Protocol of the Session on October 7, 2009

(Glocke)

Darf ich zunächst einmal das Plenum um mehr Ruhe bitten, das beschleunigt das Verfahren. Den Abgeordneten Stemmann darf ich darauf hinweisen, worauf ich auch alle anderen hinweise. – Vielen Dank.

Fahren Sie bitte fort.

Jetzt geistert als Vorschlag durch die Medien, den freien Eintritt für Kinder und Jugendliche abzuschaffen oder ein oder mehrere Museen zu schließen. Das sind Vorschläge, deren Umsetzung der Kulturmetropole Hamburg schweren Schaden zufügen würde. Museen sind und bleiben nach wie vor Bildungseinrichtungen; der Zugang muss frei bleiben, zumindest für Kinder.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Schließung von Museen oder Stiftungen, sei es komplett oder einzelne Teile, bedeutet eine ernsthafte Museenkrise. Das Museum für Kommunikation wird in diesem Monat geschlossen, weil die Museumsstiftung Post und Telekommunikation nicht mehr bereit ist, die im Vergleich zum Gesamtumsatz ihrer Unternehmen geringe Summe für den Betrieb des Museums aufzubringen. Das darf mit einem staatlichen Museum nicht passieren.

(Beifall bei der SPD)

Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die Hamburger Museumsstiftung eine riesige Baustelle geworden ist. Da wird analysiert, da werden die verschiedensten Expertengruppen und Unternehmensberater eingesetzt – was sicherlich auch nicht ganz billig ist –, da wird umstrukturiert. Alles scheint irgendwie im Fluss zu sein. Konkrete

Ergebnisse liegen aber nicht vor, geschweige denn, dass erste Erfolge dieser Maßnahmen sichtbar wären.

Wir wissen bereits seit 2001, dass es um die finanzielle Situation der Museen nicht gut bestellt ist. Es wurden 13,6 Millionen Euro Schulden angehäuft, die der Senat dann getilgt hat. Diese Tilgung haben wir ausdrücklich begrüßt und mitgetragen. Seitdem hat sich aber am strukturellen Defizit überhaupt nichts verändert. Es ist doch so, dass die Stiftungen insgesamt zu wenig Geld haben für die Unterhaltung der Häuser – Stichwort Heizkosten –, eine angemessene Personalausstattung, Restaurierung und Inventarisierung. Ausstellungsetats gibt es so gut wie gar nicht mehr; Ausstellungen müssen überwiegend von Sponsorengeldern finanziert werden und die sind eingebrochen. So kann das nicht weitergehen.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

2007 hat der Senat ein verbessertes Controlling angekündigt, aber heute, im Herbst 2009, kann er noch immer keine Jahresbilanzen für 2008 vorlegen. Da frage ich, wo denn jetzt das verbesserte Controlling ist, sodass jederzeit umgesteuert werden kann, wenn die ersten Defizite auftauchen.

In der Stiftung Historische Museen Hamburg sollte erstmals im Juli 2009 das monatliche finanzielle Berichtswesen eingeführt werden; das war viel zu spät. Jetzt müssen wieder Konsolidierungsprogramme aufgelegt werden. Das Ganze wird zu einer Dauerkonsolidierung ohne Perspektive. Das ist erschreckend, wenn man bedenkt, wie lange sich die Stadt schon mit diesem Problem herumschlägt.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Die SPD-Fraktion hat die Zusammenlegung der vier stadthistorischen Museen Hamburgs kritisch gesehen. Uns war nicht einsichtig, wie das funktionieren soll, die übergreifende Zusammenarbeit einerseits und die Profilierung der einzelnen Häuser andererseits. Das klingt wie eine Quadratur des Kreises. Ein Defizit von 3,5 Millionen Euro bestätigt unsere kritische Haltung. Von Synergieeffekten kann überhaupt keine Rede sein.

Wir wollen einräumen, dass es auch einige gute Ideen gibt. Wir begrüßen außerordentlich, dass im Museum für Hamburgische Geschichte für 2011 eine große Ausstellung zum Themenbereich "Der Norden" geplant ist, die Besucher aus ganz Deutschland anlocken soll.

Auch bei diesem Plan steckt wieder der Teufel im Detail. Die Finanzierung ist noch nicht gesichert. Für die drei anderen Museen, das Museum der Arbeit und die Museen in Harburg und Altona bedeutet das, dass es 2010 und 2011 kaum eine Sonderausstellung geben wird. Wie soll da eine Profi

(Präsident Berndt Röder)

lierung der einzelnen Häuser gelingen? Das sieht überhaupt nicht nach einer guten Lösung aus.

