Protocol of the Session on September 3, 2009

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Dobusch, es ist klar, was Sie an Fakten und Analysen gebracht haben, lässt sich nicht wegleugnen. Das ist so und das will ich auch gar nicht beschönigen. Aber ich möchte einmal erwähnen, dass wir seit 30 Jahren bei dem Thema sind und eine Menge erreicht haben. Wir haben das Grundgesetz ergänzt, ein Gleichstellungsgesetz erarbeitet, wir haben Frauenministerien und eine Gleichstellungsstelle, wir haben Frau

(Gabi Dobusch)

enförderpläne erarbeitet, Gleichstellungsbeauftragte in allen Bereichen eingesetzt, Sensibilisierung auf allen Entscheidungsebenen durchgeführt, dass es schon fast zu einer Sensibilerei verkommen ist, Gender-Mainstreaming angestoßen, wir haben sogar Gender-Budgeting initiiert. Frauen sind also gefördert, gefordert und gewünscht – offiziell. Natürlich würde es niemand wagen, etwas dagegen zu sagen.

Sie haben die oberen Etagen in den Behörden angesprochen. Wenn man sieht, wie sich das langsam, aber sicher aufbaut in den Behörden, so haben wir doch einen geräuschlosen Anstieg an Frauen in vielen Bereichen. Das kann man auch nicht ganz beiseiteschieben und sagen, es ist alles nur schlecht gewesen. Aber irgendwo tritt die Frauenbewegung auf der Stelle, daran ist nichts zu rütteln. Die Zahlen belegen das ganz einfach und irgendwie habe ich hier ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich bin die Einzige, die aus den Neunzigerjahren noch übrig geblieben ist von den frauenpolitischen Sprecherinnen der Parteien; es sind ja alles neue dazugekommen. Wir sind einmal im Jahr zu den Haushaltsberatungen hier aufgelaufen und haben den rituellen Schlagabtausch ausgeführt. Mein Part war, zumindest bis 2001, der der Kritik, des Aufwühlens und des Pushens, während die Regierungsvertreterinnen immer auch noch die kleinsten Fortschritte als tolle Errungenschaften angesehen haben.

Ich erinnere mich, dass Krista Sager einmal von einem Quantensprung in der Frauenpolitik gesprochen hat.

(Antje Möller GAL: Als sie das Senatsamt eingeführt haben!)

Recht hat sie, denn ein Quantensprung – da kommt die Lehrerin mal wieder durch – ist die denkbar kleinste Veränderung, die man sich vorstellen kann. Es ist unter Aufblitzen eines Energiequants eine Rückführung …

(Michael Neumann SPD: Das haben wir schon einmal gehört!)

Wenn Sie es immer noch nicht begriffen haben, dann dürfen Sie den Begriff auch nicht mehr benutzen.

(Michael Neumann SPD: Nein, das letzte Mal haben wir das erzählt, als Sie den Be- griff benutzt haben!)

Ne, ne, das haben Sie verwendet.

Es endet in einer absoluten Trägheit und das kann man eigentlich auf die Situation der Frauenpolitik auch gut anwenden in allen Bereichen, nicht nur bei uns. Seit zehn Jahren ist die ganze Bewegung rückläufig, nicht in den einschlägigen Kreisen, das ist richtig. Die ewig gleichen Verdächtigen treffen sich zum 7. März einmal im Rathaus und auch in anderen Zirkeln, aber was passiert draußen auf

der Straße? Wenn Sie sich Frauen anschauen, die um die 30 Jahre alt sind, dann haben die gar nicht das Gefühl, dass sie sich für Gleichberechtigung einsetzen müssen. Für sie ist die Gleichberechtigung eigentlich schon abgeschlossen. Sie haben eine tolle Ausbildung, eine tolle Karriere vor sich, sie steigen fröhlich in den Beruf ein und haben eigentlich noch keine Diskriminierung erfahren. Wenn sie dann so Ende 30 werden und sich für die Familie entscheiden, beginnt zum ersten Mal der Anzug zu kneifen. Da ist aber dann die Kinderbetreuung das Wichtigste, da muss die Partnerschaft gesichert werden und man hat eigentlich gar nicht so den Drive, sich auch noch um Frauenpolitik zu kümmern. Wenn noch das zweite oder dritte Kind dazukommt, man in die Teilzeit ausweicht und im Grunde genommen das Gefühl hat, der vorpolitische Raum, das kleine Engagement im Privaten sei eigentlich viel wichtiger als das, was in der großen Politik abläuft, dann ist Gleichberechtigung eigentlich nicht zielführend.

