Protocol of the Session on November 4, 2009

(Jens Kerstan GAL: Ja, stimmt doch!)

"Das ist nicht verantwortungslos,"

so Herr Kerstan,

"sondern dafür sind Rücklagen da. Es ist auch richtig, dass wir sie jetzt auflösen."

Mit diesen Worten haben Sie und Ihr Finanzsenator Ihr Defizit schöngeredet, das mit der Krise gar nichts zu tun hatte. Jetzt wollen Sie davon nichts mehr wissen, Herr Kerstan, jetzt wollen Sie im Doppelhaushalt gleich 1300 Millionen Euro unnötige Schulden mehr machen und damit verstoßen Sie nicht nur gegen den Haushaltsbeschluss, sondern auch gegen die Landeshaushaltsordnung.

(Beifall bei der SPD)

Die Kreditaufnahme überschreitet deutlich die Grenze der Summe der Investitionen. Sie nutzen diese Kredite aber gar nicht zur Abwehr der eindeutig vorliegenden Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Diese Störung liegt vor, aber die Landeshaushaltsordnung schreibt zwingend vor, dass man in einem solchen Fall die Mittel auch einsetzt zur Abwehr dieser Störung. Aber Sie nutzen das Geld nicht, um dies zu tun, sondern Sie nutzen es, um definitiv beschlossene Haushaltspositionen rückgängig zu machen und als Wahlkampfkasse zur Seite zu schaffen. Genau das ist nicht das Ziel von Paragraf 18 der Landeshaushaltsordnung und deshalb ist die Drucksache 19/ 3921 nicht nur finanzpolitisch, sondern auch haushaltsrechtlich unzulässig.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es um Milliarden Euro neue Schulden geht, für die die Steuerzahler aufkommen müssen, dann ist jeder Euro genau zu begründen. Ob der neue Schuldenberg in den kommenden Jahren benötigt wird, um die finanziellen Folgen der Krise auszugleichen, ist völlig unklar. Das einzige, was sicher ist, Herr Kerstan, ist, dass die jetzt auf Vorrat aufgenommenen Kredite spätestens im Vorwahljahr 2011 von Ihnen ausgegeben werden, und zwar nicht zur Finanzierung von Steuerausfällen, sondern für schwarz-grüne Kompromisse oder einfach nur für weiteres Missmanagement oder für mangelnde Konsolidierung.

Meine Damen und Herren von CDU und GAL, es ist schlimm genug, dass wir in der jetzigen Situation die Steuerausfälle in vollem Umfang durch neue Schulden ausgleichen müssen, weil Sie in Ihrem defizitären Haushalt keinen Cent mehr Reserven haben. Aber darüber hinausgehende Schulden aus politisch durchsichtigen Gründen zu machen, ist eine Zumutung für die Steuerzahler, denn 1,3 Milliarden Euro unnötige Schulden kosten allein für ein Jahr 55 bis 60 Millionen Euro zusätzliche Zinsen. Sie missbrauchen die Krise, um Ihre alten Defizite auszugleichen und eine verdeckte Wahlkampfkasse zu schaffen. Das ist finanzpolitisch verantwor

tungslos und angesichts einer Rekordneuverschuldung über die Investitionssumme hinaus nach der Landeshaushaltsordnung unzulässig.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Heintze.

Herr Tschentscher, ich bin überrascht. Wir haben eine Wirtschaftslage, wie wir sie noch nie hatten, und wir versuchen als schwarz-grüne Landesregierung, als Abgeordnete, die sie tragen, darauf zu reagieren. Und Sie haben nichts anderes zu tun, als über schwarz-grüne Wahlkampfkassen zu fabulieren und zu behaupten, Sie hätten diese Milliardensteuerausfälle vorausgesagt, das sei doch alles sichtbar gewesen und im Übrigen seien die Behördenpressesprecher schuld daran.

(Beifall bei der CDU und Linda Heitmann GAL)

Herr Tschentscher, das ist unseriös, das ist platt und ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich auf einen anderen Aufschlag von Ihnen vorbereitet hatte. Den sollten wir wegen der Seriosität dennoch tun, denn in der Tat ist das, was wir hier tun, erklärungsbedürftig, da haben Sie zweifellos recht. Es ist ein Weg, den es so in der Geschichte der Hamburger Haushaltspolitik noch nicht gegeben hat. Aber er hat seinen Sinn, er folgt der Logik der schwarz-grünen Haushaltspolitik und ist aus unserer Sicht der einzige Weg, den wir in dieser Phase sinnhaft gehen können.

