen und bürgernahen Politik in der Europäischen Union. So schwer dieser Grundsatz im Einzelfall anzuwenden ist, beinhaltet er im Kern eine einfache, ja schlichte Regelung. Jede gesetzgeberische Entscheidung soll so weit wie möglich auf der bürgernahesten Ebene entschieden werden. Das ist in der Freien und Hansestadt Hamburg die Bürgerschaft.
Der Vertrag von Lissabon enthält eine neue Definition des Subsidiaritätsprinzips – ich will sie Ihnen doch geben – und danach wird die Union nur noch in den Bereichen tätig, die nicht ihrer ausschließlichen Zuständigkeit unterliegen, sofern und soweit die damit verfolgten Ziele von den Mitgliedsstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr auf Unionsebene besser zu ver
wirklichen sind. Das ist ziemlich kompliziert, aber das ist so.
Hieraus wird bereits deutlich, dass die Anwendung dieser Gedanken auf den Einzelfall notwendigerweise eine Mitwirkung und Meinungsbildung der betroffenen Parlamente voraussetzt. Diese Beteiligung kann aber nur funktionieren, wenn die jeweiligen Parlamente rechtzeitig informiert sind.
Meine Fraktion hat bereits in der vorletzten Wahlperiode, nämlich im August 2002, einen Entwurf zur Änderung der hamburgischen Verfassung eingebracht, der die Anwendung und Handhabung des Subsidiaritätsprinzips entscheidend verbessern sollte. Wir hatten vorgeschlagen, nach dem Vorbild der entsprechenden Regelung in der baden-württembergischen Verfassung den Senat dazu zu verpflichten, die Bürgerschaft über Gesetzesvorhaben, welche die Gesetzgebungszuständigkeit Hamburgs wesentlich berühren, zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu informieren und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die in Artikel 31 der hamburgischen Verfassung bereits enthaltene Unterrichtungspflicht des Senats sollte auf diese Weise konkretisiert werden und die Rolle der Bürgerschaft wäre gestärkt worden.
Der Zeitpunkt der Information, nämlich frühestmöglich, spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn schon die Ausgestaltung unseres Landesparlaments als sogenanntes Teilzeitparlament bedeutet angesichts der komplexen Regelungsmaterie der Gesetzesvorhaben eine erhebliche Herausforderung bei der Bewältigung der anfallenden Arbeiten.
Unser damaliger Antrag ist von der Schwarz-Schill-Mehrheit nach kurzer Debatte in der Bürgerschaft abgelehnt worden. Man hat es noch nicht einmal als notwendig angesehen, den Antrag im Europaausschuss weiter zu beraten. Es komme nicht auf eine schön formulierte Unterrichtungspflicht an, sondern immer auf den Willen des Senats, dieser Pflicht auch nachzukommen, ist vonseiten der CDU in der Debatte gesagt worden. Wie wahr! Offenbar hat die heutige Regierungskoalition erkannt, dass man auf die Freiwilligkeit des Senats nicht unbedingt vertrauen kann.
Aber wie kleinmütig kommt der Antrag in der Drucksache 19/4405 daher. Der Senat wird gebeten, er möge der Bürgerschaft doch bitte sagen, wie sie am besten ihre Rechte aus dem Subsidiaritätskontrollmechanismus ausüben könne. Dabei hatte der Senat im Europaausschuss im April 2009 erklärt, er habe noch keine Vorstellung, hatte aber etwas zynisch, wenngleich in der Sache nicht ganz falsch, den Rat gegeben, auch die Bürgerschaft könne initiativ werden. Ich weiß nicht, meine Damen und Herren von CDU und GAL, ob Sie einfach nur zu feige waren, unseren alten Antrag noch einmal herauszuholen, oder ob irgendeine höhere Erkenntnis hinter Ihrem Antrag steht. Ich habe eher den Eindruck, dass auf Ihrer Seite nicht die Bereit
schaft besteht, sich mit diesem Thema einmal ausführlich und angemessen zu beschäftigen, zum Beispiel in Form einer Expertenanhörung, wie es die SPD in der Julisitzung des Europaausschusses gefordert hatte.
