Ich nenne ein paar Details. Es wird zum Beispiel – das wurde von meinen Vorrednern erwähnt – von einem Pakt für Prävention gesprochen und, dies wurde noch nicht erwähnt, von einer derzeit im Aufbau befindlichen Datenbank Hamburger Gesundheitswegweiser. Der Gesundheitswegweiser für in Hamburg lebende Menschen mit Migrationshintergrund stammt von 1999; da bedarf es wirklich einmal einer Neuauflage, gerne auch für alle in Hamburg lebenden Menschen.
Aber knüpft er an das zehn Jahre alte Dokument an oder gibt es für Menschen mit Migrationshintergrund einen speziellen Wegweiser? Es gibt keine Aussagen dazu.
Dann habe ich entdeckt, dass es immerhin schon eine Internetadresse gibt für den Hamburger Gesundheitswegweiser. Auf der stehen zwar noch keine Inhalte, aber schon jede Menge kommerzieller Anzeigen. Ist das etwa ein Omen für den Kommerz? In der Drucksache werden wir nun alle eingeladen, mittels des Pakts für Prävention ein gemeinsames Leitbild zu entwickeln. Ich frage Sie, inwieweit die Vorschläge des Hamburger Expertenforums, der HAG, schon in Senatsüberlegungen eingeflossen sind. Das Forum hat im Februar 2009 stattgefunden und enthält eine Fülle von kompetenten Ratschlägen bezüglich der Gesundheitsförderung; auch hier gibt es nur Ausschweigen.
Es wird außerdem davon gesprochen, dass es ein neues Qualitätsverständnis in der Pflege geben muss. Das neue Heimrecht, das auch in der Drucksache erwähnt wird, wird hierzu sicherlich einen wichtigen Beitrag leisten, auch wenn mein Eindruck nach der Experten- und Expertinnenanhörung neulich ist, dass vor allem diejenigen, die alters- und pflegegerechten Wohnungsbau anbieten, kein großes Verständnis für Qualität haben. Aus meiner Sicht wollen die vor allem Miete kassieren. Daher kann ich den Senat nur auffordern, keine Kompromisse bei den Anforderungen und Qualitätsansprüchen an betreute und andere neue Wohnformen zu machen, wenn das Gesetz in seiner Endfassung endlich vorliegt.
Das Hin und Her bei der Frage nach ausreichend ausgebildetem Fachpersonal lässt mich zudem zweifeln, ob die Anforderungen, die durchaus gesehen werden, auch lösungsorientiert angegangen werden. Solange Berufe in der Pflege so schlecht bezahlt werden und die Arbeitsbedingungen derart mies sind, wird es nichts mit der Verwirklichung Ihres hier in der Drucksache hochgestellten Anspruchs, dass Hamburg ein attraktiver Ort für Menschen in allen Lebensphasen wird, sehr geehrte
Herren und Damen des Senats. Letztendlich könnte es heißen, du kannst gut in Hamburg leben, wenn du alt bist, wenn du genügend Geld hast.
Lobenswert werden zudem der Hamburger Krankenhausspiegel und das Beschwerdemanagement, das es in den Krankenhäusern gibt, hervorgehoben. Es sollte aber nicht vergessen werden, wie problembehaftet und anfällig beides ist und wie viele Widersprüche sie in sich bergen. Die letzten Sitzungen des Wissenschaftsausschusses zum Thema UKE haben dies deutlich gemacht, zäh waren die Befragungen. Wenn man sich nicht schnell mit dem Präsentierenden einverstanden erklärte und sich unterwürfig dem Fanclub des UKE-Managements zuordnete, rieselte die kollektive Unruhe der Koalitionsbank auf einen nieder und das nur, weil man nachhaltig Angaben von Beschäftigten und Angehörigen verstorbener Patienten nachgegangen ist, die sich einem anvertraut haben und die skandalöse Ereignisse beobachtet haben und die sich trotz des Beschwerdemanagements nicht trauen, diese Ereignisse zu melden oder sie nicht beweisen zu können.