(Ingo Egloff SPD: Das ist aber auch die ein- zige Logik!)

Lassen Sie mich eines vorwegnehmen: Kritik, ohne ein eigenes Konzept zu haben, wie wir denn mit der Finanzkrise dieser Stadt umgehen, das ist zu einfach. Sie fabulieren ganz allgemein, wir versenken das Geld im allgemeinen Haushalt oder wir machen das irgendwo im Betriebshaushalt mit den Rücklagen, die so reichhaltig seien, dass sie 6 Milliarden Euro auf Sicht ersetzen könnten. Das ist zu einfach und da hätte ich mir von einer Partei wie der SPD einen deutlich strukturierteren Vorschlag gewünscht, wie Sie mit der finanziellen Situation dieser Stadt umgehen wollen; das ist schwach.

(Beifall bei der CDU)

Schwierig wird es, wenn die Kritik dann auch noch falsch ist. Wir haben es mit dem höchsten Einbruch des Bruttoinlandsprodukts, in 2009 um 5 Prozent, zu tun, den wir jemals hatten. Ganz Europa, so auch Hamburg, versucht sich in der Folgenabwehr der schwersten Finanzkrise seit den Zwanzigerjahren. Es werden überall Rekordschulden gemacht, so auch in Hamburg. 6 Milliarden Euro Steuerausfälle bis 2013, das sind

(Dr. Peter Tschentscher)

die Eckdaten, in denen wir uns bewegen und für die wir versuchen, eine Lösung zu finden, eine Lösung, die der Stadt hilft und nicht Ihrem Wahlkampfgetöse und der Wahl, auf die Sie abzielen und wo Sie jetzt schon punkten möchten, indem Sie uns Wahlkampfkassen vorwerfen. Hätten wir 6 Milliarden Euro in der Wahlkampfkasse, wären wir gut. Das Problem ist aber, dass wir bis 2013 6 Milliarden Euro neue Schulden haben und hier sind Sie auf dem Holzweg, wenn Sie meinen, das mit Ihrer Akrobatik, die Sie hier vorgeführt haben, lösen zu können.

Was ist das Ziel Ihrer Vorgehensweise? Wir wollen in Hamburg haushaltspolitisch Kurs halten. Das bedeutet für uns, wir müssen die Arbeitsplätze absichern. Rettungsmaßnahmen für Hapag-Lloyd sind hier im Hause einvernehmlich anerkannt und unverzichtbar.

Des Weiteren müssen wir Impulse durch Investitionen setzen. Wir haben ein eigenes Konjunkturprogramm aufgelegt. Die Kofinanzierung des Konjunkturprogramms des Bundes kostet die Stadt noch einmal weitere 100 Millionen Euro, sodass wir auch hier Impulse setzen, um die Investitionen und den wirtschaftlichen Betrieb in dieser Stadt am Laufen zu halten. Aber wir brauchen auch Klarheit und Verantwortung für kommende Generationen und denen ist dieses Vorgehen geschuldet. Es kann nicht sein, dass wir sagen, wir haben jetzt wegbrechende Steuereinnahmen in Milliardenhöhe, wir haben wegbrechende Einnahmen und wir versuchen, das irgendwie im allgemeinen Haushalt zu lösen, sondern wir müssen mit dem Vorschlag, den wir hier machen , einen neuen Weg gehen und wir müssen der besonderen Situation Rechnung tragen. Das versuchen wir, indem wir drei Dinge tun.

Wir müssen im ersten Schritt klarmachen, warum wir diese 6 Milliarden Euro aufnehmen, um damit das, was in den nächsten Jahren wegbricht, zu finanzieren. Das ist der erste Grundsatz dieses Konstrukts.

Der zweite Grundsatz ist, dass wir das in einem Sondervermögen tun mit einem entsprechenden Wirtschaftsplan, der die Transparenz herstellt, die es uns ermöglicht, jederzeit zu zeigen, wo wir hinmarschieren und wie wir mit diesen zusätzlichen Krediten umgehen. Nur so können wir auch nachfolgenden Generationen erklären, was wir gemacht haben und warum wir diese Neuverschuldung eingegangen sind.