Wir müssen insbesondere über eine Zuspitzung und Schärfung der Informationspflicht des Senats in Artikel 31 der hamburgischen Verfassung sprechen. Weitere Regelungen und Abkommen mit anderen Bundesländern könnten herangezogen werden. Eine solche Initiative muss aber von der Bürgerschaft selbst als dem zu informierenden Organ ausgehen und kann uns doch nicht vom Senat als auskunfterteilendem Organ mundgerecht vorgelegt werden. Der Europaausschuss ist der richtige Ort, eine Diskussion zwischen den Fraktionen und mit dem Senat zu führen, um dann einen gemeinsamen Weg zu finden, wie und wann die Bürgerschaft zu informieren ist.
Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen haben im Übrigen bereits gezeigt, dass die Informationsverfahren einen erheblichen personellen Aufwand nach sich ziehen. Das bedeutet, die personelle und sachliche Ausstattung muss entsprechend angepasst werden. Das kostet Geld, das sollte allen klar sein. Indes ist dieses Geld gut angelegt. Die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips ist wesentlich, will man die Europäische Union nah an den Menschen halten und den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass die EU kein Bürokratiemonstrum ist, auf dessen Entscheidungen sie keinen Einfluss haben.
Frau Machaczek, seien Sie unbesorgt, uns geht es gewiss nicht darum, einer Bürokratisierung das Wort zu reden oder Nörgeleien zu fördern. Ich erinnere aber einmal daran, dass das Bundesland Bayern bestrebt war, eine Regionalisierung dieses Themas herbeizuführen. Das ist aber gottlob von den großen Fraktionen verhindert worden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!
"… Ihr lasst den Armen schuldig werden, Dann überlasst ihr ihn der Pein; …"
Dieses Zitat aus Goethes "Wilhelm Meister" war für lange Zeit eine passende Beschreibung der sozialen Umstände in Deutschland und auch des Strafvollzugs, wie er üblich war. Mit dem Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 leitete die sozialdemokratische Regierung unter Helmut Schmidt eine Zeitenwende im Vollzug ein. Dieses Gesetz galt seinerzeit als wegweisend, modern und human. Und auch heute noch sind sich die Experten einig, dass dieses Gesetz alles enthält, was die moderne Vollzugsforschung als notwendig und wünschenswert ansieht. Sicher ist es wie jede Regelung, die mehr als 30 Jahre auf dem Buckel hat, an der einen oder anderen Stelle ergänzungsbedürftig, sicher gibt es Anpassungsbedarf an moderne Gege
benheiten. Dass aber das ganze Gesetz an sich in Frage zu stellen wäre oder wir dringend neue Regeln für den Strafvollzug bräuchten, hat niemand je behauptet, der sich mit dem Thema sachlich und ernsthaft beschäftigt hat.
Im Rahmen der Föderalismusreform ist ein schwerer Fehler begangen worden, als man leichtfertig die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder übertrug.
Damit war den Justizministern und Senatoren der Länder unverhofft ein Spielball in die Hände gefallen, an dem sich insbesondere der damalige hamburgische Justizsenator Dr. Roger Kusch mit Freude abarbeitete. Er hat diese Chance gierig ergriffen und sein Nachfolger im Amt, Carsten Lüdemann, hatte leider nicht den Willen oder die Kraft, vom dem Weg des "Zurück zum Verwahr- und Wegsperrvollzug" abzuweichen.
Es bedurfte da – die Antwort kommt jetzt – erst einen grünen Senators, um Kuschs schlimmste Exzesse wieder einzufangen. Dafür, Herr Senator Dr. Steffen, zolle ich Ihnen Respekt.
Auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt, und es mehr als einige unbedeutende Punkte gibt, an denen auch Ihr Gesetz verbesserungsfähig und sogar verbesserungsbedürftig ist. Ich verweise insofern auf unseren Zusatzantrag.