Mein Resümee ist: Ich glaube künftig noch weniger von dem, was man mir von Senatsseite aus anbietet.
Nun soll laut Drucksache auch in Arbeitskräfte investiert werden. Das Bündnis für Altenpflege vom Juni 2009 wird lobend erwähnt. Besonders für Frauen, das sagte schon Linda Heitmann, sei die Gesundheitswirtschaft ein bedeutender Beschäftigungsfaktor. Das stimmt, insbesondere im Niedriglohnbereich. Ist es nun gewollt, die Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnbereich weiter auszuweiten? Was das dann mit Gleichstellungspolitik zu tun hat, die in diesem Zusammenhang ebenfalls gleich mit einfließt, erschließt sich mir nicht. Aber ich lasse mich hier gern belehren, vielleicht sagen Sie noch etwas dazu.
Wenn der Senat allerdings mit Herausforderungen für die Gleichstellungspolitik meint, dass die Bewertung von Arbeit in der Pflege künftig neu mit den Tarifsvertragsparteien bestimmt werden soll und neue Kriterien gefunden werden, die dann eine neue und vor allem höhere Entlohnung und Aufstiegsmöglichkeit bringen, dann kann ich das nur begrüßen. Aber ich zweifle daran, weil sich die Drucksache doch sehr undeutlich ausdrückt und weil für bessere Entlohnung, mehr Personal und vernünftige, nicht krankmachende Arbeitsbedin
Es ist auch die Rede von Vernetzung der Akteure zwischen Gesundheitsversorgung und Gesundheitswirtschaft, was mich erst einmal beruhigt, erst einmal, denn dann wird noch differenziert. Weiter hinten ist nämlich schon vom Kunden und nicht mehr vom Patienten die Rede, ein aus meiner Sicht übrigens völlig absurder, aber letztendlich auch entlarvender Begriffsaustausch. Die Warnungen meiner Gewerkschaft ver.di, dass Gesundheit nicht zur Ware verkommen dürfe, ist mehr als berechtigt erhoben worden und immer noch hochaktuell.
Aber dann will der Senat nur die Akteure, die die Handelskammer in einem Arbeitskreis zusammengefasst hat, miteinander vernetzen. Raten Sie einmal, ob dazu die Gewerkschaften, die HAG, die Behindertenverbände, Patientenvereinigungen oder die Verbraucherzentrale gehören. Ich finde diese wesentlichen Vertretungen gesellschaftlicher Gruppen, die ein hohes Interesse an einer optimalen Gesundheitsversorgung haben, hier nicht. Wer genau die wesentlichen Akteure sind, auch dazu schweigt sich diese Drucksache aus.
So wundert es dann nicht, dass die im März 2009 neu gegründete Gesundheitswirtschafts GmbH, eine Public Private Partnership zwischen Stadt und Handelskammer, alle diese in der Drucksache erwähnten Punkte weiterentwickeln soll. Für diese Strategie werden 3,3 Millionen Euro bereitgestellt.
Das alles dürfen wir hier heute zur Kenntnis nehmen, Einfluss nehmen dürfen wir nicht mehr. Also ziehe ich vor dem Hintergrund der weiteren Entdemokratisierung und Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser für die gesundheitliche Versorgung vorläufig das ernüchternde Fazit: Der Patient ist tot, es lebe der Kunde.
Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, dann kommen wir zur Abstimmung.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/4242 federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz sowie mitberatend an den Wissenschafts- und den Sozialausschuss zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist das mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 24, Drucksache 19/4327, Bericht des Haushaltsausschusses: 1. Anpassung des Haushaltsplans 2009/2010 auf der Grundlage der Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung 2009 und der Konjunkturmaßnahmen der Freien und Hansestadt Hamburg, 2. Entwurf eines Gesetzes über das "Sondervermögen Konjunkturstabilisierungs-Fonds Hamburg" zur Finanzierung des Doppelhaushalts 2009/2010 und der Folgejahre.