Wenn man aber jenseits der 50 ist als Frau, dann kommt die Situation, lieber Herr Kienscherf, dass man plötzlich anfängt, darüber nachzudenken. Dann sind nämlich die Kinder aus dem Haus, der Mann vielleicht auch, weil er sich um die zweite Familie kümmern muss, die er sich mittlerweile angeschafft hat. Da bemerkt man mit einem Mal, dass sich das alles nicht so verwirklicht hat, wie man es sich gedacht hat, und dass sich auch in der Politik eigentlich gar nicht so viel tut, und was passiert dann? Dann kommt so ein Antrag wie der, den Sie heute gebracht haben. Dann werden wir alten Häsinnen angesprochen und es heißt, warum macht ihr eigentlich nichts. Dann ist bei mir so ein Punkt erreicht, wo ich frage, wer hat hier eigentlich die Gleichstellungspolitik schleifen lassen, wenn nicht die nachfolgenden Generationen, die sich so sicher waren, dass alles in Ordnung ist. Wer wollte ums Verrecken keine Emanze sein, wer hat den Feminismus verteufelt und gesagt, doch nicht ich, bitte keine Quotenfrau, mein Gott, wo sind wir denn da, ich bin doch leistungsstark. Aber man kann sich natürlich nun nicht darauf ausruhen und sagen, wir haben einmal gekämpft und auf den Barrikaden gesessen und nun seht zu, wie ihr das selber macht. Natürlich muss man da eingreifen. Ich weiß aber – da bin ich etwas kritischer eingestellt als Sie –, dass eine gesetzliche Regelung nie eine unfaire Behandlung wird aushebeln können.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das beste Beispiel dafür ist, auch wenn es mir und Ihnen am Herzen liegt, das AGG, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, von der Politik so ein bisschen nolens volens durchgewinkt, von der Wirtschaft aus ganzem Herzen abgelehnt und von den Betroffenen eigentlich nicht so ernst genommen. Die von uns neu eingerichtete Stelle Vielfalt wird hoffentlich dafür sorgen, dass sich das alles wieder in normalen Bahnen als wirksam erweist.

Was die Quotierung in der Wirtschaft betrifft, bin ich ausgesprochen zurückhaltend, da meine Erfahrungen mit der Quotierung aus der Politik kommen. Dort sind sie wichtig und dort halte ich sie auch nach wie vor für notwendig, auch wenn manche das nicht so gut finden mögen. Wir haben eine Fülle an Quoten in der Politik, wir nennen sie nur anders, wir sprechen von Proporz, Kreisverband, Landesverband, Vereinigungsproporz und Ähnlichem.

(Wolfgang Beuß CDU: Konfession!)

Auch einen Konfessionsproporz gibt es. Diese Fülle an Quoten in der Politik ist notwendig, denn eine Volkspartei lebt von einer ausgeglichenen Mitgliedervertretung. Dies auf die Wirtschaft zu übertragen, halte ich für gefährlich, denn in dem Moment wird tatsächlich das, was wir eigentlich erreichen wollen, nämlich die Qualitätssicherung, wieder zurückgefahren. Da wird plötzlich das, was an und für sich nützlich sein soll, wie zum Beispiel Vielfalt, Ungleichheit oder andere Begabungen, wieder nivelliert und auf das Gleichheitsprinzip heruntergefahren und das wollen wir nicht.

Nun möchte ich auf die drei Punkte in Ihrem Antrag eingehen, den wir an den Rechtsausschuss überweisen werden, wo er hingehört, weil die neue Stelle Vielfalt in der Justizbehörde angesiedelt ist.

Zu Punkt eins: Ich kann nicht glauben, dass es kein Register, keine Sammelstelle gibt. Das muss es doch ganz selbstverständlich geben und das gibt es ganz bestimmt intern. Doch selbst wenn wir offiziell ein solches Register haben, dann ist die große Frage, ob die Frauen, die dort verzeichnet sind, auch genommen werden, denn erzwingen kann man das nicht.

Zu Punkt zwei: Lebenslanges Lernen ist wichtig, das kann man nicht verhindern,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Da sind aber einige, die ha- ben es verhindert!)

aber ich habe das Gefühl, dass in manchen Bereichen bestimmte Altersgruppen und mit ihnen eine bestimmte Denkweise erst einmal herauswachsen müssen.