Kommen wir zu einem weiteren Schwachpunkt. Natürlich ist es erfreulich, dass zwischen 1999 und 2008 die Besucherzahlen gestiegen sind. Allerdings ist das kein Hamburger Phänomen. Auch in anderen Metropolen wie Berlin sind die Besucherzahlen gestiegen.

Erstaunlich ist weiterhin, dass der Senat keinerlei Auskünfte über die Besucherstruktur geben kann. Er weiß nicht, wie viele Erwachsene, Studenten oder Rentner die Museen besuchen oder, was besonders wichtig wäre, welchen Bildungshintergrund die Besucher haben, weil die Daten nicht einheitlich erhoben werden.

Wir glauben, dass ein Pisa-Schock, wie ihn die Schulen erlebt haben, bei den Museen noch aussteht. Möglicherweise gehen gar nicht mehr Menschen in Museen, sondern Menschen mit höherem Bildungshintergrund gehen einfach öfter hin. All das weiß der Senat aber nicht und dass jetzt eine Besucherbefragung geplant ist, macht das nicht besser. Wenn man über Besucherstrukturen nichts weiß, dann kann man auch keine gezielte Ausstellungspolitik machen.

Ein letzter Punkt, einer unter vielen, die wir kritisch beurteilen. Das Projekt der digitalen Inventarisierung in den stadthistorischen Museen ist nur auf den ersten Blick ein Erfolg. Es werden zwar mehr Museumsstücke inventarisiert, als ursprünglich dafür vorgesehen waren, das ist natürlich sehr gut, aber es bleiben Millionen von Exponaten, die nach Abschluss des Projektes Ende 2009 noch nicht erfasst worden sein werden. So werden die Museen nie erfahren, welche Schätze in ihren Kellern liegen und eigentlich ausgestellt werden könnten. Wir würden uns freuen, wenn die Senatorin heute mit positiven Nachrichten zur Fortführung des Projektes aufwarten könnte.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zusammenfassen: Alle seit 2001 unternommenen Versuche des Senats, die staatlichen Museen in Hamburg auf eine solide Grundlage zu stellen, sind fehlgeschlagen. Wir brauchen jetzt, analog zu dem Masterplan für Musik, dringend einen Masterplan für die Hamburger Museen. Die Ursachen für die Defizite müssen endlich klar herausgearbeitet werden. Will der Senat die bunte Museenlandschaft Hamburgs zumindest erhalten, dann führt kein Weg an einer finanziellen Neubewertung vorbei. Der Senat darf Hamburgs Museen nicht am ausgestreckten Arm verhungern lassen, das ist einer Kulturmetropole unwürdig. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Martens.

(Dirk Kienscherf SPD: Mal was Inhaltliches!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Oldenburg, ich wollte Sie erst loben, ob des Verdienstes der Großen Anfrage, aber angesichts dieser ewigen Untergangszenarien, die Sie immer in allen Politikfeldern an die Wand malen, finde ich das Lob einfach nicht mehr angebracht.

(Ingo Egloff SPD: Wir weisen darauf hin und Sie gehen unter!)

Das ist miesepetrig, Herr Egloff. Man kann wirklich alles schlechtreden.

(Ingo Egloff SPD: Genau! Wir sind Miesepe- ter! Alles wird gut! Wie bei der Elbphilharmo- nie, da ist auch alles gut!)

Immerhin wächst es.

Der Museumsentwicklungsplan ist jetzt fast drei Jahre alt. Wir haben im Haushalt 2007 13,5 Millionen Euro zur Entschuldung der Hamburger Museen aufgewendet.

Der ganzheitliche Auftrag eines Museums heißt: Beschaffen, bewahren, erforschen, bekanntmachen und ausstellen. Und das machen die Hamburger Museen sehr gut.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vergleiche mit einer Tutanchamun-Ausstellung, die nur Kopien ausstellt, greifen nicht. Die Ausstellung hat in München 350 000 Besucher angezogen und ist jetzt auch in Hamburg zu besichtigen. Die Hamburger Museen sind aber keine derartigen EventMaschinerien, die à la Disneyland Geschichten erzählen. Hamburger Museen sind, wie generell jedes Museum, dem Original verpflichtet und das funktioniert auch. Interessieren Sie sich denn nicht dafür, welche guten Leistungen unsere Museen erbringen? 2006 hat die Caspar-David- FriedrichAusstellung 325 000 Besucher angezogen.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Es kommt nicht auf das Interesse an, aber auf den Lautstärkepegel. Der ist im Moment zu hoch.