[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 19/3921: 1. Anpassung des Haushaltsplans 2009/2010 auf der Grundlage der Ergebnisse der MaiSteuerschätzung 2009 und der Konjunkturmaßnahmen der Freien und Hansestadt Hamburg 2. Entwurf eines Gesetzes über das "Sondervermögen Konjunkturstabilisierungs-Fonds Hamburg" zur Finanzierung des Doppelhaushalts 2009/2010 und der Folgejahre (Senatsan- trag) – Drs 19/4327 –]
[Antrag der Fraktion der SPD: Haushaltsanpassung in der Wirtschafts- und Finanzkrise – Drs 19/4491 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es geht um eine Drucksache zur Haushaltsanpassung, um mehrere Milliarden Euro. Die Frage ist, warum wenige Monate nach dem Abschluss der Haushaltsberatungen eine solche Haushaltsanpassung notwendig ist. Ich höre Sie schon rufen, die Krise ist es. Die Frage ist aber im Grunde nicht, warum diese Haushaltsanpassung überhaupt notwendig ist, sondern warum ist eine Haushaltsanpassung in diesem Umfang erforderlich. Darüber würde ich mit Ihnen gern ein bisschen nachdenken.
Sie haben uns nämlich gezwungen, im Frühjahr über einen Doppelhaushalt zu beraten, der mit der Realität nichts zu tun hatte. Mit einem geschönten Zahlenwerk hat der Senat geradezu eine solide Diskussion verhindert, nämlich über die Frage, wie wir mit dem Defizit umgehen, und zwar nicht mit dem Defizit der Krise, sondern mit einem Defizit, das Sie schon vor der Krise angerichtet haben. Und am 18. November letzten Jahres gab es einen guten Grund, Ihren Haushaltsplan-Entwurf anzupassen, es lag nämlich eine neue Steuerschätzung
vor. Diese Steuerschätzung hätte Anlass geben müssen, die Haushaltsshow von Schwarz-Grün zu beenden. Darüber hätte ich gern mit Ihnen in der Aktuellen Stunde einmal nachgedacht, was die LINKE wohl mit Haushaltsakrobatik gemeint hat. Ich sage Ihnen, was ich darunter verstehe: 6 Milliarden Euro Defizit anhäufen in wirtschaftlich besten Jahren, Vermögen verkaufen, Schulden machen in Schattenhaushalten, die HSH Nordbank mit Renditeforderungen von 17 Prozent in die Insolvenz reiten und dann auch noch von einer kerngesunden Bank und einem ausgeglichenen Haushalt reden – das ist eine Haushaltsakrobatik, die jetzt in der Krise hart aufs Pflaster schlägt.
Das alles war am 18. November, dem Tag der Steuerschätzung, bekannt. Statt jetzt die Karten auf den Tisch zu legen, beruft der Finanzsenator eine Pressekonferenz ein und erklärt den staunenden Journalisten seine angeblich erfolgreiche Konzernbilanz. Er hätte massive Gewinne erwirtschaftet, das sei ein Meilenstein für mehr Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit. Noch in der Debatte im März redet er von Gewinnen sowohl im Kernhaushalt als auch für die Öffentlichen Unternehmen. Es sei ein starkes Pfund in der Krise, wenn man so den Haushalt konsolidiere. Den Betriebshaushalt in vier Jahren um über 1 Milliarde Euro aufblähen und das Konsolidierung nennen – kein Wunder, dass dieser Senat finanziell völlig am Ende ist.
Der Rechnungshof hat den Konzernabschluss, über den Herr Freytag mit großen Worten gesprochen hat, am 13. Mai dieses Jahres fertig geprüft. Er spricht von Schwachstellen in der Buchführung, mangelnder Transparenz und Scheingewinnen. Das Eigenkapital der Stadt hat sich gegenüber dem Vorjahr um 350 Millionen Euro verringert. Der Rechnungshofspräsident wörtlich:
Das ist die Wahrheit über die Finanzpolitik eines Senats, der die Stadt mit seinen undurchsichtigen Transaktionen in eine der schwersten Haushaltskrisen führt, für die wir jetzt teuer bezahlen müssen.