Meine Damen und Herren! Der Strafvollzug in Hamburg ist nun gesetzlich wieder vom Abstellgleis herunter und befindet sich wieder auf der richtigen Schiene. Sie sollten aber nicht den Eindruck zu erwecken versuchen, als seien das Ihre Erfindungen und Ergebnisse schwarz-grüner Innovation.
Es sind Experten, Auffassungen und Darstellungen von eh und je, auf die Sie sich hier stützen konnten, und in den Grundlinien war es auch immer die Position der SPD.
Andere Entscheidungen schwarzer Justizsenatoren wirken aber weiter fort und stellen uns alle vor große Herausforderungen. Der Kardinalfehler war und ist, Sie alle wissen es nicht erst seit der heutigen Debatte sehr genau, die Umfunktionierung des Anstaltsneubaus in Billwerder vom offenen zum geschlossenen Vollzug und die damit einhergehende maßlose Erhöhung der Zahl der Haftplätze.
Man hat aber wohl damals bei der CDU gedacht, dass alle Hamburger Gerichte auf den neuen Lawand-order-Kurs, wie er von Kusch und Konsorten propagiert wurde, einschwenken würden und sich alsbald die Haftanstalten mit Langstraflern und Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, füllen würden. Da haben die Hamburger Richterinnen und Richter ihnen allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht, denn sie haben sich nicht zu Erfüllungsgehilfen eines neuen Sicherheitswahns machen lassen.
Tatsache ist, dass inzwischen weniger Freiheitsstrafen verhängt werden und die Gefangenenzahlen gesunken sind und wohl auch in absehbarer Zeit nicht wieder steigen werden. Auf diese neue Situation müssen Sie reagieren. Und ich bin gespannt, wie sich diese Koalition zu einer gemeinsamen Politik durchringen will. Sie werden nicht auf ewig Ihrem Justizsenator einen Maulkorb im Rechtsausschuss verpassen können, Herr Müller. Wir erwarten von Ihrem Senator ein Konzept und einen Plan, wie Billwerder künftig genutzt werden soll, was aus Anstalt 1 in Fuhlsbüttel wird und was er mit Glasmoor machen will. Das heißt, Sie müssen mit der sauberen Kanzleiarbeit an Gesetzen und Vorschriften aufhören und dazu übergehen, die schweißtreibende Arbeit in der Vollzugspraxis auf einen richtigen Weg zu bringen. Denn sieben Jahre CDU-Vollzugspolitik haben nicht nur ihre Spuren an den gesetzlichen Vorschriften hinterlassen, sondern auch die Praxis im Vollzug um 180 Grad gewendet. Und auch wenn sich alle einig waren, dass das alte gute Strafvollzugsgesetz nie so gelebt wurde, wie es gemeint war, was die CDU daraus gemacht hat, war volle Kraft zurück ins 19. Jahrhundert.
Zwischen der gesetzlichen Theorie und der Vollzugspraxis klaffte stets eine Lücke. Das ist auch weiter so. Die Realitäten in vielen Anstalten leisten nicht der Resozialisierung, sondern eher der Subkultur Vorschub. Strafvollzugspolitik muss an dieser Stelle einsetzen und dafür sorgen, dass Realität und gesetzliche Vorgaben endlich übereinstimmen. Die Idee des liberalen Vollzugs verschwand unter Kusch in den Nebeln der Bucht von Billwerder. Nun sehen wir unter Steffen ein Schiff aus dem Nebel auftauchen.
Lassen Sie uns hoffen, dass dieses Schiff nicht auf Grund läuft und es keine Meuterei gegen den Kapitän gibt, bevor man einen sicheren Hafen erreicht. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat, wenn auch spät, aber doch immerhin jetzt einen Gesetzesentwurf beschlossen, der sich mit den Auswüchsen des Datenmissbrauchs befasst. Ich will die Einzelheiten nicht darlegen, Sie haben das in den Zeitungen gelesen. Es sind richtige Anfänge, das Listenprinzip ist aufgegeben, stattdessen wurde das Permission Marketing eingeführt. Aber reicht das aus? Zweifel sind angebracht. Aber es ist ein anderer wichtiger Punkt ins Blickfeld gerückt. Gesetzgeberische Maßnahmen helfen allein nicht weiter, wenn die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen nicht ausreichend kontrolliert wird und Verstöße nicht sanktioniert werden.