Der dritte Schritt, das ist wichtig, ist die Pflicht zur Tilgung und die Mahnung an den laufenden Haushalt, dass die 80 Millionen Euro an Zinsen, mit denen wir jährlich in etwa rechnen, aus den laufenden Haushalten bezahlt werden müssen, sodass wir an dieser Stelle Transparenz haben: Da ist noch ein Sondervermögen, da gibt es noch Schulden, die wir aufgenommen haben, und das muss

getilgt werden, um auch unserer Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen gerecht zu werden.

Herr Tschentscher, ich verstehe nicht, was Sie daran zu kritisieren haben. Es ist ein sehr klarer Vorschlag. Wir haben drei Eckpunkte, die im Ausschuss sehr intensiv diskutiert wurden. Es wurde noch einmal dargestellt, dass ein Einbruch in dieser Art und Weise nicht absehbar war, als der Doppelhaushalt aufgestellt wurde. Wenn Sie das hätten vorhersagen können, Herr Tschentscher, hätte ich mir an Ihrer Stelle einen anderen Job gesucht, damit hätten Sie viel Geld verdienen können. Ich glaube, an dieser Stelle hat das keiner der Parlamentarier gesehen und auch nicht der Senat. Wir haben daher einen sehr klaren Weg gefunden, damit umzugehen.

Ein massives Sparen schien uns nicht möglich. 75 Prozent der Ausgaben der Stadt sind festgelegt, 25 Prozent sind im Zuwendungsbereich, aber auch da wäre es grob fahrlässig, jetzt einzugreifen, insbesondere in diesen Dimensionen. Der zweite Weg wäre gewesen, massiv zu privatisieren. Auch das hat Grenzen, ist politisch nicht gewollt und hat in der Vergangenheit deutliche Fehler provoziert. Das ist sicherlich nichts, was in einer solchen Krisensituation ein nachhaltiger Weg wäre, um mit der Finanzkrise umzugehen.

Das bedeutet also, Klarheit in der Schuldenrückführung, Verantwortung für kommende Generationen steht hinter unserem Vorschlag. Wir müssen die Neuverschuldung eingehen, wir müssen das jetzt machen, allerdings nur, um die anstehenden Steuerausfälle in den entsprechenden Jahren auch auffangen zu können. Für nichts anderes darf dieses Sondervermögen ausgegeben werden. Das steht in der Drucksache, wenn Sie sie genau lesen, und ist auch in der Ausschusssitzung noch einmal deutlich gemacht worden. Herr Tschentscher, ich verstehe nicht, welche Drucksache Sie gelesen haben. Ich finde unseren Vorschlag sehr klar und auch verantwortungsbewusst gegenüber der finanzpolitischen Herausforderung, vor der wir in dieser Stadt stehen.

Was steckt eigentlich hinter Ihren Vorwürfen, wir würden einen Schattenhaushalt aufstellen oder dunkle, schwarze Kassen für den Wahlkampf anlegen? Da kann ich Sie auch beruhigen. Wir wollen eine Abgrenzung zu den bestehenden Haushalten mit den bereits bestehenden Schulden und den laufenden Betriebskosten schaffen. Wir haben sehr bewusst die Verwendungsmöglichkeiten des Sondervermögens beschrieben, sodass wir es zu nichts anderem als dem vorgegebenen Zweck verwenden dürfen. Das ist hier dargelegt worden. Ich habe ein tiefes Vertrauen, dass das Sondervermögen, das ja kein eigenständiges ist, so aufgebaut ist, dass sich das wird herstellen lassen. Wir haben sehr klare Mechanismen gefunden, die immer wie

der sichtbar machen, dass es dieses Sondervermögen gibt und dass da Schulden sind, die abgetragen werden müssen. Sobald es uns möglich ist, wird es auch Schuldentilgung geben.

Für mich ist das insgesamt ein sehr solides, planvolles Vorgehen, das zu der von der CDU und GAL gestalteten Haushaltspolitik der letzten Jahre passt. Wir haben sehr viel erreicht und das kann man an dieser Stelle immer nur in Erinnerung rufen, wenn Sie uns eine desaströse Haushaltsführung unterstellen. Wir haben als CDU 2001 die Haushaltskonsolidierung eingeleitet.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das soll Ihr Ein- stieg sein? Das ist doch lachhaft!)