Sie haben unsere Sparvorschläge alle vom Tisch gewischt, angefangen bei den Fehlinvestitionen von der U4 über die HafenCity Universität, die Mehrkosten bei der Elbphilharmonie bis hin zu unterirdischen Schießständen der Polizei und Einsparungen in den Senatorenetagen der Behörden. Ich habe gerade gehört, dass die Innenbehörde mittlerweile vier Pressesprecher hat. Sie haben aber nicht den Mut, sich einer offenen Diskussion über Ihre Sparmaßnahmen zu stellen. Sie lassen die Behörden Geheimlisten aufstellen und wählen die Punkte aus, die Ihre Kompromisspolitik retten sol
len. Alles andere kommt in den Schredder und danach heißt es: Zu unserem schwarz-grünen Vorschlag gibt es keine Alternativen. Wie es dann mit der Jugend- und Familienhilfe weitergeht, der sozialen Stadtentwicklung, den Bezirken, den Lebensbedingungen älterer Menschen, den Mieten und dem sozialen Wohnungsbau, das wird bei Ihnen keine Rolle spielen und das ist das eigentliche Drama dieser Haushaltsakrobatik.
Die heute vorliegende Drucksache 19/3921 zur sogenannten Haushaltsanpassung zeigt, wie CDU und GAL nicht nur mit Milliarden Euro an Steuergeldern umgehen, sondern auch mit den Haushaltsbeschlüssen der Bürgerschaft. Sie haben auf unsere Hinweise zu den absehbaren neuen Haushaltslöchern immer wieder geantwortet, der beschlossene Haushalt habe Bestand. Es würden nur die konjunkturell bedingten Steuerausfälle durch neue Kredite ausgeglichen. Was lesen wir in der Drucksache tatsächlich? Wir haben im Doppelhaushalt 1,8 Milliarden Euro Steuerausfälle, Sie wollen aber für 3,5 Milliarden Euro neue Schulden machen.
Verzeihung, Herr Kerstan, neue Schulden ist ein altmodischer Begriff bei Ihnen geworden, bei Ihnen heißt das jetzt neue Rücklagen, Rücklagen in einem Sondervermögen Konjunkturstabilisierungsfonds.
Die alten Rücklagen, die auch nichts anderes sind als Schulden und Vermögensverkäufe, sollen stehen bleiben als Wahlkampfkasse für 2012. Wir sollen ab sofort dreimal Zinsen zahlen. Für die alten Defizite, die Sie noch vor der Krise angerichtet haben – lesen Sie es nach, auf Seite 9 in der Tabelle sind diese Defizite genau aufgeführt – sollen wir Zinsen zahlen, für die aktuellen Steuerausfälle und für die künftigen Wahlkampfkassen von CDU und GAL, damit Sie auch nach der Krise nicht sparen müssen und sich Ihre schwarz-grünen Kompromisse gegenseitig mit dem Geld der Steuerzahler abkaufen können.
Ich will Ihnen noch sagen, was ich eine Missachtung von Haushaltsbeschlüssen nenne. Der geltende Haushaltsbeschluss legt nämlich fest, dass Sie Ihre noch vor der Krise angerichteten Defizite ausgleichen mit den bestehenden Krediten der allgemeinen Rücklage und mit Entnahmen aus dem Grundstock, also aus bereits verkauften Grundstücken. Genau das, Herr Kerstan, haben Sie im Frühjahr in der Haushaltsdebatte auch mit großen Worten betont. Ich zitiere einmal aus dem Plenarprotokoll:
"Wann ist es denn sinnvoll, Rücklagen aufzulösen, wenn nicht in der größten Wirtschaftskrise der letzten 30 Jahre."