Zu den Punkten 3 und 5: Das hat Zündstoff, das sollten wir im Ausschuss diskutieren und Punkt 4 kann auch nicht schaden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir überweisen also Ihren Antrag an den Rechtsausschuss und dann sehen wir weiter.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Frau Güclü.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin Frau Dobusch dankbar für den Antrag, aber jenseits der bisherigen Beiträge möchte ich einen Schritt zurückgehen. Wenn wir uns über Gremienbesetzung und Geschlechtergerechtigkeit unterhalten, unterhalten wir uns doch hauptsächlich auch über ein Demokratieverständnis, über eine Beteiligungskultur. Die Quote als ein Instrument, Frau Koop, weil Sie das sehr kritisch anmerkten, kann durchaus ein sinnvolles Instrument sein zur Herstellung von mehr Geschlechtergerechtigkeit und ich würde sie sehr deutlich bejahen. Die Quote war bisher ein Erfolgsmodell für mehr Geschlechtergerechtigkeit und ich würde sogar sagen, sie ist ein grünes Erfolgsmodell, das gerne kopiert, aber in Deutschland selten erreicht wird. Wir Grünen haben es ernst gemeint mit fiftyfifty. Wenn ich die Parteien ins Blickfeld rücke, so haben bei uns Frauen wirklich eine Chance und sind zu gleichen Anteilen wie die Männer in den Parlamenten vertreten.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Bei uns auch!)

Wie sich einige von Ihnen vielleicht erinnern, ist es 1986 gelungen, mit der grünen Frauenfraktion erstmals den Frauenanteil von 15 Prozent auf immerhin 33,3 Prozent in der Bürgerschaft zu erhöhen. Aktuell haben wir einen Anteil von 35,5 Prozent und ich kann nur trocken feststellen, dass das in einem Zeitraum von über 20 Jahren nicht gerade große Sprünge sind.

Sehen wir uns zum Vergleich einmal die anderen Parteien an, denn das, was wir sozusagen extern erwarten, müssen wir auch selbst erfüllen. Die SPD scheitert noch immer knapp an der 40 Prozent-Hürde, für die CDU sind die selbst auferlegten 30 Prozent auch nicht immer ganz zu schaffen und werden auch ganz gerne einmal umgangen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Aber wir haben die Kanzlerin!)

Ja, Sie haben die Kanzlerin, das stimmt, Herr Hesse.

Bei der LINKEN stimmt die Quote zumindest an der Basis, aber sieht man sich dann die Führungsebenen an, so wird sie doch von etwas älteren Herren dominiert. Wenn wir den Sprung in die Wirtschaft machen, da kann ich Frau Dobusch nur recht geben, dann fehlen in Deutschland Frauen tatsächlich. Immer wenn es um Geld und wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen geht, sind Frauen nicht vertreten. Das Beispiel in Norwegen haben Sie, Frau Dobusch, auch schon angeführt. Was Norwegen geschafft hat, ist tatsächlich beispielhaft. Mit der Einführung der Quote, die im Übrigen von einem konservativen Wirtschaftsminister erfolgte, wurde dort tatsächlich der Privilegierung von Männern ein Riegel vorgeschoben. Sehen wir uns Frankreich an, so hat es mit dem sogenannten

(Karen Koop)

Paritégesetz eine Quotenregelung für die Wahlen festgelegt, mit der im Falle eines Verstoßes die Parteienfinanzierung gekürzt wird – ein sehr wirkungsvolles Instrument, wie Sie sich denken können.

Wir haben uns in der Koalition dafür eingesetzt, dass wir auch in Hamburg endlich beim Thema Frauen in Gremien und Führungspositionen in öffentlichen Unternehmen vorankommen, denn auch ich stelle fest, dass Frauen insbesondere auf den Führungsebenen der Hafen-, Wirtschafts-, Wohnungs-, Stadtentwicklungs- und Verkehrsunternehmen gänzlich fehlen. Das heißt, es werden wichtige Potenziale nicht genutzt und vergeudet, und wir sind uns einig, dass wir hier gegensteuern müssen. Wie bereits erwähnt, haben wir dies auch im Koalitionsvertrag deutlich festgelegt. Auch wir möchten einen Anteil von mindestens 40 Prozent beider Geschlechter in diesen Gremien. Leider ist dieser Teil des Koalitionsvertrages noch nicht umgesetzt worden, das ist richtig, aber wie Frau Koop angemerkt hat, wurde im August die Arbeitsstelle Vielfalt eingerichtet, deren primäre Aufgabe es ist, für eine Erhöhung der Frauenquote zu sorgen, und ich bin mir sicher, dass der Senat uns diesbezüglich bald einen Vorschlag unterbreiten wird.