Wir haben 2007/2008 einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung aufgestellt – das war ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung – und die Schuldenbremse umgesetzt, noch bevor dies auf Bundesebene beschlossen wurde. Und wir haben als eines der ersten Bundesländer die Doppik eingeführt. Hier ist ein sehr klarer finanzpolitischer Kurs der CDU-Fraktion, den wir jetzt mit dem Sondervermögen fortsetzen werden. Wir haben tiefes Vertrauen in die vorgelegte Drucksache und werden ihr deswegen auch in beiden Lesungen zustimmen.

Kurz zu Ihrem Ergänzungsantrag. Sie fordern dort, dass man doch bitte die Verwaltung controllen und dort wirtschaftlich haushalten möge. Bei aller Liebe, Herr Tschentscher, das Vertrauen in die Hamburger Verwaltung und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe ich, dass sie das ohnehin tun; das brauchen wir an dieser Stelle nicht zu beschließen.

Wenn wir dem ersten Punkt Ihrer Forderungen zustimmen würden, in das Sondervermögen erst einmal nur die Summe einzustellen, die wir in den ersten zwei Jahren an Ausfällen erwarten, dann würde das das eigentlich gewollte Prinzip konterkarieren; deswegen werden wir das ablehnen.

Wenn Sie jetzt auch noch Vorstellungen haben, welche Steuern der Bund erhöhen könnte, dann können Sie das gerne hier oder auf Bundesparteitagen erläutern, aber das ist kein adäquater Weg, um in Hamburg zu einer vernünftigen Haushaltspolitik zu kommen.

Wir werden hier ganz klar Kurs halten. Wir wollen mit diesem Vorgehen größtmögliche Transparenz schaffen, Arbeitplätze sichern und Investitionen forcieren. Das werden wir mit dieser Drucksache erreichen und haben eine gute Sache auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben dieses Thema ja schon öfter debattiert. Ihre Argumentation, Herr Tschentscher, ist nicht neu.

(Ingo Egloff SPD: Für Herrn Heintze ist sie neu gewesen! Aber der ist ja auch neu!)

Sie ist sogar schlüssig, weil Sie nur über diesen Doppelhaushalt reden. Sieht man sich nur diesen Doppelhaushalt an, dann geht Ihre Argumentation bezüglich der Haushaltskonsolidierung auf. Sie geht nicht mehr auf, wenn man nur ein einziges Jahr weiter schaut und liegt vollkommen daneben, wenn man sich die mittelfristige Finanzplanung ansieht.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn wir hier darüber reden, diesen Haushalt zu konsolidieren, dann ist es schlicht und ergreifend zu wenig, wenn der haushaltspolitische Sprecher der SPD einen Zeithorizont von zwei Jahren hat. Damit werden Sie der großen Aufgabe, der kommenden Generation Spielräume zu hinterlassen, einfach nicht gerecht.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Da haben Sie zu kurz gedacht, Herr Tschentscher. Ich werde Ihnen auch gerne erläutern, woran das liegt.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Es ist in der Tat so, dass wir in diesem und im nächsten Jahr mehr Schulden aufnehmen, als uns Steuereinnahmen wegbrechen. 2012 und 2013 werden wir weniger Schulden machen, als uns Steuereinnahmen wegbrechen. In der Summe werden wir also bis 2013 genau so viele Schulden aufnehmen, wie uns Steuern wegbrechen. Dieses Vorgehen lässt sich ganz einfach mit der verfassungsgemäßen Grenze für die Aufnahme von Schulden begründen, Herr Tschentscher. Wir dürfen nur dann Schulden in Höhe unserer Investitionen machen, wenn das wirtschaftliche Gleichgewicht nicht gestört ist. Wir alle hoffen, dass das in den Jahren 2012 und 2013 nicht mehr der Fall ist. Das heißt, dass wir in diesen beiden Jahren Schulden nur in Höhe der geplanten Investitionen machen dürften. Wir haben für diese beiden Jahre Investitionen von 1 Milliarde Euro geplant. Dem stehen laut Steuerschätzungen Mindereinnahmen durch wegbrechende Steuern von 1,3 Milliarden Euro gegenüber.