Ich komme auf die Hamburger Situation zu sprechen. Derzeit können die Aufgaben der Hamburger Aufsichtsbehörde nach Paragraf 38 des Bundesdatenschutzgesetzes, die dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten vom Senat übertragen wurden,
nur unzureichend …
Ich beginne mit diesem Absatz noch einmal. Herr Kerstan, Sie gestatten das und rügen nicht die Zeitüberschreitung, danke.
Derzeit können die Aufgaben der Hamburger Aufsichtsbehörde nach Paragraf 38 des Bundesdatenschutzgesetzes, die dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten übertragen worden sind, nur unzureichend erfüllt werden, zumal dem Datenschutzbeauftragten im Zeitraum 2004/2005 eine Einsparverpflichtung von 100 000 Euro auferlegt worden war. Für die Bearbeitung und Verfolgung
datenschutzrechtlicher Verstöße durch Hamburger Unternehmen stehen daher in der Aufsichtsbehörde lediglich drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung. Hier ist eine Stärkung der Kontrollkompetenz dringend erforderlich. Denn gerade in Hamburg gibt es viele Unternehmen, die Daten verarbeiten, nutzen und auch potenziell missbrauchen können. Wir brauchen anlassfreie, nicht nur anlassbezogene, Prüfungen durch die Aufsichtsbehörde. Diese können aber entgegen der ursprünglichen Zielsetzung nur noch in geringem Umfang durchgeführt werden. Beratungsanfragen von nicht öffentlichen Stellen müssen entweder abgelehnt werden oder können allenfalls erfüllt werden, wenn damit ein geringer zeitlicher Aufwand verbunden ist.
Das heißt, dass die Datenschutzaufsichtsbehörde, das Amt des Datenschutzbeauftragten, personell und finanziell in die Lage versetzt werden muss, die Beratungs- und Kontrollaufgaben umfassend und effektiv auszuüben. Es ist eine Personalverstärkung erforderlich, der Datenschutzbeauftragte spricht von zwei A13- oder A14-Stellen. Er hat zwar zwei Stellen bekommen, aber diese sind auf dem Gebiet des Informationsfreiheitsgesetzes tätig. Das heißt, wir haben einen konkreten Bedarf und eine ganz wichtige Aufgabe, die wir unterstützen müssen durch personelle und finanzielle Verstärkung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Ich habe die Aktuelle Stunde so begriffen, dass nicht alle Redner alles, was bereits bekannt ist und Bundesangelegenheit ist, wiederholen müssen.
Ich meine, dass dieses Haus einen Anspruch darauf hat zu erfahren, was die Änderungen dieses Gesetzes oder auch das schon vorhandene Recht für Hamburg bedeutet und wie die Aufgaben des Datenschutzes hier wahrgenommen werden müssen.
Da stelle ich ein Defizit fest. Ich bin sehr im Zweifel, ob das, was Senator Steffen ausgeführt hat, ausreicht, um die Kontroll- und Überwachungsaufgaben, die keiner bestreitet, wirklich ausführen zu können. Wir werden das beobachten. Ich will nicht um jeden Preis recht haben, aber ich glaube, dass die Forderung, zwei Beamte aufzustocken, vernünftig ist. Liebe Frau Spethmann, die zwei Stellen, die der Datenschutzbeauftragte bekommen hat – das hatte ich gesagt, aber Sie hatten nicht hingehört aus Wut, dass ich schon dran war –, hat er bekommen, um die Belange des Informationsfreiheitsgesetzes, das wir demnächst beschließen
sollen, zu bearbeiten. Ich denke, wir sollten die Augen darauf richten, was zu tun ist, gerade hier in Hamburg, und das, was in Berlin passieren muss, beachten, aber hierfür haben wir ja unsere tüchtigen Bundestagsabgeordneten, die das tun. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es stimmt, dass sich die Hamburgische Bürgerschaft und der Europaausschuss in der letzten Wahlperiode eingehend und intensiv mit dem Komplex der sogenannten Laogai-Lager in China befasst haben. Wir haben es schon von
meinem Vorredner gehört, deswegen kann ich mich kürzer fassen.