Dass die Hamburger Museen auch gegenwärtig erfolgreiche Arbeit leisten, zeigt sich darin, das die Sigmar-Polke-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle "Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinen" als Ausstellung des Jahres 2009 ausgezeichnet worden ist.

(Dr. Christel Oldenburg)

Ich möchte angesichts der fortgeschrittenen Zeit gar nicht weiter diskutieren. Das Interesse ist hier im Plenum sowieso recht gering. Ich denke, wir sollten das unter uns Fachleuten im Ausschuss diskutieren und das Ergebnis dann dem gesamten Plenum vorstellen. Wir haben zu der Großen Anfrage noch keine Abschlussbilanz vorliegen; wir können hier jetzt sowieso nicht über konkrete Zahlen reden. Das sollten wir im Ausschuss machen. Ein Punkt dabei wäre mir ganz wichtig, dass wir nicht nur den Jahresabschluss von 2008 heranziehen, sondern auch die monatlichen Abschlüsse der Stiftungen in 2009. Mein Vorschlag wäre, im Ausschuss eine Anhörung zu machen, dazu die Experten von vor drei Jahren heranziehen und zusätzlich die Gutachter Birnkraut und Richter sowie die Direktoren der Museen dazu bitten. Man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass wir die Lösung für die Hamburger Museen nur im Schulterschluss mit Herrn Dr. Freytag schaffen werden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Gümbel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Oldenburg, eines ist klar: Hamburg braucht seine Museen. Sie sind das kulturelle Gedächtnis der Stadt und der Ort der kulturellen Selbstvergewisserung. Hamburg muss aber auch von seinen Museen erwarten können, dass sie als verlässlicher Partner agieren. Als gutes Beispiel, das konnten wir aus der Großen Anfrage, die Sie gestellt haben, ersehen, geht das Museum für Kunst und Gewerbe voran. Hier gelingt die Umsetzung dessen, was der Neuausrichtung der Hamburger Museumslandschaft zugrunde gelegt wurde.

Vorausgegangen war ein Diskurs in den Neunzigerjahren. Bundesweit wurde überlegt, wie die Strukturen der Museen verändert werden müssen, damit sie ihre Aufgaben besser, wirksamer und wirtschaftlicher wahrnehmen können. Man versprach sich von der Umwandlung der Rechtsnorm, also der Entlassung der Museen in größere Autonomie, dass sich bei den handelnden Personen das Kostenbewusstsein und die Dienstleistungsorientierung verstärken würden. Das ist im Grunde das, Frau Oldenburg, was Sie angesprochen hatten.

Als Ausdruck dieser Überzeugung wurde 1998 die rechtliche Verselbstständigung der Hamburger Museen beschlossen. Da sich aber auch neun Jahre später der Kostendeckungsgrad nicht wesentlich verändert hatte, beschloss man 2007, noch einen Schritt weiter zu gehen und die vier stadt- und kulturhistorischen Museen zusammenzulegen. Ziel war wiederum eine Bündelung der fachlichen und der finanziellen Ressourcen. Verbunden mit der

Zusammenlegung der vier historischen Museen, also dem Museum für Hamburgische Geschichte, dem Altonaer Museum, dem Helms-Museum und dem Museum der Arbeit zu der Stiftung Hamburgische Museen für Stadt- und Kulturgeschichte, war eine Entschuldung aller städtischer Museen vorgesehen und realisiert worden. Dafür hat die Stadt 2007 13 Millionen Euro zur Entschuldung in die Hand genommen.

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD – Dr. Andre- as Dressel SPD: 2007 haben Sie noch nicht regiert!)

Wir Grüne haben in der letzten Legislaturperiode aus den oben genannten Gründen die Zusammenführung der historischen Museen für richtig befunden. Durch diesen großen Schritt hat sich seit 2007 schon viel bewegt; auch das haben die Kolleginnen bereits angesprochen. Ich erwähne es noch einmal kurz: Die Abstimmung der Ausstellungs- und Sammlungspolitik wurde verbessert, eine museumsübergreifende Programmkommission eingesetzt, die digitale Inventarisierung der Sammlungsbestände organisiert und die Objekte wurden deutlich schneller als geplant erschlossen. Die Entwicklung eines prägnanten museumspädagogischen Profils der Museen wurde auf den Weg gebracht und eine verbesserte Zusammenarbeit aller sieben Museen in der Öffentlichkeitsarbeit erfolgreich aufeinander abgestimmt.

Im Gegensatz zu diesen Entwicklungen zum Positiven blieb die finanzielle Situation der Museen unbefriedigend.