Liebe Frau Dobusch, Sie wissen, ich schätze Sie sehr, gerade für Ihr großes frauenpolitisches Engagement, aber ein paar Dinge muss ich in diesem Zusammenhang doch noch anmerken. Der uns heute vorliegende Antrag ist uns nicht fremd. Es ist der Antrag meiner Kollegin Frau Dr. Verena Lappe vom Februar 2008, zwar mit aktuellen Zahlen, ansonsten aber eins zu eins kopiert. Daher war er für uns nichts Neues und wir finden ihn nach wie vor gut, egal ob nun Sie ihn jetzt eingebracht haben oder wir damals. Doch ich möchte Sie daran erinnern, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Bundestagsfraktion anscheinend einen völlig anderen Umgang damit haben als wir, denn ein Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, und zwar ein Antrag für eine Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen, wurde von Ihrer Fraktion nicht nur abgelehnt, sondern mit wirklich absurden Kommentaren ins Lächerliche gezogen, zum Beispiel von Joachim Stünker, der diesen Antrag für überflüssig hielt, wie Sie im Plenarprotokoll nachlesen können.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir sind hier in Ham- burg, Frau Güclü! – Michael Neumann SPD: Der Name sagt doch alles!)

Ich finde, die SPD hatte auf Bundesebene einen großen Gestaltungsspielraum, Deutschland gerade in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen. Sie ist daran nicht gescheitert, weil sie erst gar nicht den Versuch unternommen hat, sondern sie hat sich weggeduckt und insofern zu verantworten, dass wir gleichstellungspolitisch noch

immer in nur kleinen Trippelschritten vorankommen.

Zum Berliner Landesgleichstellungsgesetz, das Sie angeführt haben, möchte ich auch noch etwas sagen. Es ist richtig, dass Berlin 2002 den Paragrafen Gremien in das Landesgleichstellungsgesetz aufgenommen hat, aber hinsichtlich der Umsetzung ist etwas Interessantes passiert. Der rot-rote Senat in Berlin hat bei der Besetzung von Führungsstellen nämlich rechtswidrig gehandelt. Im Frühjahr ging durch die Medien und sorgte für Schlagzeilen, dass zum Beispiel Führungspositionen bei der Investitionsbank, der Stadtreinigung und den Verkehrsbetrieben rechtswidrig besetzt wurden.

(Dirk Kienscherf SPD: Wissen Sie, was Sie im Kreisvorstand Nord alles gemacht haben, Frau Güclü?)

Auch aus den Reihen der Frauen wurde starke Kritik laut und zur Rechtfertigung wurde damals angeführt, dass zu besetzende politische Positionen nicht dem Landesgleichstellungsgesetz entsprechen müssten. Es wurden also Hintertürchen gefunden, wie man das Gesetz umgehen konnte.

Auch dies zeigt deutlich, dass wir einen ziemlich großen Diskussionsbedarf haben. Ich will jetzt nicht auf die einzelnen Punkte im Antrag eingehen, kann aber, wie ich denke, im Namen aller Fraktionen zusammenfassend feststellen, dass wir uns im Großen und Ganzen einig darin sind, dass wir in diesem Punkt sehr weit hinterherhinken und großer Handlungsbedarf besteht. Über die Frage der Instrumentarien müssen wir uns gründlich Gedanken machen, sie diskutieren und im Ausschuss beraten. Das tun wir sehr gerne, weil wir es für ein wichtiges Thema halten, und ich persönlich freue mich darauf.– Danke.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Frau Artus.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich bin der SPD und Frau Dobusch dankbar dafür, dass sie diesen Antrag reaktiviert haben, und ich bin auch Frau Koop dankbar für den Rückblick in die Geschichte und den Versuch eines Resümees, warum sich so vieles dann doch nicht eingestellt hat, wie man sich es erhoffte. Ich möchte den Versuch einer Antwort unternehmen, auch wenn damit die Debatte wahrscheinlich nicht beendet sein wird.

Vielleicht waren die Maßnahmen nicht konsequent genug. Appelle allein reichen nicht aus, wenn wir über patriarchale Verhältnisse sprechen, die seit Jahrtausenden andauern und nicht innerhalb weniger Jahre aufgebrochen werden können. Gegen Gleichberechtigung hat eigentlich keiner mehr et