Ich muss aber eingangs noch einmal sagen, dass ich es nicht in Ordnung finde, dass der zuständige Staatsrat auch heute wieder, wie schon bei der früheren Debatte, nicht anwesend ist bei diesem insgesamt auch für Hamburg sehr bedeutsamen Thema.
In diesen Lagern werden – man muss sich dies immer wieder bewusst machen – Millionen von Menschen ohne Gerichtsverfahren gefangen gehalten und einer sogenannten Umerziehung durch Arbeit unterzogen. Eine solche Überschrift ist uns aus eigenen, unrühmlichen Zusammenhängen bekannt; wir müssen nicht auf Gulag zurückgreifen.
Nach den glaubhaften Berichten von Nicht-Regierungsorganisationen und ehemaligen Häftlingen werden die Gefangenen in diesen Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Bereits seit 1992 haben die USA mit der chinesischen Regierung ein Abkommen geschlossen, das den Import von Laogai-Produkten in die USA untersagt. Eine vergleichbare Regelung fehlt leider im europäischen Bereich. Zwar hat der Generalkonsul der Volksrepublik China bei seinem Besuch im Europaausschuss der Bürgerschaft versichert, dass seit 1991 bereits per Verordnung der chinesischen Regierung der Export entsprechender Güter verboten sei, aber es muss weiterhin als gesichert gelten, dass Laogai-Produkte nach Weiterverarbeitung außerhalb der Lager oder über Zwischenhändler nach Europa gelangen. Im Übrigen kann es auch nicht wirklich beruhigen, dass nur der Export unterbunden wird, nicht aber die menschenunwürdige Produktion und der Konsum der Produkte in China selbst.
Die GAL hatte – das muss gelobt werden – hierzu in der vergangenen Wahlperiode durch ihren damaligen Abgeordneten Sarrazin einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, der den Senat und die Freie und Hansestadt Hamburg aufforderte, in seinen Vergabebedingungen sicherzustellen, dass keine Laogai-Produkte mehr bezogen werden. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an die Debatte zu diesem Thema im Plenum. Es sei noch einmal daran erinnert, dass die CDU-Fraktion mit ihrer damaligen Mehrheit diesen Antrag des Abgeordneten Sarrazin gegen die Stimmen meiner Fraktion und der GAL abschmetterte. Der CDU-Abgeordnete Beuß diffamierte diesen Antrag damals als Heldentum nach Ladenschluss, der GAL-Abgeordnete Farid Müller bezeichnete die CDU-Abgeordneten daraufhin als Feiglinge.
Immerhin kam auf einstimmige Empfehlung des Europaausschusses eine mildere Fassung des Ersuchens zustande, das der Senat heute beantwortet.
Keine zehn Monate später diskutieren wir erneut dieses Thema und siehe da, aus der CDU-Mehrheit ist eine Minderheit geworden, aus tief schwarz wurde Schwarz-Grün. Auch wenn einige der handelnden Personen nicht mehr diesem Hause angehören, sollte sich an der grundsätzlichen Meinung der Fraktion doch nichts geändert haben.
Der Mitteilung des Senats entnehme ich allerdings, dass man sich hinsichtlich der zukünftigen Vergabebedingungen nun doch entschlossen hat, eine Regelung zur Einhaltung der vier Kernarbeitsnormen der ILO, der International Labour Organization, aufzunehmen. Diesen Meinungswandel begrüßen wir außerordentlich, auch wenn ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, wie sich in zehn Monaten eine angeblich aus rechtlichen Erwägungen getroffene Entscheidung derart ändern kann.
Wir fordern den neuen Senat auf, gemeinsam mit den Fraktionen der Bürgerschaft den Weg einer kritischen Auseinandersetzung mit dem System der Laogai-Lager fortzusetzen. Mit der Stellungnahme des Senats kann und darf dieser Prozess nicht abgeschlossen sein. So kann sich der Senat nach unserer Auffassung nicht damit zufrieden geben, dass die hamburgische Partnerstadt Shanghai zwar die Zahl der Laogai-Lager in ihrem Gebiet auf Nachfrage benennt, aber nicht bereit ist, auch die Zahl der dort Inhaftierten zu nennen. Die Zahlen, die dem Europaausschuss durch den Generalkonsul der Volksrepublik China genannt wurden, nämlich 300 Lager mit 300 000 Inhaftierten für ganz China, können jedenfalls nicht zutreffend sein.
Die Laogai-Lager sind ein Sinnbild für den trostlosen Zustand der Menschenrechte in China. Um die Menschenrechte ist es aber leider nicht nur in den Laogai-Lagern schlecht bestellt, sondern auch außerhalb der Lager sind in vielen Betrieben Chinas die Arbeitsbedingungen menschenunwürdig. Die Hoffnung, die sich seit Jahren an den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu dem bevölkerungsreichsten Land der Erde knüpfen, dass sich die Einhaltung der Menschenrechte durch steigenden Wohlstand verbessern werde, hat sich noch nicht erfüllt. Der mit China geführte Dialog über die Menschenrechte wird von mancher Seite eher als ein Monolog des Westens wahrgenommen. Daher ist es wichtig, dass wir in der neuen Wahlperiode das Thema der Laogai-Lager erneut aufgreifen, denn verbessert hat sich in diesem System nichts.
In diesen Tagen werben die stadteigenen Unternehmen HWF, also Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und HMG, Hamburg Marketing GmbH, in Shanghai um die Ansiedlung chine
sischer Firmen in Hamburg. Wir möchten doch sehr hoffen, dass der Senat und die ihm unterstellten beiden Unternehmen sich auch des Themas der Laogai-Lager bei dieser Gelegenheit annehmen und ihre Geschäftspartner hierfür sensibilisieren und Geschäftsabschlüsse davon abhängig machen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Waldowsky.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat:
"Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein."
So lautet der erste Satz der Präambel der hamburgischen Verfassung.
Bürgermeister Dr. Henning Voscherau sagte 1997 ergänzend:
"Einen wichtigen Teil dieser Aufgabe stellen neben Hamburgs weltweiten Beziehungen als Zentrum der deutschen Außenwirtschaft und als Welthafen seine Partnerschaften mit derzeit sieben Städten dar.
Für Hamburg und seine Bürgerinnen und Bürger bedeuten diese Partnerschaften Pflege der menschlichen Kontakte, kultureller und wirtschaftlicher Austausch und humanitäre Unterstützung, wenn die Freunde in Not sind."
Meine Damen und Herren! Wir haben heute Gelegenheit, uns mit zwei Partnerschaften zu befassen, nämlich der ältesten, St. Petersburg, und der neuesten, Daressalam. St. Petersburg ist Hamburgs älteste Partnerstadt. Im vergangenen Jahr feierten wir das fünfzigste Jubiläum. Begonnen hat alles im Jahre 1957 auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, als der Hamburger Bürgermeister Dr. Sieveking per Handschlag mit der Stadtregierung von Leningrad – so hieß das damals noch – die Partnerschaft vereinbarte. 1975 vereinbarte Bürgermeister Hans-Ulrich Klose ein Zehn-PunkteProgramm mit Leningrad. Im Zentrum standen Tourismus und Jugendaustausch. Es gab Kooperationen auf dem Gebiet der Kunst, der Wissenschaft und des Umweltschutzes, viele Schulpartnerschaften wurden entwickelt. Seit 2005 – das ist schon erwähnt worden – vertritt das Hanse-Office in St. Petersburg die Interessen Hamburgs und Schleswig-Holsteins.
Die Hamburger Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen der Gesetzgebenden Versammlung von St. Petersburg und der Hamburgischen Bürgerschaft im Jahre 1996 wurde erneuert und weiterentwickelt durch die St. Petersburger Vereinbarung vom 3. Oktober 2007.
Wenn heute der Senat der Bürgerschaft eine Regierungsvereinbarung über die Zusammenarbeit beider Städte vorlegt, so geschieht das in der Tradition einer fünfzigjährigen parteiübergreifenden – darauf werde ich Wert legen müssen – Freundschaft zu St. Petersburg. Auf Einzelheiten der Ver
einbarung will ich hier nicht eingehen, nur auf Folgendes.
Freunde geben sich nicht nur Streicheleinheiten, sondern sind auch berechtigt und verpflichtet, auf Missstände hinzuweisen. So war es auch immer ein Hamburger Anliegen, Demokratiedefizite etwa bei den Wahlen aufzuzeigen, auf die Einhaltung der Menschenrechte zu pochen und die Rolle der Zivilgesellschaft anzumahnen. Alles in allem dürfen wir feststellen, dass die Städtepartnerschaft die Erwartungen, die man bei ihrer Schaffung hatte, mehr als erfüllt hat, dass es aber richtig und geboten ist, sie weiter zu entwickeln.
Die Beziehungen zu Daressalam, der Hafenstadt in Tansania an der Ostküste Afrikas, sind jung. Sie haben sich auch noch nicht zu einer echten Städtepartnerschaft verdichtet, befinden sich aber auf dem Weg dahin. Jedenfalls wünscht die SPD, dass diese Beziehung die Qualität einer Städtepartnerschaft erhält.
In dieser Beziehung realisiert sich die Verpflichtung aus der eingangs erwähnten Präambel der hamburgischen Verfassung. Die Verbindung liegt schon auf der Hand angesichts der historischen Vergangenheit, als Tansania vorübergehend Deutsch-Ostafrika war. Es ist auch ein Gebot, die Schieflastigkeit der geografischen Befindlichkeit der Partnerstädte zu bereinigen, denn Afrika war bisher nicht in der Reihe der Partnerstädte Hamburgs vertreten. Selbstverständlich passt auch die Hafenstadt Daressalam gut in diese Reihe.
Im großen Zusammenhang ist es aber wichtig, dass eine Stadt wie Hamburg eine exekutive, parlamentarische, wirtschaftliche und kulturelle Bindung zu den Städten und Ländern in Afrika herstellt. Ich erinnere daran, dass die von Armut und Hunger geprägte Lage der Völker und Länder auf diesem Kontinent, insbesondere der Gebiete südlich der Sahara, in den Siebzigerjahren vielfältige Initiativen hervorrief, um den Menschen dort zu helfen. Ich erwähne hier die maßgeblichen Beiträge unter anderem unseres früheren Bundeskanzlers Willy Brandt und des mit ihm befreundeten tansanischen Präsidenten Nyerere durch den von ihnen eingeleiteten Nord-Süd-Dialog. Es war deshalb richtig, dass die Bürgerschaft Anfang 2006 und Ende 2007 den Senat ersuchte zu prüfen, die entwicklungspolitischen Beziehungen zu afrikanischen Großstädten, insbesondere in Tansania, zu vertiefen. In seiner Stellungnahme berichtet der Senat über die Umsetzung beziehungsweise die noch notwendigen Schritte. In der Tat steht hier alles noch am Anfang, wie uns eine Delegation aus Daressalam, an ihrer Spitze übrigens die Tochter des großen Präsidenten Nyerere, vor wenigen Tagen berichtete. Wir haben dabei auch gehört, wie viel Hoffnung in uns, das heißt in die Stadt Hamburg und ihre Bürgerinnen und Bürger, gesetzt
wird einschließlich der Erwartung, unseren Einfluss in Brüssel geltend zu machen.
Am Wichtigsten erscheint mir aber, dass wir eine Brücke gebaut haben in den fast vergessenen Erdteil Afrika, der unsere Hilfe bitter nötig hat. Die SPD unterstützt dieses aus vollem Herzen.